Читать книгу Aschaffenburger Schloss - Erik Schreiber, Friedrich Rolle, Leo Woerl - Страница 13
ОглавлениеVon diesem Wunderwerke, das keineswegs erst eine Neuschöpfung Erzbischofs Albrecht von Brandenburg war, wie man bisher annahm, sondern sich allmählich durch die Jahrhunderte zu diesem Umfange entwickelt hatte, ist nun auch eine Zeichnung wiedergefunden, (46) die das alte Schloß, wie es bis 1552 gestanden, darstellt und von Veit Hirsvogel dem Jüngeren herrührt. (47) Sie gehört zu der Sammlung des 1798 in Bamberg geborenen Kunstfreundes Joseph Heller, der wahrscheinlich ein Verwandter des bekannten Nürnberger Patriziers und Tuchhändlers Jakob Heller war, welcher 1500 nach Frankfurt am Main übersiedelte und dort 1509 für die Dominikanerkirche das herrliche, von Albrecht Dürer gemalte Altarwerk und den aus sieben überlebensgroßen Figuren bestehenden Kalvarienberg auf dem Domkirchhofe stiftete. (48) Vielleicht fuhr der junge Maler damals mit seinem Gönner zu Schiff von Nürnberg nach Frankfurt zur Messe, er zeichnete das imposante Bild des mächtigen Schlosses, und Jakob Heller erwarb die Skizze, die später in den Besitz seines Verwandten überging. Sieht man von dieser Möglichkeit ab, so kann letzterer auch das Blatt in Nürnberg gesehen und erworben haben, als er seine Sammlung anlegte. Das Eine ist gewiß, daß die Entstehung dieser bisher einzigen Abbildung des alten Aschaffenburger Schlosses in die Zeit nach 1500 fällt; stilistisch ist sie wohl sicher nach 1520, vermutlich erst zwischen oder 1540 anzusetzen, da die reine Landschaftszeichnung in Deutschland erst durch Albrecht Dürer aufkam, dem dann Altdorfer mit dem ersten Landschaftsölbilde (in München) nachfolgte. Oben über der Zeichnung steht:
„Das ist Aschennburg, do der Bischoff von Menz hoff helltt. Leigtt am Mein.“
Genau an derselben Stelle, wo die heutige Johannisburg Schweickardts steht, erblicken wir den gewaltigen Bau, der die Stadt weit überragt.(49) Vorn links am Mainufer zieht sich die vorhin erwähnte Mauer des Erzbischofs Theodorich entlang, die noch heute erhalten ist, auch das runde Ecktürmchen mit dem spitzen Helm ist noch jetzt, wenn auch nur in seinem unteren Teile sichtbar. Die sich hier anschließende zinnenbekrönte Wehr ist abgetragen, nur noch ein Stück dicht über dem Erdboden hat man stehen gelassen und später da, wo einst diese untere Mauer hinlief, eine Straße (heute Suicardusstraße angelegt. Im Vordergrunde auf einer kleinen Insel stehen verschiedene Fachwerkgebäude, die zu einer Mühle gehörten, deren Räderwerk und sinnreiche Konstruktion schon dem Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer auffiel, als er 1495 bei einer Reise nach Würzburg hier durchkam (50). In seinem weiteren Bericht über Aschaffenburg sagt er, daß die auch sonst mit stattlichen Gebäuden gezierte Stadt vor allem wegen des herrlichen Schlosses einen Namen habe.
Und betrachten wir die Hirsvogelzeichnung, so begreifen wir dies vollsläridig. Ueber der Verlängerung der alten Stadtmauer, die an ihrem linken Ende mit einem Turme abschließt und von da im schrägen Winkel auf die Mauer, die ich im folgenden als Theodorichmauer bezeichnen werde, stößt (51), erhebt sich das Schloß in malerischem Gewirr von hohen und niederen Gebäuden, großen und kleinen, runden und eckigen Türmen, die wieder mit lustigen Anbauten verziert sind. Alles überragt ein schwerer, massiger Bergfrit, oben ebenfalls mit kleinen Türmchen geschmückt, über denen sich das steile gotische Dach erhebt. Das ist der alte Geselle, der trotzig die Jahrhunderte überdauerte und noch heute im Hofe des neuen Schlosses steht. Nicht war er, wie man früher annahm, ein Turm der alten Stadtmauer (52); er sollte vom kurfürstlichen Vizedom bei Belagerung besetzt werden, um Stadt und Burg auf der schwächeren, nordwestlichen Seite vor Ueberfällen zu schützen. (53) Im Jahre 1337 (54) hatte ihn der abgesetzte Kurfürst Heinrich III. zu bauen angefangen, durch Johann II. war er Ende des XIV. Jahrhunderts erhöht und von Theodorich 1450 oben im gotischen Stile ausgebaut worden. Damals erhielt er auch die Ecktürmchen, denen erst eine spätere Zeit die spitzen Dachhelme nahm und sie durch geschweifte ersetzte. Wie ein echter Bergfrit besaß er kein Tor zu ebener Erde, nur im oberen Teile befand sich ein Zugang, der mittelst einer beweglichen Leiter erreicht werden konnte. Der Raum zur ebenen Erde enthielt Schlafgemächer und Vorratskammern. (55) Der Keller diente als Verließ und Aufbewahrungsort von Trinkwasser, das durch eine Oeffnung im Fußboden emporgewunden wurde. Zur Linken des Baues sieht man auf der Zeichnung die Mauer, die Theodorich den Viebberg hinauf errichten ließ, und weiter hinten, an den Nordostturm des Schlosses anschließend, die, welche sich um das Stadtviertel der Agathakirche herumzog. Rechts erblickt man die Stadt (56) mit ihren Fachwerkgiebeln und Wänden, mit ihren Dächern und Kirchtürmen und weit im Hintergrunde die waldigen Höhen des Spessarts. Hier weilte der Mainzer Erzbischof, Albrecht von Brandenburg, lange Jahre, nachdem er sich aus dem protestantisch gewordenen Halle zurückgezogen hatte, hier sann er seinem Leben nach, in dem Luther eine so bedeutende Rolle gespielt hatte, und suchte den Frieden seiner unruhigen Seele im stillen Schauen des weiten Landes, des ruhig dahinziehenden Flusses: sein künstlerischer Sinn umgab sich mit den Werken eines Grünewald und anderer Meister, wie Beham und Glockendon, die seine Gebetbücher mit unendlichar Liebe und Phantasie schmückten (57), die mit einer bewundernswerter Ausdauer seine Schöpfungen für die Kirche schufen; hier gab er am 24. September 1545 seinen nimmermüden Geist auf, und die leise rauschenden Wasser des Main, denen er so oft in tiefem Grübeln und Denken nachgeschaut, die in ihrem ewigen Kommen und Gehen ihn an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnten, trugen den jetzt so stillen Mann, dessen Leiche auf dem schwarzverhängten Schiffe aufgebahrt stand, hinab in die alte Stadt, durch die er einst in jungen Tagen in strahlendem Glänze gezogen war. (58)
Unter Albrechts Nachlolger, dem Kurfürsten Sebastian wütete der schmalkaldische Krieg im Mainzer Gebiet, das verbündete Heer brannte 1546 einen Teil von Aschaffenburg nieder und plünderte Kirchen und Klöster der ganzen Umgebung: auch die kurfürstlichen Schlösser wird man dabei nicht verschont haben, da der Besitzer sich weigerte, die 40000 fl. Brandschatzung zu erlegen. (59) Die unruhigen Jahre wollten kein Ende mehr nehmen, Truppendurchmärsche und Einquartierungen von Freund und Feind wechselten miteinander ab, alles lebte in steter Sorge und Aufregung, endlich rückte das Jahr 1552 heran, das das größte Unglück über unsere Stadt bringen sollte. Sie wurde vom Grafen von Oldenburg besetzt, auf des Markgrafen Albrecht von Brandenburg Geheiß plünderte das Soldatenvolk das kurfürstliche Schloß und als alles fortgeschleppt war, was irgendwie Wert besaß, warf man im rohen Uebermute die Brandfackel hinein, und die gierig züngelnden Flammen vernichteten in lodernder Glut in wenigen Stunden alles, was Menschenhände durch Jahrhunderte mit Mühe und Fleiß errichtet hatten. (60)
Als der Laurentiustag zur Neige ging, war das Zerstörungswerk beendet; aus der rauchenden Trümmerstätte, die sich in den dumpfmurmelnden Wassern wiederspiegelte, ragte starr und unverrückbar, wie ein warnendes Mal, ein einziger Zeuge alter Pracht und Herrlichkeit aus dem schwelenden Schutt - der alte Turm! –