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2. Die Zehn Gebote sind keine Verbote, sondern Konsequenzen

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Wer die deutsche Übersetzung „Du sollst …“ oder „Du sollst nicht …“ hört, bekommt schnell den Eindruck, hier würden klare Vorschriften gemacht. Die Sprachwissenschaftler sind da vorsichtiger. Sie weisen gerne darauf hin, dass im Urtext eine grammatikalische Form benutzt wird, die nicht einfach „Los, mach mal“ bedeutet. Die hier benutzte Verneinung mit der hebräischen Silbe „Lo“ steht eher für einen Ausdruck massiver Ablehnung. Sie verweist auf etwas, um das ein Mensch auf keinen Fall bitten und das er sich auch niemals wünschen sollte. Also: eine recht nachdrückliche Redeweise. Hätte man einfach sagen wollen: „Mach das nicht“, dann hätte man vermutlich einen anderen Ausdruck benutzt.

Viele Alttestamentler gehen deshalb davon aus, dass hier etwas viel Tiefgründigeres mit anklingt, nämlich: „Das machst du dann garantiert nicht.“ Im Sinne einer Reaktion. Und jetzt wird es spannend: Wenn das stimmt, dann stehen diese zehn Leitsätze nämlich alle in Beziehung zur Einleitung (die Erinnerung an die Befreiung) und bedeuten in etwa: „Wenn du wirklich frei bist, dann wirst du niemanden belügen.“ Oder: „Wenn du dich innerlich stark und beschenkt fühlst, dann hast du es nicht nötig, jemanden zu bestehlen.“ Oder: „Wenn du von der Liebe Gottes erfüllt bist, dann wirst du auch deine Eltern würdig behandeln.“

Dann wären die Zehn Gebote so etwas wie die logische Konsequenz aus einem Leben in Freiheit: Wer mit sich, mit Gott und mit der Welt im Reinen ist, der kommt gar nicht auf die Idee, anderen oder sich selbst zu schaden. Warum sollte so jemand denn lügen, betrügen oder andere verletzen? All das machen Menschen nur, wenn sie ein Defizit-Gefühl haben und verzweifelt hoffen, sie könnten durch ihr (garstiges) Verhalten ihren Status verbessern. Anders ausgedrückt: Wer die Dinge tut, die in den Geboten genannt werden, zeigt damit vor allem, dass er seinen inneren Frieden (noch) nicht gefunden hat.

Natürlich stecken im „Dekalog“ trotzdem auch Handlungsideale. Aber die sprachliche Differenzierung öffnet eine zusätzliche Perspektive: Unser Handeln verrät viel über unser Leben. Und unser Ziel sollte es immer sein, so zu leben, dass wir keinen Grund mehr haben, gegen die grundlegenden Werte des Daseins zu verstoßen.

Die Zehn Gebote für Neugierige

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