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2Rahmenkonzept der Studie

Evelyne Wannack, Doris Edelmann

Im ökosystemischen Entwicklungskonzept von Urie Bronfenbrenner (1981) finden Bildungs- und Entwicklungsprozesse in einem dynamischen Wechselspiel zwischen persönlichen Anlagen und sozialer Umwelt statt. Auch Rüesch (1999; 2001) postuliert anhand der empirischen Analyse von Schulforschungsstudien, dass das Zusammenspiel verschiedener Faktoren für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern verantwortlich ist (vgl. Abbildung 2.1). Im Zentrum des Konzepts steht das Kind mit seinen individuellen kognitiven, motivationalen und volitionalen Voraussetzungen. Damit es seine Potenziale entfalten kann, kommt der Anregungsqualität seiner Umwelt eine hohe Bedeutung zu, sei dies in der Familie oder in Bildungseinrichtungen (z. B. Kluczniok 2017). Von Relevanz für die Kinder sind auch sogenannte Übergänge, die für die individuellen Bildungs- und Entwicklungsprozesse sowohl förderlich als auch hemmend sein können (z.B. König 2017). Übergänge werden als «Lebensereignisse» verstanden, «die Bewältigung auf mehreren Ebenen erfordern, die Prozesse beschleunigen und intensiviertes Lernen anregen, welche sozial und kulturell eingebettet sind, ko-konstruiert werden und als bedeutsame biografische Erfahrung im Wandel der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden» (Griebel & Niesel 2013, S. 97). Sowohl der Übergang in den Kindergarten als auch derjenige in die Primarschule stellt an Kinder und Eltern hohe Ansprüche. Kinder sind insbesondere auf eine Unterstützung durch ihre Lehrpersonen angewiesen, die sich dadurch auszeichnet, dass diese den Kindergarten und die Schule den unterschiedlichen Bildungs- und Lernbedürfnissen der Kinder entsprechend gestalten. Mit andern Worten sind es nicht die Kinder, die für den Eintritt in den Kindergarten oder den Übertritt in die Schule bereit sein müssen, sondern die Bildungsstufen müssen bereit sein für die Kinder (OECD 2017a; OECD 2017b).


Abbildung 2.1: Proximale und distale Einflüsse auf die Bildungs- und Entwicklungsprozesse des Kindes (Edelmann; Wannack; Schneider 2018a, S. 29)

Abbildung 2.1 zeigt auf, dass es Einflussbereiche gibt, die in direkterem Zusammenhang mit den Bildungs- und Entwicklungsprozessen von Kindern stehen. In Anlehnung an Rüesch (2001) werden diese als proximale Einflussbereiche bezeichnet (Eltern und Familie, vor- und ausserschulische Bildungsangebote, Kindergartenlehrpersonen und Unterrichtsprozesse). Als distale Einflussbereiche gelten diejenigen, die sich indirekt auf die Bildungs- und Entwicklungsbereiche auswirken (Erziehungs- und Bildungskooperationen zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern sowie Kooperation zwischen Lehr- und Fachpersonen).

In den nachfolgenden Kapiteln wird näher auf die Bedeutung der einzelnen proximalen und distalen Einflussbereiche eingegangen.

2.1Proximale Einflussbereiche

Eltern und Familie: Die Familie ist der primäre Bildungsort für die Kinder. Studien belegen, dass die Anregungsqualität in der Familie und in ihrem Umfeld nicht nur für die Aneignung von Bildungsinhalten von hoher Bedeutung (z.B. Minsel 2007), sondern auch dafür entscheidend ist, wie sich Kinder z.B. im Kindergarten oder der Primarschule zurechtfinden (Edelmann 2018). Die Eltern übernehmen diesbezüglich vielfältige Rollen, etwa als «Bindungspersonen und Bildungspartner, als Interaktions- und Kommunikationspartner, als Erzieher und Bildungsvermittler» (Walper & Wild 2014, S. 366).

Vor- und ausschulische (Bildungs-)Angebote: Bereits im vorschulischen Alter verfügen viele Kinder über Erfahrungen in pädagogischen Umgebungen wie Kindertagesstätten, Spielgruppen oder Angeboten im musischen respektive motorischen Bereich (Bollig, Honig & Nienhaus 2016; Knoll 2018). Diese unterstützen das soziale und kognitive Lernen sowie den Schritt in die Eigenständigkeit. Auch hier ist die Qualität ausschlaggebend dafür, ob und wie sich die Angebote auf die Bildung und Entwicklung der Kinder auswirken (z. B. Rossbach 2011). Zu bemerken ist, dass es privilegierten Eltern in höherem Masse gelingt, ihre Kinder an qualitativ hochwertigen Angeboten teilnehmen zu lassen (z.B. Stamm & Edelmann 2013; Edelmann 2018).

Kindergartenlehrpersonen: Eher unterschätzt wurde eine Zeit lang die Bedeutung der Lehrperson (Lipowsky 2007; Zierer 2018). Studien zur Qualität im Kindergarten verweisen jedoch darauf, dass die professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen zentral sind (Hardy & Steffensky 2014). Als bedeutend werden in verschiedenen Modellen Professionswissen, Einstellungen und Überzeugungen sowie Motivation genannt. In ihrem Zusammenspiel machen sie das professionelle Handeln aus (Baumert & Kunter 2006; Faas 2013).

Unterrichtsprozesse: Dass die Unterrichtsqualität für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern hoch relevant ist, gilt mittlerweile als gesichert (Anders 2013; Burger 2010; Kuger, Kluczniok, Kaplan et al. 2015). Erfasst wird diese über die Orientierungs-, Struktur- und Prozessqualität. Während sich die Strukturqualität eher auf stabile Rahmenbedingungen wie z.B. die Klassengrösse, räumliche und materielle Ausstattung bezieht, werden unter der Prozessqualität die Interaktion der Lehrperson mit den Kindern und das didaktische Arrangement fokussiert. Orientierungsqualität wird anhand der pädagogischen Einstellungen und Überzeugungen der Lehrpersonen erkennbar. Die Gestaltung eines gehaltvollen Unterrichts zeichnet sich dadurch aus, dass es der Lehrperson gelingt, sowohl die «individuellen Voraussetzungen, die intellektuellen Begabungen und die familiären Hintergründe sowie die bereits erworbenen Fähigkeiten» (Rüesch 2001, S. 14) jedes Kindes zu berücksichtigen als auch der Klasse gerecht zu werden.

2.2Distale Einflussbereiche

Erziehungs- und Bildungskooperationen zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern: Im Zentrum dieser Kooperationen steht die Zielsetzung, die Kinder in der Entfaltung ihrer Begabungen und Leistungspotenziale zu fördern. Dafür ist eine von Anerkennung geprägte und regelmässige Zusammenarbeit zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern notwendig. Insbesondere sozial wenig privilegierte Eltern, solche mit geringen Kenntnissen des Bildungssystems und/oder der Landessprache, sind auf diese Zusammenarbeit angewiesen. Aber auch Eltern, die ihre Kinder leistungsmässig überschätzen, können von der Kooperation profitieren (Edelmann 2018). So zeigen etliche Studien, dass eine positiv bewertete Erziehungs- und Bildungskooperation sowohl aufseiten der Kinder als auch auf derjenigen der Eltern viele Vorteile hat, sei es hinsichtlich Lernmotivation und Leistungsbereitschaft oder hinsichtlich der Akzeptanz und Unterstützung der Bildungseinrichtung und der Lehrpersonen durch die Eltern (Fröhlich-Gildoff 2013; Sacher 2014).

Kooperation zwischen Lehr- und Fachpersonen: Im Kindergarten, aber auch in der Primarschule arbeiten mehr und mehr Lehrpersonen und Fachpersonen für Heilpädagogik, Logopädie, Psychomotorik oder Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zusammen (z. B. Kreis, Wick & Kosorok Labhart 2016). Mit kindergarten- und schulergänzenden Betreuungsangeboten kommen weitere Fachpersonen hinzu. Solche multiprofessionellen Teams können ihre Wirkung vor allem dann entfalten, wenn der fachliche Austausch garantiert ist und regelmässig stattfindet. Durch den vermehrten Besuch von frühpädagogischen Einrichtungen erhält die Kooperation mit den entsprechenden Fachpersonen des Vorschulbereichs ebenfalls einen neuen Stellenwert.

Gesellschaftliche und bildungspolitische Rahmenbedingungen: Sämtliche Bereiche, die sich auf Bildungs- und Entwicklungsprozesse auswirken, sind in gesellschaftliche und bildungspolitische Entwicklungen und Entscheidungen eingebettet. Beispiele dafür sind das HarmoS-Konkordat und die Einführung des Lehrplans 21. Sie stellen Rahmenbedingungen sowohl für die Bildungsinstitutionen und ihre Mitarbeitenden als auch die Familien dar (z. B. Eintrittsalter, Gestaltung Zyklus 1) dar. Wesentlich für die Zufriedenheit und Motivation der Lehrpersonen sind zudem die Arbeitsbedingungen sowie der Berufsauftrag, die Entlöhnung, die räumlichen Gegebenheiten ihrer Schule und deren materielle Ausstattung, die Klassengrösse und Klassenzusammensetzung (z.B. Krause & Dorsemagen 2014).

Das an dieser Stelle knapp dargestellte Rahmenkonzept war für die Konzipierung des Untersuchungsdesigns wegleitend. Es diente einerseits zum Definieren der Teilprojekte und andererseits dazu, die Fragestellungen für diese zu konkretisieren. Im nachfolgenden Kapitel wird das darauf basierende Untersuchungsdesign vorgestellt.

Der Kindergarten im Fokus (E-Book)

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