Читать книгу Carpe that fucking Diem! - Nutze den verdammten Tag - Eva Sereza - Страница 5
1. Working Mum begins - Wie alles begann
ОглавлениеMein Weg in die Selbständigkeit: Wie man Mitte dreißig den Job verlässt, Mutter wird und feststellt, dass man Jahrelang in einem Irrenhaus gearbeitet hat, ohne es zu merken.
Chefsekretärin im Mamaland
Ich hatte es irgendwie geschafft: Eine bescheidene „Karriere“ vom Kaffeeküchen-Aschenputtel zur Herrscherin des Direktions-Vorzimmers. Doch ein kleiner Ausflug ins Mamaland brachte mir bei der Rückkehr ein böses Erwachen. Ein Auszug aus der Internetseite des Bundesministeriums für Familie vom 10.02.2012 klingt ja ziemlich vielversprechend: „Auch Unternehmen profitieren von den Vorteilen einer familienfreundlichen Personalpolitik. Beschäftigte, die bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt werden, kehren früher aus der Elternzeit zurück, fehlen seltener, sind weniger stressbelastet und arbeiten motivierter. Hinzu kommen Wettbewerbsvorteile durch eine höhere Arbeitgeberattraktivität: Neben dem Gehalt werden familienfreundliche Angebote immer wichtiger, um qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen und zu halten.“ Soviel dazu… Die Realität sieht anders aus:
Am Anfang war der Babybauch: Der Kampf mit der Schreibtischkante
Als ich Chefsekretärin wurde, entfloh ich dem tristen Teamassistentinnen-Alltag – der nicht per se hätte trist sein müssen, den ich jedoch, weil allgemein so gering geschätzt, sehr bald nicht mehr ertragen wollte. Als ich folglich eines Tages in den Olymp der Topverdiener aufstieg – obschon auch dort alsbald ernüchtert - dachte ich immer, dass es schlimmer sein könnte. Immerhin, mein Gehalt war zu einem Anteil ein durchaus tröstliches Schmerzensgeld. Somit wurde ich, überzeugt davon, dass ich alles erreicht hatte, in aller Ruhe schwanger, vertraute blindlings meinen Hormonen und sah meinem sich rundenden Babybauch dabei zu, wie er eine wachsende Zwangsentfernung zwischen mich und meinen Arbeitsplatz brachte. Diese Entfernung allerdings sollte in einer Art prophetischer Symbolik den Zustand Mitarbeiterin in Teilzeit, ein Kind - versus ehemals: Mitarbeiterin in Vollzeit, kein Kind - vorwegnehmen. Ich ging sodann, als Folge meines täglichen Kampfes: Bauch gegen Schreibtischoberkante, mit gefühlten fünf Zentimeter verlängerten Armen in meine ersehnte Elternzeit und träumte den trügerischen Traum aller werdenden Mütter, die arbeiten: Von der perfekten Elternzeitrückkehr, wie dokumentiert und versprochen. So schlief ich sanft zwei schöne Jahre im rosaroten Babyland.
Phase zwei: Die Rückkehr oder im Tal der Ratlosen
Da saß ich nun also, als Rückkehrerin, dem Mutter-Kokon gerade entstiegen - und ein weiteres Mal in meinem Leben war das Erwachen eher unsanft. Denn es kam tatsächlich schlimmer. Mir gegenüber saßen zwei ratlose Personaldamen mit zwei noch ratloseren Gesichtern. Ich fragte mich, warum eigentlich, denn wäre es nicht ihr Job gewesen, mich als sinnvoll und gleichwertig einzusetzen? Das ist mein Recht, so sollte es sein. Dachte ich… denn da irrte ich gründlich – nicht, was die Rechtslage anging, doch angesichts dessen, was geschah: Nämlich gar nichts… Denn statt Antworten bekam ich nur Fragen: Aber was wollen Sie denn machen, in Teilzeit? …Da geht nur Teamassistenz… Ja, selbstverständlich, zwei Tarifgruppen tiefer… Wie das mit Ihrem Gehalt ist? … Naja, dann verdienen Sie halt erst einmal weniger – Hauptsache, der Job macht Spaß! – Meine Damen, vielen Dank für das Gespräch. Ich hätte gern über die Pointe gelacht, musste jedoch den Mund fest geschlossen halten, um nicht ganz laut "Scheisse!" zu schreien. ... Moment mal. Denkpause, bitte! ... Was war die Lösung? Wie kam ich zu einem ordentlichen Job? Durch eine Affäre mit dem Chef? Das hat nicht nur in diesem Unternehmen schon so manche steile Karriere ermöglicht. Der kleine Teufel auf meiner Schulter flüsterte mir schlimme Dinge ins Ohr. Und glauben Sie mir, hätten Sie wie ich ein paar Monate in dieser Abteilung verbracht, in die ich schließlich verbannt worden bin - Sie wären - wie ich - zu wirklich allem fähig gewesen! Und außerdem, naja – die meisten Chefs waren leichte Beute. Ich würde sagen, acht Punkte – von zehn. Verheiratet. Kinder. Zwischen Superstress und Ehefrust. Midlife-Crisis – und sehr attraktiv. Maximal erpressbar. Ich behaupte, selbst ihre Ehefrauen hatten alle bereits mindestens einen Lover, denn ihre Männer waren überall auf der Welt, aber wirklich so gut wie nie zuhause. Verzeiht mir, Schwestern! Ich war ein böses Mädchen. Aber laut denken darf man ja wohl! Und außerdem - wart Ihr schon mal so verzweifelt? Wie auch immer - das mit der Affäre war sowieso für mich nicht mehr drin - denn ich hatte keinen Chef mehr. Da rauben sie einem jahrelang fast allesamt den letzten Nerv, werden bisweilen auch eindeutig, nach dem einen oder anderen Glas Wein - und wenn man sie dann mal wirklich braucht, ist aber auch keiner von ihnen da! Außerdem, ich war keine zwanzig mehr – sondern fast vierzig. Auch fühlte ich mich mit einer Brust, auf welcher der Schriftzug „Milchbar“ noch nicht ganz verblasst war, irgendwie ganz wenig sexy. Davon abgesehen wollte ich nicht riskieren, dass mich einer bittet, mich doch schnell wieder anzuziehen - mit den Worten: „Schätzchen, sehe ich aus, als hätte ich es nötig, mit einer Vierzigjährigen zu schlafen?“ (Ja! Die sagen sowas!! … Ich kann nichts dafür! Allerdings, bei mir hätte das sicher keiner gewagt, denn schon mein Blick war zu allem entschlossen. Ich hätte ihn sicher mit meinem Still-BH erwürgt!)
Wie auch immer - so war es nun wohl: Alles hat seinen Preis. Und dies wäre nun mein Preis gewesen: Erst dick, dann degradiert. Die Gesetzeslage – Teilzeitanspruch, gleichwertiger Job, also gleiches Gehalt – schien niemanden zu interessieren. Da mir jedoch innerhalb der Elternzeit rechtlich die Hände gebunden waren, unterschrieb ich zähneknirschend einen befristeten Arbeitsvertrag, den ich beim Anblick der Gehaltssumme gerne mit der grünen Krokodil-Papierschere meiner Tochter zerkleinert und in der Toilette entsorgt hätte. Einerseits schade, dass ich es nicht getan habe - es hätte mir ein dreiviertel Jahr in der Teilzeit-Hölle erspart. Anderseits wäre ich auch um ein Stück nicht schöne, aber doch wertvolle Erfahrung ärmer gewesen. Denn nach diesen neun Monaten – in denen ich tatsächlich damit schwanger ging, dass ich dort unmöglich bleiben konnte - und endlosen, ergebnislosen Verhandlungen mit der Personalabteilung über meine Zukunft nach der Elternzeit war ich wirklich bereit für den Rechtsstreit.
Phase drei: Weiblicher Kleinkrieg
Die Begrüßung hätte nicht frostiger sein können in der „Abschiebehaft“ für degradierte und resignierte Teilzeitmütter – so nannte ich sie, die neue Abteilung, denn das war sie, nicht mehr und nicht weniger. Was mich zuletzt so kampflustig machte, war ein dreiviertel Jahr Kleinkrieg zwischen mehreren Degradierten und der herrschenden weiblichen Vollzeit-Zunft in der Abteilung, die einer Abschiebehaft für Teilzeitmütter näher kam als alles andere. Dabei waren die Regeln nicht klar, wer gegen wen oder warum, denn das konnte sich täglich ändern.
Doch vor allem gab es einen Feind: Den Abteilungssündenbock. Sie war schuld an jedem Stimmungstief, schuld an der hohen Arbeitslast, schuld an der Lage der Nation. Dumm oder idealistisch genug, irgendetwas daran verändern zu können, grätschte ich mit dem mir eigenen Elan mitten hinein in die Frauenfalle: Ich redete und vermittelte, war Psychologin und zugleich Kaninchen - denn bald fühlte ich mich umzingelt von Schlangen, die aus jeder Ecke zischten, konnte niemandem trauen, zog mich zurück. Dass ich zudem gezwungen war, auf völlig fremdem Gebiet zu arbeiten und abhängig zu sein von der Gnade derer, die mich als notwendiges Übel sahen (Schon wieder eine Teilzeitkraft!), brachte das Fass zum Überlaufen. Ich fand es einfach unerträglich, zum Lehrling degradiert zu sein, abgeschoben, gedemütigt - weil ein Unternehmen nicht fähig ist, seinen Teil der Vereinbarung einzuhalten. Ich war mir keineswegs zu schade, die Personalabteilung mindestens einmal wöchentlich zu erinnern, dass ich spätestens nach der Elternzeit auf mein gutes Recht bestehen würde. Doch die Personalabteilung schwieg. Es gab keinen Zweifel: Ich brauchte Hilfe.
Phase vier: „Gleichgestellt“ heißt nicht „gleich schlecht“!
Die Hilfe kam von juristischer Seite – meiner Anwältin für Arbeitsrecht. Mit ihrer Hilfe klagte ich und kämpfte um Gehalt und Status – nach der Elternzeit, in Teilzeit. Wohlgemerkt, es war Jammern auf hohem Niveau. Mein Jahreseinkommen war lange Jahre überdurchschnittlich bis exzellent. Dennoch war ich für dieses Geld sowohl Sekretärin als auch Psychologin, die gute Fee, die alles konnte, außer den Chef verschwinden lassen, wenn seine Launen mörderisch wurden. Ich habe chaotischen, cholerischen, machtbewussten und arbeitssüchtigen Managern den Rücken freigehalten, war bis kurz vor Mitternacht per Mobiltelefon erreichbar, habe unmögliche Reiseplanungen und Kundenbesuche möglich gemacht, diverse Launen und Wutausbrüche ertragen und sie während ihrer teils steilen Karriere bis fast nach ganz oben begleitet. Es gab Personalgespräche und Potentialanalysen, die in meinem Fall eine Beförderung vorsahen – natürlich auch kurz vor der Elternzeit. Was dieses Papier heute noch wert ist, musste ich leider erfahren. Doch darauf lasse ich es nicht beruhen. Wer mir erzählt, dass es gerecht ist, wenn ein neuer Tarif das Grundgehalt derjenigen vermindert, die ohnehin die niedrigsten Gehälter beziehen, leider vorzugsweise Frauen, beleidigt meine Intelligenz – und ganz sicher nicht nur meine. Wenn Gleichstellung gleiche Verschlechterung meint, geraten Tarife zur Groteske. Meinen Standpunkt habe ich vormals verteidigt und ging mittels Betriebsrat in die Schlichtung. Ich habe gesiegt und dennoch verloren – denn bei meiner Rückkehr war alles vergessen. Dachten sie – und behielten nicht Recht!
Sicher, mein Sieg ist nur ein halber - denn das Tor zur Festung der fairen Teilzeit bleibt dennoch hermetisch verschlossen. Ich verlasse das Schlachtfeld, nach langem Kampf - mit der Trophäe, die mir zusteht, entschädigt – aber ohne Arbeit. Denn welche Zukunft habe ich in einem Job, den ich vor Gericht erst einklagen muss?
Phase sieben: Abgesang einer Teilzeitmutter
Also nahm ich die dreißig Silberlinge, für die ich den Arbeitskampf verriet – aber ich hatte es ganz einfach satt! Die ewige Jagd nach Kinderbetreuung und die erschöpfenden Debatten um „Herdprämie“ versus Krippenplatz sind mir gerade einerlei. Ich will wieder Spaß am Muttersein haben, denn ich bin gern im Mamaland. Dort bin ich meine eigene Regierung – und suche mir meine Arbeit selbst. Vielleicht ist die Selbstständigkeit mein Ziel nach all dem traurigen Rückkehrer-Irrsinn. Es war schwer genug, mich als Vollzeitkraft in dieser Männerwelt zu behaupten – aber nun habe ich leider festgestellt, dass die Frauen einander der größte Feind sind.
Darum sage ich: Frauen und Mütter, wehrt Euch gemeinsam! Egal, ob in Vollzeit oder in Teilzeit, egal, was Euer Beruf ist: Lasst Euch nicht widerstandslos degradieren! Steht gemeinsam auf, das macht Euch stärker! Bremst Euch nicht gegenseitig aus, indem Ihr insgeheim Euren Frust und Eure Resignation aneinander abreagiert. Das Loblied des Familienministeriums sowie der meines eigenen Arbeitgebers auf seine ach so gleichgestellte, familiengerechte Politik ist verhöhnt uns alle - denn es ist schlichtweg gelogen! Also schweigt nicht einfach, gebt nicht klein bei. Denn es ist Euer Recht – gebt es nicht auf!
Ich selbst bin gerade ein bisschen müde. Ich habe zu lange zu hart gekämpft. Darum freue ich mich jetzt ein bisschen darüber, was ich erreicht habe – trotz Wermutstropfen. Wertschätzung habe ich keine erfahren, bei meiner Rückkehr in den Olymp. Im Gegenteil, ich bin tief gefallen. Die Chefsekretärin ist wieder Aschenputtel – doch das ist mir jetzt ganz egal. Ich weiß, was ich mir selbst wert bin, als Mutter, als Mensch, als Staatsbürgerin. Als Teilzeitkraft? Nun… das werde ich neu erforschen müssen.
Vielleicht mache ich es auch wie die Protagonistin im Film „Der Teufel trägt Prada“: Eine neue Evolution. Oder wäre dies nicht vielmehr Metamorphose, von der überzeugten Chefsekretärin zur Arbeitnehmerlobbyistin? Jetzt gehe ich erst mal zurück an den Herd – jawohl, ganz ohne Herdprämie. Dort werde ich – bevor ich neu beginne, mit Studium und neuem Berufsziel - in aller Ruhe noch einmal das Mamaland genießen. Ganz richtig, auch dort gibt es Anerkennung: Von meiner Tochter, die mein Leben bereichert – und der ich hoffentlich zeigen darf, dass es sich lohnt, für sein Recht zu einzustehen, die richtige Wahl für sich selbst zu treffen, sie treffen zu können, weil der Staat uns lässt – durch jene gute Kinderbetreuung, die bezahlbar ist und vor allem verfügbar! Es hat mit Gleichstellung nichts zu tun, um einen Betreuungsplatz betteln zu müssen, dafür vielleicht ein Vermögen zu zahlen, aus Angst, sonst seinen Job zu verlieren! Meine Tochter soll erfahren (nicht nur davon hören!), dass nichts falsch daran ist, als Mutter weiterhin zu arbeiten – für faire Gehälter, auch in Teilzeit! – doch dass es ebenso genug ist, „einfach nur“ eine Mutter zu sein. Das ist meine bescheidene Wahrheit. Und jetzt sind Sie dran, für uns zu handeln - verehrte Frau Ministerin!