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Die therapeutische Arbeit

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Leiden Kinder nach dem ersten Lebensjahr an einer Verstopfung, so handelt es sich in der Regel um eine funktionelle Obstipation. Im Laufe der Zeit verschärft die wachsende Angst des Kindes vor schmerzhafter Defäkation die Problematik entscheidend, so dass sich nicht selten ein Teufelskreis entwickelt. Lassen sich zugrunde liegende psychodynamische Zusammenhänge erkennen, etwa eine nicht bewältigte Loslösung, Trennungsproblematik, so ist eine psychotherapeutische Behandlung indiziert.

Eine Kurzzeittherapie mit ihrer begrenzten Dauer, niedrigen Frequenz und bei einem klar umschriebenen Konflikt eignet sich besonders gut bei Vorschulkindern, bei denen wir die Entstehung von Neurosen gleichsam in statu nascendi beobachten können. Kurzzeittherapie ist immer eine Fokaltherapie, das heißt, sie ist auf eine psychische Störung, einen zentralen, zeitnahen und relativ bewusstseinsnahen Konflikt ausgerichtet (vgl. Heigl 1978, S. 251). Der Therapeut greift darum nicht jedes Material auf, sondern nur solches, welches mit dem Fokus in Zusammenhang steht, und er vermeidet möglichst Regression. Der Konflikt, welcher der Symptomatik zugrunde liegt, sollte nicht allzu lange zurückliegen, und als prognostisch günstig erweist sich, wenn die Patienten ein relativ hohes Strukturniveau besitzen. Am besten eignen sich darum Patienten, deren Selbst von der Außenwelt einerseits gut abgegrenzt ist, deren trennende Scheidewand andererseits so durchlässig ist, dass Innen und Außen durch Symbole von Spielen, Gesten, Emotionen und Sprache auch wieder verbunden werden können. Solche Patienten sind natürlich rar, darum werden echte Kurzzeittherapien mit der Bearbeitung eines abgrenzbaren, zeitnahen Konflikts auch nur sehr selten durchgeführt.

Beim kleinen Kind bilden sich aus primitiven Formen von Aggression reifere Formen von Selbstbehauptung. Belastende Lebenssituationen, traumatische Ereignisse können diesen Entwicklungsprozess stören, so dass es zur Stagnation und auch zum Rückfall kommen kann. Die Aggression kann nach innen gewandt werden, oder es können sich destruktive Formen mischen. Eine Kurzzeittherapie von etwa drei Monaten, deren Ziele zwangsläufig bescheiden sein müssen, konnte im vorliegenden Fall wahrscheinlich verhindern, dass sich ein Konflikt chronifizierte und eine schwerwiegendere neurotische Störung zur Folge hatte. Ich führte letztendlich eine entwicklungsfördernde Psychotherapie durch. Hinzu kam, dass Susi zum Zeitpunkt des Therapiebeginns noch nicht drei Jahre alt war, so dass sich meine verbalen Interventionen auch an ihrer kognitiven Entwicklung orientieren mussten. Als Ziele dieser – bewusst sehr begrenzten Therapie – strebte ich darum an, dass zum einen die Angst soweit abgebaut werden sollte, dass die nicht-destruktive Aggression wieder zur Loslösung eingesetzt werden konnte. Die destruktive Aggression, die einerseits über das Zurückhalten des Stuhls und andererseits im Verabreichen von Klistieren in einen für die Beteiligten unlösbaren sadomasochistischen Zirkel geraten war, sollte wieder direkt in die Beziehung kommen und als normaler kindlicher Trotz in Erscheinung treten.

Psychische Störungen in Kindheit und Jugend

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