Читать книгу Milten & Percy - Das Schloss der Skelette - Florian C. Booktian - Страница 9
Оглавление4
Percy parkte seinen Mustang hinter dem Polizeigebäude und huschte durch den Eingang ins Innere. In seinen Pfoten hielt er eine Tüte Chips, und auf dem Rücken trug er einen kleinen Rucksack, in dem sich eine Stange Zigaretten befand und ein Discman, der die Bügelkopfhörer auf seinem Kopf mit Musik versorgte.
„Guten Morgen, Percy“, rief eine alte Frau in Uniform und knallte einen Stapel Akten auf den Empfang.
Percy winkte ihr mit einem Chip in der Pfote zu und drängte sich in den vollen Aufzug. Sein Vorgesetzter hatte ihn zu sich bestellt, und angesichts der Geschehnisse des letzten Abends konnte das nichts Gutes bedeuten. Nicht dass es Percy sonderlich interessiert hätte. Er hatte eine volle Tüte Chips, gute Musik und die Stange Zigaretten, die er dem Bierbäuchigen als Wiedergutmachung abgenommen hatte. Für ihn war die Welt im Hier und Jetzt völlig in Ordnung. Und letzte Nacht hatte er mehr Schlaf bekommen als in allen Wochen zuvor. Fünf volle Stunden, zwar nicht allzu gemütlich, aber dafür erholsam. So gut wie jetzt war es ihm schon lange nicht mehr gegangen, und wenn man ihn feuerte, würde er erst mal Urlaub machen.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich, und Percy stapfte durch das Meer aus Geräuschen, die für Verwaltung und Polizeiarbeit standen. Schreibmaschinen, die von alten Beamten bearbeitet wurden, die sich einfach nicht mit Bildschirm und Kabel anfreunden konnten, unanständige Witze, die gerissen, und Unterlagen, die von einem zum anderen Tisch getragen wurden. Heute bekam er von dem allen nichts mit, denn alles, was er hörte, war ELOs „Confusion“.
Percy trat die Türe zu seinem Vorgesetzten auf, der gerade telefonierte, und nahm, genüsslich den nächsten Chip verspeisend, auf einem Stuhl Platz.
„Was gibt’s, Chefchen?“, sagte er, streifte seine Kopfhörer ab und erntete einen grimmigen Blick von seinem telefonierenden Captain. Mit angespanntem Mundwinkel schüttelte der den Kopf und seine Geste sagte deutlich: Was hast du dir dabei nur gedacht?
Percy zuckte mit den Schultern und griff in die Tüte mit den Chips.
„Snack?“, fragte er und bot seinem Gegenüber einen Chip an.
Der Chip wurde ihm aus der Pfote gerissen und der angespannte Mundwinkel wurde zu einem flüchtigen Lächeln. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber lange genug, damit Percy erkannte, dass er sich nicht in ernsthaften Schwierigkeiten befand.
Sein Vorgesetzter war ein zierlicher kleiner Mann mit Halbglatze und Hornbrille, der stets im Anzug auftrat und sein Temperament ebenso gut zu kontrollieren wusste wie seine Angestellten. Er war weder streng noch nachgiebig, sondern der Typ, der sich nicht zu schade war, auch mal selbst mit anzupacken. Und das auch, wenn es nur darum ging, Möbel zu verrücken oder die Post zu verteilen. Sein Name war Captain Joe Thursday und er war mächtig in Ordnung.
„Da hast du dir ganz schön was geleistet“, sagte der Captain und klopfte die Chipskrümel von seiner Krawatte. „Wenn dein Ruf nicht so gut wäre, müsste ich dich entlassen und an dir ein Exempel statuieren.“
„Keine Konsequenzen?“, fragte Percy und baumelte mit den Füßen. Er hatte dem Bierbäuchigen zwar den Wagen zerschossen, aber penibel darauf geachtet, dass dem Typ selbst nichts passierte. Anschließend hatte er ihm noch die Leviten gelesen, und zwar gründlich. Die Stange Zigaretten hatte ihm der Bierbäuchige fast hinterhergeworfen.
Der Captain machte eine ablehnende Geste und schüttelte den Kopf. „Ach was, nicht wirklich. Ich sehe doch, was dir fehlt: Urlaub.“
„Perfekt“, sagte Percy und sprang auf. „Dann sehen wir uns in zwei Wochen wieder, und ich fahre nach Hause und schau mal, was meine Familie so treibt.“
Percy lief Richtung Tür, als die Worte seines Captains ihn erstarren ließen.
„Es gibt keinen Urlaub.“
„Wie bitte?“, sagte Percy, ließ die Chipstüte fallen und fuhr herum. „Was soll das heißen, kein Urlaub?“
„Es ist Sommer. Die halbe Abteilung befindet sich bereits im Urlaub. Zwei meiner Detectives sind krankgeschrieben, das Personal, das sie ersetzen soll, ist immer noch nicht eingetroffen, und wir versinken in Arbeit.“
„Was interessiert mich das?“, sagte Percy und hüpfte demonstrativ auf die Chipstüte, die sich über den Boden ergoss. „Ich habe keinen triftigen Grund gehört, warum ich hierbleiben sollte“, sagte er und verschränkte die Arme.
„Percy, ich brauche dich. Ich habe einen neuen Fall für dich. Und noch etwas …“, sagte er mit leiser Stimme.
Percy kniff die Augen zusammen und ging auf den Schreibtisch zu. „Was soll das heißen, noch etwas?“
„Das Departement hat ein Praktikantenprogramm aktiviert. Wir brauchen dringend neue Leute, und Freiwillige gibt es kaum. Der ganze Nachwuchs hat entweder nichts drauf oder wird innerhalb kürzester Zeit auf Gnaa von Daseinsformen gefressen, die ich kaum aussprechen kann. Und deshalb bekommst du …“
„Nein!“, sagte Percy energisch. „Bitte nicht.“
„Du bekommst einen Praktikanten an die Backe.“
Joe Thursday hob das Telefon, tätigte einen schnellen Anruf und kurz darauf kam ein junger Mann ins Zimmer gelaufen. Seine Haare waren nach hinten gegelt, und allein seine Beine waren schon einen Meter lang. Hinter seinem Ohr lugte ein Bleistift hervor und an seinem Gürtel war ein Halfter befestigt, in dem sich ein Notizbuch befand. Abgerundet wurde das Erscheinungsbild von einer eng sitzenden Weste über einem weißen Hemd.
Mit großen Augen schaute er Percy freundlich an. „Guten Tag, mein Name ist Milten Greenbutton. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte Milten und winkte Percy freundlich zu.
„Ne, oder?“, sagte Percy zu seinem Captain. „Das kann nicht dein Ernst sein?“
„Milten hier ist ein begabter Erfinder, er hat bei Professor Charles P. Notlob gelernt und möchte sich jetzt bei der Polizei umsehen, um neue Ideen zu entwickeln und uns mit nützlicher Technik zu unterstützen. Damit ist er zwar kein direkter Anwärter, aber kann trotzdem dazu beitragen, unsere Polizeiarbeit effizienter zu gestalten. Oder etwa nicht, Milten?“
„Aber sicher doch, Sir, ich werde mein Bestes tun“, sagte der und salutierte.
Joe Thursdays Schnauzer verdeckte seine lächelnde Oberlippe.
Percy kramte in seinem Rucksack und zog die Stange mit den Zigaretten hervor. Er riss das Verpackungspapier ab, legte eine Schachtel frei und steckte sich eine Zigarette an.
„Wenn du etwas Sinnvolles erfinden willst, wie wäre es dann mit einem Roboter, der Papierkram ausfüllt?“, schlug Percy vor.
„Oh! Oh!“, machte Milten und zog sein Notizbuch aus dem Halfter. Blitzschnell hatte er den Bleistift hinter seinem Ohr gezogen und begann zu notieren.
Percy schaute zum Captain hinüber und deutete auf Milten, als wolle er sagen: Schau dir mal den an, was für ein Trottel.
„Greenbutton“, sagte der Captain in ernstem Ton. „Stecken Sie Ihr Notizbuch weg. So funktioniert das nicht. Dafür müsste der Zuständige zuerst dem Roboter die Informationen füttern, da kann derjenige genauso gut selbst die Papiere ausfüllen.“
Milten schaute von seinem Notizbuch auf und klappte es zu. „Sie haben recht. Aber an der Idee könnte man arbeiten. Man müsste den Roboter bei sich tragen, oder ein Teil von ihm, der die Informationen sammeln und kategorisieren könnte, um später …“
„Milten?“, sagte Percy.
„Ja, Sir?“
„Erstens: Mein Name ist Percy und wir sind per du. Verstanden?“
„Natürlich, Percy.“
„Zweitens … Hörst du mir zu, Milten?“
„Natürlich.“
„Gut. Dann halt jetzt die Klappe. Sei so nett. Wir kennen uns beide noch nicht gut genug, als dass ich die Lust aufbringe, dein Gefasel zu ertragen.“
Milten verstummte und ließ sein Notizbuch wie einen Revolver in seiner Handfläche kreisen, bevor er es zurück in den Halfter steckte. Mit dem Blick auf den Boden gerichtet kehrte auch der Bleistift zurück hinter sein Ohr. Das war das erste Mal, dass Percy diesen Handgriff bei einem Notizbuch sah, und ob er es zugeben wollte oder nicht, er war beeindruckt.
„Wie lange muss ich den mit mir herumschleppen?“, fragte Percy.
„Drei Monate.“
Percy seufzte. Dann musterte er den großen Erfinder und kratzte sich am Nacken. Der große Typ konnte ihm durchaus von Vorteil sein. Wenn es zu einer Schießerei kam, konnte er sich hinter ihm verstecken. Im schlechtesten Fall würde ihn der Große so richtig in die Kacke reiten und alleine darin zurücklassen. Die Frisur und Cordhose schrien nicht gerade nach Erfahrung, vielmehr flüsterten sie: „Weltfremd.“ Percys Blick wurde gerade ernster, als ihn Milten mit seinen großen Augen anstarrte. Die Augen des Erfinders bettelten ihn um seine Hilfe an und versprachen ihm gleichzeitig, dass er, Percy Meercat, sein wahrer Held war. Entweder das oder sein urlaubsreifes Erdmännchenhirn spielte ihm inzwischen böse Streiche. So oder so, er ließ sich erweichen.
„Na gut. Ich nehme ihn. Glaub aber bloß nicht, dass ich ihm sein Frühstück bezahle und ihm abends eine Gutenachtgeschichte vorlese.“
„Das war kein zur Debatte stehender Vorschlag“, sagte Joe Thursday.
„Ich hab doch schon gesagt, dass ich einverstanden bin.“
Der Captain schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand genervt über das Gesicht. „Also gut“, sagte er. „Hier ist dein neuer Fall.“ Er reichte Percy eine Akte, die er unter den Arm nahm. „Der Butler der Familie Brownstone ist verschwunden und es hat sich viel Merkwürdiges ereignet. Aber das seht ihr ja dann selber. Pass auf Milten auf, ja?“
Percy warf einen Blick auf die Akte, die nicht nur brandneu, sondern so gut wie leer zu sein schien.
„Versprochen“, versicherte Percy und dachte sich: ‚Mir doch egal, wenn der hopsgeht.‘
„Macht euch auf den Weg“, sagte der Captain, nahm sein Telefon vom Hörer und war auch schon in das nächste Gespräch vertieft.
„Milten“, sagte Percy.
Der hielt immer noch brav den Mund und wartete auf die nächste Ansage. Percy schwieg ebenfalls einen Moment, denn er wollte sehen, ob der lang gewachsene Erfinder gleich wieder losquatschte. Doch der hielt brav an sich, und das machte ihn gleich ein wenig sympathischer.
„Erlaubnis zu sprechen erteilt“, sagte Percy.
„Ja?“
„Folge mir, Milten“, sagte Percy und legte seinen Rucksack um. Mit der Akte unter dem Arm lief er zwischen der Allee aus Schreibtischen hindurch und widmete der Akte keine weitere Aufmerksamkeit.
„Hast du schon eine erste Idee, was wir jetzt machen?“
„Die habe ich“, sagte Percy und warf die Akte in einen blechernen Mülleimer. Seine Kippe schleuderte er direkt hinterher. Das bis oben hin mit Papier gefüllte Behältnis fing sofort Feuer.
Milten machte große Augen, während Percy absolut gelassen blieb und sich die nächste Zigarette anzündete.
„Wir zwei machen jetzt Urlaub“, verkündete Percy mit einem breiten Grinsen.
„Aber was ist mit dem Fall? Der verschwundene Butler. Die Familie Brownstone!“
„Milten, was ist das Wichtigste, was wir in unserem Leben haben?“
„Unsere Gesundheit?“
„Ganz richtig“, sagte Percy und schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Fußboden.
„Und auf die gilt es zu achten. Ich bin kurz davor, Ringe unter den Augen zu bekommen.“
Darüber musste er kurz selbst lachen, dann fuhr er fort. „Mir tut der Rücken weh, ich hab schon ewig nicht mehr in einem richtigen Bett geschlafen. Und ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas Vernünftiges gegessen habe.“
„Essen Erdmännchen nicht hauptsächlich Insekten?“
Percy rollte mit den Augen und schleuderte seine Zigarette in das Feuer. Mit festem Schritt marschierte er auf den Aufzug zu.
„Man kann davon leben. Aber sie schmecken beschissen. Ein ordentlicher Burger oder ein Steak sind da viel mehr mein Ding.“
Hastig stakste Milten hinter Percy her. „Ich glaube nicht, dass es dem Captain gefallen würde, wenn wir uns einfach irgendwohin verkrümeln.“
Percy machte Halt und drehte sich um. „Mir doch egal oder bist du ne olle Petze?“
„Nein … Niemand mag eine Petze.“
„Ganz richtig, Milten. Du bist eben doch ein kluges Kerlchen“, spottete Percy und drückte den Knopf für den Aufzug. „Ich glaube, wir werden ganz gut miteinander auskommen. Meinst du nicht auch?“
Milten wollte gerade Widerworte geben, aber da stellte sich ihm die Frage, was er schon zu verlieren hatte? Er wollte Zeit mit einem Detective verbringen. Und den konnte er genauso gut mit seinen Fragen löchern, wenn er im Urlaub war. Also folgte er Percy in seinen Wagen.
Als sie in Percys altem Mustang saßen und Milten sich sofort hastig anschnallte, begann Percy draufloszusprechen. „Ich suche einen abgelegenen Ort, an dem man schön Urlaub machen kann.“
Milten schaute sich um. Hatte Percy etwa mit ihm gesprochen?
„Ich empfehle dir Sharpytown. Ein kleiner Ort mit wenigen Einwohnern, der neben seiner Buntstiftproduktion für seine Gastfreundschaft bekannt ist“, sagte eine weibliche Stimme in verführerischem Ton.
„Wer war das?“, fragte Milten verdutzt.
„Das Auto“, sagte Percy.
„Das Auto kann sprechen?“
„Nicht das Auto, sondern Google. Du weißt schon, die Software, die im Bordcomputer steckt.“
„Google baut Software für Autos?“
Percy verzog seine Augenbrauen zu einem zweifelnden Blick. „Natürlich, du Erfinder. Google steckt in allem. Mikrowellen, Bügeleisen, Autos, Fahrrädern sogar in Kinderwägen und Toiletten.“
Percy wartete kurz ab, aber Milten schien keine gescheite Antwort einzufallen.
„Mustang“, sagte Percy.
„Ja, Percy?“, sagte die verführerische Frauenstimme.
„Berechne die Route nach Sharpytown. Dieses Erdmännchen besorgt sich jetzt ein Malbuch und ein paar Buntstifte. Und wer weiß“, sagte Percy und zwinkerte Milten zu, „vielleicht findet sich dort auch jemand, der sich zum Kuscheln eignet. Könnte dir auch mal guttun, so steif, wie du mit deinem Anschnallgurt da sitzt.“
„Aber … der Fall!“, versuchte es Milten ein letztes Mal.
„Milten, wir zwei spannen jetzt total aus. Keine Leichen, Diebe, Handlanger oder kriminellen Aktivitäten für die nächsten Wochen. Weißt du auch warum?“
„Ur-laub?“, stotterte Milten nervös.
„Verdammt richtig. Urlaub. Los geht’s, Baby!“, rief Percy und trat das Gaspedal durch.