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Оглавление1 Berlin
Montag installierte Ferdinand das Linux-System bei dem Kunden und für den Rest der Woche war der Probebetrieb vorgesehen. Am Dienstag rief ihn Vizekonsul Andropow an. Ob er mal eben nach Berlin kommen könne, einige Spezialisten aus Russland hätten noch Fragen an ihn und wollten ihn in der russischen Botschaft treffen. Er antwortete, bis Freitag Abend sei er voll mit einer Inbetriebnahme beschäftigt, er hätte frühestens Samstag Zeit. Gut, antwortete der Russe, dann solle er am 16. Juni um 13 Uhr dort sein und bis Sonntag bleiben, er würde ein Zimmer im Adlon für ihn buchen. Die Frage, ob er alleine komme, ließ Ferdinand unbeantwortet. Außerdem sagte er, er würde mit dem Wagen kommen, da er zum Fliegen keine große Lust mehr habe. Bei der Frage des Vizekonsuls war ihm die Idee gekommen, ob Tanja ihn vielleicht begleiten wolle, und er rief sie an. Nach einem Moment Überlegung stimmte sie zu, sie habe schon immer nach Berlin gewollt. Als er sagte, sie würden mit dem Wagen fahren, bot sie ihren Porsche an und er stimmte zu, wenn sie bis 13 Uhr in Berlin seien und er auch mal fahren dürfe. Der Probebetrieb des Linux-Systems war planmäßig Freitag Nachmittag beendet. Ferdinand blieb noch bis 20 Uhr dort, dann war er überzeugt, dass alles in Ordnung sei und verabschiedete sich bis Montag.
Samstag stand Tanja um 6 Uhr in Shorts und einer weißen Bluse vor Ferdinands Tür im Gewerbegebiet Westendstraße und küsste ihn herzlich. Sie trug denselben Schmuck wie am Pfingstmontag, die zwei Opalhänger und den Ring. Der Himmel hing voller Wolken, es regnete aber nicht. Wo es möglich war, trieb sie den Wagen auf 200 hoch. In der Raststätte Fläming tranken sie Kaffee und Tanja fragte, was sie eigentlich in Berlin wollten. „Das weiß ich selbst noch nicht“, meinte Ferdinand, „aber es scheint dem Vizekonsul sehr wichtig zu sein, sonst würde er mich nicht nach Berlin zitieren und im Adlon übernachten lassen. Ich bin gespannt und das Ganze macht mir Spaß, besonders, weil du mitkommst.“ Da griff sie über den Tisch seine Hand. Sie fuhren bald weiter, inzwischen hatte sich die Sonne durch die Wolken gekämpft und kurz nach 12 Uhr erreichten sie das Adlon beim Brandenburger Tor. Ferdinand bot Tanja an, für sie ein getrenntes Zimmer zu buchen, doch sie meinte, sie sollten sich das Zimmer erst mal ansehen, vielleicht könnten sie es gemeinsam benutzen. So checkten sie ein und ließen sich zum Zimmer bringen.
Als der Boy die Tür aufschloss, staunten sie: Eine zweiräumige Juniorsuite mit einer Couchecke im Wohnraum und ein Schlafzimmer mit breitem Doppelbett lag vor ihnen, dazu gehörte ein geräumiges Bad mit Dusche und breiter Wanne. Ferdinand schaute Tanja an, er wollte wissen, wie sie reagierte. „Nicht schlecht für den Anfang“, lachte sie, „das reicht vollkommen für uns beide.“ Schnell packten sie ihre wenigen Sachen aus und machten sich frisch, dann musste Ferdinand zur russischen Botschaft. „Warte nicht auf mich, ich melde mich, aber es kann spät werden“, verabschiedete er sich und sie ließ ihn mit einem langen Kuss gehen.
Draußen nieselte es wieder, Ferdinand musste mit seinem Laptop nur über den Pariser Platz und war schon in der Botschaft. Als er den Namen Andropow nannte, stellte er erfreut fest, dass der Pförtner fließend Deutsch sprach. Er bat Ferdinand, einen Moment zu warten und telefonierte. Bald kam ein gut gekleideter Mann und bat ihn mitzukommen. Nach einer Fahrt mit dem Fahrstuhl, bei dem Ferdinand eine leichte Beklemmung verspürte, und dem Weg über mehrere Flure erreichten sie ein Restaurant mit gedecktem Tisch, der Vizekonsul kam ihm entgegen dankte und für sein rasches Erscheinen. Dann stellte er die vier anderen Männer vor, sie seien alle Spezialisten aus der Flugzeugfertigung, sprächen aber leider kaum Deutsch.
Nach der Frage, wie ihm das Hotelzimmer gefalle, die Ferdinand gerne mit „sehr gut“ beantwortete, meinte er, Ferdinand habe sicherlich noch nicht zu Mittag gegessen, den anderen Herren gehe es ebenso, da sollten sie zunächst eine kleine Stärkung zu sich nehmen, danach würde das Gespräch sicherlich besser verlaufen. Livrierte Kellner trugen Kaviar mit Toast auf, dazu Weißwein und danach Boeuf Stroganoff, das sehr gut schmeckte, Ferdinand hatte so etwas noch nie gegessen. Dazu wurde ein trockener Rotwein gereicht. Die Russen ließen die Gläser immer wieder nachfüllen, aber Ferdinand trank nur wenig, um einen klaren Kopf zu behalten. Als Dessert gab es eine mit Alkohol angereicherte Pflaumenspeise, danach Mokka und zuletzt für jeden ein großes Glas Wodka.
Inzwischen war es 15 Uhr geworden und sie wechselten in einen Konferenzraum, wo der Vizekonsul gleich zur Sache kam: „Sie haben uns zwar dankenswerterweise sämtliche Konstruktionspläne des Heliofighter geliefert“, sagte er zu Ferdinand, „aber meine Freunde haben festgestellt, dass die gesamte Software der Drohne fehlt.“ „Mein Auftrag bezog sich auf die Konstruktionspläne, und die habe ich Ihnen vollständig geliefert“, antwortete Ferdinand, er wusste schon, was der Russe wollte, stellte sich aber dumm. „Welche Software meinen Sie denn?“ „Nun, die Drohne braucht doch im Betrieb eine ganze Menge Software zur Steuerung, zum Identifizieren und Abbilden von Objekten, zur Kommunikation mit der Heimstation, gegebenenfalls zum Errechnen der notwendigen Flugrichtung und zum ständigen Verfolgen des Zielobjektes sowie zum zielgerechten Abschuss der Kampfmittel. Nach den Konstruktionsplänen enthält die Drohne zwar eine Reihe von Prozessoren und einen zentralen Computer, doch die notwendige Software fehlt. Die können Sie sicherlich in einer weiteren Aktion beschaffen, Sie haben ja wohl noch die Schlüsselkarte.“
Ferdinand hatte nicht die geringste Lust, noch einmal Datendieb zu spielen. Er hatte seine Schulden weitgehend bezahlt und die normalen Geschäfte liefen gut, warum sollte er sich noch mal mit solch einer illegalen Aktion gefährden? Doch er hatte gelernt, negative Antworten schön zu verpacken und wollte die Forderung nicht gleich abrupt ablehnen. „Nach meiner Ansicht ist doch die spezielle Software für die einzelnen Bauelementen in ihnen integriert und wir sollten uns das einmal genau anschauen“, sagte er unbeeindruckt von der Forderung des Vizekonsuls. „Ich habe diese Pläne ja, wie in München angekündigt, in meinen Unterlagen vollständig gelöscht, aber ich nehme doch an, dass sie in dieser Runde verfügbar sind, so dass wir sie uns mal ansehen können.“ Der Vizekonsul übersetzte diese Worte seinen Gästen und sie beratschlagten eine Weile. Schließlich holte er einen Laptop, schloss ihn an den Beamer an und steckte die Festplatte, die er am Pfingstmontag von Ferdinand erhalten hatte, an den USB-Anschluss.
Jetzt war Ferdinands technische Fantasie gefragt. Er nahm den Laptop und rief einige Zeichnungen auf, wobei er zunächst Schwierigkeiten mit der russischen Tastatur hatte. Zum Glück waren es noch die deutschen Zeichnungen, auf denen er nach einigem Suchen Angaben über die Software in den Prozessoren der Steuerung, Objekterkennung, Bilderstellung, Kommunikation und Flugrichtungseinstellung fand. „Welche Software fehlt Ihnen denn?“, fragte er lächelnd. Die Russen machten verdutzte Gesichter, als der Vizekonsul ihnen Ferdinands Worte übersetzte. Immer wieder rief Ferdinand einzelne Zeichnungen auf und zeigte auf die eindeutigen und detaillierten Angaben. Die Russen diskutierten immer erregter untereinander und mit dem Vizekonsul, bis der schließlich die Diskussion abbrach.
„Mit den Einzelheiten haben Sie recht, und meine Kollegen haben einiges übersehen“, sagte er begütigend zu Ferdinand, aber die Koordination der einzelnen Prozessoren, die Auswertung ihrer Ergebnisse und die Entscheidung über die notwendigen Aktionen muss doch an einer zentralen Stelle erfolgen, und dafür dürfte der zentrale Computer dienen. Und für den haben wir nirgends eine Software gefunden.“ Ferdinand suchte weiter in den Unterlagen, fand aber nur eine Reihe von Zeichnungen, in denen die Verdrahtung zwischen den Prozessoren und dem Computer dargestellt waren. Mit den Worten: „Ich denke, die deutschen Ingenieure haben sich dabei etwas gedacht“, suchte er eine Antwort, die die Russen erst mal beruhigen konnte:
„Die zentrale Software wird wohl aufgabenbezogen erstellt und erst eingespielt, wenn die Drohne eingesetzt wird, denn die Aufgaben können ja sehr vielfältig sein. Deshalb wird sie nicht bei den Konstruktionsplänen geführt und gehört nicht zu meinem Auftrag. Ich denke, in Ihrem Lande wird es genügend fähige Programmierer geben, die die notwendige Software speziell erstellen können.“ Eben dafür bräuchten sie doch detaillierte Ablaufpläne, nahm der Vizekonsul den Ball auf und bat Ferdinand, sie zu beschaffen. Nun musste er die Hose herunter lassen. „Ich hatte eigentlich mit dieser Art Datenverarbeitung abgeschlossen, denn ich habe mit meinem normalen Job, Systeme einzurichten und zu betreuen, mehr als genug zu tun. Meinen Sie nicht, Herr Andropow, dass Ihre intelligenten Kollegen mit einigem scharfen Nachdenken das Problem selbst lösen können?“
Der Vizekonsul machte ein Gesicht, als hätte er Essig getrunken, dann schaute er auf die Uhr. „Es ist jetzt 18 Uhr und ich glaube, wir sollten die Sitzung an dieser Stelle beenden und morgen früh um 9 Uhr fortsetzen. Bis dahin können wir über die verschiedenen Möglichkeiten in Ruhe nachdenken. Meine Kollegen finden aus Ihren Hinweisen vielleicht eine Lösung, aber meine Anforderung an Sie bleibt weiter bestehen.“ Er überlegte einen Moment, bevor er weiter sprach. „Ich habe für heute Abend einen Tisch im Adlon bestellt. Wie ich gehört habe, hat Betsy Sie nach Berlin begleitet. Würden Sie bitte mit ihr um 20 Uhr ins Restaurant kommen, damit wir uns einen schönen Abend machen können?“ „Herzlich gerne“, erwiderte Ferdinand, „ich glaube, sie wird sich freuen, Sie mal wieder zu sehen. Aber für das morgige Treffen muss ich darauf hinweisen, dass ich nur bis 13 Uhr Zeit habe, denn ich muss unbedingt abends in München sein.“ „Das dürfte klappen“, meinte der Vizekonsul, „dann bis bald.“
In der Suite fand Ferdinand nur einen Zettel mit Tanjas Handynummer. Sie meldete sich vom Ku-Damm und er berichtete kurz von der Einladung. Da müsse sie sich noch was Ordentliches zum Anziehen kaufen, meinte sie, wie es denn bei ihm aussehe. Er hatte seine Kundenkleidung an; Anzug und Schlips. „Ich werde dir noch ein ordentliches Hemd und eine gute Krawatte mitbringen“, sagte sie, „dein Anzug ist ja nicht schlecht. In einer Stunde bin ich da.“ Ferdinand ging hinunter und dachte bei einem Kaffee über Andropows Forderung nach. Kein Mensch wusste ja von dem geheimen Zugang, den er sich in das Datensystem der Helios AG geschaffen hatte, darüber wäre es ganz einfach, die Forderung zu erfüllen und noch einen Schwung Geld zu verdienen. Aber er hatte sich nach dem gerade noch gut gegangenen Fahrstuhlabenteuer geschworen, keine krummen Aktionen mehr mitzumachen, er sah die letztendliche Rettung über dem 15. Stockwerke hohen Abgrund als Wink des Schicksals an. Er würde mit Tanja darüber sprechen, die ihm bedingungslos vertraute.
Als er den Kaffee ausgetrunken hatte und noch saß und dachte, hielt ihm plötzlich jemand von hinten die Augen zu und küsste ihn auf die Haare. Er wandte sich um und fand einen weichen Mund. „Schön, dass du da bist“, sagte er leise und Tanja meinte, sie müssten jetzt ganz schnell ins Zimmer gehen, sie brauche einige Zeit, um sich herzurichten. Im Schlafzimmer gab sie ihm das neue Hemd und die Krawatte, ein paar hübsche Manschettenknöpfe hatte sie noch dazu gekauft. Als er schamhaft das Zimmer verlassen wollte, rief sie ihn zurück: „Bleib ruhig hier und erzähl’ mir von deinem Treffen. Ich denke, du weißt, wie eine Frau aussieht, und du bist mir viel mehr wert als die vielen Männer die mich schon so gesehen haben.“ Sie zog sich nackt aus und ging ins Bad, um kurz zu duschen, dann rief sie ihn, ihr den Rücken abzutrocknen. Ehrfürchtig bewunderte er ihre schlanke Gestalt mit den kleinen festen Brüsten. „Na, Prüfung bestanden?“, fragte sie lachend und küsste ihn. „Du bist wunderschön“, konnte er nur leise antworten, „noch viel schöner als in einem eleganten Kleid.“
Während sie ihre Haare zurecht machte und sich dezent schminkte, berichtete Ferdinand vom Gespräch mit den Russen und seinen Bedenken, noch einmal in die Daten der Helios einzubrechen. Zuerst war sie strikt dagegen, aber als er seine Zugriffsmöglichkeit über das Internet nannte, hielt sie die Sache zumindest für bedenkenswert. „Du musst nur darauf achten, dass sie dich nicht bis in dein Büro zurückverfolgen können, gibt es dafür eine Möglichkeit?“ „Schon, ich habe mir einen Weg über mehrere ausländische Server gesucht. Das ist zwar aufwendig, funktioniert aber.“ „Dann behalt’ das als letzte Möglichkeit in der Hinterhand, aber weigere dich so lange wie möglich. Damit kannst du auch noch den Preis steigern.“ Sie zog ein elegantes halblanges cremefarbenes Kleid ohne Ärmel an, dessen Oberteil mit Spitzen besetzt war und dazu ein Paar hochhackige goldene Sandalen. Um den Hals legte sie eine Kette mit einem golden eingefassten Jadeanhänger und dazu passende Ohrhänger, dann fragte sie“ „Nun sag’ mir doch bitte, ob ich mich so sehen lassen kann.“ „Du siehst zauberhaft aus, deine unaufdringliche Eleganz hat mich schon von Anfang an fasziniert und heute hast du den Vogel abgeschossen. Du bist eine junge Göttin.“ „Na, ich glaube, weder jung noch Göttin, aber wenn ich dir gefalle, wird es den anderen auch so gehen.“
Pünktlich um 20 Uhr trafen sie im Speisesaal die Russen, die schon die festlich gedeckte Tafel okkupiert hatten, und vor Bewunderung erstarrten, als sie Tanja sahen. Der Vizekonsul sprang auf und begrüßte Tanja in vollendeter Höflichkeit mit einem Handkuss, dann stellte er ihr die vier Fachleute vor. Tanja konnte sich die Namen ebenso wenig merken wie Ferdinand vorhin. Dann bestellte der Russe „Liebestrank der Aphrodite“, einen Wodka-Frucht-Apéritif für die Runde, kurz danach wurde eine Hummersuppe serviert, dazu Sancerre. Das Hauptgericht bestand aus einer Rindslende mit Fenchelgemüse. Der Wein war inzwischen zu einem Medoc Rothschild geworden. Nach einer Käseplatte und verschiedenem Eis nach Wahl schloss Mokka das hervorragende Menü ab. Als der Wagen mit den Getränken an den Tisch gerollt wurde, wählten die Russen Wodka, die beiden Deutschen Remy Martin.
Der Tisch war abgeräumt worden, nur die Kerzen beleuchteten noch die Getränke. Plötzlich sprach der Vizekonsul Ferdinand an, ob er sich schon entschieden habe. Ferdinand antwortete klar: „Ich denke, wir haben uns darauf geeinigt, morgen weiter zu verhandeln.“ Doch der Russe, dem man anmerkte, dass er eine ganze Menge getrunken hatte, ließ nicht locker. Ferdinand solle nicht vergessen, dass man ihn mit den bisher gelieferten Daten in der Hand habe. Da wandte sich Tanja, die bisher geschwiegen und nur gelegentlich eine Haarsträhne durch die Finger gezogen hatte, erregt an den Vizekonsul: „Herr Andropow, haben Sie bei Ihrer versteckten Erpressung bedacht, welchen diplomatischen Skandal Sie riskieren, wenn bekannt wird, auf welche Weise Sie sich geheime deutsche Konstruktionsdaten beschaffen? Ihren schönen Job in München wären Sie doch ganz schnell los. Also lassen Sie die Drohungen und kehren Sie zu normalen Geschäftsgesprächen zurück. Und weil wir gerade bei den Geschäften sind, bitte streichen Sie mich von Ihrer Liste, das ist aber ganz persönlich und liegt nicht an Ihnen.“ Ferdinand schaute Tanja an und sagte nur „danke.“ Der Vizekonsul war rot geworden, murmelte eine Entschuldigung und wünschte allen einen guten Abend.
„Du warst großartig“, lobte Ferdinand seine Begleiterin, als sie ihre Suite erreicht hatten. „Ich war noch ganz perplex von der Drohung, da hattest du den Kerl schon abgebürstet, wie er es verdiente.“ „Ja, ich habe mich einfach geärgert über diese Unverschämtheit, die für Russen nicht ungewöhnlich ist, ich weiß das aus meiner Heimat. Aber ich bin müde, lass uns schlafen gehen, über deine Entscheidung sprechen wir morgen früh.“ „Gut, mir geht es ebenso“, antwortete Ferdinand. „Ich werde hier auf der Couch im Wohnzimmer schlafen und du im Bett.“ Tanja schaute ihn lange an, dann sagte sie mit Tränen in den Augen: „Ich danke dir für deine Großzügigkeit. Wenn du wüsstest, wie gerne ich dich im Bett neben mir hätte, aber noch bin ich dazu nicht fähig. Ich hoffe, es wird nicht mehr lange dauern, bis ich dies Trauma überwunden habe. Mit deiner Liebe bin ich auf dem besten Weg.“ Sie küsste ihn leidenschaftlich, dann riss sie sich los und verschwand im Schlafzimmer. Nach fünf Minuten rief sie: „das Bad ist frei!“, und als er dorthin ging, sah er sie im Bett, bis an die Nasenspitze zugedeckt.
Ferdinand lag noch lange wach. Zuerst ging ihm die Forderung der Russen im Kopf herum. Sicher, er konnte einfach über das Internet und seinen geheimen Zugang die geforderten Daten beschaffen. Aber ihn ärgerte, dass diese Bande gleich die ganze Hand haben wollte, wenn man ihr den kleinen Finger reichte. Schließlich kam er zu einem Entschluss, den er aber noch mit Tanja besprechen wollte. Er würde den Russen vorschlagen, ihre speziellen Wünsche an die Software aufzuschreiben und danach versuchen, ihnen die Daten zu beschaffen. Wenn die erst mal selber Arbeit hinein stecken müssten, würde die Liste sicherlich nicht sehr lang werden. Und sie müssten ihm schriftlich bestätigen, in dieser Angelegenheit „Planung und Einrichtung einer neuen DV-Anlage beim Generalkonsulat“ keine weiteren Wünsche mehr zu äußern.
Immer wieder meldete sich in diese Gedanken hinein die Erinnerung an den Abend mit Tanja. Er sah ihren makellosen schlanken Körper vor sich, erst nackt und dann in dem eleganten Kleid, er hörte ihre Worte an den Vizekonsul und dann ihre Bestätigung, dass sie ihn gerne neben sich im Bett hätte, aber dazu noch nicht fähig sei. Er wusste, dass er sie liebte und hatte das Gefühl, dass er ihr auch etwas bedeutete, sonst hätte sie sich ihm nicht so weit geöffnet. Allerdings war er zehn Jahre älter als sie, würde ihr das etwas ausmachen? Ganz behutsam musste er weiter auf sie zu gehen, vielleicht könnte es ihm gelingen, ihren inneren Widerstand abzubauen. Mit diesen Gedanken schlief er endlich ein.
Mitten in der Nacht musste Ferdinand durchs Schlafzimmer zur Toilette, da sah er im milden Licht der Straßenlaternen Tanja schlafen, ein Bein schaute unter der Decke hervor. Der Anblick rührte ihn, sie wirkte so außerordentlich verletzlich und er wusste, dass er sie immer beschützen würde. Als um 7 Uhr sein Wecker klingelte, wollte er leise ins Bad gehen, doch Tanja war auch schon wach. „Komm, setz' dich einen Moment zu mir“, sagte sie leise und er folgte gerne dieser Bitte. Als Tanja ihn umarmte und küsste, glitt die Bettdecke herunter und er sah, dass sie völlig nackt geschlafen hatte. Da konnte er nicht anders und küsste ihre Brustspitzen. „Hmm“, sagte sie, „das ist schön, aber nun schnell ins Bad mit dir. Wenn du geduscht bist, trockne ich dir den Rücken ab.“
Als er aus der Dusche kam, stand sie schon mit dem Handtuch bereit, so wie sie aus dem Bett gekommen war. Nachdem sie ihn abgetrocknet hatte, drehte sie ihn um und betrachtete ihn. „Du kannst dich aber auch sehen lassen, hast eine tolle Figur“, lachte sie, dann drückte sie sich plötzlich an ihn und küsste ihn wild. Ferdinand spürte ihre Brüste an seinem Körper und weil ihn das erregte, löste er sich sachte von ihr. „Vorsicht, du weißt doch, wie ein Mann in solcher Situation reagiert und er kann nichts dagegen tun. Auch muss ich schon um neun in der Botschaft sein.“ Tanja lachte ihr klingendes Lachen, strich mit der Hand leicht über seinen Penis und sagte: „Du hast ja recht. Dann mach’ dich mal fertig, ich dusche inzwischen und du kannst mich wieder abtrocknen.“ Beim Frühstück berichtete Ferdinand von seinem Entschluss, wie er mit den Russen verfahren wollte, und sie fand das gut. Er sagte, dass er sie spätestens um 13 Uhr abholen werde, um gleich los zu fahren und unterwegs eine Kleinigkeit zu.
In der Botschaft wurde Ferdinand gleich in den Konferenzraum geführt, wo ihn die fünf Russen schon erwarteten. Nachdem er allen die Hand gegeben hatte, begann der Vizekonsul zunächst unverfänglich, Betsy zu loben, die gestern Abend mit ihrer strahlenden Schönheit die triste Männerrunde aufgelockert habe. „Und wenn ich es recht bedenke, sollten Sie mir eine Anerkennung leisten, denn ohne mich hätten Sie sie gar nicht kennen gelernt.“ „Wieder so eine Frechheit“, dachte Ferdinand ohne zu antworten, „der Kerl wird immer ein schmieriger Diplomat bleiben.“
Als nächstes fragte Andropow, ob er sich denn ihre Anfrage noch einmal überlegt habe. Ferdinand formulierte die Antwort als Gegenfrage: „Wissen Ihre Fachleute denn überhaupt, welche Softwaredetails sie brauchen? Wir haben ja gestern festgestellt, dass vieles in den Konstruktionsdaten verborgen ist, man muss nur genau hinschauen. Und Sie müssen wissen, dass das Softwaresystem für die Heliofighter sicherlich überhaupt nicht auf einem Computer aus Ihrer Fertigung ablauffähig ist, wahrscheinlich können Sie damit gar nichts anfangen.“ Der Vizekonsul übersetzte Ferdinands Worte und eine erregte Diskussion begann unter den Fachleuten. Schließlich wandte er sich wieder an Ferdinand: „Einer der Herren versteht etwas von Datenverarbeitung und meint, ob Sie uns nicht einen Zugang von außen in das Helios-System einrichten können.“ Lachend erläuterte Ferdinand ihnen die Demilitarisierte Zone zwischen den Routern zum Internet, die jeden unerwünschten Zugriff von außen unmöglich macht. Der Vizekonsul übersetzte seine Worte, was bei den Russen enttäuschte Gesichter hervor rief, dann fragte er: „Sie haben uns ja noch gar nicht gesagt, ob Sie grundsätzlich bereit sind, uns überhaupt noch mal Daten zu beschaffen. Bis wir das wissen, erübrigt sich doch jede Überlegung, was wir brauchen.“
Nun musste Ferdinand Farbe bekennen: „Sie haben recht. Ich bin bereit, noch ein letztes Mal bei der Helios AG einzudringen und Ihnen eine kleine Menge Softwaredaten zu liefern. Es muss sich aber um maximal 300 GB genau definierte Dateien handeln. Und ich erwarte von Ihnen eine bindende Erklärung, dass weitere Aufträge in dieser Angelegenheit ausgeschlossen sind.“ Der Vizekonsul schluckte, bevor er die Worte wieder den Fachleuten übersetzte. Während einer langen und teilweise heftigen Diskussion zwischen den fünf Russen lehnte Ferdinand sich in seinem Sessel zurück und dachte an Tanja, mit der er in ein paar Stunden nach München zurück fahren würde. Aufregend war es am Morgen gewesen, ihren Körper an seinem zu fühlen und er hatte gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt, um sie nicht zu erschrecken.
Endlich, nach fast einer Stunde schienen sich die Russen einig zu sein. Was denn dieser Zusatzauftrag kosten solle, wollte der Vizekonsul wissen. „Das kommt auf den Umfang an“, antwortete Ferdinand. „Wenn Sie mir genau sagen, was Sie haben wollen, kann ich Ihnen einen Preis machen und Sie können sicher sein, dass ich Sie nicht übers Ohr haue.“ Wieder diskutierten die Russen eine Weile, dann sagte der Vizekonsul, die Fachleute seien hier und heute nicht in der Lage, ihren exakten Bedarf an Daten zu nennen. Sie müssten das mit anderen Fachleuten untersuchen und er würde es Ferdinand mitteilen. Ob er denn seine Zusage aufrechterhalte. „Zu den von mir genannten Bedingungen ja“, war Ferdinands Antwort, „sagen Sie mir in München möglichst bald, was Sie brauchen und ich hole es Ihnen am folgenden Wochenende.“ Da nichts weiter zu besprechen war, fragte der Vizekonsul, ob Ferdinand noch zum Essen bliebe, doch der lehnte nach einem Blick auf die Uhr dankend ab, es war ja schon 12:30.
Im Hotel wartete Tanja schon mit gepacktem Koffer auf ihn. Ferdinand packte schnell seine Sachen zusammen und erfuhr beim Auschecken, dass die Botschaft seine gesamte Rechnung bezahle. Tanja bot ihm an zu fahren, was er gerne annahm. In der Raststätte Fläming tankten sie und Ferdinand steckte die Rechnung ein. „Das muss Andropow alles zahlen, wenn er uns schon nach Berlin beordert“, lachte er. Sie aßen eine Kleinigkeit, wobei Ferdinand von der frechen Bemerkung des Vizekonsuls erzählte, er habe sie ja zusammen geführt. Tanja war empört, das sei genau die schmierige Tour, die er schon am Abend gezeigt hatte. Dann berichtete er kurz vom Verlauf der Besprechung und dass die Russen jetzt erst mal ihre Hausaufgaben machen müssten.
Sie fuhren weiter und waren um 17:30 in München, wo sie noch einmal tankten. Als Ferdinand sich vor seiner Haustür verabschieden wollte, zögerte Tanja einen Moment, dann überwand sie sich: „Ich möchte gerne mal deine Wohnung sehen.“ Mit den Worten: „ich habe ein ganzes Apartment, die Wohnung geht nahtlos in mein Rechenzentrum über. Wenn du dich nicht an einer leichten Unordnung störst, herzlich gerne“, nahm Ferdinand sie mit hinein. Über der Tür prangte ein Schild: „DV-INSTALL Ferdinand Wagner“. Aufmerksam sah Tanja sich zuerst im gemütlichen Wohnzimmer um und bewunderte die umfangreiche Büchersammlung im Regal. In das große Schlafzimmer mit dem breiten Doppelbett warf sie nur einen verschämten Blick, doch im Bad schaute sie sich genauer um und in der modern eingerichteten Küche besah sie alle Geräte mit fachmännischen Blicken.
Als letztes zeigte Ferdinand seiner Besucherin den geräumigen Computerraum mit zwei Rechnern, dem Bedienplatz mit großem Flachbildschirm und einem Notebook. Ein Farb-Laserdrucker mit Scan- und Faxfunktion vervollständigte die Anlage. „Hier teste ich die Systeme, bevor ich sie beim Kunden installiere, außerdem entwickle ich kleine Spezialsoftware“, sagte Ferdinand stolz. „So versiert habe ich mir deine Tätigkeit nicht vorgestellt“, staunte Tanja und schaute sich um. „Welche Gesellschaftsform hat deine DV-INSTALL?“, wollte sie noch wissen, als sie ins Wohnzimmer zurück gingen und Ferdinand sie auf die Couch lotste. „Ganz einfach, ich bin Einzelunternehmer und gebe jährlich eine Steuererklärung ab“, antwortete Ferdinand, „und wenn mir die Aufträge über den Kopf wachsen, setze ich gelegentlich den einen oder anderen Informatikstudenten ein.“ „Gehört dir das Haus?“ „Nein, das konnte ich mir bisher nicht leisten, ich musste ja erst mal Schulden abzahlen.“
Dann bot er ihr einen Cognac an, den sie gerne nahm. „Inspektion zur Zufriedenheit verlaufen?“ fragte er lächelnd. „Das ist gemein“, antwortete sie, „ich wollte doch nur wissen, wie der Mensch lebt, mit dem ich im Begriff bin, mich einzulassen. Ich muss sagen, dein Stil gefällt mir, ich habe das bei einem Daten verarbeitenden Junggesellen überhaupt nicht erwartet.“ „Was hast du eben gesagt, du willst dich mit mir einlassen?“ Ferdinand sprang auf und bedeckte Tanjas Gesicht mit Küssen, bis sie um Gnade bat. „Ja, ich habe das gnädig in Erwägung gezogen, aber noch lange nicht entschieden“, lachte sie, „und bevor du mir noch gefährlicher wirst, will ich lieber gehen.“ Vor der Tür küssten sie sich noch einmal innig und Ferdinand dankte der Freundin für das schöne Wochenende in Berlin. „Für mich war es doch ebenso schön“, sagte sie leise und ließ eine Haarsträhne durch die Finger gleiten, dann sprang sie in den Wagen und brauste davon. Ferdinand schaute ihr noch lange nach. Tanja wollte sich mit ihm einlassen, hatte sie gesagt! Anscheinend war er in seiner zurückhaltenden Art genau auf dem richtigen Wege in ihr Herz. „Gott, lass uns zusammen finden“, dachte er, obwohl er sonst kein gläubiger Mensch war. Glücklich aß er sein Abendbrot, las noch etwas und ging früh schlafen.
Tanja fuhr voller Zweifel die sieben Kilometer zu ihrer Wohnung und ging nach ein paar Häppchen bald ins Bett, fand aber noch lange keinen Schlaf. Keinem Mann gegenüber hatte sie sich bisher so weit geöffnet, und das Geständnis, sie wolle sich mit ihm einlassen, musste ihr aus dem Herzen gekommen sein, denn mit dem Verstand war sie noch lange nicht bereit für einen Mann.