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4. Tom und der wahre Tüftler
ОглавлениеDas Innere der IGA-Station nimmt sich aus wie ein schikkes Hotel. Allerdings gibt es düster verschlossene und furchterregend bewachte Seitenflügel, die sich selten und dann kurz für bestimmte Personen nach bestimmten Regeln lautlos öffnen und schließen. Von außen kann Tom sich die IGA-Station nicht ansehen. Er weiß nur, daß sie nach der Landung ihres Flugzeugs von dessen Ausstiegsluke unmittelbar in einen perfekt fugendicht angekoppelten, liftartigen Kasten umstiegen, ohne eine Spur von Außenwelt zu sehen, zu fühlen, zu riechen. Der Kasten rollte oder schlingerte mit ihnen fort, rumpelte zuletzt wie in einen Schacht, sauste abwärts, öffnete sich – und sie standen mitten in diesem fabelhaften Hotel, in dem Menschen aller Hautfarben mit wichtigen Mienen herumlaufen, als herrschte gerade mal wieder Alarmstufe acht zwo zwo. Eine freundliche Dame wies Tüftler und Tom in zwei nebeneinanderliegende »Wohneinheiten« ein, wie sie die Gästeräume der IGA-Station nannte. Dr. Quarky hatte irgendwo anders sein Arbeits-und Freizeitquartier.
Die Wohneinheiten gleichen dem typischen sogenannten »Zimmer mit Naßzelle« eines komfortablen Allerwelthotels. Erfreut stellt Tom fest, daß er sich hier frei bewegen darf, solange er sich nicht den bewußten geheimnisvollen Seitenflügeln nähert. Irgendein Admiral oder General oder Fürst oder Portier, jedenfalls eine imponierende Figur in erstaunlicher Uniform, hat die drei Ankömmlinge begrüßt und Dr. Quarky sofort wegen einer wichtigen Wichtigkeit sozusagen beschlagnahmt. Dr. Quarky kann seinem Sohn gerade noch zurufen: »Du kannst mir hier ja nicht verlorengehen. Halte dich eisern an Tüftler. Bis demnächst mal, mein Junge!« Und schon ist er fort. Schaudernd sieht Tom seinen geliebten Vater in einem der bewußten Seitenflügel entschwinden. Hinter jenen rätselhaften Wänden also liegen die wissenschaftlichen Arbeitsstätten, die technischen Einrichtungen oder jedenfalls das höllisch gehütete Geheimnis der IGA.
Tom flüchtet sich zu Tüftler, der ihn bereits zu erwarten scheint. Er hält eine Kugel in der Hand, die einem Golfball gleicht. Wo üblicherweise in solchen Zimmern ein Sofa oder eine Couch steht, lagert hier ein weiches, verformbares Stoffgebilde, eine Art schiefer Sack aus dehnbarem Stoff mit luftigem und doch festem, beweglichem Flausch gefüllt.
»Machen wir es uns auf dem Flegelbeutel bequem«, schlägt Tüftler vor und wühlt sich mit seinem Hinterteil eine Kuhle in der rechten Sackhälfte. Tom rangelt sich auf der anderen Seite ein Nest zurecht und flüstert: »Haben Sie es auch schon bemerkt? Nirgends ein Fenster. Wo wir hier wohl sind?«
»Bei der IGA«, antwortet Tüftler normal laut. »Fang gar nicht erst an mit Heimlichtuereien. Hier wird garantiert jeder und alles pausenlos belauscht. Besonders zwei fremde freie Mitarbeiter auf Zeit wie wir.«
»Sie gehören nicht zur IGA?«
»Freier Erfinder bin ich. Und dir soll ich bei deinem Einsatz helfen. Kann mir schon denken, wie. Ich hatte früher bereits einmal einen Auftrag bei der IGA, eine ganz spezielle Sache. Frag mich aber nicht, was es war – ich habe keine Ahnung mehr. Und warum? In die letzte Mahlzeit müssen sie mir damals ihre verdammten Vergiß-alles-Tropfen gemischt haben.«
Tom hört aufmerksam zu. Den letzten Satz vor allem will er sich gut merken. Tüftler redet bereits weiter: »Und wo wir hier sind? Vielleicht liegt unser Luxusbunker tief unter dem Packeis von Grönland oder unterm Südpoleis.«
»Aber es ist reichlich warm hier. Und nirgends ein Heizkörper.«
»Die können natürlich im Fußboden oder in den Wänden verlegt sein. Oder sollte diese IGA-Station etwa im Innern eines noch tätigen Vulkans stehen? Dann brauchten sie ja keine Heizung. Du mußt nämlich wissen, daß eine Station von innen aussieht wie jede andere … «
»Im Vulkan? Dann müßte doch alles verbrennen!«
»Nicht ohne Sauerstoff. Und vor allem nicht bei der IGA, Tom. Kleinigkeit für die, alles feuer- und hitzebeständig zu machen. Hast du nebenan auch so einen herrlichen Teppichboden wie ich hier? Wir könnten Golf darauf spielen, mein Junge. Quer durch das ganze Hotel- oder Quartiergelände.«
Professor Tüftler läßt das Bällchen in seiner Hand lokkend hüpfen. Tom antwortet achselzuckend: »Tut mir leid, Tüftler, aber ich kann gar nicht Golf spielen.«
Tüftler nickt grinsend und antwortet seelenruhig: »Ich auch nicht. Ich hab’ ein Lehrbuch dabei. Wir müssen noch heute mit dem Üben anfangen. Wir müssen es in jeder freien Minute derartig treiben, daß alle uns für völlig entfesselte Golfnarren halten.«
»Aber mein Vater weiß doch, daß ich nicht – und wozu überhaupt das Theater?« fragt Tom argwöhnisch. Tüftlers Miene wird ernst. Behutsam fängt er an: »Tom, mein Junge. Du und ich, wir beide sollen hier als ein Team dieses verdammte Miniproblem lösen. Das befehlen die uns einfach! Selber denken wird uns anscheinend dabei nicht gestattet. Wissen wir eigentlich, was damit womöglich auf uns zukommt? Die IGA ist in erster Linie eine Abwehr-Organisation. Ab-wehr! Wenn es wirklich ein Mini-Raumschiff sein sollte, wenn es zweitens ausgerechnet uns beiden gelingen sollte, mit dem Ding in Kontakt zu kommen – du mußt mitdenken, Tom, selber denken –, wenn drittens die Minis in diesem Minidings womöglich allerliebste Wesen sind, und nun läge es an dir oder mir oder an uns beiden, ihnen klarzumachen, daß wir für eine Abwehrstation arbeiten, Ab-wehr! Tom. Verstehst du mich ein wenig? Ich bin ein alter, erfahrener Mann … «
Tom hat sich die Hand vor den Mund geschlagen. Seine entsetzten Blicke suchen Tüftlers Wohneinheit nach Abhöranlagen ab. Ist der alte Professor verrückt geworden, daß er derartig aufsässige Worte laut ausspricht? Durch seine etwas gespreizten Finger zischt Tom: »Was hat das alles denn mit Ihrem saudummen Golfspiel zu tun?«
Tüftler wälzt sich über den breiten Flegelsack halb zu Tom hin, hebt ihm sanft die angsterstarrten Finger vom Mund und sagt sehr ruhig, sehr betont: »Ich verlasse mich auf dich als den letzten Freund, den ich in meinen Jahren noch finden konnte. Nein, laß mich aussprechen. Diese Geschichte ist nicht umwerfend lustig, mein Guter. Ich weiß, daß mir auf unserem Globus nicht mehr viel Zeit beschieden ist, weil eine nicht sichtbare Krankheit meinen Körper langsam zerstört. Dagegen kann auch mein erfinderischer Kopf nichts ausrichten. Ich will, daß ich dir, Tom Quarky, als letztem Menschen in meinem Leben bis zu meinem drohenden Ende voll vertrauen kann. Du brauchst es mir nicht zu versprechen. Du bist auch nicht dazu verpflichtet. Denn es wird keineswegs nur schön oder gar leicht sein. Zumal du meine Geheimnisse, wenn ich sie erst einmal mit dir geteilt habe, auch vor deinem Vater verschweigen mußt. Brauchst mir nicht zu sagen, wie sehr zuwider dir das ist.«
»Und wenn es ihm schaden könnte?«
»Es wird ihm nie schaden. Wie ich mich auf dich verlassen möchte, genauso kannst du dich auf mich verlassen. Logisch, daß ich also deinen Vater schone. Er steht bei der IGA unter festem Vertrag. Wir beide dagegen sind nur vorübergehend freie Mitarbeiter. Wir gehören denen nicht wie ihre Apparate. Keine Angst, daß sie dieses Gespräch abhören. Solange mein Golfball in unserer Nähe ist, hören die uns nur zweistimmig singen. Ja, du hast richtig verstanden. Immerhin bin ich Erfinder. In meinen Golfbällen stekken die verschiedensten Abhörtäuscher. In diesem zum Beispiel zweistimmiger Gesang. Lieder, Songs, die gerade Mode sind. Tom und Tüftler schmettern Schnulzen – dibbdabbidubbdoffdoffplingplong! Verstehst du jetzt, warum wir immer Golf spielen müssen, wenn wir uns ungestört verständigen möchten?«
Begeistert streckt Tom seine Hand nach dem ausgetüftelten Golfball aus, und vertrauensvoll legt Tüftler seine kostbare Konstruktion hinein.
»Zu schade«, sagt er versonnen, »daß wir die dummen Gesichter in der Abhörabteilung nicht sehen können. Ob sie vielleicht sogar längst mitsingen? Ich hab’ den Schwachsinn selbst gedichtet und auf die Minispule in dem Ball gedrillt: Hippelhei hippelhei hippelhei! Sprach das Huhn zu dem Küken im Ei. Dippeldaus dippeldaus dippeldaus, blödes Huhn, laß mich raus, laß mich raus. Hippelhick hippelhick hippelpickpickpick … also diese Sorte Gedudel, verstehst du?«
»Klasse!« schwärmt Tom. »Ein Jammer, daß ich das nicht auch hören kann. «
Er hält sich den phantastischen Golfball ans Ohr, hört jedoch Tüftler lediglich besorgt fauchen: »Laß das! Vermutlich beobachten sie uns dann und wann und hin und wieder auch über unsichtbar eingebaute Fernsehaugen.«
Tom begreift sofort, wirft den kostbaren Golfball von einer Hand in die andere, als wäre er schon wer weiß wie kribbelig auf ein Spielchen, und sagt: »Dann dürfen die aber auch nicht erkennen, daß Sie in einem Golflehrbuch schmökern!«
»Keine Sorge. Habe das Heft als Notizbuch getarnt, in das ich meine sprunghaften Einfälle schreibe. Beispielsweise jetzt den Einfall, daß wir endlich mit der ersten Sportübung beginnen. Hops du dabei mal rhythmisch herum oder wibbelwabbelwubbel, damit man denken könnte, daß wir singen. Ich schunkel’ auch.«
Hopsend und wibbelnd hält Tüftler das Golflehrbüchlein aufgeschlagen vor sich, tut so, als fiele ihm ständig etwas ein, und kritzelt mit einem Schreiber ohne Schreibeinlage nichts, überhaupt nichts auf das bedruckte Papier. Dabei beginnt er mit vielen Hippelheis und Dippeldaus und Dibbididabbididubbs die erste Lektion vorzulesen: »Logischerweise müssen wir uns in den Räumen der IGA mehr auf eine Art Minigolf beschränken. Wir betreiben unser Spiel wie auf Rasenflächen und mit selbst konstruierten, etwa tassengroßen Löchern, auf denen wir unseren Golfball mittels eines Schlägers nach komplizierten Regeln mit möglichst wenigen Schlägen von Loch zu Loch treiben … «
»Und woher nehmen wir die Löcher? Ist doch überall Teppichboden!« forscht Tom. Tüftler wippt grinsend auf dem Flegelsack herum und schlägt vor: »Man könnte Gummiringe auslegen. Oder umgekehrte Untertassen. Zum Donnerwetter noch mal, es werden sich in dieser Riesenanlage wohl achtzehn kleine Löcher für unseren Fairway hinkriegen lassen! Notfalls schneiden wir uns welche in die dikke Teppichware. Also?«
»Fangen wir an!« ruft Tom.