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Woche 1

Vom Autopiloten zur Achtsamkeit


»Ich bin mir der Dinge, Gedanken und Routinen jetzt bewusster, und ich nehme wahr, wie ich mich im Moment gerade fühle.«


Hintergrundwissen zur ersten Sitzung: Vom Autopiloten zur Achtsamkeit

»Seit ich am Mindful2Work-Training teilgenommen habe, bin ich in der Lage, so etwas wie Abstand herzustellen, wenn ich Stress habe, sodass ich ein wenig ruhiger werde. Zumindest aber nimmt der Stress dann nicht so heftig von mir Besitz. Es bildet sich eine Art Kokon um mich herum, ohne dass ich apathisch oder distanziert bin. Es ist nicht ganz einfach zu beschreiben, aber es hat einen großen Effekt.«

Die Auswirkungen von Stress

Multitasking, hohe Geschwindigkeit, der dauernde Wettbewerb, eine unsichere Arbeitsplatzsituation, ständige Erreichbarkeit über die sozialen Medien, Reizüberflutung und andauernder Zeitdruck bestimmen heute das Leben in der westlichen Gesellschaft (Stansfeld, Candy, 2006). Wenn uns jemand fragt, wie es uns geht, bekommen wir häufig ein »viel zu tun« zur Antwort. Auch wenn eine hohe Geschwindigkeit, Wettbewerb, ständige Erreichbarkeit und eine Menge Aufgaben und Reize für manche Menschen vielleicht inspirierend sein mögen, bringt all das doch auch Stress mit sich. Stress aber beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit negativ. Kurzfristig kann Stress zu Symptomen wie Kopfund Muskelschmerzen, erhöhtem Herzschlag und Blutdruck, Schlafproblemen und einem Gefühl der mentalen Instabilität führen. Langfristig führt Stress sogar zu chronischer Müdigkeit, Erschöpfung, Burn-out, Angst, Depressionen, verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit (Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, zu planen und zu organisieren, Prioritäten zu setzen und Gedächtnisschwierigkeiten), somatischen Symptomen sowie kardiovaskulären Erkrankungen (Hammen, 2004; Hassmén, Koivula, Uutela, 2000; Leone, Wessely, Huibers, Knottnerus, Kant, 2011; Lupien, Maheu, Tu, Fiocco, Schramek, 2007; Sadeh, Keinan, Daon, 2004; Schneiderman, Ironson, Siegel, 2005; Wolever u. a., 2012). Sind wir bei der Arbeit lang anhaltendem Stress ausgesetzt, kann dies die unterschiedlichsten Folgen haben: geringere Produktivität, häufigere Erkrankungen, Zunahme von Betriebsunfällen, Zunahme von Fehlern und Konflikten (European Agency for Safety and Health at Work, 2014; Kalia, 2002). In den Niederlanden leiden Erhebungen zufolge mehr als eine Million Menschen an Burn-out-Symptomen und 36 Prozent des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls sind auf Stress am Arbeitsplatz zurückzuführen (Goudswaard, 2017; Van der Ploeg, Van der Pal, De Vroome, Van den Bossche, 2014). Während des Mindful2Work-Trainings werden wir mithilfe einer Kombination aus bewusster aktiver Bewegung, Yoga und Achtsamkeit an diesen Symptomen arbeiten.

Unsere Aufmerksamkeit ist häufig nicht an dem Ort, an dem sich unser Körper befindet.

Achtsamkeit

Achtsamkeit wird von Jon Kabat-Zinn als das Bewusstsein definiert, das durch eine bestimmte Art der Aufmerksamkeit entsteht, die gezielt auf den gegenwärtigen Moment bezogen und nicht wertend ist. Was dies bedeutet, lässt sich am Gegenteil veranschaulichen: Jemand stellt sich uns vor und wir vergessen seinen Namen sofort wieder; wir kommen am Arbeitsplatz an, können uns aber nicht mehr wirklich daran erinnern, wie wir dort hingekommen sind. Körperlich sind wir dort, aber mit unserem Kopf – unserer Aufmerksamkeit – sind wir ganz woanders. Unsere Aufmerksamkeit ist häufig nicht an dem Ort, an dem sich unser Körper befindet: Wir befassen uns mit Dingen, die noch geschehen werden oder schon geschehen sind und so verpassen wir den gegenwärtigen Moment. In unserem Kopf ist so viel los, weil wir ständig Ausflüge in die Vergangenheit oder in die Zukunft machen. Die Fähigkeit, mit dem Körper an dem einen und mit dem Kopf (unserer Aufmerksamkeit) an einem anderen Ort verweilen zu können, rührt daher, dass wir mit einem Autopiloten ausgestattet sind.

Der Autopilot

Im wörtlichen Sinn ist der Autopilot ein Mechanismus, mit dem ein Fahrzeug ohne menschliches Eingreifen gesteuert werden kann. Dinge, die uns zur Routine geworden sind, die wir automatisiert haben, wie zum Beispiel den Weg zur Arbeit, können wir erledigen, ohne groß darüber nachzudenken, ohne ihnen bewusste Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Etwas im Autopiloten-Modus erledigen zu können, hat sicherlich Vorteile. Stellen Sie sich vor, wir müssten jedes Mal ganz bewusst darüber nachdenken, welchen Weg wir zur Arbeit nehmen sollen. Es ist natürlich praktisch, dass wir auf diese Weise mehrere Dinge gleichzeitig tun können. Aber genau das ist auch das Tückische! Es bedeutet nämlich, dass wir, während wir handeln, mit unserer Aufmerksamkeit ganz woanders sein können. Das wiederum hat zur Folge, dass wir dem gegenwärtigen Moment kaum Aufmerksamkeit schenken und so den einzigen Moment, den wir wirklich erleben, verpassen. Außerdem kostet es viel Energie, sorgt für Unruhe und belegt unseren Arbeitsspeicher, der – wenn wir mit sehr vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt sind –, überlastet werden kann. Dewulf (2010) vergleicht dies mit einem Computer, auf dem viele Dokumente gleichzeitig geöffnet sind. Je mehr Programme laufen und Dokumente geöffnet sind, desto langsamer wird der Rechner, er hängt sich auf und stürzt schließlich ab. Dasselbe kann mit unserem Arbeitsspeicher geschehen, wenn er überlastet ist. Er gerät ins Stocken, wir verlieren den Überblick und können nicht mehr klar denken. Glücklicherweise kann man daran etwas ändern. Wir können diesen Prozess umkehren! Anstatt auf Autopilot zu schalten und mit schrecklich vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt zu sein, können wir uns des gegenwärtigen Moments bewusst werden und uns auf eine Sache fokussieren. Wenn wir uns in Achtsamkeit üben, ist das zwar keine Garantie dafür, dass wir ständig im Moment leben, denn auch dann unternehmen wir manchmal noch Ausflüge in unserem Kopf, z. B. um zukünftige Dinge zu planen oder über etwas zu reflektieren, was geschehen ist. Das ist ganz normal. Der Unterschied ist allerdings, dass dieses Abschweifen dann immer öfter zu einer bewussten Entscheidung wird, bei der wir selbst Regie führen.

In der Meditation erkennen wir, wie wir mit den Dingen umgehen und auf sie reagieren.

Innere Prozesse

In der Meditation betrachten wir die Prozesse, die in unserem Inneren ablaufen, aus einem Abstand heraus. So können wir erkennen, wie wir mit den Dingen umgehen und auf sie reagieren. Dies verändert unsere Erfahrung und schafft Raum, anders mit ihnen umzugehen. Wir haben meist keinen Einfluss darauf, was uns auf unserem Weg begegnet, das gilt für unser Leben wie für die Gedanken und Gefühle, die ständig durch unseren Kopf rasen. Aber wir haben sehr wohl die Wahl, wie wir uns dazu verhalten. Achtsamkeit dreht sich darum, die zugrundeliegenden Erfahrungen bewusst wahrzunehmen, bevor wir sie interpretieren oder uns Geschichten dazu ausdenken. »Knowing what’s on your mind«, wie Kabat-Zinn es formuliert. Das setzt voraus, dass wir die Dinge mit einem unvoreingenommenen Blick betrachten, so wie sie wirklich sind. Achtsamkeit kann also dazu führen, dass wir – zum Beispiel, wenn wir durch einen Park laufen – alles um uns herum bewusster wahrnehmen und bemerken, welchen Effekt dies auf uns hat. Plötzlich sehen wir, wie die Sonne durch die Blätter scheint, spüren wir die frische Luft, riechen den Geruch des frisch gemähten Grases, hören die Vögel, wo wir sonst alles dem Autopiloten überlassen und in Gedanken noch bei dem Gespräch mit unserem Chef waren oder schon bei der Einladung zum Abendessen.

Wenn wir uns innere Prozesse bewusst machen, können wir bewusster leben, entscheiden und handeln.

Wenn wir der Erfahrung im Moment bewusste Aufmerksamkeit schenken, können wir sie intensiver erleben und den Augenblick besser genießen. Andererseits kann es natürlich auch sein, dass wir in dieser bewussten Aufmerksamkeit entdecken, dass wir etwas unangenehm finden. Zum Beispiel dann, wenn wir mit voller Aufmerksamkeit eine Rosine essen, wie wir es in der ersten Sitzung dieser Trainingseinheit tun. Vielleicht bemerken wir plötzlich, dass wir die Konsistenz der Rosine gar nicht mögen oder den Nachgeschmack zu sauer finden, obwohl wir schon unser ganzes Leben lang Rosinen essen und das noch nie bemerkt haben! Die Erfahrung mag in diesem Moment nicht angenehm sein, aber wir erkennen, wie die Dinge wirklich liegen und können dann etwas daran ändern (zum Beispiel andere oder keine Rosinen mehr essen).

Tun-Modus und Sein-Modus

Manchmal lässt sich an den unangenehmen Dingen, die wir erleben und die wir lieber anders machen würden, nichts ändern. Achtsamkeit kann uns dabei helfen, damit besser umzugehen. Jon Kabat-Zinn führte 1990 die Begriffe Tun-Modus und Sein-Modus ein. Wenn etwas störend ist und wir es loswerden wollen oder etwas wünschenswert ist und wir wollen mehr davon, dann handeln wir meist zielgerichtet, analysierend und problemlösend – wir befinden uns im Tun-Modus. Der Tun-Modus ermöglicht es uns, unsere Ziele zu erreichen und Veränderungen herbeizuführen, den Abstand zwischen dem, was wir sein wollen, und dem, was wir sind, zu verringern. Unsere Fähigkeit, Dinge zu analysieren und Lösungen herbeiführen zu können, ist fantastisch, aber wir können nicht alles in unserem Leben auf diese Weise verändern oder lösen. Das gilt für manche Probleme bei der Arbeit, für unsere Stimmungen, für bestimmte körperliche Beschwerden und anderes mehr. Der Sein-Modus steht dem Tun-Modus gegenüber: In diesem Modus erfahren wir die Welt unmittelbar, sind nicht auf das Ziel ausgerichtet, sondern mit dem Weg dorthin befasst – dies ist der eigentliche Achtsamkeits-Modus.

In der Meditation schalten wir in den Sein-Modus. Statt die Dinge verändern zu wollen, lassen wir das zu, was im Moment ist. Erfahrungen werden wahrgenommen, wie sie in diesem Moment auftauchen, ohne Urteil. Meditationslehrer Thich Nhat Hanh nennt das »Being with the suchness of things«. Der Sein-Modus hilft, das, was im Moment ist, besser auszuhalten. Das Schöne an der Achtsamkeit ist also, dass sich die Umstände nicht ändern müssen, um eine Veränderung herbeizuführen! Das bedeutet natürlich nicht, dass sich die Gegebenheiten nie verändern müssen, wenn wir nur achtsam mit ihnen umgehen. Aber wenn wir zunächst wirklich erfahren, wie es im Moment ist, statt vor dieser Erfahrung wegzulaufen oder dagegen anzukämpfen und eine schnelle Lösung suchen, verändert sich das Bewusstsein, und es entsteht ein Freiraum. Dieses Bewusstsein und der neu gewonnene Freiraum ermöglichen es uns dann, bewusster zu leben, zu entscheiden und zu handeln.


Nach Abschluss des Mindful2Work-Trainings verringert sich die Wahrscheinlichkeit von krankheitsbedingtem Arbeitsausfall um 60 Prozent.

AUS DEN FORSCHUNGSBERICHTEN

Übungen für zu Hause nach der ersten Sitzung Vom Autopiloten zur Achtsamkeit

1. Lesen

Bitte lesen Sie das Hintergrundwissen zu diesem Kapitel aufmerksam durch. Vielleicht möchten Sie sich Notizen machen oder Passagen unterstreichen, die Ihnen wichtig erscheinen.

2. Bewusste aktive Bewegung

Bewegen Sie sich in dieser ersten Woche einmal bewusst und aktiv (10 Minuten). Zum Beispiel können Sie:

• die Übungen der ersten Sitzung wiederholen

(siehe im Anhang: Die Mindful2Work-Bewegungsübungen)

• laufen/joggen/flott spazieren gehen

• ins Fitnessstudio gehen

• Fahrrad fahren

• schwimmen

Ihre Erfahrungen können Sie auf dem Arbeitsblatt auf den nächsten Seiten festhalten.

3. Yoga

Üben Sie in dieser ersten Woche 10 Minuten Yoga. Sie können die Yoga-Übungen machen, die in der ersten Sitzung gezeigt wurden (siehe Anlage 1). Außerdem möchten wir Sie bitten, täglich eine zusätzliche kurze Yoga-Übung zu machen, zum Beispiel während der Arbeit die Übung »Die Schultern lockern« oder vor dem Schlafengehen zur Entspannung die »Halbe Kerze«.

Ihre Erfahrungen können Sie auf dem Arbeitsblatt zu Woche 1 festhalten.

4. Meditation

In dieser Woche möchten wir Sie bitten, täglich die folgenden drei Achtsamkeitsübungen durchzuführen:

• eine Sitzmeditation mit Achtsamkeit auf den Atem

(Eine gesprochene Anleitung steht zum Download bereit.

Vgl. Hinweis im Kapitel »Ressourcen«.)

• eine Routine-Tätigkeit achtsam ausführen

• den ersten Bissen der Mahlzeit achtsam zu sich nehmen

Ihre Erfahrungen können Sie auf dem Arbeitsblatt zu Woche 1 festhalten.

4a. Sitzmeditation mit Achtsamkeit auf den Atem

Versuchen Sie, den Erfahrungen, die Sie während der täglichen Sitzmeditation mit Achtsamkeit auf den Atem machen, offen zu begegnen – so gut es Ihnen möglich ist und wie auch immer diese Erfahrungen sein mögen. Versuchen Sie Urteile oder Erwartungen, die währenddessen möglicherweise entstehen, zu erkennen und sie loszulassen.

4b. Routine-Tätigkeit in voller Aufmerksamkeit

Suchen Sie sich eine Routine-Tätigkeit aus (z. B. morgens aufstehen, Zähne putzen, duschen, sich abtrocknen, sich anziehen, essen, Auto fahren, den Müll rausbringen, einkaufen). Entscheiden Sie sich bewusst dazu, mit der vollen Aufmerksamkeit all Ihrer Sinne bei der Tätigkeit zu sein, während Sie sie ausführen. Die Tätigkeit muss nicht lange dauern, 1–2 Minuten reichen völlig. Auch wenn dies nicht einfach ist, bitten wir Sie, sich während dieser Tätigkeit in Gedanken mit nichts anderem zu beschäftigen.

4c. Den ersten Bissen der Mahlzeit achtsam essen

Wir möchten Sie bitten, den ersten Bissen einer Mahlzeit achtsam zu essen (z. B. beim Abendessen), genauso wie wir es während der Sitzung mit der Rosine gemacht haben. Die Übung besteht darin, den ersten Bissen mit bewusster Aufmerksamkeit zu essen und dabei alle Sinne zu benutzen.

Arbeitsblatt zu Woche 1 Vom Autopiloten zur Achtsamkeit

Halten Sie Ihre Erfahrungen mit den Übungen täglich auf diesem Arbeitsblatt fest. In den späteren Sitzungen kommen wir darauf zurück.


Notizen zu Woche 1 Vom Autopiloten zur Achtsamkeit

Hier können Sie sich Notizen zu den Bewegungs- und Yoga-Übungen, Meditationen oder zu Ihren Übungsaufgaben für diese Woche machen.


Mindful2Work - Das Übungsbuch

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