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Kriegsbeginn, Lagerbau und Lebenswelten

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Ein am 29. Juli 1914 vom Linzer Diözesanbischof Rudolf Hittmair verfasster Kriegs-Hirtenbrief sprach überraschend offen, jenseits der ansonsten auch bei ihm spürbaren Kriegseuphorie, von den dunklen Seiten des Krieges:

„Es ist Krieg! Gott des Himmels und der Erde […] Sei uns gnädig! Sei mit uns! Sei mit unserem Österreich! […] Krieg! Wir kennen seine Schrecknisse seit Jahrzehnten nicht mehr. Doch wir verkennen sie nicht […] und was wir jetzt schon empfinden, wir verhehlen es uns nicht: es ist initium dolorum, erst der Anfang der Schmerzen […]“.47


Abb. 3: Rudolf Hittmair, seit 1909 Bischof von Linz

Tatsächlich entwickelte sich das Jahr 1915 für Oberösterreich zu einem Seuchenjahr, zu einem gefährlichen Bedrohungsszenario für die Zivilbevölkerung der näheren und weiteren Umgebung der Kriegsgefangenenlager. Die anfänglich vehemente Ablehnung aus den meisten der vom K. u. K. Kriegsministerium als Lagerstandorte ausgewählten Gemeinden erwies sich im Nachhinein betrachtet als durchaus berechtigt.

„Flecktyphus und Ruhr im Gefangenenlager in Mauthausen“48, so lautete eine Schlagzeile des Greiner Wochenblattes in den ersten Jännertagen des Jahres 1915.

Über den gefürchteten Flecktyphus hieß es, dass er „[…] eine ansteckende, fieberhafte, schwere Kriegskrankheit […]“ sei.49

Es waren generell gerade die Vorkommnisse in Mauthausen, die in anschaulicher Weise jene Faktoren verdeutlichten, die für die Anfangszeit der Kriegsgefangenenlager typisch waren und den Ausbruch gefährlicher Infektionskrankheiten begünstigen sollten. Die Militärverwaltung, aber auch die politischen Behörden waren in keinster Weise auf die gewaltige Zahl an Kriegsgefangenen vorbereitet, rechnete man doch mit einer kurzen Dauer des Krieges.

So wurden in kürzester Zeit im gesamten Staatsgebiet der Donaumonarchie nicht weniger als 50 Kriegsgefangenenlager errichtet.

Allerdings variierte ihre Zahl, da manche dazukamen und andere später wieder aufgelassen wurden. Daneben existierten sogenannte Gewerbelager wie in Brunn am Gebirge und teilweise wurden Arbeitsstätten, in denen Kriegsgefangene tätig waren, als Lager geführt. In solchen Arbeitslagern wie Kaisersteinbruch im Burgenland und Trofaiach in der Steiermark wurden Kriegsgefangene auch zu Rüstungsarbeiten eingesetzt, die eigentlich nach der Haager Landkriegsordnung verboten waren.

Auf oberösterreichischem Boden gab es insgesamt, die im Jahre 1915 wieder aufgelassene Station für kriegsgefangene russische Offiziere in Kreuzstein bei Mondsee eingerechnet, sieben Kriegsgefangenenlager.50 Diese Lager waren für Serben, Russen und ab 1915 auch für Italiener konzipiert: Mauthausen, Aschach an der Donau, Kleinmünchen-Wegscheid bei Linz, Marchtrenk, Freistadt und Braunau am Inn.

Im Rahmen einer großen Kriegsausstellung, die 1917 in Wien stattfand, waren auch die Bundesländer Salzburg und Oberösterreich präsent. Diese österreichischungarische Heerschau, mit einem gehörigen Maß an Kriegspropaganda inszeniert, vermittelte auch

„[…] ein Bild der Beteiligung der Kronländer Oberösterreich und Salzburg an dieser Veranstaltung, welche bekanntlich Einblick in alle mit den gewaltigen Kriegsereignissen in Verbindung stehenden Gebiete gewähren und dabei dem edlen Zwecke der Kriegsfürsorge dienen soll […]“.51

Eine dem Bauwesen gewidmete Abteilung befasste sich auch mit den Kriegsgefangenen- und Interniertenlagern. Darin wurden Modelle einer Mannschaftsbaracke des Lagers in Marchtrenk, einer Küchenbaracke des Kleinmünchner Lagers und eines Fäkalienverbrennungsofens aus dem Lager in Braunau am Inn gezeigt. Daneben waren noch Mappen mit Bildern aus den Kriegsgefangenenlagern in Braunau, Grödig und in St. Leonhart bei Salzburg sowie Fotos und Planskizzen der Lager in Aschach, Freistadt und Mauthausen gleichfalls zur Besichtigung ausgestellt. Eine detailgetreue Reliefdarstellung gewährte zudem einen Überblick über die Kriegsgefangenenlager Braunau und Grödig und ein farbenprächtig gestaltetes Diorama sollte den Besuchern einen propagandistisch geschickt inszenierten Einblick in die humane und menschliche Facette des österreichischen Kriegsgefangenenwesens ermöglichen.

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47 Vgl. Linzer Diözesanblatt Ausgabe Nr. 12 1914, 79

48 Greiner Wochenblatt 9.1.1915, 2.

49 Ebenda, 2.

50 KA (Kriegsarchiv), KM/10. Abt., 1915, 10-71/104; siehe auch Hansak, Peter: Das Kriegsgefangenenwesen während des 1. Weltkrieges im Gebiet der heutigen Steiermark (Diss. Univ. Graz 1991).

51 Tagespost 25.7.1917, 4.



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