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DAS ALTE SCHLOSS ZU ASCHAFFENBURG
(BIS 1558).
Schloß- und Stadtbefestigungen.
Unermüdlich ziehen die stillen Wasser des Mains zu Tal, seit Jahrtausenden folgt rastlos Welle auf Welle, in ewig junger Naturkraft alle Wechsel der Zeit überdauernd. Die Berge mit ihren friedlichen Tälern, durch die sich einst der junge Strom mit schäumendem Uebermut siegreich Bahn brach, stehen noch ragend, wie an jenem ersten Tage; die Wälder und Fluren, die seine Ufer umsäumen, sind noch wie damals, nur was des Menschen Hand in schaffender Arbeit errichtete, ist, wie er selbst, dem Verfall und der Vergänglichkeit unterworfen.
Oede und einsam war es hier in jener Urzeit, dicht verwachsen und unwirtlich, lange mußte der Mensch in verwegenem Kampfe und harter Mühe ringen, bis er sich Bahn gebrochen in diesen verlassenen undurchdringlichen Waldgegenden. Die fließenden Wasser hörten den Schlag der Axt, sie sahen armselige Holzhütten in dem Dickicht, das sich langsam lichtete, auf den Fluten glitt der Einbaum hinab.
Andere Zeiten kamen. Durch die Berge klang schaurig das Echo römischer Tubahörner, gewappnete Krieger erblickten die erschrocken aufblitzenden Wellen, trotzige Männer bauten die ersten Brücken über sie (1), Kastelle und Mauern stiegen aus der Erde. Ein ander Geschlecht zerbrach diese Grenzfesten, in den gährenden Zeiten der wandernden Völker zog manch fremder Stamm das Maintal hinab, und als es endlich wieder ruhig geworden, als die Merovinger-Könige jene Gegenden in ihren Besitz genommen, pilgerten ernste Männer den Strom hinauf und kündeten den rauhen Einwohnern mit leuchtendem Auge und glaubensvollem Gemüte von dem Erlöser der Welt. (2)
In einem stillen Winkel, da wo der Main wieder nach Nordwesten fließt, nachdem er die große sudliche Schleife über die alten Städtchen Wertheim und Miltenberg fast beendet hat, liegt Aschaffenburg auf den letzten Ausläufern des Spessarts, die hier bis an den Fluß vorrücken: jenseits der Ufer, weit hinter der fruchtbaren Niederung schließen in blauender Ferne die sanften Höhenzüge des Odenwaldes den Horizont.
Lange war man der Ansicht, diese Stadt sei ursprünglich ein römisches castrum mit einer Niederlassung gewesen auf dessen Grundmauern später die erste Anlage des Alten Schlosses, dessen Reste man auf dem Badberge suchte, erstanden sei: (3) mau lutdi sie für einen Brückenkopf des am anderen Ufer liegenden Kastells Stockstadt des transrheinischen limes, der
hier nicht wie in seinem übrigen Laufe von Wall und Graben, sondern zwischen Miltenberg und Groß-Krotzenburg nur von dem trennenden Flusse gebildet wurde.
Dieser Glaube bildete sich durch die Funde, die man 1777 bei Niederlegung eines Stadtturmes (Döngesturm) der alten Mauer machte. Es fanden sich dort römische Opfer- und Gelübdesteine eingemauert, und der geistliche Rat Heim, der sie damals beschrieb, folgerte daraus den römischen Ursprung Aschaffenburgs.
Heute ist, dank der Ausgrabungen des Kreisrichters Conrady (Miltenberg) (4) nachdem schon vorher Herrlein zuerst die festgewurzelte Meinung angezweifelt hatte (5), erwiesen, daß hier nie Römer gesessen, daß alle diese Steine (6), deren Gesimse meist abgeschlagen wurden, um sie als glatte Quadern besser vermauern zu können, aus dem nahen Stockstadt stammen.
Wahrscheinlich hatte der Mainzer Erzbischof Adalbert I., als er 1122 Aschaffenburgs Mauern, wie wir unten sehen werden, notgedrungen plötzlich erweitern und verstärken mußte, dies Material, soweit es nicht die umwohnenden Landbewohner für ihren Häuserbau benutzt hatten, heranbringen lassen. Bis auf die untersten Fundamente wurde damals das verlassene Kastell umgewühlt, alles, was irgend brauchbar war, wurde fortgeschleppt. Wäre in Aschaffenburg jemals eine römische Ansiedlung gewesen, hätte man gewiß Scherben ausgegraben, die sich an allen derartigen Plätzen in großer Zahl finden. Nachforschungen in dem Boden Aschaffenburgs zeigten aber keine Spur von diesen, und die wenigen Münzen, die man bisher entdeckte, sind keineswegs ein sicherer Anhalt, da sie bei dem regen Verkehr der römisehen Kaufleute fast überall verstreut vorkommen. Auch berührte die alte Römerstraße den Winkel, den der Fluß hier bildet, und an dem unsere Stadt liegt. überhaupt nicht, sondern ging von Stockstadt in gerader Linie auf Obernburg zu.
In der Merovingerzeit sollen Karl Martell und Pipin der Kurze in diese Gegend gekommen sein, um im Spessart, den vorher schon König Gunther von Worms mit seinen Degen durchzogen hatte, dem Waidwerk obzuliegen. (7)
Unter Karl des Großen wurde der Spessart, der sich damals noch bis in die Gegenden des Odenwaldes erstreckte (8), königlicher Bannforst; ein schlichtes Jägerhaus, nur aus Findlingen und Holz errichtet, bot gewiß dem hohen Jäger Schutz und Unterschlupf vor Wind und Wetter, und seine Nachfolger, die vorübergehend in Frankfurt residierten (9), werden den Main hinaufgefahren sein und wie einst der große Vorfahr von hier aus durch die wildreichen Wälder gepürscht haben.
Um 855 findet sich Aschaffenburg urkundlich erwähnt (10) und wir erfahren, daß die Königin Liutgard, die Gemahlin Ludwigs des Jüngeren, in Asseafaburh am 30. November gestorben und ehrenvoll bestattet ruhe. (11)
Ferner berichtet Ekkehard von Aura, wie auch Girstenbrey angibt, die Hochzeit der beiden eben erwähnten Fürstlichkeiten habe zu Aschaffenburg in Ostfranken stattsgefunden (869) und letztere Stadt sei der Liutgard als Morgengabe und Witwensitz von ihrem Gemahl geschenkt worden. (12) Wurde ein solches Fest hier gefeiert, mußte das ehemalige Jagdhaus Karls des Großen unterdessen erweitert worden sein, und gewiß war auch eine Niederlassung allmählich um dasselbe entstanden. Nach dem Tode der Königin Liutgard, die in Aschaffenburg ihre letzte
Ruhestätte fand (13), kam die Stadt an die fränkischen Herzöge, die in dieser Zeit der zunehmenden Entwickelung des Sonderstaats in Deutschland auch hier ihre Macht zu entfalten anfingen.
Inzwischen hatte Eberhard von Franken im Jahre 941 nach dem gemeinsamen Aufstande mit Heinrich, dem Sohne Otto I., Giselbert von Lothringen, Ludwig IV. von Frankreich und Erzbischof Friedrich von Mainz bei Andernach Land und Leben verloren: das Herzogtum wurde nicht wieder hergestellt, und Eberhards Erbgüter geteilt. 974 ist Otto, der Sohn Ludolfs von Schwaben, der Enkel Otto I. im Besitze der civitas Ascafaburc (14). Als er am 31. Oktober 982 auf dem Heimweg von Unteritalien, wo er mit Kaiser Otto II. gegen Griechen und Sarazenen gekämpft hatte, in Lucca starb (15), ließ er sein Land, da er unvermählt geblieben war, ohne Erben, nur für seine Stiftung, die er der Aschaffenburger Kirche gemacht hatte, war schon vorher von ihm in verschiedenen Schenkungsurkunden gesorgt worden.
Er ist der Erbauer der Stiftskirche zu St. Peter und Alexander und Gründer des Kollegiatstiftes in Aschaffenburg (16); ferner ließ er sich an demselben Orte ein Schloß, oder richtiger ausgedrückt, eine Behausung und Unterschlupfstätte für Jäger errichten, wie es in der hetreffenden Handschrift heißt. (17) „Ravenspurc“ nannte man diesen Sitz, der in der Nähe des damals noch kleinen Ortes Aschaffenburg lag. Nach einer alten Sage (18) stand diese Ravensburg schon zur Zeit Karls des Großen, der sich auf einem Pürschgange nachts in dem dichten Walde verirrte, und gelobte, an der Stelle, wo er den ersten Menschen treffen würde, ein Kloster zu gründen. Früh morgens weckte ihn das Geräusch eines Holzfällers, der ihm mitteilte, daß er in der Nähe der Ravensburg übernachtet habe, und der Kaiser löste bald sein Versprechen ein.
Möglich, daß diese Sage erst später entstanden, als Otto seine Behausung bereits so genannt hatte, möglich auch, daß letzterer das alte Jagdschloß, das schon seit Karls Zeiten den Namen trug, für seine Zwecke wohnlicher gestaltete, jedenfalls irren alle früheren Geschichtsschreiber des Schlosses (19), wenn sie die Stelle dieses ersten Baues in der Webergasse suchen, wo heute das Forstamtsgebäude und das Kornhäuschen steht (20); alle haben sich durch den Merianschen Stadtplan (21) von 1646 irre leiten lassen, auf dem freilich ungefähr an dem bezeichneten Orte „das alt Schloß“ steht. Auch der Prospekt Aschaffenburgs in dem Kupferstichwerke Ridingers (22) zeigt über einer Reihe von kleineren Gebäuden, die ebenfalls an der obengenannten Stelle stehen, die Worte: „Das Altte Schloß“. Was dies für eine Anlage war, werden wir später erfahren, nur soviel sei gesagt, daß der Zeichner des Planes in der Topographia hiermit eine weit Jüngere Anlage meinte.
Ottos Leiche wurde von Lucca über die Alpen nach Aschaffenburg gebracht und in Anwesenheit des Erzbischofs Willigis feierlich in der Stiftskirche beigesetzt. Bald darauf kam die Stadt zum Erzbistum Mainz, denn schon im Jahre 989 erbaute Willigis bei derselben die erste Brücke (23) über den Main und fast 820 Jahre blieb sie treu unter diesem Reginiente. Erst im Jahre 1122 wird wieder der Stadt und des Schlosses urkundlich Erwähnung getan. Damals lag Kaiser Heinrich V. mit dem Mainzer Erzbischof Adalbert I. im Streit wegen der Neubesetzung des Würzburger Stuhles und da der ebenso „tatkräftige als weitausschauende und diplomatisch gewandte“ Kirchenfürst deshalb einen festen Zufluchtsort brauchte, um sich vor einer eventuellen neuen Gefangennahme von Seiten des Kaisers zu schützen, so erneuerte er die alten Stadtmauern seiner Residenz Aschaffenburg (24) verstärkte und erweiterte sie und befestigte gleichzeitig das alte Schloß, von dem es heißt, daß es schon seit langer Zeit fast gänzlich verfallen und zerstört war (25).
Gewiß mußte der Bau möglichst beschleunigt werden, zumal der Kaiser, der von dem kühnen Plane Adalberts gehört hatte, sich persönlich beleidigt fühlte und dies Unternehmen als eine Verletzung der Reichsgesetze ansah. (26) Tag und Nacht werden, die Städter für ihren Herrn gearbeitet, viele Fuhren Steine werden die Einwohner der umliegenden Ortschaften im Frondienst mühsam herbeigeschafft haben, und damals war es auch, daß von Stockstadt als willkommenes Material die bereits behauenen Quaderreste des alten Römerkastells angefahren wurden. Alle römischen Funde, die man in Aschaffenburg machte, waren in dem Mauerwerk, das Adalbert hatte errichten lassen, auch der Döngesturm, den wir oben erwähnten, gehörte in diesen Befestigungsring, gerade er sollte nach seinem Abbruch im Jahre 1777 ein wichtiges Dokument für die angeführte Behauptung liefern. Es kam nämlich hier ein Gelübdestein zutage, den ein gewisser Publius Ferrasius Avitus dem Jupiter geweiht hatte. Nun fand sich in Stockstadt das Bruchstück eines ganz ähnlichen Denkmals (27), dessen Inschrift nach dem Votivstein aus dem Döngesturm unschwer ergänzt werden konnte und es ergab sich, daß beide Steine von demselben Stifter herrühren. Beide waren auch ohne Zweifel einst an demselben Orte, in Stockstadt, aber während der eine an seinem alten Platze verblieb, wurde der andere zum Mauerbau nach Aschaffenburg gebracht. Hieraus folgt, daß auch die anderen beim Abbruch des Turmes gefundenen Steine von dort hierher geschafft wurden und so lange keine anderen wirklichen Beweise für die Entstehung der Stadt aus einer römischen Niederlassung gefunden werden, müssen wir sie, und gewiß mit Recht, auf germanischen Ursprung zurückführen.
Von der alten Umwallung, die Adalbert hatte errichten lassen, steht noch ein gut Stück oben auf der Anhöhe nach dem Main zu. (28) Bei dem sogenannten Windfang bog sie nach Nordosten um, lief am Löhergraben entlang, gerade auf die Stiftskirche zu und näherte sich dann in nordwestlicher Richtung der Mainmauer wieder. An dem nördlichen spitzen Winkel, wo der Berg nach zwei Seiten plötzlieh abfällt, stand das alte Schloß, genau an derselben Stelle, an der auch das jetzige sich befindet, und erst im Jahre 1552 fiel es der Brandfackel Albrechts von Brandenburg-Kulmbach zum Opfer. Kein anderer Platz wäre schon während seiner natürlichen Lage so geeignet gewesen; nördlich und westlich senkt sieh das Gelände nach dem Viehberg und dein Main zu, an den übrigen Seiten wurde die Burg von der oben genannten Mauer gedeckt. Hätte sie weiter südlich, wie man bisher allgemein annahm, gestanden, wäre es jedem Angreifer ein leichtes gewesen, die Anhöhen ungehindert zu erklimmen und dann auf dem ebenen Plateau gegen das Schloß anzustürmen. Die weiteren Beweggründe für die Annahme der ursprünglichen Lage desselben an dem bezeichneten Platze werden wir bei Betrachtung der Zeichnung des alten Schlosses von Veit Hirsvogel (29) näher ins Auge fassen.
Abermals verging eine lange Spanne Zeit, päpstliche Legaten hatten während ihres Aufenthalts in Mainz Kaiser und Erzbischof ausgesöhnt, in dem Schloß saß nun ein Vizedominus, der seinen Herrn vertrat und besonders die Geld und Verwaltungsgeschäfte zu leiten hatte. (30) Wohl hören wir manches von dem Stifte, das sich durch reiche Schenkungen immer mehr ausdehnte, dem viele adelige Familien lehenspflichtig waren, über das Schloß schweigt die Geschichte und erst im Jahre 1285 meldet uns eine kurze Nachricht (31), daß unter dem Erzbischof Werner hier eine neue Kapelle zu Ehren Johannes des Täufers eingeweiht wurde. Wir ersehen hieraus, daß schon das alte Schloß denselben Schutzpatron wie das neue hatte. Aschaffenburg selbst wurde der alte Mauergürtel, der die Oberstadt umschloß, zu eng, neue Ansiedlungen entstanden und in den Jahren 1363 bis 1364 wurden auch diese mit Wall und Zwinger umgeben; von der Löherpforte im Südosten der Stadt lief diese Befestigungslinie über das Sand- und Herstalltor nach Norden herum und weiter um das Viertel, das zu der inzwischen gebauten St. Agathakirche gehörte. Auch die Fischergasse unten an der Mainbrücke wurde in die Erweiterung mit hineinbezogen. (32)
Ende des XIV. Jahrhunderts wurde unter der Regierung Erzbischofs Johann II. der alte Streitturm des Schlosses, den man schon 1337 (33) zu bauen begonnen hatte, erhöht, der als einziger Ueberrest der ersten Anlage Zerstörung und Zeit überdauerte und später dem Neubau des Erzbischofs Schweickardt von Cronenberg (1605 - 1614) eingegliedert wurde. Sicherlich wird Kurfürst Johann II. die Befestigungen noch mehr verstärkt haben, damit er in seinen Kämpfen mit Thüringen und Hessen eine etwaige Belagerung besser aushalten konnte. Kurfürst Konrad III. (1419 - 1439) erweiterte die Burg abermals und stattete sie prächtiger und glänzender aus (34), auch schuf er 1430 eine neue steinerne Mainbrücke, da die alte, wie die Limburger Chronik berichtet, bei einem schweren Eisgange zerstört worden war. (35)
Unter seinem Nachfolger Theoderich von Erbach (1439 - 1459) erfuhren Stadt und Schloß neue Erweiterungen. (36) Er setzte den Ausbau des letzteren fort und sicherte es durch Anlage einer starken Mauer, die vorn am Main die tiefe Einsenkung sperrte, welche zwischen Schloßberg und der Anhöhe, auf welcher heute das Kapuzinerkloster liegt, von der Stadt aus allmählich nach dem Fluß zu abfällt und Viehberg genannt wurde.
In der Nähe der jetzigen Karlstraße fand sich in dem oberen Teile dieser starken und mit breiten Strebepfeilern versehenen Wehr der Rumpf einer Figur eingemauert. Da von unten nicht genau zu erkennen war, was das mutwillig von Steinwürfen beschädigte Stück zu bedeuten habe, ließ ich es aus seiner Umgebung vorsichtig herausbrechen, und bald kam der gut gearbeitete Torso einer männlichen Figur zutage, der von der Hüfte bis zum Oberschenkel erhalten war. Aus dem feinkörnigen Sandstein treten deutlich die Bauchmuskeln hervor, besonders plastisch aber ein Kranz von Weinblältern, der sich um die Hüften legt. Ueber die Entstehungszeit wird kaum etwas Genaues zu ermitteln sein, jedenfalls aber wurde die Figur schon bei Errichtung der Mauer als Baumaterial benutzt. Sie auf römischen Ursprung zurückzuführen und wegen des Weinlaubes etwa als Bacchus- zu deuten, wird kaum angehen, da die Werke, die aus dieser Periode am limes gefunden sind, in der Ausführung einen bedeutend handwerksmäßigeren Eindruck machen. Die einzige Möglichkeit wäre, ihre Anfertigung in romanische oder gotische Zeit zu versetzen und als Bruchstück einer Adamsfigur zu erklären. Diese mächtige Mauer, die unterhalb des Schlosses den Hohlweg hinabläuft, biegt am Main im scharfen Winkel nach Norden um, zieht an dem Ufer entlang und öffnet sich nach dem Viehberg in einem breiten spitzbogigen Tore, über dem man noch heute das steinerne Wappen des Erbauers erblickt. Ueber diesem ragen elf kräftige Konsolen aus der Wand hervor, auf denen einst ein Vorbau, eine sogenannte Pechnase ruhte. Während man jetzt auf der Mauer unter einem grünen Rebendache entlang geht, war dieselbe früher schräg abgedeckt und hinter ihr zog sich der Wehrgang hin, auf dem die Verteidiger standen und durch schmale Schießscharten den Gegner mit ihren Geschossen überschütteten. (37)
Steile Felsen bildeten weiter stromab genugende Befestigung für das dahinterliegende Gelände, das der „Schutz“ genannt wurde, die Mauer begann erst wieder da, wo jetzt der kleine Pavillon (ehemals ein Turm) steht, und lief als Stickelzaun zum Dingstalltor, hinter dem sich auch nach und nach Ansiedler niedergelassen hatten. (38) In dieser Zeit berief Kaiser Friedrich III. einen Reichstag nach Aschaffenburg (1447), da er zur Erreichung seiner Pläne Erzbischof Dietrich von Mainz brauchte. (39) Aeneas Sylvins Piccolomini, der spätere Papst Pius II., weilte Camals als Abgesandter des Kaisers hier und wird gewiß als Gast im Schlosse während seines Aufenthaltes gewohnt haben. (40)
Das Jahrhundert ging zur Neige, viel hatte die Stadt in den unruhigen Zeiten zu erdulden, aber die härtesten Prüfungsjahre standen ihr noch bevor. Im Bauernkriege zogen die Kriegshaufen, an der Spitze Goetz von Berlichingen und Metzler, von Miltenberg durch das Modautal gegen Aschaffenburg. (41) Hier belagerten sie den Statthalter Erzbischofs Albrecht von Brandenburg (1514 - 1545) Wilhelm, Graf von Hohenstein, die Einwohnerschaft selbst half dem Feinde die Stadt einnehmen, zwang Wilhelm die vorgelegten Bedingungen und zwölf Artikel zu unterzeichnen, und Bürger und Bauern praßten gemeinsam in den geistlichen Häusern und Pfarrhöfen: später verhandelte man wegen der Brandsehatzung. (42) Wenn Kittel und Lübke angeben, das Schloß sei damals bis auf die Grundmauern zerstört worden (43), so irren sie, denn Goetz selber hatte den Räten des Statthalters, die ihn um Vermittelung angingen, zugesichert, er werde dem Stifte keinen Schaden zufügen, wenn er ihm freilich auch nichts nützen könne. (44) Noch stand der Bau, der allmählich durch Anbauten und Erweiterungen immer größer und stolzer geworden war, der dem Simon Lemnius, bekannt durch seine Händel mit Luther und durch Lessings trefflich geschriebene Rettung die schwülstigen Verse entlockte: (45)