Читать книгу Kein Mann für eine Nacht - Fae Clarke - Страница 9

4

Оглавление

A

us Gewohnheit schaue ich als Erstes nach dem Aufwachen auf mein Handy. Tatsächlich hat er mir erneut geschrieben. »Guten Morgen Abby. Sorry, dass ich dich schon wieder anschreibe, aber ich kann nicht anders, du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf! Wenn dir das alles zu viel wird, sag es bitte. Dann werde ich mich zurückziehen. LG Rob. x«

Hm, ob das eine Masche von ihm ist? Es könnte ja auch sein, dass er mich nur in sein Bett zerren will, um mich danach wegzuschmeißen, denn immerhin denkt er ja, ich wäre vergeben. Solch eine Methode kenne ich bereits, damals fing es genauso an, das war allerdings weit vor Pete und ich war jung und dumm. Wie kann ich nur herausfinden, ob er mit mir spielt? Will ich das überhaupt? Hm, und wenn er so wäre, was sollte ich dann tun? Außerdem müsste er mich ja erst einmal dazu bringen, mit ihm in die Kiste zu steigen und das werde ich bestimmt nicht in Erwägung ziehen! Niemals … Sicher … Okay, eventuell.

Hallo! Spinne ich jetzt vollkommen? Was mache ich denn da? Denke ich gerade ernsthaft darüber nach, etwas Dummes zu tun? Ärgerlich werfe ich mein Handy aufs Bett zurück, dabei wird es von der Matratze zurückgefedert und fällt prompt hinter das Bett. Das ist mir jetzt aber auch egal, ich bin sauer, auf mich selbst. Was ist nur mit mir los? Da sehe ich einmal einen attraktiven Typ und in meinem Kopf geht alles drunter und drüber. Wie bescheuert bin ich eigentlich?

Noch stundenlang grübele ich darüber nach, dass ich bloß nicht so dämlich sein sollte, mich jetzt gleich wieder auf den nächsten Typen einzulassen. Zuerst einmal sollte ich meine bald neu gewonnene Freiheit genießen, dann kann ich ja immer noch entscheiden. Bloß nicht zu früh auf etwas Neues einlassen und nur nicht auf den Nächsten hereinfallen!

Am späten Abend, als Pete endlich ins Bett gegangen ist, rufe ich Alice vom Festnetz aus an, weil ich mein Handy auf die Schnelle nicht finden kann, um mit ihr die Umzugsvorbereitungen zu besprechen. In drei Tagen wird es so weit sein, sogar zwei Tage früher als geplant, denn ich halte es einfach nicht mehr aus. Alice meint auch, je früher, desto besser. Sie wird das schon machen, dass Tom frei bekommt und sie kann sich eh immer freinehmen, immerhin sei sie nicht umsonst selbstständig.

Kaum lege ich auf, packe ich meine Nähsachen zusammen. Diese Kleinigkeiten rauben sonst ungemein viel Zeit. Morgen werde ich die letzten Ummeldungen vornehmen. Kurz nach Mitternacht tappe ich früher als sonst müde in mein Schlafzimmer.

Die nächsten zwei Tage verfliegen im Nu, da ich schlicht und ergreifend viel zu tun habe. Das Einzige, was mir momentan Sorgen macht ist mein Smartphone, das ich seit Tagen nicht finden kann. Irgendetwas war damit, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was wohl auch der stressigen Situation zuzuschreiben ist. Ich weiß nur, dass es hier im Haus sein muss, also wird es schon wieder auftauchen, spätestens beim Umzug.

Am Mittwochmorgen schlüpfe ich behände aus dem Bett, sobald ich höre, dass Pete die Haustüre hinter sich zuschlägt. Rücksichtsvoll wie eh und je, aber das kann mir ab sofort egal sein. Er ahnt noch immer nichts und denkt nach wie vor, dass alles seinen gewohnten Gang geht. Heute Abend wird er mit Sicherheit aus allen Wolken fallen! Beschwingt kleide ich mich an, reiße das Fenster ein letztes Mal auf und begebe mich nach unten.

Während der Kaffee vor sich hin tröpfelt, baue ich Kartons zusammen, die ich gestern von Alice bekommen habe. Diese hatte ich vorsorglich unter meinem Bett versteckt. Eine Stunde habe ich Zeit, bevor sie und Tom auftauchen. Hastig räume ich meinen Kleiderschrank leer und stopfe die Klamotten in meine Koffer. Gut, dass ich wenigstens diese behalten kann, denn sie gehören mir.

Gerade als ich den Rest in einen der Kartons verfrachte, klingelt es an der Haustür. Freudig eile ich nach unten, um die Freunde zu begrüßen. Überrascht erblicke ich hinter Alice Max, der wiederum zwei Kumpels, Frank und Matt, motivieren konnte, die ich aus dem Club vom Sehen her kenne. Tom eilt auf mich zu. Sowohl er als auch der Türsteher haben Transporter organisiert, sodass wir alles in einem Aufwasch schaffen sollten. Das geht dann sicherlich schneller, als ich vermutete.

»Bevor wir loslegen, wird erst einmal gefrühstückt. Und bitte Süße, hast du Kaffee?«, erkundigt sich Alice und hält dabei Tüten hoch, die mit Backwaren gefüllt sind.

»Ja klar, sogar zwei Kannen!«

»Sehr gut Abbymaus«, meint Tom und schiebt sich an mir vorbei in die Küche, nachdem er mich auf die Wange geküsst hat.

Unterdessen wir gemütlich essen, besprechen wir den Ablauf, was wer wann machen wird. Nun heißt es all meine Filme, Bücher und CDs aussortieren. Gut, dass ich bereits am Montag eine Liste geschrieben hatte, somit können Alice und ich gleich loslegen. Zudem habe ich eine wirklich umfangreiche Büchersammlung. Beinahe alle Bücher gehören mir und jedes Einzelne davon kommt mit. Da kann rummeckern, wer will.

»Ich glaube, wir werden spätestens am frühen Nachmittag fertig sein«, verkündet Max zuversichtlich und geht nach oben, um mit Frank den Kleiderschrank zu zerlegen. Tom baut unterdessen mit Matt mein Nähzimmer ab, da ich nur ihn an meine geschäftlichen Unterlagen lasse, die auch noch verpackt werden müssen. Ganz schön viel Arbeit für ein paar Stunden! Nur gut, dass Pete heute länger arbeitet, das war auch einer der Gründe, warum ich den Umzug vorgezogen hatte, da er eine Besprechung hat, die bis zum späten Abend dauern wird. Somit haben wir genügend Zeit.

Gemeinsam mit Alice sitze ich auf dem Boden des Wohnzimmers und lege die letzten Bücher in einen Karton. Plötzlich höre ich Max rufen: »Abby! Hier liegt ein Handy unter dem Bett!«

Da war es also! Siedeheiß fällt mir ein, dass ich es frustriert auf die Matratze warf und dabei flog es hinter das Bett. »Danke Max. Ich habe es schon gesucht!«, rufe ich laut, während ich nach oben eile.

»Gut, das du ausziehst. Das war ein Omen!«, meint er grinsend, als ich das Schlafzimmer betrete und es ihm abnehme.

»Das stimmt, das hätte ich sonst ewig nicht mehr gefunden.« Es ist aus, wahrscheinlich weil der Akku leer ist, weshalb ich auch nie ein Freizeichen bekam, als ich darauf anrief, um es zu orten. Schnell stöpsle ich es in der Küche an, damit es sich wenigstens etwas auflädt.

»Wie lang vermisst du es denn eigentlich schon?«, fragt Alice hinter mir.

Erschrocken drehe ich mich herum. »Seit Sonntag.«

»Oh je! Das heißt, dass er dir schreiben konnte, was er wollte, du hast es nicht einmal lesen können. Das ist nun echt doof. Los schalte es ein, schau nach, ob er dir geschrieben hat.«

Alice ist witzigerweise nervöser als ich, was das Thema Rob angeht. »Ach, ich mag jetzt nicht. Nachher, okay? Lass uns doch erst mal alles fertig einpacken.«

Doch da habe ich nicht mit ihrer Hartnäckigkeit gerechnet. Sie schaltet das Handy ein und tippelt mit ihren Fingern ungeduldig auf die Arbeitsplatte, bis ich meine Geheimnummer eingebe. Und schon blinken mehrere neue Nachrichten auf.

»Hm …« Gedankenversunken scrollt sie durch den Verlauf, anscheinend haben mir mehrere Leute geschrieben. »Ah, da ist er ja.« Schmunzelnd liest sie und hält mir danach das Smartphone vor die Nase.

»Hey Abby. Ich hoffe, dass es dir gut geht. Schade, dass du dich nicht mehr meldest. Habe ich etwas falsch gemacht oder etwas Falsches gesagt? Rob x«

»Na los, antworte ihm«, fordert sie mich auf.

»Nein, nicht jetzt. Wir haben doch noch so viel zu tun.«

»Quatsch, die eine Minute haben wir Zeit.«

Was solls, aber einfach werde ich es ihm nicht machen, denn ich will mich nicht gleich wieder auf ein neues Abenteuer einlassen. Immerhin habe ich ihn in dem Stress nicht wirklich vermisst, also sollte ich mich nicht sofort wieder in eine womögliche Gefühlsduselei verstricken.

»Hallo Rob. Sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Ich hatte mein Handy verlegt. Nein, hast du nicht. Allerdings weiß ich nicht so recht, was du von mir möchtest. Abby«

»Erledigt«, teile ich Alice mit. Diese strahlt übers ganze Gesicht. Wenn sie wüsste, dass ich ihm keine wirklich positive Nachricht geschickt habe.

Kurz nach 15 Uhr sind all meine Habseligkeiten in den Fahrzeugen verstaut. Schneller als erwartet kann ich die Tür hinter mir absperren und den Schlüssel in den Briefkasten werfen. Am Zaun blicke ich noch einmal zum Haus zurück.

An sich war es schön hier, auch die Nachbarn waren wirklich nett. Aber das Eigentliche, der Partner war falsch und ich muss diesen Abschnitt meines Lebens mit einem Schlag hinter mir lassen. Leise aufseufzend steige ich in Alice’ Auto. »Ab sofort wird nach vorn geblickt, Süße!«, meint diese und startet den Wagen.

Während der Fahrt geht mir so vieles durch den Kopf. Morgen muss ich unbedingt einen neuen Handyvertrag abschließen, damit ich meine alte Nummer nach und nach abschalten kann. Meine Post habe ich bereits vor ein paar Tagen umleiten lassen, sodass Pete nicht weiterhin in meinen Sachen schnüffeln kann. Die nächsten Wochen werden emotional vermutlich die Hölle, aber da muss ich jetzt durch und mit so tollen Freunden werde ich auch das schaffen.

Vor dem Gehweg zu meinem neuen Heim stoppt die Wagenkolonne. Lediglich ein paar Schritte werden Alice und mich in Zukunft trennen. Diese Wohnung hatte ich auch nur mit ihrer Hilfe bekommen, da es derselbe Vermieter ist und sie sich für mich verbürgen konnte. Dafür bin ich ihr nach wie vor mehr als dankbar. Diese Anlage ist nur zu Fuß betretbar. Mein Haus ist das erste von vielen in diesem ruhigen Viertel. Viel Grün und schön angelegte Wege lassen mich die Wehmut vergessen.

Aufgeregt eile ich in den zweiten Stock hinauf und schließe die Wohnungstür auf. Mein neues, eigenes Reich! Das Gefühl ist überwältigend. Tränen schießen mir in die Augen, die Anspannung der letzten Monate fällt mit einem Mal von mir ab. Schluchzend lasse ich mich im schmalen Eingangsbereich an der Wand auf den Boden gleiten.

»Oh Süße!«, ruft Alice und setzt sich neben mich, um mich in den Arm zu nehmen.

So sitzen wir da, während die Männer die ersten Sachen hereintragen, wobei wir ihnen vollkommen im Weg sind, doch ich kann gerade nicht aufstehen. Als Tom mich so sieht, stellt er den Karton ab, beugt sich herab und umarmt mich. »Erleichtert, was?«

Zustimmend murmle ich unverständliche Dinge, die auch vollkommen unwichtig sind. Schmunzelnd zieht er mich nach oben. »So, du bekommst jetzt die ehrenvolle Aufgabe uns einen Kaffee zu kochen. Hier ist sogar gleich der richtige Karton. Bin gut was?« Feixend knufft er meinen Oberarm.

Kichernd wische ich mir die Tränen vom Gesicht und packe den Karton in der Küche aus. Gut, dass die Wohnung über eine Einbauküche verfügt, sonst könnte ich in den ersten Wochen nicht kochen, geschweige denn etwas verstauen. Es ist eine geschmackvoll eingerichtete Küche, hell und mit allen Geräten ausgestattet, die das Herz begehrt. Nur meine Kaffeemaschine musste ich mitnehmen. Jetzt muss Pete zwar zusehen, wie er an seinen morgendlichen Kaffee kommt, aber das kann mir egal sein.

Die Maschine brodelt vor sich hin, während ich in das große Wohnzimmer hinübergehe. Tom hat mir vor zwei Wochen Regale und Schränke zusammengebaut. Auch eine neue Couch ziert mittlerweile den riesigen Raum, die er für mich vor einigen Tagen empfangen hat und haargenau an die Stelle gestellt hat, wohin ich sie wollte. Ich habe schon tolle Freunde, schießt es mir durch den Kopf.

Einen Esstisch habe ich noch nicht, dieser wird nächste Woche geliefert, aber in der Küche befindet sich ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, das reicht für den Anfang vollkommen, finde ich. Immerhin habe ich auch nicht vor, hier große Gelage abzuhalten oder riesige Partys zu feiern.

Nach und nach tragen wir ein Teil nach dem anderen herein und schon bald sind all meine Möbel und Kartons in den jeweiligen Räumen. Neugierig luge ich ins Schlafzimmer. Alle Möbelteile lehnen vorsortiert an den Wänden ebenso in dem kleinen Zimmer nebenan, in dem mein Nähzimmer entstehen wird. Das wird eng, aber es muss gehen, eine größere Wohnung kann ich mir nicht leisten.

»Das wird schon. Wirst sehen, wir machen dir das schon heimelig«, meint Alice hinter mir und legt ihre Arme um mich. Ich weiß nur zu gut, dass sie aus allem etwas zaubern kann, immerhin ist sie Innenarchitektin.

»Danke«, wispere ich.

»Wofür?«

»Für alles.«

»Ach Quatsch, dazu sind Freunde da, oder? Und ich bin froh, mal wieder einen Raum so zu gestalten, wie es mir gefallen würde.« Da wir nicht nur bei Männern den gleichen Geschmack haben, habe ich keinerlei Zweifel.

»So, wenn ihr uns mal reinlasst, würden wir den Kleiderschrank aufbauen, dann kannst du jederzeit mit dem Einräumen loslegen, Süße«, lässt Max hinter uns verlauten. Sofort treten wir einen Schritt beiseite, um die Jungs hereinzulassen.

Matt grinst Alice an, als dieser sich an uns vorbeischlängelt. Mir ist bereits vor einigen Stunden aufgefallen, dass er sie auffällig mustert. Kichernd schiebe ich sie in die Küche. »Na, da scheint ja jemand ein Auge auf dich geworfen zu haben«, flüstere ich ihr zu.

»Hm, und er sieht auch noch gut aus«, schmachtet sie. »Aber warten wir’s mal ab.«

Schmunzelnd packe ich die verbliebenen Küchenkartons aus, während die Freundin Pizza bestellt. Der dunkelhaarige Matt ist Stammgast im Club und ist mir bereits von Anfang an aufgefallen. Vor über zehn Jahren hätte ich mir selbst vorstellen können, etwas mit ihm anzufangen, aber es kam nie dazu. Dafür kam Pete. Oh Gott, ich muss ihn schleunigst aus meinem Kopf bekommen!

Innerlich schüttelnd gehe ich ins Wohnzimmer hinüber, um eine CD einzulegen. Gut, dass ich meine kleine Anlage eingemottet hatte, bevor Pete sie in die Finger bekam. Kaum ertönen die ersten Takte ruft Tom aus dem Schlafzimmer: »Dreh mal lauter!« Was ich auch liebend gern tue. Tänzelnd kehre ich in die Küche zurück, mit Musik macht einfach alles viel mehr Spaß.

Am späten Abend sind die Männer mit dem Aufbau der gesamten Möbel fertig. Selbst im Nähzimmer stehen die beiden Tische an Ort und Stelle, wie es Alice vorgegeben hatte. Ich muss ihr beipflichten, nicht, dass ich an ihrer Fertigkeit jemals gezweifelt hätte, aber es ist wirklich platzsparend und ich kann mich um die Arbeitsflächen herumbewegen. Besser als an die Wand geklatscht, wie ich es vorhatte.

Gerade sitzen wir im Wohnzimmer auf meiner nigelnagelneuen Couch bei einem Glas Wein und plaudern über unsere liebsten Themen – Musik und Filme. So entspannt hätte ich mir das Ganze nicht vorgestellt. Nebenbei sortiert Tom die CDs in eines der Regale, was immer wieder für neuen Gesprächsstoff sorgt, sobald er einen interessanten Musikträger in Händen hält.

»Apropos Musik: Sag mal, Abby«, beginnt Max, »was ist eigentlich aus Rob geworden?«

Wie kommt er denn jetzt von Musik auf ihn?

»Rob? Unser Rob?«, hakt Matt neugierig nach und erstickt meine Frage somit im Keim.

Der Türsteher nickt zustimmend.

»Was hast du denn mit ihm zu schaffen?«, fragt Frank mich interessiert.

»Eigentlich nichts. Er hat mich angesprochen, nicht ich ihn«, erkläre ich errötend.

»Okay? Und was ist daraus geworden?« Matt schaut mich erwartungsvoll an.

»Nichts, da ich mein Handy ja verlegt hatte. Kennt ihr ihn wohl auch?«

»Ja klar, wir hatten ihn damals das erste Mal mit in den Club geschleift«, erwidert Frank feixend.

Nicht wahr, oder? Nun habe ich hier drei Typen sitzen, die ihn auch noch kennen. »Oh!«

»Dann bist du also diejenige, weswegen er in den letzten Monaten so angespannt war. Ich verstehe.«

Wie? Was sagt Matt da? Fragend schaue ich von einem zum anderen.

»Genau, sie war der Grund«, lässt Max verlauten.

Ach verdammt, nun starren mich auch noch alle an. »Ja, meine Süße verdreht eben jeden den Kopf«, hilft Alice mir aus der Bredouille. »Nun aber genug. Sie soll jetzt erst einmal wieder auf die Beine kommen, oder?«

»Das stimmt allerdings«, tönt der Türsteher und erhebt das Glas. »Auf die Unabhängigkeit!«

Keine halbe Stunde später lassen sie mich allein, damit ich anfangen kann, mich einzuleben. Ich freue mich auf die erste Nacht in meiner eigenen Wohnung. Keine Rechenschaft mehr, warum ich jetzt dies oder jenes mache. Lächelnd beginne ich meinen Kleiderschrank einzuräumen, dabei höre ich weiterhin Musik. Endlich kann ich rund um die Uhr das anhören, was ich möchte. Mit einem Mal wird mir bewusst, wie viele Freiheiten ich plötzlich habe. Aber ich bin zu müde, um mich weiter an diesem Gefühl zu laben, ich muss dringend ins Bett. Das war ein sehr langer und vor allem anstrengender Tag!

Wo ist mein Handy? Ich habe seit heute Vormittag nicht mehr darauf geschaut. Wahrscheinlich werden etliche Anrufe von Pete eingegangen sein. Tatsächlich, 10 entgangene Anrufe prangt es auf dem Display, als ich es aus der Jackentasche krame. Morgen muss ein neuer Handyvertrag her, das ist ganz wichtig!

Im Bett liegend döse ich etwas vor mich hin, bevor ich erneut das Mobiltelefon ergreife. Nachdem ich den Hinweis gelöscht habe, sehe ich, dass neue Nachrichten eingegangen sind. Diese werde ich morgen lesen, da ich ahne, dass keine Positive darunter sein werden. Weder von Pete noch von diesem Rob und das kann ich im Moment nicht brauchen. Kaum lege ich das Smartphone aus der Hand, schlummere ich schon ein.

Verdammt, was ist das? Schlaftrunken öffne ich die Augen. Mein Handy klingelt penetrant, obwohl ich den Wecker gestern Nacht vorsorglich abgestellt hatte. Wer ruft mich denn bitte in aller Frühe an? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Wütend starre ich aufs Display. Pete, wer sonst. Idiot!

Wütend schalte ich das Handy aus. Es ist noch nicht einmal 8 Uhr und dieser Mistkerl hat nichts anderes zu tun, als mich zu terrorisieren? Bah! Die Wut kocht in mir hoch, das war’s mit Schlaf. Zornig springe ich auf und rumple erst einmal gegen einen Karton. »Autsch!«, schreie ich laut auf. Na, der Tag geht ja super los.

Also krabbele ich über das Bett zum Fenster, um das Rollo hochzuziehen. Wenn ich mich vorbeuge, kann ich sogar Alices Haus teilweise sehen, die wahrscheinlich noch friedlich schlummert. Mürrisch tappe ich in die Küche, zumindest denke ich das. Verdammt, das ist das Badezimmer, stelle ich fest, als ich mich irritiert umschaue. Hier war doch … Mist, ich sollte mir Wegweiser basteln. Also wieder zurück in den Gang. Die Wohnung ist doch nun gar nicht so groß.

Merke: Die Tür gegenüber vom Schlafzimmer ist die Küche. Nicht das ich eines Tages denke, dass ich im Bad bin und … ach, lassen wir das. Kichernd reibe ich mir die Augen. Ja, hier bin ich richtig. Gut, dass ich gestern Nacht alles neben die Maschine gestellt hatte, sonst würde ich vermutlich ewig das Kaffeepulver suchen. Danach gehe ich ins Wohnzimmer, um die Musik einzuschalten.

Mmh, der Kaffeeduft durchzieht allmählich die gesamte Wohnung. Lecker! Sofort hebt sich meine Laune und ich tänzle ins Badezimmer, hier will ich diesmal wirklich hin. Der Blick in den Spiegel lässt mich stutzen. Meine Augen strahlen mich regelrecht an, trotz des wenigen Schlafes. Hat mir diese eine kurze Nacht in meinem eigenen Reich wirklich schon so gutgetan? Es muss wohl so sein. Kein Anmaulen vor dem Zubettgehen scheint wahrhaftig die Stimmung zu heben. Wieder wird mir bewusst, dass ich ab sofort das machen kann, was immer ich möchte.

Am Küchentisch sitzend trinke ich den ersten Schluck Kaffee. Vor mir liegt das Handy. Soll ich, soll ich nicht? Nach einigem Hin und Her beschließe ich es einzuschalten. Wie erwartet etliche Anrufe und Nachrichten von Pete. Ich lese sie erst gar nicht, sondern schreibe ihm sofort, dass ich ihn nie wieder sehen möchte. Er solle doch bitte darüber nachdenken, was er mir in den letzten Jahren alles zugemutet hatte. Und als Abschluss fordere ich ihn auf, mich in Ruhe zu lassen.

Mit zitternden Händen lege ich das Smartphone auf den Tisch. Langsam macht sich Erleichterung breit, dass tat verdammt gut! Moment! Waren da nicht noch Mitteilungen von Rob? Na, wenn schon, denn schon. Zur Musik wippend suche ich seine Nachrichten. Abrupt stoppe ich meine Bewegungen. Die Erste kam gestern Nachmittag. »Was meinst du damit? Denkst du ernsthaft, dass ich dich in mein Bett zerren will? Du bist schließlich vergeben und ich verfüge über Anstand.«

Oh, ich habe ihn wohl wirklich verärgert und er hat mein Geschriebenes richtig gedeutet, ich habe ihn eindeutig unterschätzt. Am Abend folgte die Zweite. »Sorry, das war nicht so gemeint, wie es vielleicht rüberkam. Tut mir leid! Aber das war unfair von dir, findest du nicht? Ich finde dich überaus anziehend, aber nicht auf eine primitive Weise. Schätzt du mich wirklich so ein?«

Kurz vor Mitternacht folgte die Letzte. »Okay, um dir deine Frage zu beantworten: Ich habe mich wohl etwas zu sehr in dich verguckt, als mir lieb ist, aber ich weiß auch, dass du in einer Zwickmühle steckst. Ich will einfach nur für dich da sein, wäre das in Ordnung? Rob x«

Da ist es wieder, dieses x. Und wie auf Kommando kehrt das Kribbeln zurück, dieser Typ raubt mir noch den Verstand. Warum darf er mich so einfach mit ein paar Worten um den Finger wickeln? Unverschämtheit! Das habe ich ja noch nie erlebt. Dieses Gefühl ist einfach berauschend, ich erröte sogar, was mich wiederum zum Lächeln bringt. Was soll ich ihm nur darauf antworten? Eine Entschuldigung wäre nun wohl angebracht.

»Hallo Rob. Bitte verzeih mir meinen Verdacht, tut mir wirklich leid. Ich habe natürlich gehofft, dass du nicht so bist! Ja, sicherlich wäre das in Ordnung. Hm, ich kann auf dein Geständnis leider nicht wirklich etwas erwidern, da ich mir über vieles klar werden muss. Sorry. Abby x«

Es ist zwar hart, aber ehrlich. Klar, wenn er mich verführen würde, wäre ich wohl nur allzu gern bereit dazu, da brauche ich mir nichts vorzumachen, aber eine Beziehung? Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, egal wie charmant er auch sein mag. Ich muss schließlich erst einmal mein eigenes Leben in den Griff bekommen.

Apropos! Langsam sollte ich los, um mir eine neue Handykarte zu besorgen. Gemächlich spüle ich die Tasse ab, gehe auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Erst danach streife ich den Mantel über und ziehe meine Stiefel an. Nach meiner Handtasche greifend verlasse ich schlussendlich die Wohnung.

Erst am Abend kehre ich zurück. Ich hatte mich mit Alice in der Stadt getroffen und wir haben uns stundenlang in einem Café unterhalten. Immerhin kann ich das ja jetzt tun, wann immer ich will. Keiner wartet auf mich oder nervt mich andauernd übers Mobiltelefon, wann ich denn endlich nach Hause komme. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen, denn ab und an habe ich auf mein Handy geblickt, um nachzusehen, ob Pete sich nicht schon gemeldet hat.

Natürlich hatte er mir geschrieben, genauso wie Rob. Beide Nachrichten hatte ich allerdings absichtlich nicht gelesen, ich wollte mir den entspannten Tag nicht vermiesen lassen. Noch im Café aktivierte ich die neue Karte in meinem nagelneuen Smartphone und teilte den Freunden meine neue Nummer mit.

Auf dem Balkon sitze ich nun dick eingemummelt auf einem der beiden Stühle und starre in den dunklen Himmel hinauf. Aus dem Wohnzimmer dringt leise Musik an mein Ohr, die mich beinahe einlullt. Mein altes Handy leuchtet auf. Oh je, ich habe tatsächlich Rob vergessen. Zögerlich nehme ich es in die Hand und öffne seine Nachrichten. »Hey Schöne. Kein Problem, ich verzeihe dir und mach dir bitte keine Gedanken, wie du reagieren sollst. Ich danke dir für deine ehrliche Antwort. Rob x«

Das war seine Nachricht von heute Vormittag und soeben kam: »Sorry, ich bekomm dich einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich möchte dich gern kennenlernen, rein freundschaftlich, ehrlich. Ein Vorschlag: Frag mich irgendetwas, egal was, damit du siehst wer oder wie ich bin. Dagegen spricht doch nichts, oder? Sweet dreams x«

Mir fällt auf, dass ich anfange, Gefühle zu diesem wahrlich reizvollen Fremden zu entwickeln. Aber wie kann das sein? Vor allem nach den wenigen Worten, die wir bisher gewechselt und den wenigen Stunden, die wir uns in der langen Zeit gesehen hatten. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Was soll ich nur tun? Grübelnd zünde ich mir eine Zigarette an und greife nach meinem Weinglas. Allabendliches Weintrinken sollte nicht zur Gewohnheit werden, aber es war eh der letzte Schluck aus der gestrigen Flasche.

Sofort fallen mir auch einige Fragen ein. Hm, soll ich ihn noch zappeln lassen? Das wäre allerdings gemein, da er bereits den ganzen Tag gewartet hat. Ich würde schon gern einiges über ihn erfahren. Also warum nicht?

Dann schreibe ich von meinem neuen Handy aus: »Hey Rob. Darin sehe ich kein Problem. Gut, dann frage ich direkt los: Wie alt bist du eigentlich? Darf man das einen Mann überhaupt fragen? Magst du wirklich die schwarze Szene? Ist Rob ein Spitzname? Warum habe ich dich vorher noch nie im Club gesehen (bis auf die beiden Male)? Schlaf gut x

PS: Das ist übrigens meine neue Nummer. Abby«

Wieso teile ich ihm eigentlich nicht mit, dass ich mich von Pete getrennt habe? Er hat zwar nicht danach gefragt, aber dann wäre alles etwas einfacher. Auch für ihn, und genau hier liegt wohl mein innerer Konflikt. Da ich es ihn nicht wissen lasse, kann er mir nicht zu nahe kommen. Es ist schlicht und ergreifend die Angst, mich Hals über Kopf zu verlieben. Viel lieber wahre ich weiterhin den respektvollen Abstand zwischen uns.

Seufzend nehme ich alles an mich und gehe wieder hinein. Da ich die Tür offengelassen hatte, um draußen die Musik zu hören, ist es im Wohnzimmer kalt geworden. Immerhin haben wir Temperaturen um den Gefrierpunkt. Schnell schalte ich alles aus und haste sofort in die Federn. Nach wenigen Minuten ist mir endlich wieder warm und ich krame das neue Buch aus meiner Tasche, die ich nach dem Einkaufen auf das Bett geworfen hatte. Die Nachttischlampe spendet gerade so viel Licht, dass ich die Schrift entziffern kann. Nach wenigen Seiten bin ich allerdings eingeschlafen.

Mit lauter Musik und vor mich hin summend sortiere ich die letzten Bücher in das Regal ein. Als ich fertig bin, tanze ich laut singend durch das Wohnzimmer. Seit dem Aufwachen fühle ich mich rundum zufrieden und pudelwohl in meiner Haut. Robs Nachricht trug wohl auch einen kleinen Teil dazu bei.

»Guten Morgen Schöne. Ich heiße Robert, also ist Rob eine Abkürzung. Ich bin 35 und ich würde mich nun nicht unbedingt als Goth bezeichnen, aber ich mag die Szene sehr gern, ebenso wie die verschiedenen Musikstile. Ich schaue lieber zu und beobachte gern die Menschen, bewundere die, die sich so extravagant aufstylen. Also ich bin eher der passive Typ. Du sahst übrigens bezaubernd in deiner Aufmachung aus. Find ich klasse, nicht so zurückhaltend wie ich.

Ich bin schon seit knapp einem Jahr im Club und war schon einige Male da, aber du leider nicht. Und um gleich eines vorwegzunehmen, ich bin recht glücklicher Single. Darf ich dich auch etwas fragen? x«

Er scheint mir nicht mit seinen Antworten gefallen zu wollen, sonst hätte er mir wohl, wie Pete vorgemacht, dass er voll und ganz in der schwarzen Szene unterwegs wäre. Kurz schließe ich meine Augen und rufe ihn mir in Erinnerung, als er vor mir getanzt hatte. Schmunzelnd schüttle ich mich, das Kribbeln im Bauch wächst an, das sollte ich auf keinen Fall zulassen. Da fällt mir ein, dass ich ihm ja noch gar nicht geantwortet hatte.

Schnell zücke ich mein Smartphone und tippe: »Hey Rob. Dankeschön fürs Kompliment. Ich ahnte es, du bist jünger als ich. Geschockt? Hm, war wirklich nicht mehr so oft im Club. So, so, glücklicher Single, gibt es so etwas wirklich? Spaß! Frag mich ruhig, solange es nicht zu persönlich ist, beantworte ich dir auch alles. x«

Verblüfft stelle ich fest, dass die Konversation zwischen uns vertrauter wird. Aber vormachen sollte ich mir trotzdem nichts, denn wer weiß, welchen Charakter er tatsächlich hat. Schreiben kann er viel, das heißt noch lange nichts. Na ja, zumindest sieht er gut aus und schriftlich ist er auch ganz nett. Hm, wieso habe ich Matt und Frank vorgestern nicht einfach über ihn ausgequetscht? Ach egal. Es kommt wie es kommt und außerdem, ich will ja keine Beziehung, von daher kann es mir gleich sein. Sollte es zumindest.

Kichernd über meinen Zwiespalt tänzle ich in mein neues Nähzimmer und beginne auch hier auszupacken. Die Stoffe müssen unbedingt aus den Kartons raus. Gut, dass Tom meinen PC bereits angeschlossen hatte, somit kann ich nebenbei E-Mails abrufen. Wieder neue Aufträge! Zwar freue ich mich wahnsinnig darüber, aber ich werde nicht alle schaffen. Darum kümmere ich mich allerdings nachher, denn ich muss nun wirklich die Schränke einräumen.

Am späten Nachmittag bin ich endlich fertig. Alles ist fein säuberlich in den Regalen verstaut und auch meine Tische sind komplett ausgestattet. Wenn ich wollte, könnte ich auf der Stelle loslegen, aber ich verspüre noch keine Lust. Außerdem sollte ich langsam mal etwas zu mir nehmen, mein Magen knurrt lautstark.

In der Küche fällt mir ein, dass ich mich nach niemandem mehr richten muss, ich kann essen, was und wann immer ich will. Das Glücksgefühl endet jedoch abrupt, als ich den Kühlschrank öffne. Gähnende Leere. Stimmt, ich konnte ja schlecht die Lebensmittel mitnehmen. Ob Alice morgen mit mir Einkaufen fahren kann?

Ich sollte mir unbedingt ein kleines Auto zulegen, ohne komme ich gerade bei solchen Großeinkäufen nicht weit. Gut, dass ich gestern noch einige Kleinigkeiten eingekauft hatte, aber an Gewürze und all die wichtigen Dinge hatte ich jedoch nicht mehr gedacht.

Während die Pizza im Ofen bäckt, schreibe ich eine ellenlange Einkaufsliste. Alice hat vor einigen Minuten zugestimmt, mit mir einkaufen zu fahren. Dafür habe ich Robs Nachricht noch nicht gelesen, denn die lebenswichtigen Sachen haben Priorität. Erst als ich die Liste erneut durchgegangen bin und zufrieden nicke, öffne ich seine Mitteilung, die ebenfalls nicht gerade kurz ist.

»Hey Abby. Wieso sollte ich geschockt sein? Klar, du siehst jünger aus, darum bin ich erstaunt, aber nicht geschockt, warum auch. Wie alt, sorry, wie jung bis du denn? Darf ich das fragen? Und falls du deine Gedankengänge weiter webst: Nein, es würde mir nichts ausmachen. Ich stehe nicht auf junge Dinger, ist mir schlichtweg zu anstrengend.

Wie lautet denn dein richtiger Name? Abby klingt definitiv nach einer Abkürzung. Hast du Kinder? Darauf brauchst du nicht zu antworten. Ich will damit nur sagen, dass ich Kinder liebe, wollte allerdings nie selbst welche. Sag mir einfach, wenn es zu persönlich für dich wird!

Wieso tust du dir das eigentlich an? Wieso trennst du dich nicht? Du leidest, das sieht sogar ein Blinder! Brauchst du das? Die Erniedrigung, meine ich. Sorry, falls ich zu direkt bin. Würdest du mich treffen wollen? In einem Café zum Beispiel, auf neutralem Boden mit vielen Menschen, falls du dich dann wohler fühlst. Ich kann es jederzeit einrichten. Ich freue mich auf deine Antwort. x«

Der Herd piepst und reißt mich sofort in die Realität zurück. Ach verdammt, dabei wollte ich den Text noch einmal lesen, aber das muss nun warten. Wo waren denn die Topflappen? Puh, das wird noch was werden. Nicht nur eine neue Wohnung, sondern auch neue Küchenmöbel, da muss ich mich erst einmal wieder zurechtfinden. Im dritten Hängeschrank finde ich dann auch endlich das Gesuchte.

Während ich den ersten Bissen kaue, lese ich das Geschriebene noch einmal. Irgendwie ist er süß, finde ich. Er möchte sich also mit mir treffen. Das wäre an sich kein Problem mehr, aber davon weiß er ja schließlich noch nichts. Hm, was soll ich ihm denn darauf nur antworten, ohne ihm gleich den Eindruck zu vermitteln, dass er Chancen bei mir hätte. Aber auf die anderen Dinge kann ich ihm schon einmal antworten, vielleicht ergibt sich der Rest von selbst.

»Hey. Das sollte man eine Lady tatsächlich nicht fragen … Ach was solls: Ich bin 38. Danke für das Kompliment, du Charmeur. Was ist denn an jüngeren Partnern falsch? Du weißt, dass du dich gerade selbst reingeritten hast, oder? Ich bin schon gemein, ich weiß.

Nicht lachen, okay? Mein Name ist Abigail, etwas altbacken, dennoch finde ich ihn toll. Mich nennen alle nur Abby, darum wurde es für mich zur Gewohnheit, mich auch so vorzustellen. Nein, ich habe keine Kinder, möchte auch ehrlich gesagt keine. Aber nicht, weil ich sie nicht mögen würde, es fehlte der richtige Partner.

Hm, ich weiß nicht, ob es so gut ist, mich mit dir zu treffen. Dafür kenne ich dich noch viel zu wenig. Aber ja, treffen würde ich dich schon gern wollen, nur nicht sofort. Bitte hab etwas Geduld mit mir. x«

Und wieder habe ich mit keinem Wort meine Trennung erwähnt. Kurzerhand schalte ich das Handy aus und setze mich nach dem Essen an meinen PC. Ich picke mir einige Mails heraus und schreibe die potenziellen Kundinnen an. Solange ich keine Rückmeldungen von ihnen erhalte, werde ich meinen letzten Auftrag fertigstellen. Um nicht nachzudenken, drehe ich die Musik etwas lauter und beginne die Applikationen für die Tasche herzustellen. Diese sehr filigranen Arbeiten erfordern meine gesamte Konzentration und lassen mich an nichts denken.

Weit nach Mitternacht richte ich mich stöhnend auf - mein Rücken schmerzt. Seit gut sechs Stunden sitze ich an dem Schneidertisch, aber dafür habe ich es geschafft. Stolz halte ich die fertige Tasche hoch, nun noch Fotos machen, dann kann ich der Kundin die frohe Botschaft übermitteln.

Müde schlurfe ich in mein Schlafzimmer. In den nächsten Tagen sollte sich endlich alles eingependelt haben. Kaum liege ich unter der warmen Decke, schalte ich mein Smartphone an und wieder ist eine Mitteilung eingegangen. Er lässt nicht locker, denke ich beinahe belustigt.

»Hey du wunderschöne 38-jährige Abigail. Ich finde deinen Namen richtig toll. Nein, ich liebe ihn!

Eines solltest du wissen: Ich nehme mit Anlauf jedes Fettnäpfchen, welches sich mir in den Weg stellt, das ist ein Hobby von mir. Hm, ich meinte ja auch Frauen, was mich somit als jüngeren Partner ausschließt. Außerdem, was sind schon drei Jahre? Oh, ich muss zugeben, dass ich mir doch mehr Gedanken mache, als ich wohl sollte. Entschuldige, kommt nicht wieder vor.

Das mit den Kindern ist doch okay, manchmal ist es auch besser keine Würmchen in diese grausame Welt zu setzen, finde ich. Abigail – ich werde bei diesem Namen echt noch schwach – ich finde es zwar schade, dass du dich in nächster Zeit nicht mit mir treffen möchtest, aber ich verstehe dich. Gib mir einfach Bescheid, wenn du dazu bereit bist. Wir treffen uns dort, wo du möchtest. Ich erfahre deine Adresse nicht, es sind viele Leute da, gern auch deine Freunde, mir egal, Hauptsache ich kann dich sehen. Nur sehen und reden, versprochen! Sweet dreams x«

Bevor mir die Augen komplett zufallen, tippe ich: »Okay, ein Vorschlag: Wir sind morgen ab 21 Uhr in der Cambridgebar. Wenn du Lust hast, stoß doch dazu. Träum was Schönes. x«

Schmunzelnd lege ich das Handy beiseite, damit werde ich ihn völlig überrannt haben, ebenso wie mich selbst, wenn ich ehrlich bin. Welcher Teufel hat mich denn da soeben geritten, aber es wird schon seine Gründe haben. Viel mehr bin ich allerdings auf seine Reaktion gespannt, die aber leider auf sich warten lässt. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlafe ich auch schon bald ein.

Kein Mann für eine Nacht

Подняться наверх