Читать книгу Die Suche nach den gestohlenen Ponys - Eva Gerth - Страница 8

BEGEGNUNGEN IM REITSTALL

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Als Helenes Vater sich auf den Weg zu ihrem Haus macht, um die Handwerker hereinzulassen, hat Helene auch schon ihre Reithose und T-Shirt angezogen, die sie sich am gestrigen Abend noch schnell eingepackt hat, und will sich auf den Weg zum Reitstall machen. Da ruft ihre Mutter aus der Küche: „Nimm dir noch einen Apfel mit.“ Bevor Helene dann die Wohnung verlässt, schnappt sie sich noch schnell einen Apfel vom Küchentisch und winkt ihrer Mutter kurz zu.

Draußen vor der Tür nimmt sie den Geruch von Stroh und Heu in sich auf und atmet diesen tief ein: „Riecht echt gut die Luft“, stößt sie selig aus. Es riecht nach sorglosen Momenten, nach völliger Losgelöstheit und Glück, wie sie es nur auf dem Rücken eines Pferdes empfindet.

Trotzdem ist ihr ein bisschen mulmig zu Mute, denn sie denkt an Nicole, die sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Ob sie wohl wieder mit ihr spricht?

Aber sie wusste ja noch nicht einmal selbst, ob sie ein Wort herausbekommen würde. Die Begegnung mit Nicole gestern Abend war schon komisch.

Dann sieht sie das große Fachwerkgebäude mit den roten Dachziegeln, in dem sich die Pferdeställe des Ponyhofs befinden. Daneben steht die große Reithalle. Beide Gebäude sind von saftigen Wiesen umgeben.

Der Reitstall ist sauber und bietet viel Platz zur Versorgung der Ponys.

Als Helene den Stall betritt, schauen die Ponys sie neugierig an.

In der Boxengasse steht eine große Karre mit Mist und daneben Nicole mit ihrer Mutter: „Guten Morgen, Helene“, grüßt Antje. „Dann wollen wir mal sehen, welches Pony zu dir passt.“

„Meinst du wirklich, dass ein Pony mich aussucht und nicht ich?“

„Klar, du wirst es gleich sehen.“

Die beiden gehen nun die gesamte Gasse entlang bis zur letzten Box, während Nicole weiter den Stall von Horsti ausmistet. Sie fühlt sich in der Gegenwart von Helene unwohl und hat keine Lust, mit ihr zu sprechen. Sie freut sich schon darauf, Horsti nachher zu satteln und an diesem schönen Morgen durch den Wald zum kleinen See zu reiten. Ja, dieser Gedanke bringt sie zum Lächeln und Helene ist so gut wie vergessen.

„So, dann wollen wir mal sehen“, meint Antje.

Helene ist gespannt auf das, was wohl passieren wird.

Die beiden gehen von Box zu Box und Helene schaut in jede hinein. In der ersten Box ist ein kleines braunes Pony mit zotteliger Mähne, es schaut kurz hoch, kümmert sich aber sofort wieder um sein frisches Heu.

Auch das zweite und dritte Pony zeigen kein großes Interesse an dem neuen Mädchen im Stall. „Das sieht aber süß aus“, sagt Helene begeistert, als sie einen Blick in die vierte Box wirft. Dort steht ein Pony mit glänzend schwarzem Fell und einem kleinen weißen Fleck in Form eines Tropfens auf seiner Stirn. „Mhm“, Antje schüttelt leicht den Kopf. „Sieht aber auch so aus, als wärst du nicht sein richtiger Partner.“

Als auch das fünfte und sechste Pony keine große Begeisterung für Helene zeigen, fängt sie so langsam an zu zweifeln, ob es überhaupt ein Pony für sie gibt.

In der nächsten Box steht ein weißes Pony mit dem Namen Blacky. Helene bleibt auch hier wieder stehen.

Sie denkt sich noch: ‚Warum heißt ein weißes Pony Blacky? Wie einfallsreich.‘ Das Pony schaut sie mit seinen großen dunkelbraunen Augen an. Noch während sie über den Namen nachdenkt, kommt sein Kopf immer näher und es fängt an, leise zu wiehern.

„Siehst du, ich glaube, da hat ein Pony dich gefunden. Darf ich vorstellen, Blacky, das ist Helene, Helene, das ist Blacky.“

„Ganz nett sieht er ja aus, aber das schwarze finde ich eigentlich hübscher.“

„Gib Blacky erst einmal eine Chance, denn es geht nicht immer um das Äußerliche.“

„Na gut, was soll ich nun machen?“, fragt Helene und schaut sich im Stall um.

„Zuerst mal putzen, satteln und dann ausreiten.“

„Du meinst, ich darf gleich ausreiten?“ Helene schaut erst Antje und dann Blacky an.

„Na klar, du kannst doch reiten, oder?“, fragt Antje und muss schmunzeln, als sie Helenes überraschten Blick sieht.

„Klar kann ich reiten.“

„Dann nichts wie an die Arbeit. Ich bin hier soweit fertig und werde jetzt mit deiner Mama eine leckere Tasse Kaffee trinken. Wenn du Fragen hast, wo der Sattel, Trense und Putzkasten stehen, fragst du einfach Nicole. Nicht wahr, Nicole?“, ruft Antje ihrer Tochter zu, die inzwischen fröhlich pfeifend Horsti putzt. „Ich kann mich doch darauf verlassen, dass du Helene unterstützt?“, hakt sie fragend nach.

„Ja, geht in Ordnung“, antwortet Nicole ein wenig genervt, denn eigentlich wollte sie sich so schnell wie möglich verdrücken, was jetzt ja wohl etwas verzögert wird.

„Dann viel Spaß euch beiden und bis später“, verabschiedet sich Antje.

Jetzt ist das eingetreten, was beide Mädchen insgeheim gefürchtet haben. Beide allein in einem Raum. Nach ein paar Minuten, die für beide unendlich erscheinen und in denen sich die Mädchen noch erfolgreich ignoriert haben, fragt Helene: „Wo habt ihr Putzzeug und Trensen?“

Nicole zögert zunächst mit einer Antwort. ‚Wenn ich sie weiter ignoriere, ist das einfach zu kindisch‘, denkt sie sich und antwortet: „Komm mit, ich zeig es dir.“

„Euer Reiterhof sieht wirklich super toll aus“, schwärmt Helene. „Ja, findest du?“

„Klar, aber so was von.“

Schweigend gehen die beiden nun die Stallgasse entlang zu einer grünen Tür am Ende des Ganges. „Hier ist unsere Sattelkammer“, sagt Nicole und öffnet ohne hinzusehen die Tür.

Noch im selben Augenblick kommt ein prächtig bunter Hahn aus der Kammer und flattert just in Helenes Arme. Völlig überrascht kreischt sie los und stürzt ganz verdutzt auf ihren Allerwertesten, als der Hahn auch schon lauthals und völlig erschrocken weiter zu Blackys Box flattert.

Nicole sieht zu Helene herunter und kann sich vor Lachen fast nicht mehr halten. Helene weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Ihr Po schmerzt ein wenig, aber die Situation ist so komisch, dass sie in Nicoles Lachen einfällt und schon krümmen sich beide vor Lachen. Nicole greift nach Helenes Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, und schon steht sie wieder auf ihren Beinen.

„Wa…, Wa…, was war denn das?“, fragt Helene immer noch etwas lachend.

„Ach das, das war nur Zacharias, unser Hahn.“

„Ach so, nur euer Hahn und was macht der in der Sattelkammer?“

„Wahrscheinlich hat ihn gestern Abend dort jemand vergessen. Das kann schon mal passieren, denn Zacharias flattert ständig hier rum. So, hier ist Putzzeug und ein Halfter für Blacky.“ Und damit drückt Nicole Helene eine kleine schwarze Holzkiste in die Hände.

‚Eigentlich war es ganz einfach mit Helene zu sprechen. Es ist vielleicht doch ganz nett mit einer Freundin die Ferien zu verbringen und nicht alleine‘, denkt Nicole sich so und meint zu Helene: „Mhm, ich wollte dich nur mal fragen, ob du vielleicht gleich Lust hast, mit mir einen kleinen Ausritt zum See zu machen?“

Helene schaut zuerst etwas verdutzt, doch dann strahlt sie Nicole an und antwortet: „Super, ich beeile mich auch.“

Und schon flitzt Helene mit Putzkasten und Halfter die Stallgasse zurück zu Blackys Box.

Wie es aussieht, haben die beiden ihren eigentlichen Streit bei Seite gelegt und der Bann zwischen ihnen scheint gebrochen. Vielleicht wird daraus ja wieder eine Freundschaft.

Als Helene nun zu Blacky in die Box geht, schreit sie erschrocken auf.

„Was ist passiert?“, ruft Nicole aufgeregt und kommt schon angerannt.

„Hier ist das komische Huhn von gerade und rate mal, wo es sitzt.“

Zacharias thront auf dem Kopf des Ponys und gackert leise vor sich hin.

„Ach, das habe ich gerade ganz vergessen dir zu sagen: Zacharias ist der beste Freund von Blacky. Wann immer es geht, sind sie zusammen. Kann sein, dass er gleich mit zum Ausreiten kommt“, beruhigt Nicole Helene und muss wie immer beim Anblick des ungleichen Paares lächeln. „Das ist doch keine Problem für dich oder?“

„Für mich nicht, denn das Huhn, ich meine der Hahn, sitzt genau auf Blackys Kopf“, staunt Helene.

„Ja, da sitzt er fast immer, wenn er sich nicht gerade um seine Hühner kümmert“, erklärt Nicole mit vor der Brust verschränkten Armen.

„Na dann will ich mich mal beeilen, sonst haben wir gleich Mittag“, meint Helene und keine zehn Minuten später sitzen beide in ihren Sätteln und traben los. Natürlich ist Zacharias mit von der Partie, er thront majestätisch auf Blackys Kopf und schaut sich in seinem Königreich um.

„Heute wird es bestimmt richtig heiß“, fängt Helene ein Gespräch an.

„Ja, das glaube ich auch“, erwidert Nicole und dreht sich im Sattel zu Helene um. „Wenn wir am Wasser sind, können wir ja mit den Ponys etwas hineingehen. Was hältst du davon?“

„Super, Wasser, Pferde, Sommer und Sonnenschein, was will man mehr“, trällert Helene so vor sich hin.

„Ja, was will man mehr. Es gibt nichts schöneres als im Sommer gemütlich durch die Felder zu reiten. Denn das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, zitiert Nicole freudestrahlend.

„Und das Glück eines Hahnes liegt auf dem Kopf eines Ponys“, lacht Helene und zeigt auf Zacharias. Nicole fällt in ihr Lachen ein.

Dann reiten beide das letzte Stück bis zum kleinen Badesee schweigend nebeneinander, denn sie genießen es einfach so im Einklang mit den Ponys auf dem Waldweg unterwegs zu sein, nicht zu vergessen mit Zacharias natürlich.

Als sie aus dem Wald auf die kleine Lichtung kommen, erblicken sie den See. Er schimmert golden im Sonnenlicht und es scheint, als ob tausend Spiegel die Oberfläche bedecken. Beide Mädchen zügeln gleichzeitig ihre Ponys und betrachten sprachlos den See. Nicole bricht als erste das Schweigen: „Komm, wir galoppieren ins Wasser rein.“

„Au ja, los geht’s!“


Und schon galoppieren beide los. Zacharias muss ganz schön die Balance halten, um bei diesem Tempo nicht noch vom Pferd zu fallen.

„JUHU“, rufen die Mädchen, als sie ins Wasser reiten.

„Was für ein Spaß“, ruft Helene.

„Ja, einfach super. Die kleine Abkühlung, tut den Pferden richtig gut. Siehst du, sie haben großen Spaß im Wasser“, antwortet Nicole. Beide Ponys schütteln freudig ihren Kopf und wiehern glücklich.

Nach dem kurzen Sprint ins Wasser, traben sie nun gemütlich weiter am Ufer des kleinen Sees entlang.

Die Sonne steht schon recht senkrecht, als sich alle fünf auf den Heimweg zum Reiterhof machen.

„Mein Magen fängt schon an zu knurren“, meint Nicole, die sich insgeheim etwas ärgert, ihren Müsliriegel vergessen zu haben.

„Ja, ich könnte jetzt ein ganzes Schwein vertragen“, meint Helene, als ein leichtes Knurren zu hören ist.

„Ups, muss wohl mein Magen sein“, bemerkt Nicole verlegen. „Ich hoffe Mama hat ein ordentliches Mittagessen gemacht.“

Die beiden Mädchen genießen die Sonne auf ihrem Rückweg zum Stall und ahnen noch nicht, was sie auf dem Reiterhof erwarten wird.

Die Suche nach den gestohlenen Ponys

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