Читать книгу Wo ist Püppi? - Eva Andersen - Страница 5
Kapitel 2
ОглавлениеMeyer fuhr auf dem Hof ganz durch bis vor die Haustür. Er sprang als erster aus dem Auto und ging sofort ins Haus.
Grethe und Olaf saßen in der Küche am Tisch und tranken einen späten Nachmittagskaffee.
„Oh, der Meyer hat es aber besonders eilig heute“, sagte Olaf und folgte Meyer, der den anderen drei Schritten vorauseilte, mit den Augen.
„Guten Tag“, sagte Meyer ganz formell, als er in die Küche ging, und machte dann auch gleich in einem ernsten Ton weiter.
„Olaf, wir müssen reden.“
„Jawohl“, sagte Olaf, „bitte setz dich doch zuerst hin. Worum geht es denn? Was ist los? Hat sich Emily schlecht benommen?“ So benahm sich Meyer normalerweise nicht.
„Um sofort auf den Punkt zu kommen, kann ich dir erzählen, dass ich seit längerem überlege ein Pony zu kaufen und Emily als Reiterin anzuheuern. Heute haben wir ein Pony entdeckt, das uns beiden gefällt“, sagte Meyer.
„Das Pony kostet 1.000 Euro, aber wir brauchen eure Erlaubnis und natürlich müsste ich wissen, ob es auf dem Borghof eine Box bekommen könnte. Erna und ich bezahlen natürlich alles.“ Meyer sprach ohne Pause.
„Wenn das in Ordnung wäre, müsstest du morgen früh gleich mit auf den Pferdemarkt kommen und das Pony begutachten.“
Emily stand immer noch im Eingang. Sie wagte es kaum zu atmen. Erna stand hinter ihr und hatte ihr die Hand beruhigend auf die Schulter gelegt. Das Mädchen war so gespannt wie ein Flitzebogen.
„Also!“, sagte Olaf, „Ihr habt was…“ Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er schaute Grethe an, die langsam mit dem Löffel in der Tasse herumrührte. Sie sagte nichts, schaute nur ruhig zurück. Sie hatte dieselben blauen Augen wie Emily, und Olaf konnte sehen, wie sich jetzt kleine Lachfalten um ihren Mund herum bildeten. Vermutlich fragte sie sich, wie Olaf wohl auf diesen Vorschlag reagieren würde.
Sie zog sich die Finger durch die kurzen Haare, die fast weiß von der Sonne waren.
„Öh ja, aber… was denkst du?“ Er schaute immer noch Grethe an, die weiterhin nichts sagte. Allerdings hätte sie das auch kaum noch geschafft, bevor Olaf sich resolut zu Meyer und Emily umdrehte.
„Ehrlich gesagt grenzt es an ein Wunder, wenn man auf einem Pferdemarkt ein einigermaßen brauchbares Pferd kaufen kann.“
Das war das Stichwort für Meyer und Emily. Die sprachen gleichzeitig und ohne Punkt und Komma und erzählten von dem schönen, edlen Pony mit den trockenen Beinen und dem freundlichen Charakter.
„Ja, wenn ihr das wirklich glaubt, komme ich auch mit und schaue es mir an, aber ich sage dir gleich, Emily, dies ist keine Pension für heruntergekommene Ponys, die bei Meyer und dir Mitleid erregt haben.“
Letzteres überhörte Emily. Sie konnte ihre Freude nicht verstecken.
„Yes! Yes!“ Mit geschlossener Faust bog sie ihren Arm mit einem festen Ruck. „Du wirst es mögen, Papa, ich weiß es ganz bestimmt!“
„Dann ist es beschlossene Sache“, sagte Meyer. „Wir holen euch morgen früh um neun Uhr ab.“ Mit festen Schritten, genauso wie er gekommen war, ging er durch die Tür hinaus. Erna lächelte Grethe und Olaf an.
Sie sagte: „Das sind Strolche, die zwei“, als wollte sie damit die direkte Art ihres Mannes ein bisschen erklären.
Emily stand um 7.00 Uhr auf. Mit ihrem Vater zusammen erledigte sie alles im Stall und auf den Weiden. Es war der Monat Juli und ungefähr 25 Grad Celsius, sodass außer den Turnierpferden von Olaf alle Pferde Tag und Nacht draußen waren. Jeden Morgen besuchte Olaf die Weiden, um den Zaun zu checken und nachzuschauen, ob alle Pferde gesund waren. Die Tränken wurden kontrolliert und die jungen Hengste wurden besonders genau auf Wunden und Verletzungen geprüft. In ihrer Junggesellen-Herde fochten sie oft recht hart, um eine Rangordnung zu erstellen und manchmal auch nur zum Spielen.
Der erste Zuchthengst des Borghofs, Golden, hatte seine eigene Weide. Es verging kein Tag, an dem sich Olaf nicht freute, dass er Golden wiederhatte. Golden wäre einst fast von einem Pferdedieb aus dem Land entführt worden.
Der Hengst war weggelaufen, als Olaf im Training von ihm gestürzt war. Er hatte sich ernsthaft verletzt und war im Krankenhaus gelandet. Emily und ihre Mutter hatte Golden überall gesucht, aber er war wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Grethe hatte es fast aufgegeben, den jungen Hengst wiederzufinden, aber Emily hatte im Wald Spuren entdeckt, die man nicht erklären konnte. Und sie hatte nicht aufgegeben.
Durch nächtliche Detektivarbeiten hatte sie herausgefunden, dass ein Pferdehändler das Pferd gestohlen hatte und während einer Pferdeauktion hatte sie mitgehört, wie er diesen in die Schweiz bringen wollte. Im letzten Moment konnte Emily die Polizei verständigen und der Pferdedieb wurde an der Grenze gestoppt.
Olaf hatte sein Kurzzeitgedächtnis verloren und als es endlich wieder in Ordnung war und er von Golden erfuhr, schätzte er den Hengst noch mehr. Und Emily hatte ihren größten Wunsch, eine Armbanduhr, erfüllt bekommen.
„Das ist auf jeden Fall drin“, hatte Olaf gesagt, der auf seine wachsamen Tochter sehr stolz war.
Emily stand an der Ponyweide, wo Jack und Molly in der hintersten Ecke mit den Reitschulponys grasten. Sie pfiff einmal leise und Jack spitze die Ohren. Er wusste, dass sie es war und die ganze Herde kam mit, als er sich zu ihr drehte und in Richtung Weidegatter galoppierte. Es entstand eine Staubwolke um die kleine Gruppe.
Jack drängte sich zu Emily vor. Sie klopfte sowohl ihn und Molly als auch so viele von den anderen Ponys, wie sie konnte, ohne umgeschubst zu werden. Sie hatte keine Leckerlies mitgebracht, denn wenn ein Pony etwas zu essen bekam, wollten die anderen auch etwas haben und dann konnte es gefährlich werden zwischen ihnen zu stehen. Es war kurz vor 9.00 Uhr.
„Ihr kommt nicht rein“, sagte Emily. „Ich wollte nur schauen, ob es euch gut geht.“ Sie streichelte sie noch mal.
„Auf Wiedersehen ihr zwei. Vielleicht bringe ich gleich einen neuen Freund für euch mit.“
„Hoffentlich“, dachte sie. Es hing davon ab, wie ihrem Vater das gescheckte Pony gefiel.
Meyer war pünktlich und Emily, ihr Vater und ihre Mutter waren ebenfalls abfahrbereit. Es wurde nicht viel gesprochen während der Fahrt zum Pferdemarkt, aber als Olaf das gescheckte Pony sah, musste er zugeben, dass Meyer und Emily mit ihren Erzählungen am Vortag nicht übertrieben hatten.
Emily lief schnell hin, um das Pony zu begrüßen, das heute ein bisschen wacher aussah. Es drehte den Kopf und schaute Emily direkt an und heute stupste es sanft gegen ihre Jackentasche. Offensichtlich wusste es genau, wo es nach Leckerlies suchen musste.
Olaf schaute sich die Zähne an.
„Ich würde sagen, es ist um die sieben oder acht Jahre alt.“
„Dürften wir das Pony kurz mit nach hinten nehmen?“, fragte er den Händler, der mit einem leichten Grinsen im Gesicht ein bisschen weiter weg stand.
„Jaaa, macht nur. Es ist ein gutes Pony, kein schlechter Kauf.“
Olaf nahm seine Longe und machte sie an dem Halfter fest und die ganze Truppe ging zu einem offenen Platz hinter dem Wagen. Hier untersuchte Olaf die Beine und die Hufe. Das Pony hob willig die Hufe und jetzt war Olaf erst recht überrascht. Was konnte passiert sein, damit so ein gutes Pony auf dem Pferdemarkt landete? Das konnte er nicht verstehen. Stimmte etwas nicht?
„Auf den ersten Blick sieht es gesund aus“, sagte er und drückte verschiedene Stellen auf dem Rücken. Das Pony hatte offenbar keine Schmerzen, obwohl Olaf ordentlich zudrückte. Er ließ das Pony an der Longe um sich herumgehen und auch hier wusste das Pony genau, was es zu tun hatte.
Die Stute ging in einer Volte um ihn herum und reagierte sofort auf seine Anweisungen.
„Scheee-ritt!“
„Teee-rab!“
Das war kein Problem, das Pony kannte es und wirkte heute viel wacher, fanden Meyer und Emily.
„Ist sie in Ordnung, Olaf?“, fragte Meyer laut. „Dann kaufen wir die. Jetzt sofort.“ Durch die laute Stimme erschrak sich die gescheckte Stute und trabte an.
„Ruhig, kleine Maus“, sagte Emily und übernahm die Longe von ihrem Vater. „Die schreien nur ein bisschen rum…“
Der Pferdehändler kam dazu.
„Na, wollen sie einschlagen?“ Bei den Händlern auf dem Pferdemarkt galten Ehrenwort und Handschlag als Kaufvertrag, hier brauchte man nichts Schriftliches.
Meyer schaute ihn an.
„Kann es was, Dressur oder Springen? Wir wissen gar nichts über das Pony. Und wir müssen sie auch nach Hause transportieren, das kostet alles. Wie wäre es mit 900 Euro?“ Er wollte gerne feilschen, so wie es üblich war auf dem Pferdemarkt.
„Ich habe keine Ahnung. Vorne hat es ein Kopf und hinten einen Schweif“, sagte der Händler und dachte, er wäre witzig. Aber was den Preis anging, gab er keinen Millimeter nach.
„Handschlag auf 1.000 Euro und es ist deins. Gekauft wie gesehen, kein Umtausch. So ist es.“ Pferdehändler auf dem Markt gaben sich gerne unwissend, sie wussten stets nur das über die Pferde, was sie wissen wollten.
„In Ordnung“, sagte Meyer und schlug ein.
„Erna, machst du bitte das mit dem Geld?“ Er zeigte auf Ernas Handtasche. Sie trug das Geld bei sich. Meyer hatte es gleich mitgebracht, nur um sicher zu gehen.
„Es ist ein feines Pony. Ich glaube, Olaf mag es auch.“ Sagte er zu Erna.
„Ja, dann fahren Grethe und ich wohl besser den Hänger holen“, sagte Olaf. „Ihr müsst dann so lange auf dem Parkplatz warten.“
Emily war sprachlos. Sie war überglücklich. Gestern hatte sie davon geträumt, dass Meyer die gescheckte Ponystute kaufen würde, aber sie hatte nie gewagt zu glauben, dass dieser Traum in Erfüllung gehen würde. Und jetzt stand sie hier mit dem Pony. Sie streichelte sie liebevoll am Hals.
Es war zwar nicht ihres. Aber sie sollte es reiten, damit fühlte sie sich fast als Mitbesitzerin.
„Wie sollen wir das Pony nennen?“, fragte Meyer und klopfte sein Pony, das die Ohren gespitzt hatte, als würde es ahnen, das jetzt etwas Neues passieren sollte.
„Na, Papas Püppchen“, sagte Meyer. „Du wirst als erstes richtig saubergemacht, wenn wir zuhause sind.“
„Sie muss Püppi heißen“, sagte Emily. Sie strahlte wie die Sonne, „das hast du selbst eben gesagt!“
„Sie ist toll!“
„Meyer, lass uns zum Parkplatz gehen.“ Emily sortierte die Longe neu, sagte dem Händler Auf Wiedersehen und ging zwischen den Leuten Richtung Parkplatz.
„Sooo, ruhig Püppi.“ Emily zog die Longe ein bisschen straffer. „Du bist gleich Zuhause. Du musst nicht so drängeln.“
Aber Püppi zog auf einmal richtig los. Sie waren jetzt auf dem offenen Feld, es waren noch nicht so viele Autos auf dem Parkplatz. Das Pony schaute sich kurz um und stürmte dann davon.
Die ersten paar Meter dachte Emily noch, dass sie sie halten könnte, aber dann musste sie loslassen. Püppi rannte über den Parkplatz und lief hin und her zwischen Autos und Leuten, die erschrocken zur Seite sprangen.
Emily rief dem Pony hinterher, aber es hörte nicht. Meyer rannte zum Eingang und überzeugte den Parkwächter die Einfahrt zuzumachen, damit das Pony nicht auf die Straße laufen konnte. Da stand jetzt auch Erna und hielt sich die Augen zu.
Dann endlich verfing sich die Longe in einer Stoßstange. Es gab einen kräftigen Ruck, die Longe hielt und Püppi stand wieder still. Als Emily sie erreichte, stand sie ruhig und fraß Gras, als wäre nichts passiert, während die Wärme von ihrem verschwitzen Pferdekörper emporstieg.
„Was ist denn in dich gefahren?“ Emily löste die Longe und legte eine Schlaufe um das Maul des Ponys.
„Nur zur Sicherheit“, sagte sie zu Meyer. „Stell Dir vor, was alles hätte passieren können!“ Aber Püppi folgte Emily nun ganz ruhig.
„Was wohl in sie gefahren ist?“
„Nichts Besonderes“, sagte Meyer. „So sind Pferde manchmal. Sie erschrecken sich und dann hauen sie ab. Irgendetwas muss sie gestört haben.“
„Sie wirkte nicht, als hätte sie vor etwas Angst gehabt“, sagte Emily. „Aber sie ist auf jeden Fall nicht so ein Faulpelz wie gestern. Natürlich ist es heute auch nicht so heiß.“
Endlich kam Olaf mit dem Pferdehänger. Grethe war zuhause geblieben, um eine Box für das Pony fertigzumachen, damit es in Ruhe sein neues Zuhause kennenlernen konnte, bevor es zu den anderen Ponys auf die Weide kam.
Püppi ließ sich gut verladen. Es war immer noch ein Mysterium. Ein so feines Pony kostete normalerweise viel mehr Geld. Sie verstanden das alle nicht.
„Darf ich sie reiten, wenn wir zuhause sind?“ Emily schaute Olaf an.
„Ja, aber erst nachdem sie saubergemacht wurde. Sie hat noch krustige Stellen im Fell. Die müssen restlos entfernt werden, ansonsten könnte sie vom Sattel wund werden.“
Meyer nickte.
„Darüber haben wir eben schon gesprochen.“
Das Pony stand den ganzen Weg nach Hause über ruhig auf dem Hänger. Als Olaf den Motor ausmachte, wieherte sie. Als sie abgeladen wurde, blieb sie kurz auf der Anhängerklappe stehen und nahm ihr neues Zuhause in Augenschein.
„Willkommen auf dem Borghof“, sagte Grethe und schaute sie an.
Meyer ging los und Püppi folgte ihm willig zum Putzplatz. Nachdem er eine Kiste voll Putzzeug gesammelt hatte, legte er mit dem Striegeln und Frisieren los.
Eine Stunde später waren sie fertig.
„Du kannst sie nur kurz reiten, Emily, die Hufe müssen gemacht werden bevor wir sie richtig arbeiten können“, sagte Olaf.
„Verstanden“, sagte Emily und holte die Trense und den Sattel von Jack. Sie war sehr gespannt auf das neue Pony. Meyer sattelte die Stute, während Emily die Reitstiefel und den Helm anzog.
Sie ritt 20 Minuten im Schritt, dann durfte sie kurz traben und über ein paar Stangen auf der Erde reiten. Danach hörte sie auf. Olaf sagte, dass Meyer und sie sich gedulden müssten, bis der Hufschmied am nächsten Tag da gewesen wäre. Olaf hatte ihn schon angerufen.
Er war überrascht über das, was das Pony gezeigt hatte. Nicht nur das Gebäude des Ponys war top, auch die Bewegungen waren locker und schwungvoll. In zwei Wochen war in Mühlhausen Turnier. Wenn das Pony wirklich so gut war, konnte Emily vielleicht da schon eine kleine Prüfung reiten.
Meyer und Emily schmiedeten schon große Pläne für die kleine Stute. Sie sollte ihre eigene Ausrüstung bekommen, vielleicht in den gleichen Farben wie Jack und Molly. Glücklicherweise hatte Emily Sommerferien, und so einigten sie sich darauf, am nächsten Tag nach Neustadt einkaufen zu fahren.