Читать книгу 1001 Tausendundeine Lüge - Evelyne Kern - Страница 10
ОглавлениеWas ist Bezness?
Zunächst muss natürlich der Begriff erklärt werden. Bezness, ein Kunstwort, das seinen Ursprung in dem arabischen Film von Nouri Bouzid hat. Der tunesische Filmemacher beschrieb bereits 1978 die Anfänge des Bezness so: Herumlungernde Einheimische auf den Straßen und an den Stränden Tunesiens, die Ausschau nach europäischen Frauen hielten. Immer mit der leisen Hoffnung im Hinterkopf, eine von ihnen könnte sich in ihn verlieben und ihm schließlich das reiche Europa mit all seinen Vorzügen auf dem goldenen Teller präsentieren. (Siehe Quellennachweise)
Schon damals sahen viele junge Männer, die keine Möglichkeit hatten ihr Land zu verlassen, die europäische Frau als Mittel zum Zweck, als „Visum“ auf zwei Beinen, wie einige von ihnen es heute noch auszudrücken pflegen. Wenn sich hier auch noch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden lässt, warum nicht? Eine Frau für körperliche Bedürfnisse (die eigenen Mädchen darf ein Moslem vor der Ehe nicht anrühren), ein angenehmes Leben durch ihr Geld und schließlich durch Heirat eine Aufenthaltserlaubnis für das Land, auf dem die Geldscheine ihrer Ansicht nach auf den Bäumen zu wachsen scheinen.
Durch die intensive Arbeit bei 1001Geschichte, die unaufhaltsame Verbreitung der „Wahren Geschichten“ und tausenden von Verlinkungen im Internet verbreitete sich der Begriff Bezness relativ schnell. Heute ist er im Sprachgebrauch vieler Medien und einschlägigen Foren zu finden.
Bezness findet aber nicht nur in Tunesien statt. Mittlerweile findet dieser Geschäftszweig, der im Grunde mafiöse Strukturen aufweist, in fast allen Urlaubsländern statt. Also in Tunesien, Ägypten, Marokko, der Türkei. In Kenia und Gambia, in Nigeria, auf Sri Lanka und vielen anderen Ländern.
Fragt man einen jungen Mann aus Nordafrika, der offensichtlich europäischen Frauen nachstellt, was er da treibt, so ist die Antwort: Ich mache Bezness! Gemeint ist Business. Das Geschäft mit den Gefühlen gutgläubiger Frauen oder auch manchmal Männern. Aber dazu später mehr.
In seiner Heimat ist ein Mann, der in Europa arbeitet, um die arme Familie zuhause zu unterstützen, ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Jeden Sommer kommt er mit dem, wenn auch oft für diesen Zweck geliehenem Auto, in die Heimat. Vollgepackt mit Geschenken und den wortreichsten Versprechungen, dass alles noch viel besser werde, wenn er erst mal die versprochene Jungfrau zwecks Heirat nach Europa holt und die Familie nachholen kann.
Die monatlichen Überweisungen des großen Bruders an die Mutter, die den Sohn in der Ferne ständig in den Himmel hebt, beflügeln dann auch die jüngeren männlichen Familienmitglieder, das Geschäft Bezness zu erlernen. Und wo könnten sie das besser, als auf der großen, weiten „Strandakademie“? Hier zeigen die Profis, wie man die reichen, europäischen Frauen erobert, die einem das alles ermöglichen, was sich der Beznesser erhofft.
In prahlerischen Erzählungen unter einheimischen Männern wird dann in den Cafés, wo man großzügig Tee und Cola spendiert, geschildert, was man sich im reichen Europa alles geschaffen hat und was man für eine tolle Position hat. Aus einem Lagerarbeiter wird ein Abteilungsleiter, aus einem Fensterputzer ein Teamleiter, aus einem Autowäscher ein Verkaufsleiter bei Mercedes, aus einem Hamburger-Bräter beim berühmten goldenenM ein Filialleiter der großen Kette. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, schließlich wissen die Menschen zuhause ja nicht, dass 800 Euro Brutto-Monatslohn in Deutschland ein sehr geringer Lohn ist. In Tunesien verdient ein Lehrer oder Polizist gerade mal 300 bis 400 Euro im Monat. Auch lernen sie, dass die deutsche Frau zuhause die Miete bezahlt, die oft höher ist als sein eigener Lohn. Auch wissen sie schnell, dass man in Deutschland die Frau nicht ernähren muss, wenn man nicht will. Eine deutsche Frau hat ein Helfersyndrom und überhaupt nichts dagegen, dass der Mann seinen Lohn für sich behält, ihn aber trotzdem mit ernährt. Man muss sie nur bei der Stange halten und auch ab und zu mal lieb zu ihr sein und ihr immer wieder vergewissern, dass man sie beschützt und immer zu ihr hält, auch wenn das orientalische Temperament manchmal Oberhand gewinnt. Eine deutsche Frau verzeiht schnell, wenn man die richtigen Worte findet.
Die Jungs lernen auch ganz schnell, dass man in Deutschland Geld vom Staat bekommt, wenn man nicht arbeiten will und dass der Staat auch die Arzt- und Krankenhauskosten bezahlt und dass man mit seiner Krankenversicherungskarte auch Gutes tun kann und die nicht versicherten illegalen Landsleute zum Arzt schicken kann. Die Deutschen sind zu gutgläubig. Sie merken das nicht – allerdings funktioniert das durch die neuen Karten mit Bild nicht mehr lange.
Die vielen Kniffe und Tricks, um in Deutschland sorgenfrei leben zu können, auch ohne zu arbeiten, sprechen sich schnell herum. Und dass man sich sogar seinen Aufenthaltstitel sichern kann, wenn die Frau sich scheiden lässt, weil sie nicht begreift, dass der Mann das Sagen im Haus hat und verdiente Prügel, ohne ihn zu fragen, bei ihrem Anwalt als Körperverletzung hinstellt, wird haargenau erklärt: „Sei nicht dumm, mach ihr schnell ein Kind, dann darfst du immer in Deutschland bleiben, auch wenn die undankbare Alte weg ist! In Deutschland hat ein Kind das Recht auf Vater und Mutter.“
Viele dieser Gespräche unter Einheimischen habe ich in meinen tunesischen Jahren immer wieder in den Strandcafés belauschen können. Kaum einer von ihnen sprach die Wahrheit und wenn es mal einer versuchte und erzählen wollte, dass man in Deutschland keine Chance auf einen gut bezahlten Job hat, wenn man nichts gelernt hat, dann wurde er ausgelacht, als „Hmar“ (arabisch für Verlierer) betitelt und verächtlich beschimpft: „Wahrscheinlich hat du deine europäische Schlampe nicht richtig dazu erzogen, dir genügend Geld und einen anständigen Job zu verschaffen“, usw.
Woher sollten die Jungs auch wissen, dass das Geld in Deutschland nicht auf den Bäumen wächst, wenn die Cousins doch jedes Jahr mit den großen Autos und Geschenken kommen?
Was lernen die Strandboys nun zuerst? Natürlich wie man eine Frau bezirzt. Wie man ihr schöne Augen macht und was man ihr sagen muss, damit sie aufmerksam wird.
Nun hat ja der Araber ohnehin eine sehr blumige Sprache, wenn es um die Liebe geht. Viele arabische Lyriker und Gedichteschreiber bezeichnen die Frau in ihren Werken als die schönste Blume, das Juwel, auf das man achten muss, der Schatz, der gehütet werden muss, das liebste, schönste, reinste und wunderbarste Geschöpf, das ihm je begegnet ist.
Wir haben aus der reichen Korrespondenz mit dem Habibi (Arabisch für Liebling) und dem Askim (Türkisch für Liebling) der Betroffenen eine Liste mit den schönsten Liebeserklärungen erstellt.
Ganz sicher findet so manche Leserin genau die Worte hier wieder, die auch sie für einmalig hielt.
Liste der feinsten Lügen
• Die Zeit mit Dir in Tunisie ging vorbei wie ein weißes Segel im Wind. Du fehlst mir so sehr
• Deine Augen sind wie leuchtende Sterne am Himmel
• Du bist die schönste Blume, mein Diamant, mein Kleinod
• Ich werde Dich immer lieben, mehr als mein Leben
• Ich gebe mein Blut für Dich, meine Liebe
• Mein Leben hat keinen Wert ohne Dich
• Ich kann nicht essen, nicht schlafen, wenn Du nicht bei mir bist
• Ich verhungere ohne Dich, Du bist meine Nahrung
• Meine Welt ist nichts ohne Dich
• Ich wusste vom ersten Blick in Deine Augen, Du wirst meine Frau, auf immer und ewig
• Du hast mein Herz gestohlen, jetzt ich kann nicht mehr sein ohne Dich
Und viele, viele mehr ….
Befragt man Frauen, ob ihnen solche heiß ausgesprochenen Worte aus hauchender Männerkehle, verbunden mit glühenden Blicken aus tiefbraunen, mit langen Wimpern umrahmten Augen, die, wenn es notwendig ist, sich sehr schnell verwässern können, so dass eine Träne herausquillt, nicht auch den Verstand rauben würden, so gibt es kaum eine, die das verneint. Würde nicht jede Frau zumindest für einen Moment schwach werden? Wann hört man schon in unserem kalten Deutschland, das geprägt ist von Verstand und Vernunft, von Gleichberechtigung, Frauenbewegung und Hausmännern, sowie der oft fehlenden Romantik, solche Worte? Welcher deutsche Mann wirbt so um eine Frau? Welcher Mann umwirbt so eine Frau? Vielleicht war das früher mal anders und ist im Zuge der Emanzipation der Frau abhanden gekommen, als sich der Mann langsam aber sicher nicht mehr überlegen fühlte, sondern lernte, auf seine Frau zu hören und alles gemeinsam mit ihr zu machen. Alles kann man eben nicht haben. Emanzipation auf der ganzen Linie, Mitbestimmungsrecht, einen liebevollen Partner, der seine Frau respektiert, gleichzeitig aber den starken, geheimnisvollen Macho, der einem bei Bedarf die Sterne vom Himmel holt.
Dennoch, die Sehnsucht nach Romantik war immer da und wird immer da sein. Frau will vergöttert werden, wenn auch nur heimlich und ganz verborgen im Inneren.
Und dann trifft sie im Urlaub oder in der heimischen Straßenbahn auf den Mann, der sie mit dunklen Augen anstarrt, als sei sie ein Weltwunder. Und wenn er spürt, dass ihr das nicht unangenehm ist, hat sie schon verloren und das Spiel beginnt.
Das alles weiß natürlich der geübte Beznesser und hat sich längst schon darauf eingestellt.
Jetzt mögen viele Leser mit dem Kopf schütteln und sich fragen, wie es passieren kann, dass sich eine westlich erzogene und intelligente Frau in „so einen“ verlieben kann. Doch Liebe lässt sich weder erklären noch beweisen.Zunächst aber sollte man erwähnen, dass das, was eine westliche Frau denkt, die mit ganz anderen kulturellen Hintergründen und Werten aufgewachsen ist als der Orientale, von ihm ganz anders gewertet und auch gedacht wird. Darüber sind sich westliche Frauen, die in einen Mann aus islamischem Kulturkreis verliebt sind, leider in den seltensten Fällen bewusst.
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