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Keplers Raserei

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Vor dem Wissen steht der Glaube, und das heißt, dass die ersten Männer der Wissenschaft über einen festen Glauben an einen Schöpfergott verfügten. Von dieser Grundlage aus operierten sie und erkundeten die Welt um sie herum.

Gemeint ist zum Beispiel Johannes Kepler (1571–1630), der bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebte und sich trotz vieler Widrigkeiten und Mühen überzeugt zum Protestantismus bekannte, womit genauer das Luthertum gemeint ist, das seinen besonderen Ausdruck in dem so genannten Augsburger Bekenntnis gefunden hat und gläubigen Menschen ausreichend Platz für Freiheiten im Wollen und Handeln ließ.

Für Kepler wirkte Gottes Gnade auf vielfältige Weise bis in den persönlichen Bereich hinein, etwa dadurch, dass der Herr im Himmel den kränklichen Astronomen auf der Erde lang genug am Leben hielt, um ihm ausreichend Gelegenheit zu geben, das Werk des allmächtigen Herrn des Himmels und der Erden in seiner Schönheit und Vollkommenheit zu erforschen.

Leider schaffte es Gott nicht, sein Geschöpf Kepler so bei Gesundheit zu halten, dass der angestellte Astronom beim Kaiser als Arbeitgeber sein ausstehendes Gehalt einfordern konnte, nachdem der Herrscher ihn jahrelang nicht bezahlt und immer wieder vertröstet hatte. Der bescheidene Wissenschaftler starb daher arm und hinterließ eine vielköpfige darbende Familie.

Man wüsste gerne, was Gott sich dabei gedacht oder welche Prüfung seines gläubigen Geschöpfs der Herr dabei im Auge gehabt hat, falls solch eine Formulierung sinnvoll ist und von gottesfürchtigen Menschen nicht sofort als unangemessen verworfen wird.

Weltharmonik

Doch lieber zurück zum wissenschaftlichen Treiben unseres Helden: Kepler zeigte sich trotz aller Mühsal zeitlebens überzeugt, „Nichts in der Welt ist von Gott planlos geschaffen“, wie er etwa in seinem Hauptwerk Weltharmonik von 1619 geschrieben hat. Er sah seine Aufgabe vornehmlich darin, sich auf die entsprechenden Gedanken Gottes einzulassen und sie in möglichst vielen Details seines Weltenplans aufzuspüren.

Von den umfangreichen wissenschaftlichen Bemühungen Keplers, die den Gang von Licht durch Glas (Optik) ebenso ins Visier nahmen wie die sechseckige Form von Schneeflocken (Chemie), sollen in diesem Buch nur die astronomischen Leistungen bedacht werden, die den Himmel und seine Formationen zu erfassen versuchten, in denen seit dem Mittelalter dem lieben Gott Raum für sein Wirken zugestanden wird.

Die christliche Kultur des Abendlandes hat tatsächlich um 1300 herum die Gestalt des Kosmos übernommen und zugleich christlich aufgeladen, wie sie von den alten Griechen – vor allem in den philosophischen Werken von Aristoteles – entworfen worden war. Die Philosophen der Antike stellten sich jenseits des Mondes kugelförmige Himmelssphären vor, die nichts mit irdischer Wirklichkeit zu tun hatten, die sich vielmehr nach göttlichen Vorgaben und somit ohne physikalische Mühe drehten und dabei die Planeten mit sich führten. Deren Bewegungen waren von der sublunaren Erde aus gut zu beobachten.

Um die auf diese Weise zugängliche kosmische Mobilität zu erklären, benötigte man in der Antike keine Kräfte, wie sie die moderne Physik seit Newton benutzt. Dafür hatte der heidnische Grieche Aristoteles einen „unbewegten Beweger“ eingeführt, der alles in Schwung hielt, ohne sich selbst zu verausgaben.

Wie nicht anders zu erwarten, übernahm die christliche Zeit diesen zentralen Gedanken, nur dass sie den antiken Antreiber in ein lateinisch benanntes „Primum Mobile“ verwandelte, in das „Erste Bewegte“ also, aus dem heraus die göttliche Kraft fließt, die in der Welt wirksam ist und empfangen wird sowie weiterströmt.

Als Kepler sich an sein Werk machte, sah das christliche Denken die Erde mit dem Menschen im Zentrum der Welt. Um diese Mitte scharten und drehten sich die kugelförmigen Sphären, die ihrerseits weit außen Platz für das Göttliche ließen, das viele schöne Bezeichnungen erhielt und dabei als „Primum Mobile“ die Dinge auf ihren Weg brachte und den Lauf der Welt bestimmte.

Kopernikanische Umwälzungen

Der aus dem Württembergischen stammende Astronom Kepler kannte nicht nur die antiken Himmelsmodelle in christlicher Ausschmückung, wie sie etwa in Dantes Göttlicher Komödie eine Rolle spielen. Er kannte darüber hinaus auch die Ideen von Nikolaus Kopernikus (1473–1543), der in seinem Sterbejahr die bis heute für viele Menschen umwerfenden oder umwälzenden Ansichten über die Bewegungen am Himmel publiziert und dabei zwei dramatische Wendungen (Revolutionen) im Denken vorgenommen oder zumindest vorgeschlagen hatte.

Zum einen empfahl Kopernikus tatsächlich, die Erde aus dem Zentrum der Welt zu nehmen und dort die Sonne unterzubringen, wobei zu beachten ist, dass diese (eher unwesentliche) astronomische Erniedrigung des Menschen – seine Entfernung aus der Mitte – eine (wesentliche) christliche Erhöhung zur Folge hat. Denn je weiter außen die Erde im Modell der Himmelskugeln (Sphären) zu liegen kommt, desto näher rückt sie an die Quelle der göttlichen Kraft heran und damit auf Gott zu – ein Umstand, der bis heute vielfach übersehen und peinlich falsch verstanden wird.

Und zum Zweiten unterbreitete der polnische Domherr den Vorschlag, dass sich die Erde sogar zweimal drehe, nämlich nicht nur um die Sonne in einem großen Umlauf, für den sie ein Jahr benötigt, sondern zusätzlich in einem eher kleinen und kürzeren Rahmen um ihre eigene Achse – was den Wechsel von Tag und Nacht erklärt.

Philosophisch betrachtet steckt die so genannte „Kopernikanische Revolution“ in der zweiten Rotation unseres Planeten, da die von unserem Planeten zu beobachtende Drehung der Fixsterne jetzt nicht mehr von diesen Himmelskörpern, sondern von dem sie beobachtenden Menschen her erklärt wird. Der rückt auf diese Weise doch wieder in die Mitte seiner Welt, nachdem er gerade das Zentrum des Sonnensystems aufgeben musste. Ein zugegebenermaßen manchmal verwirrendes Hin-und-Her der Positionen, das auch vielen Großen der Geistesgeschichte Mühe macht, hier aber nicht weiter verfolgt werden soll, da es weniger um Kopernikus und mehr um Kepler geht. Der interessierte sich vor allem für die erste Idee seines revolutionären Vorgängers.

Genauer gesagt begeisterte sich Kepler unmittelbar für den heliozentrischen Vorschlag, obwohl es mit diesem Modell eine eigentlich unübersehbare und unüberwindbare Schwierigkeit gab. Denn offenkundig passt die Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, die dabei selbst als ruhend betrachtet wird, nicht mit den Erfahrungen zusammen, die Menschen mit ihren Sinnen machen. Diese erlebten Eindrücke finden ihren Ausdruck sogar in der Sprache wieder und lassen die Menschen morgens von einem Sonnenaufgang und abends von dem dazugehörenden Untergang sprechen, obwohl der zentrale Himmelskörper im heliozentrischen Modell keinen einzigen Schritt tut und nicht geht, sondern einfach ruht.

Neben diesen allgemeinen Schwierigkeiten, dem Modell des Kopernikus zu vertrauen, gab es im frühen 17. Jahrhundert das weitere Problem, dass keinerlei empirische Evidenz für eine Drehung der Erde um die Sonne vorlag, was es vielen Astronomen dieser Zeit leicht machte, den heliozentrischen Gegenvorschlag zum geozentrischen Kosmos als belanglose Spielerei ohne wissenschaftlichen Wert abzutun. Es war offenbar mehr oder weniger allein Johannes Kepler, der trotz der genannten Widrigkeiten von Anfang an fest von der zentralen Position einer wärmenden und leuchtenden Sonne überzeugt war.

Kepler glaubte an das, was Kopernikus sagte. Dieser Glaube beruhte auf einem Grund, der direkt zu Gott führt. Er steckt darin, dass unser Astronom durch das Kopernikanische System von „religiöser Leidenschaft“ erfasst wurde, wie der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli (1900–1958) in den 1950er Jahren in einer historischen Analyse ausgearbeitet und geschrieben hat.

Tatsächlich sieht Kepler in der heliozentrischen Anordnung am Himmel „das körperliche Abbild“ des „drei-einen Gottes“ in der Welt, wobei er Gott den Vater im Zentrum, seinen Sohn in der Oberfläche der Kugel und den „Heiligen Geist im Gleichmaß der Bezogenheit zwischen Punkt und Zwischenraum“ sieht, wie es bei ihm etwas kryptisch und für die Gegenwart nicht immer leicht nachvollziehbar heißt.

Einfacher ausgedrückt: Kepler erkundet die Gestalt des Kosmos im heliozentrischen Glauben mit Hilfe der christlichen Trinität, und mit diesen Vorgaben macht er sich daran, „nach den wahren Gesetzen der Proportionen der Planetenbewegung als dem wahren Ausdruck der Schönheit der Schöpfung zu suchen“, wie es Pauli in dem Aufsatz formuliert, in dem er 1952 den Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler erkunden möchte.

Pauli erläutert am Beispiel von Kepler seine bis heute von Wissenschaftsphilosophen kaum zur Kenntnis genommene Ansicht, dass erfolgreiches wissenschaftliches Erkennen nicht allein rational gelingt, sondern vor einem archaischen (irrationalen) Hintergrund stattfindet, in dem Pauli Urbilder der Seele vermutet, die sich als so genannte Archetypen am Denkspiel des Erkennens beteiligen. Und eines dieser archetypischen Urbilder, die in das Bewusstsein gelangen können, findet sich in der Trinität oder Dreifaltigkeit (Dreieinigkeit), mit deren Hilfe Kepler seinen festen Glauben an die Zuverlässigkeit des Kopernikanischen Modells erlangt und mit dessen Vorgabe und Hilfe er nun in der Lage ist, als empirisch tätiger Wissenschaftler nach „den wahren Gesetzen“ der Planetenbewegung Ausschau zu halten.

Geheimnisvolle Gesetze

Bekanntlich findet Kepler im Laufe seines weiteren Lebens drei Gesetze dieser Art, wobei sich die genannte Zahl nicht nur in die christliche Harmonie fügt, sondern auch zu einem besonderen Erlebnis von Kepler führt.

Tatsächlich findet er zunächst zwei Gesetze für die Bewegung der wandernden Himmelskörper, von denen das erste allgemein für die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens von größter Bedeutung ist. Es stellt den Abschied von kreisförmigen Planetenbahnen am Himmel dar und verkündet, dass zum Beispiel die Erde die Sonne auf einer Ellipse umläuft.

Kepler erkennt die außerirdische Realität dieser geometrischen Figur mit Hilfe von langwierigen Beobachtungen der Marsbahn und sich nahezu ewig hinziehenden Berechnungen, wobei diese quantitative Akribie erkennen lässt, dass hier neben dem religiösen Eiferer auch ein streng der Empirie verpflichteter Wissenschaftler heutiger Prägung am Werk ist, was Kepler unmittelbar als Mittler zwischen der mittelalterlichen und der modernen Welt erkennen lässt. Er steht und wirkt wahrlich am Beginn der Neuzeit, wie man auch sagen kann und was zeigt, dass an seinem Beispiel noch mehr zu lernen ist – unter anderem die Tatsache, dass seine große Entdeckung von Planeten, die auf Ellipsen unterwegs sind, nicht zum Ende einer Untersuchung führt, sondern im Gegenteil einen neuen Anfang erzwingt. Aus dem folgenden Grund:

Solange die Planeten kreisförmig von außerirdischen Himmelssphären bewegt wurden, solange fragte niemand nach der Kraft, die dafür nötig war. Die Götter hatten es auf diese perfekte Weise so eingerichtet, und mehr war da für Menschen nicht zu wissen und zu wollen.

Indem Kepler die Kreise abschaffte und durch Ellipsen ersetzte, kam er zwar wissenschaftlich gesehen der Wahrheit am Himmel näher, musste aber dafür einen Preis zahlen. Er bestand in der Verpflichtung, eine Antwort auf die Frage zu geben, wer oder was für die gefundene geometrische Form zuständig ist und die nötige Kraft dafür liefert. Kepler sah das Problem, kam aber nicht auf die Lösung, die noch ein knappes Jahrhundert auf sich warten lassen musste, und zwar solange, bis Sir Isaac Newton in England die Bühne der Wissenschaftsgeschichte betrat, wie in dem dazugehörigen Kapitel genauer geschildert wird.

An dieser Stelle kann die Situation aber bereits benutzt werden, um einen wesentlichen Zug von naturwissenschaftlichen Fortschritten deutlich zu machen, der gerne übersehen oder missachtet wird. Gemeint ist das Phänomen, dass Kepler zwar der Wahrheit über die Planetenbahnen – ihrem richtigen und tatsächlichen Verlauf – näher gekommen ist, aber nur dadurch, dass er das Geheimnis ihres Wanderns nicht verkleinert, sondern im Gegenteil vergrößert hat. Die Planeten können Menschen ebenso verzaubern wie die Ellipsen, auf denen sie ihre Bahnen ziehen, und jedes dazugehörige Gesetz bringt mehr Gelegenheit zum Staunen.

Dazu reicht ein Blick auf das zweite Gesetz, das Kepler findet und welches heute als „Flächensatz“ bekannt ist. Es meint das Folgende:

Wenn man sich vorstellt, der umherziehende Planet sei mit einem Bindfaden an der Sonne befestigt und dann schaut, welche Fläche er während der Bewegung überstreicht, kommt man seit Kepler zu dem Ergebnis, dass in gleichen Zeiten gleiche Flächen erfasst werden. So lautet auch sein zweites Gesetz für die Planetenbewegung, über das man ruhig staunen und bei dem man sich fragen darf, wer das Räumliche und Zeitliche so eng verweben und das dazugehörige Gebilde unsichtbar sichtbar um uns legen konnte.

Nachdem Kepler den Flächensatz gefunden hatte, gab es viel anderes zu erledigen. So sollte es noch einige Jahre dauern, bis Kepler sich erneut „der Betrachtung himmlischer Harmonien“ widmen konnte, wie er in seiner Weltharmonik von 1619 schreibt. Dabei erkannte er nicht nur, „worin bei den Bewegungen der Planeten vom Schöpfer die harmonischen Proportionen ausgedrückt sind“, er konnte seinen Einsichten nun sogar eine elegante mathematische Form geben, die heute als „drittes Gesetz“ von Kepler bekannt und berühmt ist.

Der gläubige Astronom fand nämlich nach langem und mühevollem Umgang mit massenhaft vielen Zahlen, dass die Umlaufzeiten der Planeten (T) und ihr mittlerer Abstand zur Sonne (A) zusammenhängen, und zwar so, dass das Verhältnis aus den Quadraten der Umlaufzeiten (T2) und den Entfernungen zur dritten Potenz erhoben (A3) für alle Planeten gleich und damit konstant ist. T2/A3 ist eine feste Größe am beobachtbaren Himmel, wie Kepler feststellte.

Wenn das viele gläubige oder ungläubige Menschen heute nicht mehr unbedingt vom Hocker reißt, so sollten sich wenigstens einige von ihnen durch etwas anderes verblüffen lassen, nämlich durch Keplers unbeschreibliche Freude, die ihn erfasste, als er das dritte Gesetz erkannte und vor sich sah.

In seinen Mitteilungen dazu bekennt er offen, „Ich überlasse mich heiliger Raserei.“ Ich stelle mir dabei vor, wie fröhlich, vergnügt und ausgelassen der kleine Mann durch seine Räume oder über die Straßen seiner Stadt gehüpft ist, um jubelnd in die Hände klatschend seine astronomische Erkenntnis des göttlichen Weltenplans zu feiern. Wahrscheinlich hätte er am liebsten alle Menschen umarmt, die in seiner Nähe und bei drei nicht auf irgendwelchen Bäumen waren. Solch eine unbändige Begeisterung und ihre Schilderung zieht unmittelbar eine spannende Frage nach sich: Warum kann sich heute kein Wissenschaftler mehr auf ähnliche Weise freuen und durch Einsichten in die Abläufe der Natur berauschen lassen? Selbst Staunen scheint ein Fremdwort im Bereich der Forschung geworden zu sein, obwohl Keplers heilige Raserei ausreichend Anlass dazu geben könnte.

Staunen heute

Wenn oben gesagt wurde, dass inzwischen „kein Wissenschaftler“ mehr unbändig über eine Entdeckung jubelt und ausgelassen feiert, dann erfasst diese Feststellung mehr den Eindruck, den die Öffentlichkeit von der Forschung hat und den sie in den Medien serviert bekommt. In der hier vorgeführten Wissenschaft geht alles sachlich und korrekt und damit eher langweilig vor sich. Selbst wenn dort das Fest des Nobelpreises gefeiert wird, agieren die Ausgezeichneten eher steif und brav. Vermutlich kann sich heute niemand mehr einen Wissenschaftler wie den Griechen Archimedes vorstellen, der beim Einsteigen in eine Badewanne das überlaufende Wasser bemerkte. Diese Beobachtung half ihm zuerst, ein äußerst drängendes Problem zu lösen, und löste danach eine derartige Jubelstimmung in ihm aus, dass er nicht an sich halten konnte und nackend durch die Straßen lief, um allen dort umherlaufenden Menschen sein „Heureka“ zu verkünden – „Ich habe es gefunden!“, nämlich die Lösung der Frage, wie man das Volumen eines kompliziert gestalteten Kunstwerks – einer Krone in diesem konkreten Fall – ermittelt, ohne sie zu beschädigen.

„Ich konnte gut nachvollziehen, wieso Archimedes so aus dem Häuschen geraten war“, so Jeanette Walls in ihrem Buch Das ungezähmte Leben, das aus der Perspektive eines Mädchens erzählt wird, die folgende Erfahrung gemacht hat: „Es gab doch nichts Schöneres als dieses Gefühl, das einen überkam, wenn es „klick“ machte und man plötzlich etwas begriff, das einem ein Rätsel gewesen war. So schöpfte man Hoffnung, dass es vielleicht doch möglich war, diese gute alte Welt in den Griff zu bekommen.“

Die gesamte öffentliche Einstellung zum Vorgehen der Wissenschaft könnte sich ändern, wenn die Freude erwähnt wird, die mit dem Erkennen verbunden ist. Sie kann sowohl einem kleinen Mädchen ein herrliches Gefühl liefern als auch den großen Kepler in heilige Raserei versetzen. Sie hat im 20. Jahrhundert den französischen Biologen François Jacob und seinen aus Südafrika stammenden Kollegen Sydney Brenner dazu gebracht, „wie zwei Verrückte einen wilden Freudentanz“ aufzuführen, nachdem ihnen ein eleganter Einblick in das Funktionieren des genetischen Apparates einer Zelle gelungen war.

Gott muss doch ganz in der Nähe gewesen sein, wenn sich Menschen so unbändig darüber freuen, dass sie mit ihren geistigen Mitteln etwas von seiner Schöpfung verstehen können. Zumindest Keplers Gott wird bei dem Blick auf die tanzenden Forscher Wohlgefallen gefunden haben. Keplers Gott hat nämlich zum einen dafür gesorgt, dass die Welt durch ihre Schönheit den Menschen zugänglich ist. Und er hat seine sterblichen Ebenbilder ermutigt, ihr Wissen mit seiner Hilfe – mit seinen uns eingepflanzten Urbildern – zu erwerben und vermehren. Auf diese Weise wird Wissenschaft genau zu dem Gottesdienst, den Kepler in seinem astronomischen Tun gesehen und täglich praktiziert hat. Er muss sich trotz aller finanziellen Not dabei glücklich gefühlt haben.

Gott und die anderen Großen

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