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1. Das Besondere an Tom Quarky

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Wir wollen es mit der Heimlichtuerei nicht so weit treiben wie die geheimen Mitarbeiter der geheimnisvollen IGA. Nein, wir wollen freimütig den jungen Helden unserer Geschichte nennen. Er heißt Tom Quarky. Und was die IGA betrifft: Dort arbeitet als Wissenschaftler Toms Vater, Dr. Quarky, ein technischer Spezialist von der Sorte, wie die IGA sie braucht. Es ist sehr schwierig, genaugenommen sogar verboten, von der IGA zu berichten. Die meisten Menschen wissen ja nicht einmal, daß es Einrichtungen wie die IGA überhaupt gibt! Halten wir uns also zunächst an Tom Quarky. Mit Hilfe seines findigen Kopfes stoßen wir vermutlich schneller und leichter durch die unerstürmbaren Mauern aus eisigem Schweigen, dunklen Geheimnissen und verwirrenden Rätseln, hinter denen sich die IGA verbergen muß.

Tom Quarky ist einerseits ein Junge wie die meisten anderen Jungen. Völlig normal. Andererseits hat er sich im Verlauf seines zwölfjährigen Lebens einige besondere Fähigkeiten angeeignet. Als Baby bereits verlor er seine Mutter. Sein viel beschäftigter Vater mußte eine Haushälterin einstellen, die seitdem den großen und den kleinen Herrn Quarky in Küche und Wohnung zu versorgen hat. Vater Quarky wollte damals für seinen noch sehr kleinen Tom vor allem eine ebenso herzensgute wie großherzige Haushälterin haben. Sein Kind sollte sich bei ihr wohl fühlen, wenn er fort mußte, um bei der IGA zu arbeiten.

Von den verschiedenen Haushälterinnen, die sich vorstellten, wählte Dr. Quarky die dicke, schwerhörige, kurzsichtige Jola aus, eine liebe ältere Frau. Tatsächlich brachte Jola es fertig, Tom und seinen Vater mit appetitlichen Mahlzeiten bei Kräften zu halten. Sie kocht gern und schmackhaft. Ihre Mahlzeiten sind obendrein phantasievoll und gesund. Die restlichen Hausarbeiten interessieren sie nicht besonders. Jola ist nicht kleinlich und läßt vielen Dingen im Hause Quarky ihren Lauf. Es liegt ebenso an ihrer Kurzsichtigkeit wie in ihrem Wesen, lästige Arbeiten so lange wie möglich zu übersehen. Sobald sie vormittags alles Notwendige erledigt hat, setzt sie sich vor den Fernsehapparat und läßt sich möglichst nicht mehr stören. Fernsehen ist ihre Leidenschaft.

Für Tom war und ist Jolas Laster gar nicht so übel. Bereits als Kleinkind mußte Tom sich selbst beschäftigen, sich selbst helfen, selbst waschen, an- und ausziehen, mit sich selber reden, Pannen selber reparieren, kleine Wehwehchen selber kurieren und schließlich dermaßen selbständig werden, daß er Jola tatsächlich nur noch zum Kochen braucht. Nein, ganz so übel ist es nicht, denn er braucht Jola auch als lieben Mitmenschen.

Kam Dr. Quarky einmal nach Hause, was selten genug war, staunte er jedesmal über die fabelhafte Erziehung zur Selbständigkeit, und brüllend lobte er dafür die schwerhörige Jola. Tom ließ seinen Vater in solchem Irrglauben und hat bis heute keinem verraten, daß Jolas vermeintliche Erziehung aus – na, sagen wir mal »aus gewisser Nachlässigkeit« besteht. In Wahrheit ist es natürlich ziemliche Schlamperei. Aber welcher Miesmacher wollte einer Jola Übles nachreden, he?

Womöglich hätte Tom obendrein selber kochen gelernt, wäre ihm nicht die zeit- und kraftraubende Schule in die Quere gekommen. Also wurde die gute alte Jola im Hause Quarky glücklicherweise nicht total überflüssig. Und Tom ist mittlerweile zwölf Jahre alt geworden, folglich beinahe so gut wie fast bald erwachsen.

Was Tom in seiner Schule aus dem üblichen Haufen von Jungen und Mädchen heraushebt, ist nicht etwa so viel Selbständigkeit. Auch in Häusern ohne Jolas gibt es Dutzende von selbständigen Kindern. Was Tom Quarky allen Mitschülern voraus hat – unerkannt übrigens, unbemerkt –, das ist seine einzigartige Sprachbegabung. Toms Sprachbegabung wurde durch merkwürdige Umstände wohl überhaupt erst geweckt und gefördert von der Schule, die er besucht. Es ist eine der gewöhnlichen Schulen in einem typischen Randviertel einer Großstadt, nicht weit ab von einem Flughafen. Irgendwann vor Jahren allerdings fing in dieser Schule eine Klasse damit an, sich eine Geheimsprache zuzulegen. Lehrer und sonstige Mitschüler sollten sie bei privaten Gesprächen nicht verstehen können. Zuerst war es fast nur wie ein Scherz. Doch andere Klassen äfften es nach. Die reinste Geheimsprachenseuche brach aus und hat sich bis heute gehalten. Es ist jedoch schwer, immer neue Geheimsprachen zu erfinden. Man sann auf Auswege.

Beispielsweise hat eine Klasse mit Vierzehnjährigen deshalb von ausländischen Arbeitskräften türkisch gelernt; eine nächste paukte einen arabischen Dialekt, andere sind dabei, die Sprachen von Eskimos, Tungusen, Pygmäen und einem aussterbenden Indianerstamm zu studieren. Wer in der großen Pause über den Schulhof von Grüppchen zu Grüppchen schlendert, kann sich einbilden, hier seien die Vereinten Nationen zu einem schnatternden, kollernden, blökenden, schnarrenden, kieksenden, summenden, gakkernden, zischelnden Palaver versammelt. Es gibt keine Klasse mehr ohne eigene geheime Sprache. Und während der Pausen irren die Lehrer zwischen ihren Schülern umher wie sprachlose, blöde, unwissende, sehr niedere Tiere.

Niemand, auch keiner von den eigenen Klassengefährten, weiß, daß es einem einzigen Mitschüler gelang, insgeheim die verschiedenen Sprachen zu entziffern und zu erlernen: Tom Quarky. Wenn Tom Quarky über den Pausenhof von Grüppchen zu Grüppchen schlendert, senkt er die Blicke, um sich nicht zu verraten. Er nämlich hört wie mit hundert Ohren. Blitzschnell erfaßt er in dem Sprachengewirr noch das trostloseste Stammeln, das albernste Fiepen und kann es für sich in unsere Sprache übersetzen. Es ist ihm selber unbegreiflich, wie ihm das gelingt. Wie eine Kunst kommt ihm das vor, denn auch bedeutende Sänger, Maler, Pianisten, Bildhauer, Gitarristen zum Beispiel können sich kaum erklären, warum und woher ausgerechnet sie gerade über ihre Gabe verfügen. Natürlich spielt fleißiges Lernen eine gewisse Rolle. Woher aber kommt der Rest? Die ungewöhnliche Einfühlungsgabe für Sprachen aller Art ist eben einfach Tom Quarkys besondere Begabung. Er ist klug genug, nicht damit anzugeben. In der Schule würden sich ja auch vor ihm schlagartig überall Mauern aus Schweigen aufrichten. Spionwürde man ihn nennen, Verräter, Schnüffler! Nein, dieser ruhige, selbständige Mensch hat das Geheimnis seiner fabelhaften Begabung nur einem einzigen verraten, dem er am meisten vertraut, seinem Vater Dr. Simon Quarky.

Und es ist noch gar nicht lange her, seit er es seinem Vater gestand. Tom gab vor seinem Vater sogar Kostproben zum besten von den verschiedenen geheimen Sprachen in der Schule. Zuerst kopfschüttelnd, dann aufmerkend, zuletzt immer nachdenklicher hörte ihm sein Vater zu. Toms vielsprachige Vorführung dauerte länger als eine Stunde und endete sonderbar. Dr. Quarky nämlich hielt sich plötzlich beide Ohren zu, als quälte ihn blitzartig eine schauderhafte. Vorstellung. Er schüttelte wild abwehrend den Kopf und ächzte: »O Tom, wie furchtbar, daß ich es nun weiß! Wie soll ich mit dem Wissen von deiner Begabung morgen wieder an meine schwierige Arbeit gehen?«

Lange hat Tom über diesen Satz nachgedacht. Dunkel beginnt er zu ahnen, was sein Vater meint: Zwischen Toms sagenhafter Sprachbegabung und der geheimnisumwitterten IGA muß sich etwas angebahnt haben. Aber was? Was?

Tom Quarky und das dille Dong

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