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Kapitel 1

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er Karren blieb im Matsch stecken. Er hatte es geahnt! Das stellte kein unüberwindliches Hindernis dar, ärgerte Brender aber dennoch. Der Söldner war der Ansicht, der dämliche Zosse könne das auch alleine bewältigen, schließlich waren die Räder nicht bis zur Nabe versunken. Fassler, sein Auftraggeber, versuchte es mit Zunge schnalzen und Peitsche. Den gewünschten Erfolg brachte das nicht. Also ging Brender um den Karren herum und auch sein Kumpel Prenzel kam heran, um anzuschieben.

Der Gaul begann gerade, sich ins Geschirr zu stemmen, als Fasslers Lehrling erschrocken aufschrie und von der Kiste sprang, auf der er gesessen hatte. Brender lugte um die Ecke des Karrens und sah drei verwegene Gestalten mit erhobenen Waffen und laut brüllend auf sie zurennen. Fassler prügelte wie wild mit der Peitsche auf sein Pferd ein, bevor er die Sinnlosigkeit seines Tuns erkannte, hinter sich griff und die gespannte Armbrust hervorholte. Ein Pfeil fuhr ihm kurz unterhalb des Knies ins Bein, so dass der Kaufmann vor Schmerz aufschrie. Brender zog sein Bastardschwert scharrend aus der Scheide an seiner Seite und warf sich den Angreifern entgegen. Prenzel hörte er hinter sich laut fluchen. Der Schrei seines Arbeitgebers hatte sich inzwischen von schmerzvoll in wütend gewandelt und der Bolzen, den er verschoss, traf einen langen, dreckigen Kerl mit solcher Wucht in die ungeschützte Brust, dass dieser zwei Schritt nach hinten geworfen wurde, wo sein Lebenslicht langsam erlosch. Läuft doch gar nicht schlecht, dachte Brender und wandte sich den beiden anderen Gegnern zu. Einer von ihnen war durch ein nietenbesetztes Lederwams geschützt und schwang einen Morgenstern, dem einige Stacheln fehlten. Der andere trug lediglich ein wollenes Hemd und ebensolche Hosen, bewaffnet war er mit einer Holzfälleraxt und einem dicken Prügel, den er zum Blocken nutzte, wie Brender bald herausfinden sollte.


››Für Westergarde!‹‹, brüllte Brender. Nicht, weil er ein Gefolgsmann des Grafen war, sondern weil er festgestellt hatte, dass ein Kampfschrei Räuber entmutigte. Er wählte zunächst denjenigen als Ziel, den er schneller zu erledigen hoffte. Den mit der Axt. Aus vollem Lauf tauchte er unter dem Morgenstern hinweg und ließ diesen Gegner fürs Erste rechts liegen, während er mit ganzer Kraft auf den Axtschwinger eindrosch. Der hob seinen Knüppel und blockte. Brenders Klinge versank so tief im Holz, dass er beim Zurückziehen des Schwertes dem anderen den Prügel aus der Hand riss. Sein Gegner stolperte überrascht nach vorn, so dass Brender ihm seine Klinge in den entblößten Hals treiben konnte. Blut spritzte aus der Wunde, während der Getroffene röchelnd zu Boden ging. Brender rutschte für einen Moment das Herz in die Hose, als ihm aufging, wie ungestüm er gerade sein Leben riskierte. Anstatt seine taktische Überlegenheit gekonnt einzusetzen, hatte er sich blindlings in den Kampf gestürzt. Sein letzter Hieb hatte ihn das Gleichgewicht gekostet, was zugegeben vielleicht nicht das Schlechteste war. Ein Hieb traf mit Wucht den Holzschild auf seinem Rücken anstelle seines Schädels. Der Schild, den er in der Eile nicht hatte abschnallen können, krachte und drei Stacheln des Morgensterns drangen – Schild und Kettenhemd sei Dank – nur fingerbreit in seinen Rücken. Die Wucht des Hiebs trieb ihn auf die Knie und zog den Angreifer mit sich, der jedoch nicht losließ und mit einem Ruck seine Waffe aus dem Schild löste. Brender war auf allen Vieren und stöhnte.

Er rollte sich zur Seite und das keinen Moment zu früh. Neben ihm spritzte die Erde hoch, als der Morgenstern niedersauste. Brender kam auf die Füße, parierte den nächsten Hieb mit beiden Händen am Heft. Er suchte sich einen sicheren Stand und sein Puls beruhigte sich etwas, während er mit dem Räuber Hiebe tauschte. Zügig erlangte er die Kontrolle zurück. Das entsprach mehr seiner Art zu kämpfen. Als er begann, seinen Gegner vor sich herzutreiben, wusste er, dass er gewonnen hatte. Er fand die Lücke, sein Schwert glitt durch das Lederwams und versank im Bauch des Wegelagerers. Um ihn nicht länger als nötig leiden zu lassen, zog er seinen Dolch und trieb ihn dem Sterbenden ins Herz.


Brender wischte die Klinge seines Schwertes am Ärmel des Toten ab. Danach säuberte er seinen Dolch auf die gleiche Weise. Ein Stück weiter lagen zwei weitere Leichen im Staub der Straße, deren Blut langsam die Erde tränkte. Die erste Krähe ließ sich auf einem nahen Baum nieder.

Er war recht geschickt mit dem Schwert, dennoch tötete er nicht gern. Fast hatte er Mitleid mit den Toten, sahen sie doch so abgerissen und ärmlich aus, dass sie den Karren des Kaufmanns vermutlich aus Hunger oder gar purer Verzweiflung überfallen hatten – zumal dieser von Söldnern bewacht wurde. Brender war einer von ihnen und hatte sich zusammen mit Torion und Prenzel zum Schutz des Wagens anheuern lassen. Eine Silbermark bei Aufbruch, eine Mark bei Ankunft in Sturzwasser. Für jeden von ihnen. Die zweite Mark würde er nicht mehr bekommen, zumindest nicht auf ehrliche Weise. Prenzel tastete gerade den dicken Kaufmann Fassler nach seiner Börse und anderen Wertgegenständen ab. Gut, der Kaufmann konnte damit nichts mehr anfangen, aber sich so darauf zu stürzen, war ihm zuwider. Brender spuckte aus.

››He, Prenzel. Wir machen eh halbe-halbe. Kannst dich sputen, wie du willst.‹‹

Torion würde auf seinen Anteil verzichten. Zwar verstand Brender das leise Röcheln seines Gefährten kaum, doch die blutigen Blasen auf seinen Lippen waren Hinweis genug. Er hatte sich mit einem Pfeil im Hals das kurze Stück bis zur Achse des Wagens geschleppt und saß nun halb an dieselbe gelehnt. Retten würde ihn das nicht. Die paar Schritt, die sie trennten, überbrückte Brender zügig ohne zu laufen und ging neben Torion in die Knie. Der Söldner zwang einen Fluch zwischen den Zähnen durch. Dann suchte er den glasigen Blick des Sterbenden, der den Pfeilschaft mit beiden Händen umklammert hielt und Blut sabberte. Verdammt guter Schuss.

››Gleich ist es vorbei, mein Freund. Mögest du einen Platz an der Seite der Götter finden.‹‹

Das bezweifelte Brender zwar, aber Torion litt schon genug. Vermutlich hörte der ihn eh nicht mehr. Zweimal blubberte es noch blutig aus seinem Mund, dann hatte seine Lunge sich zum letzten Mal geleert. Brender drückte ihm die Augen zu und fischte neben drei Mark und ein paar Pfennigen auch zwei Kreuzer aus dessen Taschen, die er ihm auf die Augen legte. Torion hatte ihn darum gebeten, sollte er fallen. Er kam aus einem Fischerdorf im Norden, wo die Toten mit besagten Münzen auf den Augen begraben wurden. Brender hielt diesen Brauch für sinnlos. Er konnte sich nicht vorstellen, dass in der Welt der Götter Geld eine Bedeutung hatte. Zumal die Münzen in kürzester Zeit verschwinden müssten, wenn die Geister, die Torions Seele holten, tatsächlich bezahlt werden wollten. Er fragte sich, ob schon mal jemand ein Grab wieder geöffnet und nachgesehen hatte. Aber zu hundert Prozent sicher konnte man nie sein. Und er wollte das Risiko nicht eingehen, schuld an Torions Geisterdasein zu sein, falls dessen Seele nicht abgeholt wurde, nur weil er – Brender – zu geizig mit Torions Geld gewesen war.


So war das alles nicht geplant gewesen. Vor wenigen Wochen noch hatten sie der Söldnertruppe von Kral der Klaue angehört. Auf dem Weg von Seeheim nach Süden war ihnen unversehens eine ganze Familie Waldtrolle über den Weg gelaufen. Das war ungewöhnlich genug, kannte man Trolle doch als Einzelgänger. Vier zugleich waren selbst für ihre zwanzig Mann starke Truppe kein Spaziergang. Noch vor einem Jahr hätten sie einen großen Bogen um diese Geschöpfe des Waldes geschlagen, aber seit Ignebo Risko, Herr von Seeheim, ein Kopfgeld auf Trolle ausgesetzt hatte, lohnte sich die Jagd. So hatte jedenfalls die Klaue entschieden. Und war daran gestorben. Das Bild hatte sich tief in Brenders Gedächtnis gegraben und ihn die ersten Nächte nach der Schlacht nur schlecht schlafen lassen. Als die ersten Männer endlich auf die Idee gekommen waren, Feuer gegen die Trolle einzusetzen, war es bereits zu spät gewesen. Eines der beiden großen Waldwesen, gute zehn Fuß hoch, hatte die Klaue einfach aus dem Sattel gepflückt. Der Arm des Trolls hatte lichterloh gebrannt und während er das Leben aus ihrem Anführer gequetscht hatte, hatten dessen Kleider Feuer gefangen. Von seinen Haaren war nur eine fahle Rauchwolke geblieben, die sich zwischen den Bäumen verflüchtigt hatte. Auf seinen Wangen hatten sich hässliche Brandblasen gebildet, bis die holzigen Krallen des Trolls den geschundenen Körper gegen den nächsten Baum geschleudert hatten. Wie ein nasser Sack waren die blutigen Überreste der Klaue zu Boden gefallen und hatten den Kampfgeist der Söldner gebrochen. Von ehemals zwanzig waren neun geblieben. Und für eine Schauergeschichte hätten sie von Ignebo Risko keinen Pfennig gesehen. Drei von ihnen waren zurück nach Seeheim gezogen, die anderen sechs, darunter Brender, Prenzel und Torion waren weitergereist zu Egebang Lauschwolf, dem Grafen von Zollwer und Herren von Burg Theuerkauf. Dort hatten sie gehofft, neue Arbeit zu finden und alsbald hatte der dicke Kaufmann Fassler drei von ihnen angeheuert. Er wollte mit seinem Lehrling zur Stadt Sturzwasser, die mehrere Tagesreisen entfernt im Osten lag. Zu fünft waren sie also aufgebrochen.

Am dritten Tag hatten sie die Brücke über den Blauquell genommen. Auf der anderen Seite hatte das Ufer des Goldsees auf sie gewartet. Ein Beweis für die Existenz der Götter. Brender hatte gestaunt. Das Wasser schmeckte süß und schimmerte golden. Wie denn sonst. Dieser Schimmer gab dem See seinen Namen. Brender erinnerte sich noch gut an ihr Gespräch:


››Die Glinn sind schuld‹‹, erklärte Fassler auf Brenders Nachfrage hin.

Der Söldner sah ihn nur verständnislos an. Woraufhin der Kaufmann geheimnisvoll lächelte und sich die Hände rieb, als erwarte er, ein gutes Geschäft zu tätigen. Dann begann er zu erzählen.

Das musste Brender ihm lassen, auf den Kopf gefallen war er nicht. Allerdings belehrte er gern und häufig. In der Regel legte Brender so ein Verhalten als Arroganz aus und das konnte ihm wahnsinnig auf die Nerven gehen. Doch bei Fassler vermutete er, dass dieser lediglich seine eigene Stimme liebte und das konnte der Söldner ertragen. Wurde es ihm zuviel, hörte er einfach weg und beschränkte sich darauf, ab und an zu nicken oder ein Brummen zum Besten zu geben. Das funktionierte öfter, als er gedacht hätte. Doch in diesem Fall war er durchaus dankbar für das Wissen des Kaufmanns und spitzte die Ohren.

››Die Glinn sind recht eigenartige Tierchen‹‹, hob Fassler an. ››Sie sind von goldener Färbung, haben Kiemen und Flossen, ansonsten ähnelt ihr Leben aber sehr dem der Bienen. Die kennt ihr sicher?‹‹

Auf seinen fragenden Blick hin runzelte Brender die Stirn und nickte knapp. Natürlich kannte er Bienen. Bei den Göttern, für wie dämlich hielt ihn dieser fette Kerl eigentlich?

Zufrieden erwiderte der Kaufmann das Nicken und fuhr fort. ››Sie schwimmen von Pflanze zu Pflanze und ernten diese ab. Den Nektar verarbeiten sie zu Honig. Jaa, zu Honig. Unterwasserhonig sozusagen und sehr köstlich.‹‹ Unbewusst leckte Fassler sich mit der Zunge über die Lippen. ››Es gibt einige Räuber, die gerne mal einen Glinnbau plündern und dabei entweicht genug Honig, um das Wasser so süß zu machen. Auch der leichte Goldschimmer – besonders bei Sonnenschein – geht auf den Honig der Glinn zurück.‹‹ Als erwarte er Applaus, blickte er erwartungsvoll zu Torion und Brender hinüber. Prenzel bildete die Nachhut und hatte von der ganzen Geschichte nichts mitbekommen. Erwartet er jetzt 'ne Antwort?, dachte Brender. Was soll man denn dazu sagen? Interessant? Haha. Nichts hasste Brender mehr als leere Worte. Natürlich fand er das interessant, sonst hätte er nie gefragt. In die Stille hinein ertönte erneut die erstaunlich helle Stimme des Kaufmanns.

››Ich weiß, was Ihr Euch jetzt fragt. Kann man damit nicht eine Menge Geld machen?‹‹

Brender wechselte einen Blick mit Torion, der seinen Verdacht bestätigte, dass das das Letzte war, an das Torion gedacht hatte. Obwohl man meinen sollte, ein Söldner denke die meiste Zeit an Geld. Und wie er es wieder ausgeben würde. Das mochte auf Torion auch zutreffen. Aber solange man das Geld nicht mit dem Schwert verdienen konnte, sah Torion die Gelegenheit eher selten.

››Das könnte man wohl, nur überleben die Glinn außerhalb des Goldsees keine zwei Tage. Wissen die Götter warum. Und der See selbst gehört dem Grafen von Westergarde. Soweit ich weiß, schickt der zweimal im Jahr ein paar Fischer zur Ernte her.‹‹ Offensichtlich gefiel das Fassler nicht besonders, denn er verstummte und versank stattdessen in dumpfes Brüten. Brender sollte es nur recht sein. Nickte er zuviel, würde ihm irgendwann der Kopf abfallen.


Das war erst gestern gewesen. Schließlich hatte die Straße, wenn man diesen spärlich gepflasterten Weg denn so nennen mochte, sie wieder vom Ufer des Sees fort und in eine Waldung geführt. Die Straße kreuzte hier einen Bachlauf, der sich problemlos ohne Brücke queren ließ. Brender vermutete, dass er den See speiste, er könnte aber genauso gut in den Blauquell münden. Am anderen Ufer stieg das Gelände zu beiden Seiten der Straße an und das Unterholz war dicht. Die Ufer waren schlammig. Wie geschaffen für einen Hinterhalt.

So war es gekommen. Und so hatte Brender seine Arbeit verloren. Von Prenzel erfuhr er, dass Torions Hals gleich den ersten Pfeil gefangen hatte. Und auch Fassler war von einem Pfeil getötet worden, was Prenzel die Gelegenheit gegeben hatte, den Bogenschützen ausfindig zu machen und ihn mit einem seiner unzähligen Wurfmesser zu den Göttern zu schicken. Oder in die Niederhöllen, was wahrscheinlicher war. Dann hatte sich Prenzel um den letzten Räuber gekümmert, der seitlich des Wagens aus dem Unterholz gebrochen war und den Lehrling niedergemacht hatte.

Nun standen sie da. Das Plündern überließ Brender Prenzel, der sich selbst Vielklinge nannte. Angeblich hatte er mehr Messer am Körper als Haare auf dem Kopf. Niemand hatte je nachgezählt. Währenddessen ging Brender zum Karren, um sich die Ladung anzusehen.

››Hauptsächlich Stoffballen, Garn und Kleider. Ein paar Gewürze‹‹, vermeldete Prenzel, der in diesem Moment mit Bogen und Köcher aus den Büschen kam. ››Hab schon in der ersten Nacht nachgesehen.‹‹

››War klar‹‹, murmelte Brender, schlug aber dennoch die Plane zurück, die aus sorgfältig vernähten und eingefetteten Lederresten bestand.

››Sieht so aus, als hättest du die Wahrheit gesagt.‹‹

››Traust du mir etwa nicht?‹‹, fragte Prenzel mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

››Genau so wenig, wie du irgendjemandem traust.‹‹

Daraufhin zuckte Prenzel nur mit den Schultern, die Mundwinkel immer noch oben.

››Dann zeig mal her‹‹, fuhr Brender fort.

››Was meinst du?‹‹, fragte Prenzel betont arglos.

››Tu nicht so dämlich. Die Beute!‹‹, antwortete Brender scharf. Den Dolch hatte er schon wieder in der Scheide am Gürtel verschwinden lassen, doch sein Schwert hielt er noch in der Hand. Er tat einige Schritte auf Prenzel zu.

››Beruhig dich, Großer. Hier, schau selbst.‹‹

Den Spitznamen Großer konnte er nicht sonderlich leiden, allerdings hatte er schon schlimmere gehört. Er war zwar nicht lang, aber nun mal kräftig gebaut. Brender war als Sohn eines Bauern in der Grafschaft Westergarde aufgewachsen. Seine Heimat war der Weiler Sorness, wo seine Familie bis heute lebte, so vermutete er zumindest. Er war der zweitälteste und hatte immer hart anpacken müssen. Doch sein großer Traum war es gewesen, einmal ein Ritter zu werden, obgleich er heute wusste, wie lächerlich dieser Wunsch war. Zum Glück hatte er das nie jemandem erzählt. Auf Spott konnte er gut verzichten. Jedes Jahr war irgendein Barde durch Sorness gekommen und hatte für ein Abendessen und ein weiches Bett im Gasthaus Glückskind das ein oder andere Lied zum Besten gegeben. Sein Vater hätte ihn nie mit ins Gasthaus genommen und so war er stets leise hinter seinem Vater hergeschlichen und hatte unter dem Fenster gelauscht. Besonders beeindruckt hatte ihn das Heldenlied Des Ritters grüner Umhang von Arl Zauberzunge, dem wohl berühmtesten aller Liederschmiede. Seit seinem zehnten Lebensjahr hatte Brender regelmäßig heimlich gelauscht und immer stärker war die Sehnsucht in ihm geworden, selbst einmal ein berühmter Ritter zu werden, über dessen Gerechtigkeit und Edelmut die Sänger ihre Verse dichteten. Ruhm und Ehre. Danach verlangte es ihn.

Oft genug hatten sie mit Stöcken gefochten, die Nachbarsjungen und er, doch war das nur ein schwacher Trost gewesen. Mit fünfzehn war er letztendlich davon gelaufen. Sein schlechtes Gewissen hatte sich in Grenzen gehalten, hatte er doch vier Geschwister, die seinen Eltern bei der Arbeit helfen konnten. Übernommen hätte den Hof so oder so nicht er, sondern sein älterer Bruder Geralt. Da schien es Brender sinnvoller, sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Zunächst war er zur Burg Westergarde gewandert, um bei der Wache des Grafen zu lernen, doch die Wachen hatten ihn nur ausgelacht und fortgeschickt.

››Der Graf braucht keine Bauerntölpel, die über ihre eigenen Füße stolpern!‹‹ Wütend und den Tränen nahe, hatte er sich umgedreht und war davon gelaufen. Vielleicht hätten sie ihn in Samarant genommen, doch bald schon war er Kral der Klaue und seinen Männern über den Weg gelaufen. Krals Hauptmann Schwarzzunge hatte sich seiner angenommen und so war aus ihm ein ganz passabler Kämpfer geworden. Nur das mit Ruhm und Ehre war bei den Söldnern irgendwie nicht das Wahre. Vorsichtig ausgedrückt.


Sein Blick wanderte zurück zu Prenzel und ihrer Beute. Ein paar Münzen, von denen die meisten wohl Fassler gehört hatten. Der Morgenstern mit den fehlenden Zacken, die Holzfälleraxt, ein paar Stiefel, der Bogen, ein Tabaksbeutel, Feuersteine ...

››Wo is'n der Ring von dem Dicken? Der, an dem er immer rumgedreht hat!‹‹ Brender mochte solche Spielchen nicht. Prenzel war nach ihm zu der Truppe gestoßen, aber so an die vier Jahre kannten die beiden Söldner sich schon. Prenzel war gierig und verschlagen. Ging es nicht darum, Beute zu teilen, kam man gut mit ihm aus. Er war weder faul noch dämlich, aber seine Scheinheiligkeit ließ in Brender regelmäßig die Wut hochkochen.

Prenzel sah seinem Mitstreiter in die Augen und was er sah, veranlasste ihn dazu, in eine seiner vielen Taschen zu greifen. Brender hätte schon fast damit gerechnet, dass die Hand mit einem Messer wieder hervorkäme, doch lag tatsächlich der Ring darin.

››Spielverderber!‹‹, knurrte Prenzel und legte den Ring zum Rest der Beute. Brender war überzeugt davon, dass Vielklinge noch mehr in den Tiefen seiner Taschen hatte verschwinden lassen, aber das war es nicht wert, sich ernsthaft mit seinem Mitstreiter anzulegen. Prenzel konnte gern einen größeren Anteil bekommen, solange er auch die Leichen plünderte. Brender selbst hatte eine Abneigung dagegen, Tote auszunehmen und fühlte sich danach stets schmutzig. Ruhm und Ehre, schoss es ihm erneut durch den Kopf. Bald würde er an seiner Situation etwas ändern müssen.


Den Morgenstern ließen sie zurück, genauso wie die meisten Waren auf dem Karren. Den Gaul schirrten sie aus. Zum Reiten war er zwar nicht geeignet, als Packpferd aber zu gebrauchen. Sie beluden ihn mit ihren Decken, Proviant, ihrer Beute und auch den Großteil der Gewürze nahmen sie mit. Prenzel meinte, die wären mehr wert als die Stoffe. Den Kaufmann, seinen Lehrling und ihren toten Gefährten trugen sie vom Weg und bedeckten sie mit Steinen aus dem Fluss, während sie die Wegelagerer liegen- und damit den wilden Tieren überließen.

››Was hältst du von Westergarde?‹‹, schlug Brender vor. Das würde ihm die Möglichkeit eröffnen, seine Familie zu besuchen, obwohl er noch nicht sicher war, ob er das überhaupt wollte.

Prenzel schüttelte den Kopf. ››Die haben kaum Probleme mit Straßenräubern, der Graf schickt regelmäßig Patrouillen los. Würde schwierig werden, Arbeit zu finden.‹‹

››Zurück nach Theuerkauf können wir auch nicht‹‹, sagte Brender.

Das sah Prenzel genauso. ››Die denken, wir hätten den dicken Fassler umgebracht und hängen uns auf. Bleibt eigentlich nur Sturzwasser ... oder die Herzburg.‹‹

››Sturzwasser sollten wir noch ne Weile meiden.‹‹ Dort wurden der Händler und seine Waren erwartet. Tauchten sie mit seinem Gaul und den Gewürzen auf, würde sich das herumsprechen und sie könnten mit ähnlichen Problemen wie in Zollwer rechnen.

››Dann also Herzburg. Nur der alten Trillion sollten wir aus dem Weg gehen.‹‹ Prenzels Lachen jagte Brender einen Schauer über den Rücken. Es kursierten so allerlei gruselige Gerüchte über die Frau des ehemaligen Freiherrn zu Herzeleid. Es hieß, Will Trillion sei von seiner Frau Lyncha über Wochen vergiftet worden, nachdem er sie mit einer Magd betrogen hatte. Wenn er daran dachte, dass jeder zweite Lord mindestens einen Bastard zu zeugen pflegte, schien das doch reichlich übertrieben, zumal die Magd kein Kind ausgetragen hatte. Auch das wurde übrigens Lady Trillion zugeschrieben. Beweise gab es keine, doch hatte ihr Lehnsherr, der Graf der Feuermoore, ihr dringend angeraten, Titel und Besitztümer an ihre Tochter Shelsea zu übertragen, wollte sie ihren Kopf behalten. Das machte aus ihrer Tochter eine mehr als gute Partie und die Bewerber standen Schlange bis zum Graumeer. Man munkelte jedoch, dass die Mutter immer noch die Fäden zog und um ihren Einfluss fürchtete, sollte Shelsea heiraten. Herzeleid würde auch die kommenden Jahre für Gerüchte sorgen.

››Kennst du jemanden dort, der uns die komplette Beute abnimmt? Insbesondere alles, was uns mit Fassler in Verbindung bringt‹‹, hakte Brender nach.

Sein Begleiter bleckte die Zähne und winkte ab. ››Keine Sorge, Großer. Vielklinge macht das schon.‹‹

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