Читать книгу Der Krieg 1870/71 - Ferdinand Viebig - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Am 01. Januar 1909 musste ich aus Gesundheitsrücksichten verhältnismässig früh in den »wohlverdienten Ruhestand« treten, nachdem ich bereits seit dem 25. Juli 1908 beurlaubt war. Anfangs war das Ruhebedürfnis so vorherrschend, dass ich die gewohnte Arbeit kaum vermisste und mir die grosse Veränderung meiner Lebensverhältnisse kaum zum Bewusstsein kam. Jetzt aber, seitdem es mir körperlich besser geht, regt sich wieder der alte Tatendrang und ich will versuchen, mich schriftstellerisch etwas ausgiebiger zu beschäftigen. –
Im 40. Jahr nach dem Ausbruch des Krieges von 1870/71 beschloss ich auf Grund der Briefe, die ich damals an meine Eltern geschrieben und später von meiner Mutter zurückerhalten habe, meine persönlichen Erinnerungen an jene grosse Zeit soweit als möglich zu sammeln und zu ordnen. Dadurch traten aber allmählich auch andere Erinnerungen aus meinem früheren und späteren Leben hervor, und so bin ich im Februar 1910 in Lugano auf den Gedanken gekommen, die Bilder der Vergangenheit in weiterem Umfange festzuhalten und niederzuschreiben, so wie sie dem 62-jährigen jetzt erscheinen. –
Vieles ist inzwischen verblasst und manches erscheint im Laufe der Zeit vielleicht in verklärterem Licht der Phantasie, aber ich möchte wenigstens retten, was jetzt noch zu retten ist. Nicht, als ob ich ausserordentliche oder aussergewöhnliche Erlebnisse zu verzeichnen hätte, wie etwa mein väterlicher Freund und Gönner, der Oberlandesgerichtspräsident a. D. und Kanzler von Holleben (Anm. 1), der im Alter von 93 Jahren in Kassel verstorben ist und dessen hinterlassene Lebenserinnerungen sein zweiter Sohn, mein Jugendfreund H. von Holleben, Korvetten-Kapitän a. D. in Honnef mir freundlichst mitgeteilt hat. Ich schreibe weder Geschichte, noch einen Roman und denke nicht daran, meiner Schwester Klara (Anm. 2) ins Handwerk pfuschen zu wollen. Auch eine eigentliche Selbstbiographie liegt mir nicht im Sinn. Das überlasse ich bedeutenderen Männern und anspruchsvolleren Naturen. Ich schreibe überhaupt nicht für die Oeffentlichkeit, sondern nur für mich, für meine nächsten Angehörigen und allenfalls für einige besonders vertraute Freunde, und will einfach erzählen, was mir gerade einfällt und was mir selbst erzählenswert erscheint. –
Eine zusammenhängende Darstellung meines Lebens- und Werdeganges traue ich mir überhaupt nicht zu. Innere Wandlungen und Lebenserfahrungen, berufliche Betrachtungen und juristische Erörterungen scheiden gleichfalls aus. Die Fehler und Dummheiten die ich begangen habe, die bitteren Enttäuschungen, die auch mir nicht erspart geblieben sind, behalte ich für mich. Ich bin als richtiger Sohn meines Vaters zeitlebens ein ziemlich verschlossener Mensch gewesen, der intimere Gedanken und Gefühle nicht preis zu geben und zur Schau zu stellen liebt, und so wird es nun auch wohl bleiben. Sollte ich aber im Verlauf meiner Aufzeichnungen dennoch einzelne Streiflichter auf eigene Welt- und Lebensanschauungen fallen lassen, so möge man das nicht als Bekenntnisse einer schönen Seele, sondern als Entgleisungen eines eitlen Toren betrachten, der im Alter nicht mehr überall schweigen konnte, wo er vielleicht auch jetzt noch besser den Mund gehalten hätte. Im Allgemeinen genügt es mir, die kurzen Daten meiner Personalakten und der von mir nach meiner Verheiratung begonnenen Familienchronik durch diese losen Blätter zu ergänzen und dieses dürre Gerippe mit etwas mehr Blut und Leben zu erfüllen. –