Читать книгу Wo ist Püppi? - Eva Andersen - Страница 6
Kapitel 3
ОглавлениеEmily schaute in die Box von Püppi. Es war nach wie vor ein bisschen unwirklich, dass sie noch ein Pony zum Reiten bekommen hatte.
Ende September waren die deutschen Ponymeisterschaften im Springen.
„Das wäre toll, wenn ich mit zwei Ponys teilnehmen könnte“, dachte Emily. Sie schloss die Augen und sah sich im Geiste bei der Siegerehrung, mit einer Medaille um den Hals.
Es war schon spät abends.
„Gute Nacht, Püppi“, sagte sie, aber die Stute reagierte nicht. Sie hatte den Kopf tief in die Futterkrippe gesenkt, in die Emily gerade das Abendessen hineingetan hatte.
Morgen kam der Schmied. Danach konnten sie richtig loslegen mit dem Training.
Die frühe Morgensonne weckte Emily. Sie hörte, wie ihre Mutter in der Küche schon mit dem Geschirr klapperte. Sie blieb noch eine Weile im Bett und starrte vor sich hin. Es war schön Ferien zu haben, dann brauchte man nicht im Halbschlaf aus dem Bett zu fallen.
Ah, heute wollten Meyer und sie nach Neustadt, um eine Trense und einen Sattel für Püppi zu kaufen. Nun sprang sie schnell aus dem Bett.
„Mama, hat Meyer angerufen?“ rief Emily auf dem Weg die Treppe herunter.
„Ja, er kommt gegen drei Uhr heute Nachmittag.“ Sie sprachen noch darüber, welche Farben Püppi stehen würden, die braun-weiß gescheckt war.
„Aber ehrlich gesagt, Emily, ist es Meyers Pony. Vielleicht solltest du ihn entscheiden lassen?“
„Ja, aber ich kann ja wohl einen Vorschlag machen“, sagte sie, mit dem Mund voller Cornflakes.
Meyer und Emily forsteten alle Kisten und Regale in dem Geschäft durch, bevor sie sich für eine cognacbraune Trense und den dazu passenden Sattel entschieden. Dazu gab es noch dunkelblaue Bandagen, eine dunkelblaue Decke für Turniere und ein dunkelblaues Halfter mit Strick.
Sie trugen das Ganze zu Meyers Auto und fuhren wieder Richtung Borghof. In der Zwischenzeit war der Schmied dagewesen. Er hatte Püppi gelobt, sie hatte eine gute Beinstellung und war ganz brav gewesen.
Emily führte sie noch 20 Minuten im Schritt, damit sie sich an die neuen Eisen gewöhnen konnte.
Am nächsten Tag durfte sie das Pony reiten. Meyer putzte sein Pony, bis es glänzte und dann bekam die Stute ihre neue Ausrüstung.
„Bitte schön, junge Dame, hier ist dein neues Ausstellungsstück.“ Meyer übergab ihr die Zügel und verneigte sich leicht, mit einem Grinsen im Gesicht.
„Vielen Dank, guter Herr.“ Emily spielte das Spielchen mit. Zusammen mit Meyer und ihrem Vater ging sie zum Reitplatz. Alle waren gespannt, was sie zu sehen bekommen würden.
Emily hielt die Zügel in der linken Hand und schwang sich auf die Stute. Sie war locker und einfach zu reiten im Schritt und im Trab. Püppi wurde eifriger und wollte gerne schneller laufen, insbesondere im Galopp. Vielleicht war es lange her, dass sie draußen geritten worden war.
„Sie braucht Bewegung“, sagte Emily und schaute ihren Vater an, der mitten auf dem Platz stand. Aber Olaf war sich nicht sicher, ob das Pony deswegen jetzt so herumtrippelte. Er dachte gesehen zu haben, dass die Stute zwischendurch einen listigen Blick hatte und behielt recht. Auf einmal drehte Püppi sich blitzschnell um und galoppierte quer über den Platz in Richtung Waldweg, den man zwischen den zwei Stallgebäuden sehen konnte.
Emily versuchte das galoppierende Pony zu bremsen, aber das war schwierig. Auf dem schmalen Waldweg konnte sie die Stute nicht in eine Volte reiten. Stattdessen zog sie den Kopf so hoch wie möglich, aber auch das half nichts. Püppi wurde nicht langsamer. Sie reagierte überhaupt nicht auf die Hilfen von Emily.
„Verdammt nochmal!“ jetzt wurde Emily sauer, aber sie blieb ruhig und versuchte auf das Pony einzuwirken. Sie wusste, dass es weiter vorne neben Meyers Haus ein offenes Feld ohne Umzäunung gab.
Es ging weiter mit voller Kraft voraus, aber Püppi war nicht panisch, dass spürte Emily. Wenn das so gewesen wäre, hätte sie eh keine Chance gehabt. Püppi rannte einfach nur so schnell sie konnte. Sie hatte die Ohren steif nach vorne gerichtet, was eindeutig zeigte, dass sie keine Angst hatte. Sie war schlicht und einfach frech. Emily spürte, dass Püppi sie testen wollte, aber sie gab nicht klein bei.
Kurz vor dem Haus am Waldrand machte Emily ganz viele kleine halbe Paraden, um das Tempo ein bisschen zu drosseln. Einige Meter vor dem offenen Platz schloss sie ihre linke Hand ganz fest um den Zügel, drückte die Beine feste zu und drehte das pfeilschnelle Pony so hart in Richtung Feld, dass es reagieren musste.
Auf dem Feld drehte sie weiter, bis sie die Stute in einer kleinen Volte hatte. Die Volte machte sie kleiner und kleiner, bis Püppi langsamer wurde und Emily sie so wieder unter Kontrolle bekam.
Sie zitterte ein wenig.
„Du kleines Biest“, zischte sie, aber blieb hochkonzentriert. Das Pony durfte nicht noch einmal abhauen.
„Unerzogen bist du!“ Wie oft hatte sie das nicht auf den Turnierplätzen gesehen. Sie hatte gedacht, dass das Pony sehr gut ausgebildet war. Aber jetzt wurde ihr bewusst, dass dies wohl eher nicht der Fall war.
Püppi schwitze und Emily lockerte die Zügel ein wenig und ritt im Schritt nach Hause. Sie ließ die Zügel aber nicht ganz lang, so wie sie es mit Jack immer machte, wenn der mit der Arbeit fertig war. Sie konnte Jack einhundert Prozent vertrauen. Das ging noch nicht mit der Stute.
Am Ende des Feldwegs standen ihre Eltern und Meyer, der sich die Hand vor den Mund hielt, als würde er versuchen einen Schrei zurückzuhalten.
„Sie wollte mich testen“, sagte Emily. „Jetzt weiß ich, dass ich erst einmal aufpassen muss.“
„Wollen wir mal hoffen, dass das ausreicht“, sagte ihr Vater. „Auf jeden Fall reicht das für heute. Morgen machen wir ein paar Sprünge und schauen, wie ihr das gefällt.“ Er fühlte sich nicht ganz wohl bei dem, was passiert war, aber er war gleichzeitig stolz, dass Emily ruhig geblieben war und das Pony wieder unter Kontrolle bekommen hatte.
Als Emily abgestiegen war, stand Meyer bereit, um seinen Job als Pferdepfleger für sein eigenes Pferd zu machen. Seine Hände zitterten immer noch ein bisschen und er nahm die Zügel fest in die Hand, damit sie nicht wieder weglaufen konnte.
Püppi lief nirgends hin. Sie folgte Meyer ganz entspannt und lies sich abwaschen und saubermachen, bevor sie ihre neuen Freunde zum ersten Mal treffen sollte. Meyer führte sie in die Sonne und ließ sie grasen, bis sie getrocknet war. Danach sollte sie auf die Weide.
Sie waren alle gespannt zu sehen, wie die Reitschulponys und Jack und Molly das neue Pony empfangen würden und wo sie sich in der Rangordnung einordnen würde. Momentan war das kleine Shetlandpony Nelli die Leitstute in der kleinen Herde. Die Ponys kannten ihren Platz in der Hierarchie, nachdem sie den ganzen Sommer schon zusammen auf der Weide gewesen waren.
Nelli war schon immer die Leitstute gewesen. Wenn die Reitschüler im Wald ausritten, musste Nelli trotz ihrer Größe immer vorne gehen und sie duldete es nicht, überholt zu werden. Manchmal versuchte eines der anderen Ponys vorbeizukommen. Dann legte sie die Ohren deutlich an und baute sich auf, um das Pony auf seinen Platz zu verweisen.
Das war für den Reiter nicht so angenehm, aber das drängelnde Pony wusste Bescheid. Es war nicht schlimm, so waren die Regeln in der Herde, das war ganz natürlich. Jedes für sich hatte ein oder zwei Ponys, mit denen es sich besonders gut verstand und die klare Struktur bedeutete auch Sicherheit, was für die Herde an erster Stelle stand.
Olaf ließ Püppi erst alleine raus auf eine Weide neben den anderen Ponys. So konnten sie sich vorab ein bisschen ansehen durch den Zaun. Nelli baute sich als erstes schnaubend vor Püppi am Zaun auf, während Püppi sie in Ruhe betrachtete.
Jack stand direkt neben Nelli. Auch er schaute sich Püppi ganz entspannt an. Molly war der Trubel egal, sie hatte ihren Kumpel, den Norweger-Wallach Buller, mit dem sie auf der Weide zusammenstand.
Bereits nach einigen Minuten war wieder Ruhe eingekehrt. Püppi wollte allerdings nicht alleine auf der Nachbarweide bleiben, während die anderen zusammen sein durften. Sie lief vor und zurück am Zaun entlang und wollte auf die andere Seite. Dann holte Olaf sie und brachte sie zu den anderen Ponys.
Nelli kam sofort wieder angerannt. Jack überholte sie auf dem Weg, die kleinen Beine konnten nicht mithalten. Das gefiel ihr gar nicht. Als sie Püppi und Jack erreichte biss sie ihn als erstes ins Bein, um ihm zu verstehen zu geben, dass er bitte schön mit der Begrüßung warten musste, bis sie dran gewesen war.
Die Ponys, die in der Hierarchie weiter oben standen, ärgerten sich gegenseitig, aufgeregt durch das neue Mitglied der Herde. Nelli tat Püppi nichts, sie wartete einfach ab, ob das neue Pony sie ohne Probleme als Leitstute akzeptieren würde. Sie ging im Schritt zwischen den anderen hindurch, die ihr alle mit Respekt begegneten.
Nelli wollte keinen Ärger, sie war eine kluge alte Stute. Deswegen war sie die Leitstute. Sie war wachsam, hatte Erfahrung und folgte Püppi jetzt auf Schritt und Tritt mit den Augen. Die Größe spielte hier keine Rolle. Nach kurzer Zeit entspannte sich Nelli und Püppi war Herdenmitglied.
Wie weit sie in der Rangordnung oben oder unten war, konnte man noch nicht sagen. Aber sie war eine dominante Stute und sie ließ sich nicht alles gefallen. Mit ihrem starken Charakter und ihrer Ausstrahlung war klar, dass sie nicht ganz unten sein würde, soviel konnte Emily erkennen.
„Du kleiner Hitzkopf“, sagte Emily laut und betrachtete Püppi, die durch das Frisieren und Waschen noch ansprechender geworden war.
„Wir werden schon noch Freunde.“
Püppi sah hübsch aus, als sie mit den anderen Herdenmitgliedern davongaloppierte. Sie lief denen nicht davon, und Emily konnte in Ruhe ihren guten, raumgreifenden Galopp genießen.
„Sie ist gut“, dachte Emily und träumte schon wieder von großen Siegen.