Читать книгу SPACE 2022 - Eugen Reichl - Страница 24
Würzburger Kleinsatelliten im Formationsflug
ОглавлениеSelbst eingefleischte Individualisten kommen an der Erkenntnis nicht vorbei, dass in der Gruppe manches besser und effizienter geht als alleine. Beispiele dafür sehen wir überall. In der Natur, beim Menschen und auch in der Technik.
Wildtierarten wie Zebras und Antilopen leben in Herden sicherer als alleine. Kleine Fische sind im Schwarm besser geschützt als einzeln, Zugvögel fliegen im Verband kräftesparender, aber auch Affen und Elefanten haben schon lange die Vorteile der aufgabenteiligen Sippe erkannt. Unternehmen, Vereine, Gesellschaften, Staaten werden auch deshalb gegründet, weil Menschen in einem koordinierten Verband einfach mehr erreichen. Auch in der Raumfahrt gilt dieses Prinzip häufig. Auch hier sind Gruppen, Schwärme oder Konstellationen für viele Anwendungen vorteilhaft. Ein einzelner Internet-Kommunikationssatellit bringt relativ wenig. Erst eine ganze Konstellation in einer niedrigen Umlaufbahn ermöglicht weltweiten Zugriff mit niedrigen Latenzzeiten. Satellitengruppen im All sind nicht neu. Das Militär hat schon früh darauf gezählt, wie man etwa an den NOSS-Satelliten (für: Naval Ocean Surveillance System) aller drei Großmächte sehen kann. Sie sind meist als Dreiergruppe in genau definierten Abständen voneinander unterwegs, um durch Triangulation Funkquellen, Schiffe und Flugobjekte lokalisieren zu können. Zivile Satelliten wie das europäische TandemX-Paar oder die chinesischen Tinahui-Satellitenduos fliegen in präziser und enger Formation, um Stereo-Radaraufnahmen der Erdoberfläche zu gewinnen. Die weiträumigste aller Formationen werden in einigen Jahren die drei Lisa-Raumsonden bilden, die trotz ihres ungeheuren Abstandes von 2,5 Millionen Kilometern ihre Positionen zueinander auf den Bruchteil eines Millimeters einhalten müssen. Nur in der Gruppe sind sie in der Lage, Gravitationswellen aufzuspüren. Alleine würde ihnen das nie gelingen. Bei bestehenden Groß-Konstellationen im Orbit wie Starlink oder OneWeb wird aktuell noch meist jeder einzelne Satellit individuell von Bodenstationen aus angesteuert. Die Satelliten tauschen in diesem Fall ihre Kontrollkommandos nicht direkt untereinander aus, sondern kommunizieren über den Umweg einer Bodenstation. Das Ergebnis sind relativ lange Funk-Laufzeiten. Das schmälert ihren Einsatzwert. Doch hier ist Änderung in Sicht. Neuere Starlink-Satelliten beispielsweise sind bereits mit Laser-Links eingerichtet. Und das ist auch notwendig, denn sehr viel schneller und effizienter können sie reagieren – beispielsweise zur Kollisionsvermeidung – wenn sie sich gleich direkt untereinander abstimmen. In etwa das ist die Stelle, wo die Innovationen einer Würzburger Forschergruppe ansetzen. Sie stellen sich einer zusätzlichen neuen technischen Herausforderung, die darin besteht, Formationsflüge mit bezahlbaren und vergleichsweise einfachen Mikrosatelliten durchzuführen. Der Entwicklung dieser Fähigkeit haben sich das unabhängige Forschungsinstitut Zentrum für Telematik e. V. und die S4 GmbH (in den vier „S“ versteckt sich der Begriff: Smart Small Satellite Systems) auf die Fahnen geschrieben. Beide Unternehmen sind Ausgründungen aus der Grundlagenforschung der Universität Würzburg.