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B-Seite

Der Selbstbräuner hinterlässt einen bronzefarbenen Fleck auf seiner Handfläche und in seinem Gesicht einen gesunden Teint, um den man ihn nur beneiden kann. Der alte Mann streicht den Rest des Cremehäubchens auf die essentiellen Stellen und verreibt sie solange, bis seine Haut ölig glänzt. Dann setzt er sich die teure Sonnenbrille auf und legt sich mit dem Rücken auf sein Designer-Handtuch.

Der Baggersee glänzt wie ein makelloser Opal und strahlt mit dem alten Mann um die Wette. Die sanfte Brise verfängt sich im weißen Pelz auf seiner Brust und treibt ihm einen fischigen Geruch in die Nase, der nur entfernt an das Meer erinnert. Er ist ein wahrer Silberrücken. Ein Mann, der mit dem Alter zur Finesse gereift ist. Sein Bauch ist flach und definiert wie ein Waschbrett. Das hat er seinem angeregten Stoffwechsel zu verdanken. Andere Männer im selben Alter schieben einen Bierbauch vor sich her, während sich bei ihm nur ein dünner Speckrand abzeichnet.

Für sein Alter sieht er gut aus. Er hat fast perfekte Wangenknochen, Grübchen am Kinn, Lachfalten, vom Kieferchirurgen gerichtete Zähne.

Er weiß um sein Aussehen und das macht ihn eitel. Er versteht sich darin, seine Schokoladenseite zu betonen und Makel zu kaschieren.

Heute ist er auf der Suche nach einem schnellen Flirt. Vielleicht einem Quickie, in einer der Umkleidekabinen. Die viele nackte Haut, die die Frauen hier an diesem so wunderbar angelegten Sandstrand präsentieren, bringt sein träges Blut in Wallung. Der heiße Sommertag begünstigt seine Wollust umso mehr.

Gleichaltrige Frauen interessieren ihn nicht. Verschrumpelte Pflaumen mit fleckiger Haut findet er abstoßend. Besonders, wenn sie in Lappen von den mageren Gestellen hängen.

Er erspäht eine junge Frau in einem schwarzen, freizügig geschnittenen Bikini. Sie ist schlank und hat ihr goldenes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie beobachtet ein oder zwei Kinder, die auf einer schwimmenden Luftmatratzeninsel spielen. In der Hand hält sie ihr Handy und scrollt stetig von oben nach unten, während sie abwechselnd zu den Kindern und auf ihren Bildschirm schaut. Von Ringen (besonders welchen mit funkelnden Steinen) fehlt jede Spur. Er mutmaßt, dass es sich um eine alleinerziehende Mutter mit kleinen Kindern handelt. Genau sein Typ. Arme Frauen springen auf die finanzielle Sicherheit an, die er ausstrahlt.

Der Silberrücken entscheidet sich, die Initiative zu ergreifen. Er trägt eine weitere Schicht Selbstbräuner auf, schnappt sich sein Handtuch, wirft es sich leger über die Schulter und schreitet zu seiner blonden Göttin im kleinen Schwarzen. Er lächelt sie charmant an und lässt eine Reihe goldener Zähne blitzen.

»Darf ich Sie zu einem Aperol einladen, schöne Frau?«, fragt er mit einer Stimme, die klingt, als hätte sie Bourbon über Jahrzehnte glatt gerieben.

Der jungen Frau entgleisen alle Züge. Ihr Gesicht verwandelt sich in etwas hässliches.

Neben der Frau taucht ein Mann auf. Er ist muskulös und tätowiert.

»Das ist mein Verlobter!«, sagt die Frau. Der Mann verschränkt die Arme. »Und er mag es gar nicht, wenn mich Männer anbaggern. Besonders nicht so alte Säcke wie du! Verpiss dich, du verschrumpelte Orange!«

Das tätowierte Alphatier grunzt nur, doch das genügt. Der Silberrücken zieht seinen Schwanz ein und flieht. Da hat er sich ordentlich verschätzt. Und au, das schmerzt.

Er nimmt sein Handtuch und legt sich ein Stück weiter weg in die Wiese, an einen Platz, von dem aus er die Frau im Blick hat, sie aber ihn nicht sehen kann.

Der Silberrücken ballt die Fäuste, bis die Knöchel weiß werden. Er beschließt, sich diese Behandlung nicht gefallen zu lassen. Sein Magen drückt. Das sind die Jakobsmuscheln, die er gestern zu Abend gegessen hat. Sie waren delikat, aber wie jedes Mal bringen sie seine Verdauung durcheinander.

Er kann nicht einfach in ihre Tasche scheißen. Dafür ist der Trubel hier am Strand zu groß. Doch sich den Arsch abwischen und der Frau das dreckige Toilettenpapier in die Tasche stecken. Das liegt im Bereich des Möglichen.

Der Blick in ihrem Gesicht wäre Balsam für sein verletztes Ego.

Zuerst trägt der Silberrücken noch eine weitere Schicht Selbstbräuner auf. Als Glücksbringer, sozusagen. Die Vorstellung, der Frau eins auszuwischen, lockert die Ringmuskeln am Anus.

Der alte Mann steht auf, schlendert zur Toilettenanlage und bereitet seine Überraschung vor.

Jetzt heißt es, den richtigen Moment abzuwarten. Er beschließt, derweil seinen Bronzepanzer perfekt zu machen. Als er an sich herabblickt, blendet ihn die Reflexion der Sonne auf seiner Haut.

Er ist zufrieden. Der Silberrücken setzt sich eine Sonnenbrille auf, legt sich so auf den Rücken, so dass er die Frau im Blick hat, döst vom weißen Rauschen der Badefreudigen ein und stirbt.

Die Rettungskräfte, die viel zu spät anrücken, sind ratlos. Erst die Autopsie bringt die Todesumstände ans Licht. Eine chemische Reaktion auf seiner Haut hat Allergene erzeugt, die einen anaphylaktischen Schock ausgelöst haben. Grund dafür war eine Substanz in dem aus den USA importierten Selbstbräuner, die mit geringen Mengen Chlor reagiert hatte.

Alle Wiederbelebungsmaßnahmen waren erfolglos geblieben. Der Mann hatte sich derartig dick eingecremt, dass er wie aus einem Bronzeguss wirkte. Das Gift hatte einen fettigen Film aus Glitzerpartikeln auf seiner Haut gebildet.

Um seine Beisetzung musste sich ein vom Staat beauftragter Mündiger kümmern. Der Mann hatte keine Angehörigen hinterlassen.

Seine kleine Überraschung ist unentdeckt geblieben.

Aperitifs

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