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Prolog

Es ist regnerisch draußen. – Die Glocken läuten. – Trauerglocken. – Jemand ist gestorben und wird heute Nachmittag beerdigt. Die Trauergemeinde kommt nochmals zusammen, um seinem Leben zu gedenken. – Die Glocken verstummen.

Es wird für kurze Zeit ganz still, und dann ertönt auf der Orgel das Eingangsspiel. Man hat Raum, in der nächsten Stunde sich an die gemeinsame Zeit mit dem Verstorbenen zu erinnern und das eigene Leben zu reflektieren. Ab einem gewissen Alter wissen wir alle von unserer Endlichkeit, von dieser begrenzten Zeit auf Erden, die uns alle verbindet. In den Kirchenbänken sitzend, lässt sich darüber nachdenken, ob das eigene Leben wie ein Fluss an einem vorbeizieht oder ob man selbst auf dem Lebensfluss ist und seinen Weg prägt.

Während der Abdankung wird der Lebenslauf verlesen, es werden die wichtigsten Stationen des Verstorbenen erwähnt. Erinnerungen und Bilder füllen den Raum: die Geburt, die Kindheit und Jugend, Beziehungen, eventuell war der Verstorbene verheiratet, hatte Kinder und Enkelkinder. Die Pfarrerin fasst die berufliche Laufbahn zusammen, erzählt von Hobbys und womöglich auch die eine oder andere Anekdote aus dem Leben des Verstorbenen.

Vielleicht kommen im Lebenslauf auch seine Träume vor – wahrscheinlich aber eher nicht. Denn wer erzählt schon öffentlich von seinen Bedürfnissen und seinen Lebensträumen. Unsere tiefsten Sehnsüchte können wir oft schon vor uns selbst nicht aussprechen, geschweige denn anderen davon erzählen.

Womöglich kennen nicht einmal unsere Partner und engsten Freunde die Orte, die wir in unserem Leben besuchen, und die Taten, die wir realisieren wollten. Unsere westliche, nüchterne Gesellschaft bekundet oft Mühe mit Träumen und Sehnsüchten. Beide sind irrational und diffus, haben mit Gefühlen zu tun. Sie gehören nicht in die Erwachsenenwelt, in eine kalkulierende Gesellschaft. Künstlerinnen und Künstler haben das Privileg, ihre Träume zu leben. Der Rest muss funktionieren und das Tagträumen lassen. Es wäre einigen in den Sitzbänken peinlich, wenn an der Abdankung die Wünsche des Verstorbenen nach Freiheit, Selbstbestimmung oder Abenteuer zur Sprache kämen. Trauergefühle ja, Träume und Sehnsüchte nein.

Ich schreibe diese Zeilen einen Steinwurf entfernt von der St. Johann Kirche in Davos Platz. Das Büro meiner Firma »Das blaue Wunder« liegt auf Ohrenhöhe der Kirchenglocken, deren Klang mich regelmäßig erreicht: Trauerklänge, Hochzeitsklänge, Taufklänge, Weihnachtsklänge, Silvesterklänge und Neujahrsklänge. Die Klänge erinnern mich von Zeit zu Zeit daran, wie die Zeit, meine Lebenszeit, verfließt.

Warum haben wir Angst, unsere Träume und Sehnsüchte zu verwirklichen? Ich habe eines Tages beschlossen, mich dieser Angst zu stellen. Dieses Buch erzählt meine Geschichte, wie es dazu kam, warum ich unter anderem durch 200 Seen im schweizerischen Bündnerland und 1247 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung des Rheins geschwommen bin und weshalb ich »Das blaue Wunder« ins Leben gerufen habe.

Vor acht Jahren habe ich mein »normales« Berufsleben gekündigt, um mich voll meinen Wasserprojekten zu widmen. Aus dem All betrachtet, ist für mich die Welt, die auf Wasser baut, betörend schön. Am Wasser führt kein Leben vorbei. Auf Erden, aus der Nähe, sehen wir, wie verletzlich dieses »blaue Wunder« Erde ist. Wir sehen die Zwischenbilanz einer globalen Zivilisierung und bemerken, wie ungleich Glück und Unglück, Reichtum und Armut, Überfluss und Dürre, Naturreservate und Umweltkatastrophen, Wasser-Rechte und -Unrechte oder frei fließende Quellen und Quellenbesitztum die Weltgemeinschaft vor die Aufgabe stellt, Lösungen umzusetzen – nicht für morgen und übermorgen, sondern für heute.

Mein Engagement für das Wasser gründet in der Summe meiner Lebensphilosophie, dass jedes Leben ein Recht auf Leben und deshalb auf Wasser hat. Dieser Satz tönt banal und ist doch so schwierig umzusetzen. Das einzufordern ist das eine, das umzusetzen ist die wahre Herausforderung in einem Meer zwischen globalen und lokalen Partikularinteressen. Das Buch ist eine Antwort darauf, was wir Einzelne beitragen können für einen sinnvollen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser.

Seit acht Jahren lebe ich aber auch die Schönheit und Poesie, die sich durch die körperliche Ausdruckskunst des Schwimmens zeigt. Von diesem Spannungsfeld zwischen schwimmerischer Poesie und globalem Wasserstress erzählt dieses Buch.

Meine Zeit ist begrenzt, und ich will meiner Lebenszeit mit dem »Blauen Wunder« einen eigenen Sinn geben. Wenn die Kirchenglocken für mich läuten, will ich gelebt und gestaltet haben.

rüffer&rub visionär / Jeder Tropfen zählt

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