Читать книгу Die wahre Geschichte der Weihnachtshexe Befana - Eva Walitzek - Страница 7
Im Hotel
ОглавлениеBefana trat in die Hotelhalle und schaute sich um. Keine Frage, der Verband hatte sich nicht lumpen lassen. Kein Vergleich zu dem alten schäbigen Gasthaus, in dem damals die erste Versammlung stattgefunden hatte. Befana betrachtete sich kritisch in einem der raumhohen Spiegel, die die Eingangshalle größer und weiter erscheinen ließen: Sie war eindeutig underdressed. Ihre langen Haare quollen wirr unter dem Schal hervor, den sie sich um Hals und Kopf geschlungen hatte. Die gefütterte Lederjacke, die sie immer beim Fliegen unter dem Flugumhang trug, war zwar sündhaft teuer gewesen. Sie hatte sie von einer der besten Ledernäherinnen anfertigen und mit Schaffell füttern lassen, damit sie beim Fliegen in den langen Winternächten nicht fror. Aber nach so vielen Jahren sah die Jacke recht abgetragen aus. Ihr Kleid war nach dem langen Flug verknittert und auch ihr Rucksack hatte schon bessere Zeiten hinter sich. Aber er war praktisch und geräumig, es passte alles hinein, was sie für ein paar Tage brauchte. Vielleicht hätte sie für den Aufenthalt in diesem Hotel doch ein paar mehr Sachen einpacken sollen. Aber der Koffer, den sie gekauft hatte, ließ sich auf dem Besen nur schlecht transportieren, obwohl er ausdrücklich als Hand- und Fluggepäck angepriesen worden war.
Befana schüttelte den Kopf, als könne sie so die lästigen Gedanken abschütteln. Beim Fliegen kam es nicht auf Schönheit an, sondern es musste warm und bequem sein. Und schließlich war sie nicht zu ihrem Vergnügen hier, sondern zu einem Arbeitstreffen – wenn auch in einer angenehmen Umgebung.
Sie ging zum Empfangsschalter. Der Portier tippte eifrig auf seinem Smartphone und bemerkte sie gar nicht.
„Guten Abend, Signore“, grüßte sie freundlich.
Der junge Mann sah gelangweilt hoch und musterte sie abschätzig von oben bis unten.
„Wir brauchen keine Putzfrau“, sagte er dann. „Und außerdem müssen unsere Mitarbeiterinnen ihre Arbeitsgeräte nicht mitbringen. Ihr Besen wäre ohnehin nicht zur Reinigung unserer Räume geeignet. Wir haben fast überall Teppichböden.“
„Ich …“, stotterte Befana, aber der junge Mann ließ sich nicht unterbrechen.
„Wir brauchen wirklich niemanden, junge Frau. Verlassen Sie bitte das Hotel“, forderte er sie jetzt energischer auf.
Befana hob die Augenbrauen. Früher hätte sie ihm einen Hexenschuss verpasst, aber das war guten Hexen durch die Blocksberger Konventionen längst verboten. Befana seufzte. Manchmal bedauerte sie es wirklich, eine gute Hexe zu sein. Sie überlegte kurz, ob sie nach draußen gehen, sich ins Smartphone des Jünglings einhacken und es lahmlegen sollte. Da sie das bei vielen Handys ganz ohne Zauberei schaffte, verstieß das nicht gegen die Regeln für gute Hexen, die einzuhalten sie sich verpflichtet hatte. Doch dazu hatte sie jetzt keine Zeit. Anders als die junge Frau aus dem Arbeitskreis IT, die ihr den Umgang mit Computern beigebracht hatte, brauchte sie dazu noch ziemlich lange. Jetzt wollte sie duschen und sich umziehen, um pünktlich zum Abendessen im Speisesaal zu sein. Sie hasste es, wenn Leute zu spät zum Essen kamen und die Gerichte warmgehalten oder gar aufgewärmt werden mussten. Außerdem wollte sie den drei Königen keinen Anlass zu weiteren blöden Bemerkungen geben.
„Junger Mann“, sagte sie mit strenger Stimme. „Sie brauchen wohl eine Brille.“
Der Portier sah sie fragend an. Mit so viel Widerstand hatte er nicht gerechnet. Ältere Frauen, die so ärmlich aussahen, zogen sich meist zurück, sobald sie energisch aufgefordert wurden.
„Mit einer richtigen Brille würden Sie sicher sehen, dass ich keine junge Frau mehr bin. Und im Übrigen: In einem solchen Hotel hätte ich besseres Benehmen erwartet – und mehr Respekt“, sagte Befana streng.
Der junge Mann wurde rot und sah sich um, ob sein Chef in der Nähe war. Der legte großen Wert auf gutes Benehmen, auch gegenüber Lieferanten und Leuten aus dem Dorf.
„Entschuldigen Sie, Signora“, sagte er kleinlaut. „Es tut mir wirklich leid, aber wir brauchen niemanden. Versuchen Sie es doch mal bei dem Bio-Bauern auf der anderen Seeseite, der uns frische Milch, Käse und Eier liefert. Der sucht eine Frau, die ihm den Haushalt führt und ihm in der Käserei hilft. Da können Sie sicher auch wohnen“, sagte er etwas freundlicher und wandte sich wieder seinem Smartphone zu.
„Sie sind wohl nicht von hier?“, fragte Befana.
Der Portier schüttelte den Kopf. „Nein, ich komme aus Deutschland. Ich studiere Tourismusmanagement und mache hier ein Praktikum. Um Auslandserfahrung zu sammeln und natürlich auch, um die Sprache zu lernen“, erzählte er eifrig.
Befana nickte. „Das ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung, junger Mann“, sagte sie streng. „Wenn Sie aus Italien wären, würden Sie mich kennen. Ich bin Befana, die Weihnachtshexe. Ich nehme am internationalen Gabenbringer-Treffen teil. Für mich ist ein Zimmer reserviert.“
Der junge Mann starrte sie mit offenem Mund an. „Bbbitte entschuldigen Sie, Signora Befana!“, stammelte er verlegen und zupfte verlegen an seiner Krawatte. „Ich, ich ...“
„Ich gebe zu, ich bin für dieses Hotel sicher nicht ganz passend gekleidet. Und mein Besen eignet sich überhaupt nicht zum Fegen. Er hat ganz andere Qualitäten“, kam Befana ihm zur Hilfe. „Aber es war nett von Ihnen, dass Sie mir einen Job und eine Unterkunft vorgeschlagen haben. Maria, Josef und das Baby hätten sich damals über ein solches Angebot sicher gefreut."
Der junge Mann sah sie verwirrt an und schaute auf den Monitor, der vor ihm auf dem Tresen stand. „Ihr Zimmer ist gebucht, Signora Befana“, sagte er dann freundlich. „Zimmer 413, mit Seeblick, direkt neben der Dachterrasse. Aber sonst kann ich niemanden finden. Maria, Josef und ein Baby sagten Sie?“, fragte er nach und schüttelte dann bedauernd den Kopf. „Tut mir leid. Für die drei ist definitiv kein Zimmer reserviert“, sagte er dann. „Und wir haben wirklich nichts mehr frei.“ Dann schaute er sich suchend um und senkte die Stimme. „Außerdem sind Babys und kleine Kinder hier im Haus nicht so gerne gesehen. Wir sind ein Wellnesshotel. Unsere Hauptzielgruppe sind die Silver agers.“
Befana sah den jungen Mann fragend an. „Leute um die 60, die sich erholen und entspannen und nicht von spielenden Kindern gestört werden möchten“, erklärte er. Dann senkte er die Stimme und fügte leise hinzu: „Und eigentlich auch nicht von frechen Kobolden.“
Befana lachte auf. „Sie haben also schon die Kollegen aus Island kennengelernt. Benehmen sie sich immer noch so schlecht wie früher?“
Der Portier nickte und schaute sich vorsichtig um, ob niemand in der Nähe war. „Ich weiß ja nicht, wie sie sich früher benommen haben. Und eigentlich sprechen wir ja nicht schlecht über unsere Gäste. Aber die Kerle sind wirklich eine Plage. Zwei oder drei der Jungs sind ja ganz nett und vernünftig. Aber die meisten haben nur Unsinn im Kopf. Heute Mittag haben sich ein paar von ihnen in die Küche geschlichen und haben alles aufgegessen, was der Koch fürs Abendessen vorbereitet hat.“
Befana nickte. „Das klingt nach Þvörusleikir (Kochlöffellecker), Pottaskefill (Topfschaber), Askasleikir (Schüsselschlecker), Skyrgámur (Quark-Gierschlund) und Bjúgnakrækir (Wurststibitzer). Die sind immer hungrig und schrecken auch vor Mundraub nicht zurück“, sagte sie. Der Portier zuckte mit den Schultern.
„Ich habe keine Ahnung, wie die Kerle heißen. Unser Koch war auf jeden Fall ganz verzweifelt. Er hatte sich wirklich große Mühe gegeben. Er ist ein großer Weihnachtsfan und hat extra für dieses Treffen seinen Urlaub verschoben. Und dann das. Wenn es heute Abend nur schnelle Küche gibt, können Sie sich auf jeden Fall bei den Kobolden bedanken. Die sind wirklich mit dem D-Zug durch die gute Kinderstube gefahren. Ihre Eltern hätten sie besser erziehen sollen.“
„Die Eltern der Weihnachtskerle“, Befana lachte laut. „Seien Sie froh, wenn Sie Grýla und Leppaludi nie kennenlernen. Vor allem vor Grýla sollten Sie sich hüten. Sie ist nämlich ein besonders böses Trollweib. Ihre Lieblingsspeise sind Menschen. Und wenn sie kocht, entfacht sie manchmal ein so großes Feuer in ihrer Küche, dass auf der Erde ein Vulkan ausbricht. Erinnern Sie sich an den Ausbruch des Eyjafjallajökull vor ein paar Jahren?“
Der Portier riss die Augen weit auf und starrte Befana mit offenem Mund an. „Sie meinen, als in ganz Europa wegen der Aschewolke keine Flugzeuge mehr fliegen konnten?“, fragte er dann. „Genau. Die Hitze soll aus Grýlas Küche gekommen sein. Ich weiß nur nicht, ob sie wirklich wieder einmal das Essen hat anbrennen lassen – oder ob sie vor Wut gekocht hat. Das kommt nämlich öfter vor. Wie dem auch sei. Im Vergleich zu ihren Eltern sind die Weihnachtskerle wirklich nette Jungs. Und sie sind übrigens keine Kobolde, sondern Trolle.“
Der Portier schaute sie verständnislos an. Offenbar kannte er sich auch mit den kleinen Völkern nicht aus. Befana seufzte. Manchmal fragte sie sich wirklich, warum sie jedes Jahr zu Weihnachten kiloweise Fantasy-Bücher oder -Filme verschenkte. Offenbar lasen die meisten sie nicht richtig oder achteten beim Zusehen nicht auf wichtige Details. Aber sie hatte keine Lust auf weitere Erklärungen. „Wenn Sie mir jetzt meinen Schlüssel geben könnten“, bat sie höflich. „Ich muss mich noch etwas frisch machen und ich möchte nicht zu spät zum Essen kommen. Denn ob mir meine Kollegen etwas übrig lassen, wage ich zu bezweifeln.“
„Natürlich, Signora Befana“, sagte der Portier eifrig und reichte ihr eine Karte. „Damit kommen Sie nicht nur in Ihr Zimmer, sondern auch in den Fitness- und Wellnessbereich. Der befindet sich im Seitengebäude. Wir haben mehrere Cardiogeräte, zwei Saunen und einen Außenpool. Der Wellnessbereich hat einen direkten Zugang zum See, falls Sie sich nach dem Saunen abkühlen möchten“, sagte er stolz.
„Danke für den Hinweis. Aber Sauna ist nicht so mein Ding. Doch das Fitnessstudio teste ich gerne. Ich komme langsam in die Jahre und muss etwas für meine Gesundheit tun. Wer rastet, der rostet. Ein Crossstepper oder ein Laufband sind für kalte Wintertage im Gebirge sicher gute Alternativen.“