Читать книгу Drachengeist - Falk Enderle - Страница 5
Das Symbol seiner Macht
ОглавлениеWestmeer – Casthil Rhygidor
Möwen kreisten am Himmel und ihr Kreischen begleitete die platschenden Geräusche, mit denen die leblosen Körper gefallener Soldaten die Meeresoberfläche durchbrachen. Zumeist trieben die leblosen Körper noch eine Weile in den Wellen, so als wollten sie sich wie echte Seeleute gegen das Versinken wehren. Doch letztlich gaben sie auf und versanken.
Nacht stand auf dem Dach eines niedrigen Wachhäuschens an der Nordmauer Rhygidors und hielt mit seinem schweren Nagelhuster die Albastairner in Schach, die ihre gefallenen Kameraden hinabwerfen mussten. Am liebsten hätte er die Überlebenden gleich hinterhergeschickt. Diejenigen, die das Massaker an den Alchemisten verübt hatten – sie waren es nicht wert weiterzuleben. Dutzende Söldner waren gestorben, um die Festung zu erobern und das Zepter DeCulleons nach Jestenburg zu holen. Krieg fordert Opfer. Aber mit Grausamkeit konnte man es auch übertreiben.
Sein Blick wanderte von den treibenden Leichen über die Wachmannschaft der Schützen zu Grimstahl herüber. Wie eine Glucke wachte der Hauptmann über den verletzten Kleinen und ließ niemanden, nicht einmal Raas, in dessen Nähe. So sehr ihn dieses Verhalten amüsierte, so wünschte sich Nacht doch, dass Grimstahl die Schlacht überlebte, in der es ihn selbst einmal so treffen sollte. Dann wüsste er, dass sich jemand um ihn genauso kümmern würde.
Dieses verflixte Helfersyndrom bestimmte Grimstahls Leben, solange sie sich kannten. Er hatte Geld seines Vaters abgezweigt, um es einer armen Dienstmagd zu schenken, die ihm schöne Augen gemacht hatte. Verdammter Narr. Gemeinsam hatten Grimstahl und Nacht den jähzornigen Vater mit Dachlatten niedergeschlagen, als er es herausgefunden hatte. Erst Jahre später hatten sie erfahren, dass der Alte den Angriff und den Sturz in die Jauchegrube überlebt hatte. Doch zu dem Zeitpunkt waren sie schon mit Raas unterwegs gewesen und hatten sich als Söldner einen Namen gemacht: der mächtige Reiter mit dem unerbittlichen Stahl, der seinen Feinden einen raschen Tod brachte und sein Freund, der zynische, zielsichere Schütze, der sogar in der finstersten Nacht zu treffen schien. Völliger Blödsinn und schieres Glück, aber die Leute mochten Klischees und Nacht gefiel sich sehr in der Rolle des umjubelten Meisterschützen. Und Grimstahls scheinbare Unverwundbarkeit war nichts weiter als seine Wendigkeit im Kampf, die wahrscheinlich darauf beruhte, dass er früh genug gelernt hatte, den brutalen Schlägen seines Erzeugers auszuweichen. Das war fünfzehn Jahre her.
Mittlerweile waren aus Ennric Brawn, dem Sohn eines überkorrekten, jähzornigen Gutspächters und Yron Gallistaire, dem Sohn eines an seinem Sohn völlig desinteressierten halgadischen Lairds, Reiter Grimstahl und Schütze Nacht geworden. Ihre richtigen Namen hatten sie wie alle Westmeersöldner abgelegt, aber nie vergessen. Nur an Tagen wie diesen, nach einer Schlacht, wenn er zur Ruhe kam, erinnerte sich Nacht dunkel jener Menschen, die sie einmal gewesen waren. Vielleicht irgendwann wieder sein würden. Wenn die Beute reichte.
Er sah Raas im Hof der Festung stehen und Männer von dort nach da schicken. Sie durchsuchten die Festung noch immer, womöglich nach diesem Zepter, dass die Principessa in die Finger bekommen wollte.
Falsche Schlange. Nacht spie aus, wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und sog die frische Brise nach der hitzigen Schlacht ein wie den Duft einer frisch gepuderten Hure. Sie hatte ihnen versprochen, dass sie nur zwei Monate lang auf See sein würden. Die Westmeersöldner waren zwar im Kampf auf dem Wasser ausgebildet, aber insgeheim zog Nacht das platte Land vor. Die Einsamkeit des Ozeans, dieses endlose Wasser, die eintönige Routine an Bord langweilten ihn zu Tode. An Land gab es wenigstens Bordelle und Kneipen, wo er sich betrinken und vögeln konnte. Aber hier? Nur Möwen.
Raas dagegen schien derzeit vielbeschäftigt. Wieder wies er einen seiner Leute an, an einer anderen Stelle nach dem Zepter zu suchen. Die Gänge, die sie durchquert hatten, waren offenbar nur ein kleiner Teil eines viel größeren Netzes aus Kavernen, Katakomben und langen gewundenen Stollen. Die Insel war durchlöchert wie ein Wolkensteiner Käse. Alles, was sie in den Höhlen finden konnten und auf den ersten Blick von Wert war, wurde von den Söldnern bei Raas abgeliefert.
So war die Vereinbarung. Der Kommandant sammelte alles ein und verteilte es dann gerecht unter jeder Kompanie. Und so wie die Söldner wussten, dass Raas sie niemals betrügen würde, so wusste Raas, dass er sich das niemals wagen sollte. Ein Drittel und ein Goldstück für den Kommandanten. Zwei Drittel für die Männer. Das war Gesetz.
Etwas riss Nacht aus seinen Gedanken. Unten am Wasser entstand Unruhe. Zwei der Albastairner schienen sich um etwas zu streiten. Lässig gab Nacht zwei weiteren Wachen, Windig und Kobb, in der Nähe ein Zeichen. Sie trennten die Streitenden mit derben Schlägen und Kobb riss einem der Streithähne etwas aus der Hand. Er warf es dem Hauptmann zu und dieser fischte es behende aus der Luft. Ein unverziertes Amulett. Es schien aus Gold zu bestehen. Um den toten Blendstein in seiner Mitte waren Zeichen eingraviert, die für Nacht entweder magisch oder alchemistisch waren. Doch Magie gab es auf diesem Kontinent schon seit Jahrhunderten nicht mehr.
„Woher ist das?“, fragte er den Söldner.
„Da unten haben sich zwei darum gestritten. Der kleinere hatte das einer Leiche abgenommen und der Andere wollte es ihm wegnehmen“, antwortete Kobb und deutete zu dem Pulk von gefangenen Soldaten, die den Schützenhauptmann nun unbewegt anstarrten. „Diese Hunde berauben sich sogar untereinander.“
Nacht schnaubte verächtlich und sprang in zwei großen Sätzen auf den Wehrgang. Blitzschnell griff er nach dem Hals eines wieseligen Mannes, der ungefähr die Größe seiner Armbrust besaß und in den Kampf verwickelt gewesen war.
„Woher hast du das?“, herrschte er ihn an. Der Albastairner japste erschrocken. „Entweder du redest, oder ich schnitze dir einen zweiten Bauchnabel! Schön langsam!“
Das Männchen begann zu zittern. Sein Atem roch nach Rum und verfaulten Zähnen. Er war nicht mehr ganz jung, vielleicht vierzig. Tapfer presste er die Lippen zusammen. Nacht schob ihn an die Brüstung und drückte ihn kräftig nach hinten.
„Rede“, flüsterte er ihm zu. „Oder ich knacke deinen Kopf an der Mauer.“
„Einer der Alchemisten, Herr“, erklang da eine Stimme hinter Nacht. „Er trug das Ding immer am Hals und nutzte das Licht zum Lesen, wenn es dunkel wurde. Dieser Mann hat das Amulett des Toten geraubt.“ Nacht wandte sich langsam zum Ursprung der Stimme um. Der Sprecher hatte schon deutlich mehr gesehen als dieses klapprige Männchen. Nacht musterte die Narben auf seinen Schultern. Den Muskeln nach zu urteilen war er harte Arbeit gewohnt. Nacht ließ den kleinen Mann los und lockerte sein Handgelenk etwas.
„Ihr müsst den Mann nicht töten, Herr“, sagte der gefangene Soldat mit gemessener Stimme. „Ich denke, für heute haben genug Männer ihr Leben gelassen. Auf allen Seiten.“
Die rauchgrauen Augen des Mannes sahen Nacht direkt an und es war augenscheinlich: dieser Mann fürchtete sich nicht. Es fiel Nacht schwer nicht zu lächeln. Und es fiel ihm noch schwerer diesen Mann mit seiner ruhigen, sicheren Stimme und dem offenen Gesicht nicht sofort zu mögen.
„Wie ist euer Name, Soldat?“
„Raffarin, Herr. Aus Samaranth.“
Nacht kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Wie kommt ein stolzer Samaro in die Armee Albastairns?“
„Lange Geschichte, die Euch sicher nur langweilen würde. Nur so viel: auch ein Samaro muss seine Steuern zahlen. Wenn er das nicht kann, wird er als Leibeigener verkauft. Läuft er aus der Leibeigenschaft fort, bleiben ihm nicht wirklich viele Möglichkeiten.“
Nacht nickte sachte. Dann gab er den Wachen ein Zeichen.
„Seht zu, dass die hier schneller machen. Bei der Hitze fangen die Leichen bald an zu stinken. Raffarin, komm.“
Nacht führte den Samaro in den Hof. Raas betrachtet gerade ein Goldstück, wohl um zu erkennen, woher es stammte und was es wohl wert sein mochte. Als sich Nacht mit seinem samarischen Begleiter näherte, blickt er auf.
„Wir haben bei den Männern, die die Leichen ins Meer werfen, was interessantes gefunden“, berichtete Nacht. „Dieser Mann hier heißt Raffarin. Er ...“
Ein Söldner kam rufend und winkend in den Hof gerannt. Während Raas und Nacht einen schnellen Blick wechselten, hörten sie die leise Stimme Raffarins.
„Sie haben wohl die Anderen gefunden.“
„Welche Anderen?“ Raas' Frage war zwar barsch, schien den Samaro aber nicht wirklich zu beeindrucken.
„Die anderen Alchemisten, Herr“, antwortete Raffarin ungerührt. „Wir hatten Anweisung, sie auf keinen Fall lebend in die Hände Jestenburgs fallen zu lassen. So wie euer Mann da aussieht, schließe ich, dass zumindest einer der Männer drinnen in der Festung sich dieser Anweisung erinnerte.“
Selbst Nacht rann es bei diesen gleichmütigen Worten eiskalt den Rücken hinab.
„Soll das heißen, dass ihr versengten Arschlöcher sie alle umgebracht habt?“
„Ja, Herr, ich vermute, das soll es heißen. Ich war zwar nur gemeiner Soldat, aber ich habe gehört, wie die Offiziere darüber sprachen. Sie waren alle nicht glücklich damit, aber es waren die Befehle Seiner Gnaden.“ Die letzten paar Worte murmelte Raffarin nur. Bekam er plötzlich ein schlechtes Gewissen? Nacht steckte sich einen Strohhalm zwischen die Lippen.
„Führ uns hin“, befahl er dem Samaro knapp.
Sie folgten ihm hinab in die Eingeweide der Festung, in einen der zahllosen Kellerräume. Schon von weitem schlug ihnen der Geruch nach Blut und Exkrementen entgegen. Nacht zählte etwa ein Dutzend Alchemisten, die man allesamt auf einen Haufen geworfen hatte. Ein mächtiges, totes Knäuel von Körpern, Armen und Beinen, die Kehlen durchschnitten, die Bäuche durchlöchert von Stahl.
„Wie Hühner auf der Schlachtbank“, murmelte Raas düster und umrundete die Leichen langsam. Nacht drohte sich der Magen umzudrehen, doch er bezwang sich mühsam.
„Die hochrangigsten Alchemisten, auch Fullen, bestiegen vor ein paar Tagen ein Schiff nach Albastairn. Nur wenige blieben hier. Die waren scheinbar entbehrlicher als andere.“ Raffarin schien nicht sonderlich beeindruckt von dem, was er sah. Er fing einen fragenden Blick von Raas auf und zuckte mit den Achseln. „Von den Dingen, die ich auf dieser Insel gesehen habe, ist das eher das Harmloseste.“
Nacht nahm sich vor, möglichst bald nach dem Rest dessen zu fragen, was Raffarin gesehen hatte. Aufmerksam sah er sich nun in dem Raum um. Offensichtlich war dies eine Art Alchemistenküche. Überall zwischen den Leichen, auf einigen Tischen und Regalen fanden sich Tiegel, Mörser und Gefäße mit obskurem Inhalt. Zwei mächtige Holzschränke standen an der Wand gegenüber der Tür. Der Geruch nach Tod mischte sich mit dem Geruch verschiedener Chemikalien, von denen Schwefel, Vintrumium oder Salpeter noch die einfacheren waren.
Raas riss die Schränke auf. Einer von ihnen war mit einem stählernen Türchen verschlossen. Kurzerhand nahm der Söldnerkommandant seinen schweren Dolch aus dem Gürtel und brach mit einem heftigen Ruck das Schloss auf. Kaum schwangen die Türen zur Seite, hörte Nacht seinen Kommandanten scharf die Luft einsaugen. Bevor er fragen konnte, trat Raas einen Schritt beiseite und wies mit einem erleichterten Grinsen auf den Inhalt des Schrankes.
„Es wird die Principessa freuen, wenn du ihr das hier bringst.“
Im Schrank sah Nacht ein Zepter liegen.
* * *
Es war gut armlang, aus vergoldetem Rotholz mit einer hübschen, filigranen Greifenfassung an einem Ende, in der ein faustgroßer Rubin thronte. Solaritintarsien durchzogen den Griff und im Knauf waren dutzende heller Maillotte-Perlen unter einem Alabasterring verarbeitet. Die Insignien von Albastairn. Solarit und Alabaster. Der Rubin als Zeichen der Herrschaft. DeCulleons Zepter.
Raas wog es nachdenklich in seiner Hand. Der Kleine hatte mit wirklich all seinen Angaben recht behalten: der Zugang zur Insel, dass das Zepter hier zu finden war. Noch immer lag Vynns Körper mitten auf dem Hof der Festung im Schatten eines Zeltes. Er war notdürftig versorgt, eine Decke lag unter seinem Kopf und Grimstahl saß wie eine bärtiges Mütterchen daneben und ließ nicht zu, dass jemand den Verletzten unnötig bewegte. Bald würde das Lazarettschiff am Horizont auftauchen. Wenn vom Hauptturm weißer Rauch aufstiege, galt das Unternehmen als gelungen. Wenn nicht, sollten sie nach Jestenburg fahren und der Principessa Bericht erstatten.
Nun brannte auf dem großen Nordturm ein Feuer und sobald die Rauchfahne zu sehen war, warfen die Wachen ein Pulver in das Feuer. Heller Rauch wehte im Wind des aufziehenden Morgens über den Felsen von Casthil Rhygidor.
Nur knapp ein Dutzend Albastairner hatte den Kampf überlebt. Sie saßen in den Kerkern und würden sich einem Verhör unterziehen müssen. Sicher würde der ein oder andere von ihnen sich als Söldner eignen. Sofern sie das Verhör überlebten. Was mit den anderen geschah, musste Raas noch überdenken.
Wieder glitt sein Blick zu Vynn. Schütze Nacht, der die Beseitigung der Leichen beaufsichtigte, trat kurz neben Hauptmann Grimstahl. Und auch wenn die Entfernung zu groß war, um etwas zu verstehen, wusste Raas, dass Nacht gerade eine seiner beißenden Bemerkungen losließ.
Ein leises Lächeln glitt über das Gesicht des Kommandanten. Grimstahl und Nacht waren die wertvollsten seiner Männer. Im Kampf erfahren, Soldaten, auf die er sich seit vielen Jahren verlassen konnte. Grimstahls unwirsche Handbewegung verriet, dass er mit seiner Vermutung Recht gehabt hatte. Dabei war der zynische Nacht doch kaum anders als Grimstahl. Vor ein paar Jahren, als Grimstahl in Halgad von einem Schützen in die Brust getroffen worden war und einige Tage lang mit dem Tode rang, war Nacht nicht von seiner Seite gewichen.
Die Rauchfahne am Horizont riss ihn aus seinen Gedanken – die Antwort. Erleichterung stieg in ihm auf. An Bord des Schiffes sollten zwei Apothekarier und fünfzig Mann Verstärkung sein. Nach dem Vertrag, der Raas an die Principessa von Jestenburg band, gehörte diese Insel nun den Westmeersöldnern. Und damit würde Casthil Rhygidor etwas werden, das er sich schon sehr lange für sich und seine Männer wünschte: eine Heimstatt wohin sie sich zurückziehen konnten, weit weg von Jestenburg und der verdammten Politik, der sich auch Raas nicht immer entziehen konnte – insbesondere, wenn ein Händler sie anheuern wollte, der bei den Vendemeers in Ungnade gefallen war.
Sie waren seit Jahrzehnten gewohnt, für Geld in die Schlacht zu ziehen. Viele hatten ihr Leben für eine Sache gegeben, die nicht die ihre war. Auch heute wieder. Die Verluste waren hoch, für Raas' Geschmack zu hoch. Diejenigen, die noch auf den Beinen waren, sehnten sich an einen Ort, an den sie nach einem Kampf zurückkehren und etwas ruhen konnten. Söldner waren nur geduldet. Hatten sie ihre Aufgaben erledigt, wollten die feinen Herrschaften sie nur noch loswerden. Dann zogen sie sich zurück, schlugen ein Lager in irgendeinem Wald auf oder tauchten einzeln und in kleinen Gruppen in großen Städten unter, bis ihr Kommandant sie wieder zusammenrief. Das sollte nun ein Ende haben. Raas hakte eine Hand in seinen Schwertgürtel und stiefelte nachdenklich auf dem Wehrgang auf und ab.
Seit sie für die Principessa arbeiteten, hatte sich einiges für sie geändert. Raas besaß nun eine Inselfestung. In dem kleinen Hafen am Westufer der Insel lagen zwei Schiffe: ein kleiner, wendiger Segelschoner und eine Dampfbark. Die Bark war groß genug, um einen Teil seiner Truppen zu befördern, der schnelle Schoner konnte als Passagenschiff dienen. Er würde dafür Seeleute benötigen. Noch gab es einiges zu tun, bevor er sich darum kümmern konnte. Das Zepter musste zur Principessa gebracht werden. Die perfekte Arbeit für Nacht und Grimstahl.
Nicht weniger wichtig war die Frage, was mit dem Alchemistenkeller und vor allem den Kreaturen in den Käfigen geschehen sollte. Konnte er diese Monster einfach töten lassen?
Sergeant Teebart von der vierten Kompanie betrat den Wehrgang und grüßte.
„Kommandant, die Männer wollen wissen, was wir mit unseren Toten machen sollen. Sie wollen sie nicht einfach zu den anderen ins Meer werfen.”
Raas nickte und zuckte dann mit den Schultern.
„Es gibt hier nicht genug Holz für Scheiterhaufen. Der Boden ist zu felsig, um Gräber auszuheben.”
Der Söldner zögerte.
„Soll ich den Männern das so sagen?”
Raas lockerte seine Schultern, seufzte und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Sag ihnen sie sollen unsere Toten ordentlich aufbahren und in Leinen einnähen. Als wir unter dem Nordturm waren, habe ich ein paar kleine Seitenhöhlen bemerkt. Schick ein paar der Männer mit Licht hinunter, sie sollen diese Höhlen überprüfen.“ Er atmete tief ein und kniff die Lippen zusammen. Es war Zeit, dass sie aufhörten ihre Gefallenen wie Abfall zu beseitigen. „Wir bahren sie in diesen Katakomben auf, so dass sie auf Casthil Rhygidor ihre letzte Heimat finden, wie es ihnen gebührt. Sag das den Männern.“ Raas straffte sich. „Hat schon jemand unsere Verluste gezählt?”
„Ja, Kommandant. Dreißig Tote und sechzehn Verwundete. Davon einige sehr schwer. So wie dieser Kleine. Ich weiß nicht, ob unsere Heiler ihnen helfen können.”
Ein versengt hoher Preis. Raas sah über die Brüstung des Wehrgangs hinaus aufs Meer. Das Panzerschiff der Principessa hielt direkt auf die Insel zu. Auf seinem Fahnenmast wehte stolz das Banner Jestenburgs.
„Wenn das Schiff angelegt hat, sollen die Apothekarier sich sofort um die Verletzten kümmern. Wen sie nicht versorgen können, bringen wir auf das Schiff nach Jestenburg. Schick Schütze Nacht zu mir.”
Der Sergeant nickte und verschwand. Raas blieb allein zurück und blickte noch eine Weile finster auf das Westmeer hinaus. Dreißig Tote. Ein großer Teil seiner besten Männer. Was auch immer die Principessa mit diesem Zepter vorhatte, er hoffte für sie, dass es das wert gewesen war.