Читать книгу Selbsthändig - Florian Bayer - Страница 10
Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren.
ОглавлениеDein Stil – und damit verbunden auch dein Portfolio – ergibt sich anfangs aus deinem Studium. Ich hätte auch gerne mal andere Sachen gemacht … Aber Kinderbücher, Drachen, Häschen, das ist das, was mir gefällt. Das muss man selber an sich feststellen. Die Kunst besteht darin, sich zu positionieren: Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren. Um den passenden zu finden, muss man sich genau fragen: Wo passe ich hin? Was mache ich gerne? Und dafür muss man den Markt genau beobachten und sich überlegen, wo man sich gerne sehen würde.
Und das ist besser, als bei allen Verlagen sein Glück zu versuchen?
Als ich das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse war, hatte ich meine Mappe prallvoll gefüllt mit allem was ich gezeichnet hatte und habe damit alle Verlage abgeklappert. Ich habe brutale Abfuhren erhalten. Und das ist etwas, was man bei der Sache nicht unterschätzen darf: Abfuhren beinhalten ein wahnsinniges Frustpotential. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen.
Beim nächsten Mal habe ich es genau andersherum gemacht, die Verlage genau ausgesucht und die Mappe für jeden Verlag individuell zusammengestellt. Das kam viel besser an.
Das Zusammenstellen einer Mappe ist alles andere als leicht.
Es ist gut, seine Mappe mal Leuten zu zeigen, deren Meinung man schätzt. Der Blick von außen kann viel helfen. Und es interessiert tatsächlich niemanden, ob du Aktzeichnungen in deiner Mappe hast. Man sollte auch kein komplettes Buch in seiner Mappe haben. Vielleicht so fünf Seiten davon. Ich hatte mein Diplombuch dabei, das schied sofort aus, da es 35 Seiten hatte und deswegen nicht verlegt werden könne. Das sind so ganz komische Kriterien. Denn darum ging es mir ja gar nicht, es sollte eine Arbeitsprobe sein. Aber als das wird es gar nicht wahrgenommen, sondern es wurde nur auf seine Verlegbarkeit hin abgeklopft. Da passt dann das Cover nicht ins Programm und der Text gefällt ihnen nicht. Obwohl das alles ja nie für diesen Verlag gedacht war. Verleger sind – wie Illustratoren – ein schwieriges Völkchen. Aber man kann Schwierigkeiten umgehen, indem man eben nur auszugsweise Bilder zeigt, den Text dazu weglässt und das ganze als ein nicht fertiges Projekt deklariert. Dann sehen sie es wieder als Arbeitsprobe. Man merkt daran schon, dass man sich den Verlag genau aussuchen muss. Die können oft nicht von einem Inhalt abstrahieren, der nicht ihrer ist. Das stellt für sie gleich ein Risiko dar.
SEE INSIDE: PIRATE SHIPS Jörg Mühle, 2007 Usborne
Wie sieht deine Mappe aus?
Ich benutze einen Hefter mit Klarsichthüllen. Da passen vierzig Seiten rein, von denen ich aber nur die Hälfte zeige. Daher ist der Hefter gut, ich kann auf der Messe ständig umordnen. Meine Bilder bringe ich ins Format und drucke sie alle in DIN-A4 aus.
Eine Mappe in DIN-A4 ist recht klein?
Ja, aber auf Messen ist sie mein Favorit. Dort sieht man andere mit riesengroßen Mappen herum laufen, aber ich erlebe die Messesituation als stressig und daher ist so eine kleine Mappe sexy und cooler. Das hat so etwas Beiläufiges und man kann mit ihr besser um einen Stand herumschleichen und die richtige Situation abpassen. Das hängt eng mit dem Auftreten auf Messen zusammen. Man sieht da so viele verzweifelte Gestalten, mit viel zu viel Material, die nicht aufhören können ihre Sachen zu zeigen – ich glaube, es ist besser, eher cool, erfolgreich und ein wenig desinteressiert zu wirken. Es hilft doch auch dem Selbstwertgefühl, wie ein Profi zu wirken und sich nicht zu prostituieren.
Man sollte am Anfang einer Messe den Verleger aufsuchen, dem man seine Mappe zeigen will. Am besten ist es, einen Termin zu vereinbaren. Für Verleger ist das ja auch schwierig, die sehen den ganzen Tag lang sehr viel Mist und müssen die ganze Zeit über höflich bleiben. Moni Port und Philip Wächter, zwei meiner Kollegen hier im Labor, haben mir in meinem ersten Jahr sehr damit geholfen, dass sie den Gelberg-Verlag auf mich vorbereitet hatten. Da waren sicher fünfzig Mappen so gut wie meine, aber von mir wusste Barbara Gelberg, dass ich komme, dass ich Moni und Philip kenne und hat vielleicht dadurch meine Mappe eine Minute länger angeschaut als die anderen. So habe ich einen meiner ersten Jobs bekommen.
Der Markt funktioniert nicht rational, sondern persönlich. Daher muss man immer rührig sein und ständig Präsenz zeigen: auf Messen, bei Illustratorentreffen und so weiter.
Die KINDERBUCHMESSE IN BOLOGNA ist zum Beispiel auch sehr wichtig. Dort hast du Verlage aus allen Ländern und so konnte ich, als es dort mit den deutschen Verlagen nicht geklappt hat, den Franzosen meine Mappe zeigen. Dort stach ich plötzlich heraus, als Deutscher, der französisch spricht. Stilistisch bin ich Frankreich auch sehr nahe und so wurde ich für die interessant. Die deutschen Verlage wollen oft nicht die ersten sein, die etwas von einem Unbekannten veröffentlichen – in Frankreich ist es genau umgekehrt. Seitdem arbeite ich sehr viel mit französischen Verlagen zusammen.
DIE INTERNATIONALE KINDERBUCHMESSE BOLOGNA, die weltweit einzige internationale Kinder- und Jugendbuchmesse findet alljährlich im April in Bologna (Italien) statt. Dort treffen sich Autoren, Illustratoren, Literaturagenten, Film- und Fernsehproduzenten, Verleger und Buchhändler, um Übersetzungsrechte zu kaufen, Lizenzverträge abzuschließen und neue Talente zu entdecken. 1.300 Aussteller aus 66 Ländern treffen dort auf fast 5.000 Fachbesucher.
Illustratoren haben die Möglichkeit kostenlos auf die Messe zu kommen, wenn sie bis Ende Oktober fünf Illustrationen aus den letzten zwei Jahren einreichen. Diese müssen nicht veröffentlicht worden sein. Wenn man Glück hat, wird man von der Jury für die Illustratoren Ausstellung auf der Messe ausgesucht.
Ein zentraler Punkt auf der Messe ist das „Literary Café“, in dem Vorträge gehalten werden, man Künstler treffen kann und auf Talentsucher stößt.
Was hast du in der Anfangsphase neben Messen zu besuchen noch gemacht?
Ich hatte gehört, dass es ganz interessant sein könnte, für Schulbuchverlage zu arbeiten. Ich konnte mir das gut vorstellen und wollte das gerne machen. In meiner Mappe hatte ich aber nichts, was in Schulbüchern so auftauchen könnte.
Also habe ich spezielle Arbeitsproben gezeichnet, die sich mit dem Umfeld Schule beschäftigt haben, wie zum Beispiel Klassenräume, Kinder an der Tafel, A wie Ameise, B wie Ball, und so weiter. Die Bilder schickte ich an einige Schulbuchverlage und die Resonanz war sehr positiv.
UN FANTOME DANS DE BEAUX DRAPS Jörg Mühle, 2004 Auzug aus dem Magazin „Moi je lis“ Milan presse
Wenn du heute mit einem Verlag zusammenarbeitest, hat sich in deinem Arbeitsablauf zu früher etwas geändert?
Nein, der Ablauf bleibt immer der gleiche, aber der Stress lässt nach. Ich war am Anfang von der ganzen Grundstimmung her ungeheuer gestresst. Das BRIEFING ist meistens sehr zurückhaltend. Man hat nur den zu illustrierenden Text und viel Freiheit. Wobei das mit der Freiheit nicht ganz stimmt. Ich weiß ja meistens, was die von mir erwarten. Manchmal ist es aber wiederum übergenau: auf einem Buchcover für zwölfjährige Mädchen muss die Titelheldin unbedingt wie vierzehn aussehen, damit sie das cool finden. Nach dem Briefing kommen die Skizzen und eine Präsentation in schwarz-weiß, danach die Absegnung und daraufhin die Reinzeichnung. Grobe Skizzen werden aber leider oft missverstanden. Wenn zum Beispiel manchmal ein paar Striche mehr als nötig zu sehen sind, heißt es schnell: „Die guckt ja so grimmig!“ Dabei ist das ja eigentlich völlig irrelevant; die können nicht unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Deswegen fertige ich inzwischen sehr konkrete Skizzen an. Das sind fast schon Reinzeichnungen.
BRIEFING ist die Information über alle erforderlichen Sachverhalte, die ein Illustrator oder eine Werbeagentur benötigt, um ein Angebot abgeben oder einen Auftrag ausführen zu können. Das Briefing beschreibt die Aufgabenstellung und enthält Informationen über Ziele, Zielgruppen, Konkurrenz, Wettbewerbsvorteile und Entwicklungen.
In Frankreich gibt es neben dem Lektor immer auch einen Artdirector. Der versteht auch die technischen Abläufe und dadurch ist mehr Kompetenz bei den Korrekturen vorhanden. In Deutschland fehlt der Artdirector, dort läuft alles über den Lektor, das ist manchmal schwierig.
Sind Korrekturen finanziell und zeitlich schwierig zu organisieren?
Buchverlage haben generell nicht so brutale Deadlines wie Zeitschriftenverlage. Aber für Magazine arbeite ich auch, und auch da will ich ja schon, dass der Kunde zufrieden ist. Dann setz ich mich auch mal ne Nacht hin. Finanziell laufen Korrekturen bei mir über eine Mischkalkulation.
Zum einen wechseln sich schnelle Aufträge mit langwierigen Aufträgen ab, die durch viele Korrekturen durch müssen, und zum anderen habe ich verschiedene Kunden: Bilderbuchverlage zahlen schlecht, Magazine besser.
Der Hochschulanzeiger für die Frankfurter Allgemeine ist sehr dankbar, der sichert mir ein festes Einkommen. Einmal im Jahr mache ich Werbung, die haben den besten Tagessatz, so um die 500 Euro. Im Editorialbereich bekommt man für kleine Illustrationen etwa 200 Euro, wenn es aufwendiger wird bis zu 400 Euro. Ich mach sehr viel kleine Jobs und achte darauf, dass ich keinen Leerlauf hab, so bekomme ich 3.000 bis 3.500 Euro im Monat, viel mehr geht auch nicht.
Machst du bei PITCHES mit?
Nein, das mach ich nicht mehr. Das ist so undankbar, das habe ich nur am Anfang gemacht und mir gedacht, das ist immerhin für die Mappe gut.
Es gibt viele unernste Pitches, man sollte wenigstens ein Ausfallhonorar verlangen. Manchmal weiß man nicht einmal, dass es sich bei der Anfrage um einen Pitch handelt, das ist dann bitter.
PITCH bezeichnet die Wettbewerbspräsentation, mit der eine Werbeagentur oder ein Illustrator im Kampf um einen Etat, Klienten oder Auftrag seine Konzepte beim potenziellen Kunden vorstellt.
Wie hast du den Schritt in die Selbstständigkeit erlebt?
Ich hab die Anfangszeit als sehr großen Stress empfunden. Ab wann hat man zum Beispiel keine Angst mehr, in den Urlaub zu fahren? Das traut man sich erst, wenn man sichere Kunden hat. Mit der Selbstständigkeit umzugehen, hat viel mit Disziplin zu tun. Und immer Disziplin zu bewahren fällt schwer. Vor allem das Anfangen einer Aufgabe ist so schwierig, da niemand einen dazu zwingt. Da geht so viel Zeit für Rumhängen und Zocken drauf. Eine andere Schwierigkeit ist der Ehrgeiz. Das Projekt muss mir unbedingt gefallen und ich muss durch jedes neue Projekt immer besser werden. Damit mache ich es mir auch schwer.
Es ist schon dunkel, als ich wieder auf die Straße trete. Ich fühle mich meinem Beruf schon einen ganzen Schritt näher. Diese Mischung aus Innenleben und Reflexion auf bestimmte Vorgänge im Berufsalltag haben mir ein klares Bild gezeichnet von dem, was mich vielleicht bald erwartet. Nicht alles scheint leicht zu werden, aber in Verbindung mit den fröhlichen Bildchen, die Jörg Mühles Arbeitstisch bedecken und seiner entspannten Art, habe ich das Gefühl, dass das alles zu bewältigen sein wird.
JIM LE COW-BOY ET COCHISE L’INDIEN Jörg Mühle, 2003 Editions Nathan