Читать книгу Tom Quarky und das dille Dong - Eva Rechlin - Страница 5
2. Dr. Quarky muß handeln
ОглавлениеAm zwanzigsten Juni sollen die großen Ferien beginnen. Seit Monaten planen Tom und sein Vater, in diesem Jahr in ein nördliches, wasserreiches Land zum Fischen zu reisen. Nach Alaska oder Sibirien, Finnland oder Sachalin, Labrador oder Island.
Am fünfzehnten Juni jedoch kommt Dr. Quarky zu ungewohnter Zeit und ohne Voranmeldung nach Hause. Bei der IGA gibt es keine regelmäßigen Arbeitszeiten. Manchmal bleibt Dr. Quarky tage- und nächtelang fort, meistens weit fort, wie es scheint. Daß die Quarkys nahe am Flugplatz wohnen, ist wichtig wegen der IGA, von der Tom sonst kaum etwas weiß. Da sein Vater, neben anderen Kenntnissen und Fähigkeiten, vor allem Spezialist für Weltraumfragen ist, kann Tom sich trotzdem allerlei zusammenreimen. Und eine Begabung wie er ist längst dahintergekommen, wie die Abkürzung IGA in voller Länge heißt: »Internationale Galaktische Abwehr«. Tom begriff rasch, daß sein Vater ihm nichts, absolut nichts, kein Sterbenswörtchen von seiner Arbeitsstelle erzählen durfte. »Höchste Geheimhaltung!« Diese zwei Worte wenigstens verriet Dr. Quarky einmal seinem Sohn – und das grenzte wirklich schon fast an Verrat. Und genau deswegen wird der fünfzehnte Juni für Tom unvergeßlich bleiben.
Jola vor ihrem Farbfernseher bemerkt nichts von der unvermuteten Heimkehr des Hausherrn. Tom ist gerade aus der Schule zurückgekommen und löffelt seine schmackhafte Mahlzeit, als sein Vater zu ihm hereinhuscht wie ein Dieb, den Zeigefinger gegen die Lippen gepreßt. Jolas Fernseher lärmt wie der Dreißigjährige Krieg. Trotzdem flüstern Vater und Sohn unwillkürlich.
»Was ist los, Vater? Wieso kommst du hinten herum über die Terrasse? Sind sie hinter dir her?«
Dr. Quarky stößt sein Kinn vielsagend in Richtung Jola und stöhnt: »Alarmstufe acht zwo zwo. Wo kann ich dich am besten allein und ungestört sprechen, Tom?«
Tom ist der Appetit vergangen. Er läßt den Löffel in Jolas köstlicher Himbeercreme stecken, steht auf, nimmt seinen Vater an die Hand und schleicht sich mit ihm hinter Jola vorbei und über den Flur in sein Zimmer. Wie üblich hat Jola Toms Bett noch nicht gelüftet und frisch hergerichtet. Dr. Quarky muß sagenhaft aufgeregt sein, daß er es so wenig bemerkt wie die Spinnweben in den Ecken, Staub auf Regalen und Schreibtisch, Fusseln und Flecken auf dem Fußboden, graue Fensterscheiben. Er wirkt erschöpft. Womöglich funktionieren seine Sinne deshalb nicht ganz vorschriftsmäßig. Richtig kaputt läßt er sich auf Toms zerwühltes Bett fallen und stößt endlich hervor:
»Die Ferienreise, Tom – aus der Traum! Ich kann nicht mit dir zum Fischen fahren. Es ist etwas unglaublich Ungewöhnliches passiert, Junge. Und ich weiß keinen anderen Ausweg als diesen. Vier Konferenzen auf höchster Ebene haben wir deinetwegen abgehalten, bis das Chefoberhauptkommando endlich zustimmte. Ich habe ihnen versichert, daß ich für deine Verschwiegenheit meine Hand ins Feuer legen würde. Sogar beide Hände! Und du weißt ja, Geheimhaltung ist bei uns das A und O, das ein und alles … «
Tom muß schlucken, bevor er fragen kann: »Redest du etwa von der IGA, Vater? Vater! Du bist doch gesund? Es ist doch alles in Ordnung mit dir, oder?«
Endlich lächelt sein Vater. Er schaut Tom, der sich zu ihm auf die Bettkante gesetzt hat, eine ganze Weile still an, greift dann nach seiner Hand und sagt mit ruhiger, gewohnter Stimme: »Ich bin rundum dicht, Junge. Bevor ich dir jedoch alles erkläre, muß ich dich einer gewissen Prüfung unterziehen. Es geht um dein sonderbares Sprachtalent. Paß auf. Ich werde dir einen Satz sagen, und du sollst versuchen, ihn mir zu übersetzen. Obwohl diese Sprache der unsrigen unbegreiflich ähnlich ist … aber vielleicht ist gerade das der teuflische Trick, der es uns so schwer macht.«
Tom spitzt die Ohren, und sein Vater fährt fort: »Wie etwa würdest du folgenden Satz in unsere Sprache übersetzen?, Nein, nicht mitschreiben, bitte. Ich sagte ja: Alarmstufe acht zwo zwo!« Der Vater erhebt sich.
»Okay. Also sag mir den Satz!« Auch Tom steht auf.
Dr. Quarky zieht einen schmalen, zusammengerollten Papierstreifen aus seinem linken Ohr, entrollt ihn und liest davon ab: »Tompe drusseln verfloxter most putermock bokolzt schnaubelschall af klotzklump antrudel as.«
Tom schließt die Augen, läßt sich den Satz noch dreimal vorlesen und spricht ihn jedesmal leise mit.
»Ich darf dir den Zettel nicht geben«, gesteht sein Vater, »ich muß ihn nachher völlig vernichten. Hast du den Satz im Kopf?«
»Es sind drei Sätze, Vater. Ihr habt sie also nur abgehört und danach aufgeschrieben? Du kannst den Zettel vernichten. Hier, verbrenn ihn am besten.«
»Es ist ein Spezialpapier. Man kann es im Nu zu Pulver verreiben. Laß nur, ich puste den Staub aus dem Fenster. Ist ein guter Gartendünger. Du hast es wirklich im Kopf?«
Tom nickt und wiederholt langsam: »Tompe drusseln, verfloxter Most – klingt wie verflixter Mist. Also noch mal: Tempo drusseln, verflixter Mist. Das ist der erste Satz.«
Dr. Quarky starrt seinen Sohn begeistert an und drängt: »Weiter, weiter! Es könnte zu denen passen, von denen es stammt.«
»Nicht ablenken«, bittet Tom und kombiniert: »Putermock bokolzt. Das könnte meinen: Computer kobolzt. Natürlich schießt er nicht Kobolz. Er tut was Bestimmtes. Vielleicht kommen wir durch den Rest des zweiten Satzes darauf: Schnaubelschall af Klotzklump. Ja. Hm. Computer kobolzt Schnaubelschall … Mund meinen sie damit, Worte, Töne. ›Af Klotzklump‹? Arbeitet die IGA vielleicht in einem Bunker oder Betonturm oder so was ähnlichem? Dann könnte es nämlich heißen: Computer erfaßt oder erkennt oder entschlüsselt Mundtöne aus gewaltigem, klotzigem Bauwerk … «
»Das ist es!« jubelt Dr. Quarky, »genau das könnten die Mi … die … also jene gemeint haben. Jetzt noch der letzte Satz: ›Antrudeln as‹?«
»Na, eben antrudeln«, dolmetscht Tom, »sich ranmachen, sich nähern! Und ›As‹? Wahrscheinlich ein Name. Oder es ist eine Führungsperson damit gemeint. Pik-As. Captain. Chef. Irgendsowas. Wer hat denn den Satz gesagt?«
»Wenn As ein Name ist, dann ist Kos ebenfalls ein Name. Kos und As, Die beiden Worte kommen immer wieder vor, am Anfang oder am Ende meistens. Kos und As … «
»Klingt wie die Abkürzung von Kosmonaut und Astronaut«, sagt Tom.
Nun ist sein Vater plötzlich ungewohnt blaß und erregt. Einigemale rennt er in Toms Zimmer auf und ab, bleibt unvermutet dicht vor seinem Sohn stehen und sagt bitter ernst: »Tom. Könntest du schweigen wie die gesamte IGA?«
»Sogar wie der Mond. Besonders für dich, Vater. Fehlt bloß noch, daß du sagst, die IGA braucht mich.«
»Das hast du erraten, Junge? Und du würdest dafür auf unsere Angelferien verzichten?«
»Fragen stellst du!« sagt Tom kopfschüttelnd. »Also los, was soll ich tun?«
»Vor allem über alles schweigen. Vorher wie nachher. Ich werde dich während deiner Schulferien mit zur IGA nehmen müssen. Wir werden dort möglicherweise einige Wochen bleiben. Jola und die Nachbarn hier müssen denken, daß wir gemeinsam zum Fischen nach Sibirien verreist sind.«
»Warum gerade Sibirien?«
»Erstens weil du russisch kannst, außerdem kannst du davon nachher am leichtesten berichten: Birkenwälder und Nadelgehölze und fischreiche Flüsse und Tundra und Taiga und helle Nächte und Balalaikamusik … «
»Okay. Und wo geht es wirklich hin?«
»Die IGA hat ihre geheimen Stationen rings um den Erdball verteilt. Eine sieht aus wie die andere. Wir werden viel unterwegs sein, meistens im Dunklen. Du verstehst, Tom?«
»Genau, Vater. Alarmstufe acht zwo zwo. Was soll ich in meinen Reisepack stopfen?«
»Alles wie für einen Sportfischerausflug nach Sibirien. Am zwanzigsten gleich nach Mitternacht hole ich dich hier ab. Glaub mir, ich weiß selbst nicht, in welche IGA-Station man uns fliegen wird. O Tom, ich bin stolz auf dich. Du hast etwas geschafft, an dem unsere sämtlichen Computer und Fachleute gescheitert sind. Menschliche Phantasie – so was hat kein Computer, das haben die Experten nicht bedacht … «
»Ich soll mehr können als eure Computer?« fragt Tom überwältigt, »aber was soll ich denn können? Was denn!«