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1. Zur literarischen und theologischen Bedeutung des Philipperbriefes in der Rezeptions- und Auslegungsgeschichte

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Der Philipperbrief zählt nicht zu den sogenannten Hauptbriefen des Paulus (Röm, Gal, 1 und 2 Kor) und hat daher – besonders in der protestantischen Exegese und Theologie – eine eher nachgeordnete Rolle gespielt.1 Obgleich Phil 2,6-11 den Grundtexten paulinischer Christologie zugerechnet werden muss, steht der Philipperbrief gemeinhin „im Schatten“ der oben genannten Hauptbriefe, da in ihm bestimmte Grundthemen paulinischer Theologie wie die Rechtfertigungslehre nicht im Vordergrund stehen.

Für Epistolographie und Theologie des Apostels ist der Philipperbrief zudem weniger von Interesse als der 1. Thessalonicherbrief, in dem die Forschung zumeist die Reflexion über die Anfänge und Grundlagen der paulinischen Missionstheologie und Eschatologie erkennen will. Im Rahmen der sieben mehrheitlich für authentisch gehaltenen Paulusbriefe ist der Philipperbrief also tendenziell von untergeordneter Bedeutung. Nur der Philemonbrief findet noch weniger theologische Aufmerksamkeit. Dass beide Briefe einander situativ und lebensgeschichtlich nahestehen, legt zumindest das Gefangenschaftsmotiv, das in Philipper- wie Philemonbrief leitend ist, nahe. Wo genau hat der Philipperbrief im Corpus Paulinum seinen Platz?

Durch die Paulus-Arbeiten Ferdinand Christian BaursBaur, Ferdinand Christian (1845/21867) war der Philipperbrief in Verdacht geraten, ein unechtes, d.h. pseudepigraphesPseudepigraphie, pseudepigraph paulinisches Schreiben zu sein (siehe Beitrag V). Die von Baur vorgebrachten stilistischen, religionsgeschichtlichen und theologischen Beobachtungen wiegen in der Tat schwer und bestätigen in jedem Fall den Eindruck, dass der Philipperbrief eine eigenständige briefliche Komposition darstellt, die sich von einer postulierten „Mitte der paulinischen Theologie“ her2, wie sie die protestantische Exegese – so auch Baur – definiert hat, nur schwer oder kaum erschließen lässt.

Nun hat BaurBaur, Ferdinand Christian zugleich auf die Scharnierstellung des Philipperbriefes zur deutero- und tritopaulinischen Generation apostolischer Briefstellerei aufmerksam gemacht. Hier liegt das bleibende Verdienst der kritischen Studien Baurs. Wenn aber, wie die gegenwärtige Paulusexegese mehrheitlich annimmt, der Brief als authentisches paulinisches Schreiben zu verstehen, also unter die ortho-paulinischen Briefe zu rechnen ist, so bleibt zu diskutieren, ob und in welcher Weise der Philipperbrief als eine „literarische Entität“ erkennbar werden kann und worin genau sein literarisches und theologisches Eigenprofil liegt. Kurzum: Die Frage nach dem geeigneten hermeneutischen Schlüssel stellt sich umso dringlicher.

Überlegungen zur Datierung des Briefes und damit auch zur Situierung der Gefängnishaft des Paulus in KorinthKorinth/Corinth, EphesusEphesus, CaesareaCaesarea oder RomRom sind fundamental, lassen sich aus meiner Sicht jedoch nicht in erster Linie auf der Basis der textimmanenten Hinweise etwa zum „PrätoriumPrätorium, praetorium“ (Phil 1,13), dem „Haus des Kaisers“ (Phil 4,22)Löhr, Hermut3 oder der Chronologie der Ereignisse, die mit der Sendung des TimotheusTimotheus/Timothy verbunden sein könnte (Phil 1,1; 1,19ff.), klären.

Eher dienen (a) die oben schon erwähnte situative Nähe zum Philemonbrief, in dem sich Paulus als πρεσβύτης bezeichnet (Phlm 918Phlm09), (b) die sprachliche und thematische Scharnierstellung des Philipperbriefes zum post-paulinischen Paulinismus sowie (c) das theologische und literarische Eigenprofil des Briefes als Indizien für seine Spätdatierung – wohl in römische Haft. So gelesen beschließt der Philipperbrief als Spätwerk des Apostels die Periode seiner Briefstellerei, die er, soweit es die tradierte Anzahl an Paulusbriefen nahelegt, wohl mit 1 Thess eröffnet hatte.

Der Philipperbrief des Paulus

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