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Kann man aus der Geschichte lernen?

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Krieg. Ein negativ besetzter Begriff, natürlich – aber auch ein alltäglicher. In vielen Ländern und Regionen unserer Welt wird im Namen von Recht und Ordnung getötet, sterben Unschuldige zu Tausenden. Seit mehr als einem halben Jahrhundert kommen diese Kriege medial aufbereitet zu uns ins friedlich gewordene, wohlhabende Westeuropa: TV, Zeitungen sorgen für den Nachrichtenfluss. Und fast scheint es, als würden sie durch die geografische Distanz, die Sicherheit suggeriert, einen Teil ihres Schreckens verlieren: Gewöhnung. Wie sonst soll man sich erklären, dass unsere Kinder begeistert »Krieg spielen«, Stunden am PC verbringen, um ihr Geschick im (virtuellen) Töten zu perfektionieren?

Der Erste Weltkrieg (1914–18) dagegen fand mitten in Europa statt; die Entfernung ist hier keine räumliche, sondern eine zeitliche. Gut ein Jahrhundert ist vergangen, und das Bild verschwimmt, auch weil es von jenem der zweiten, noch ungleich globaleren Kriegskatastrophe überlagert wird. Zeitzeugen leben keine mehr, mehr als hundert Jahre nach dem Attentat von Sarajevo. Europa ist zu einer Gemeinschaft geworden, die vom Atlantik bis ins Baltikum reicht, und die Enkel der Kaiserjäger, der Standschützen, verbringen ihren Urlaub in Italien.

Deutsche und Österreicher fahren gerne nach Südtirol, in die Dolomiten oder an den Gardasee. Und da begegnen sie heute noch den Relikten jenes Krieges, jener »unmöglichen« Front quer durch die Ostalpen: in den Sextener Dolomiten, im Cristallomassiv, an der Marmolada, auf der Hochebene von Lavarone, am Pasubio und anderswo.

Aus der Historie lernen. Ein viel zitierter Satz, den die Realität unserer Tage auch gleich wieder ad absurdum führt. Wer die steinerne Front zwischen der Donaumonarchie und Italien besucht, sich dabei informiert über geschichtliche Zusammenhänge, kommt dem unfassbaren Schrecken ein Stück weit näher: Geschichtsstunde unter freiem Himmel und dazu noch in einer der faszinierendsten Bergregionen der Welt. Trotzdem bleibt der Schrecken unbegreiflich fern, ist das tausendfache Sterben eine nicht wirklich nachvollziehbare Tatsache, bei allem Mitgefühl für jene, die den Krieg als Befehlsempfänger erlitten, manche verblendet von der heimischen Propaganda (auch das gab es damals schon), andere naiv in ihrem Glauben an »Gott und den Kaiser«.

Da wirkt der Zauber der Dolomiten wie eine stille Mahnung der Natur (der Schöpfung?), die nur heißen kann: »Nie wieder!«

Dietramszell, im Frühling 2021

Eugen E. Hüsler

Auf alten Kriegspfaden und -steigen durch die Dolomiten

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