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ОглавлениеDer Apostel
Bericht von Joseph Kiener (28), aus Oberpfaffing
Wenn etwas irgendwo geschrieben steht, ist es immer die Wahrheit. Das hat der Oberpfaffinger Pfarrer zumindest gesagt. Damals als ich ihn im Kommunionsunterricht gefragt habe, ob der Jesus wirklich über das Wasser gelaufen ist oder ob das nur eine ausgedachte Geschichte ist. Lügen, hat er gesagt, stehen normalerweise nicht geschrieben. Alles ist wahr, wenn es niedergeschrieben worden ist. Und wenn derjenige sich auch noch besonders gut auskennt oder sogar selbst dabei war, wie zum Beispiel ein Apostel beim Jesus, dann kann man wirklich sicher sein, dass es wahr ist. Alle Kommunionkinder haben gehört, dass er es gesagt hat.
Neulich habe ich mich wieder daran erinnert, als wir beim Wirt saßen und alle mir zugehört haben. Als ich mal wieder meine Geschichte erzählt habe. Wie immer hat der Wimmer die Nase gerümpft und gesagt, dass das ja ein schönes Märchen sei, aber glauben müsse er es noch lange nicht. Dazu könne ihn niemand zwingen. Auch nicht wenn alle anderen daran glaubten. Der Wimmer hat schon den richtigen Namen für sein ewiges Gejammer. Von wegen »die da oben« und »die lügen uns doch dauernd nur an« und »die bescheißen uns, wo sie nur können.«
Also, habe ich mir gedacht, schreibst du alles auf, was damals passiert ist. Nicht dass ich so ein besonders guter Schreiber wäre. Aber ich bin jemand, der sich besonders gut auskennt. Also quasi ein Apostel, was meine und Ipis Geschichte, die vom Schwarzbuben, der Elsi, dem Engel und allen betrifft.
Alle beim Wirt haben mir immer gerne zugehört, wenn ich darüber erzählt habe, also werden es auch alle gerne lesen, wenn ich es genauso aufschreibe. Und alle werden wissen, dass es wahr ist, was ich ihnen erzählt habe. Weil ich es aufgeschrieben habe und es in einem Buch steht. Da kann nicht einmal mehr der Wimmer dran rütteln.
Vieles davon ist schon in den Schulheften, die ich die ganze Zeit mit mir herumgetragen habe. Aber halt nur als Notizen und Stichworte. In meiner schlechten Handschrift und ohne die richtigen Schreibgeräte. Oft hatte ich ja nur einen rußigen Zweig oder eine gefundene Feder und in Wasser aufgelösten Ruß als Tinte. Und es war auch keine zusammenhängende Geschichte in meinen Heften. Meistens nur Sätze, die ich von Leuten gehört oder aufgeschnappt habe. Manchmal auch ganze Ereignisse, damit ich sie nicht vergesse und mich immer genau daran erinnern kann, wie es gewesen ist. Weil, wie gesagt, aufgeschrieben ist es die Wahrheit, erzählt ist es nur eine Geschichte. Obwohl: Ein Heft ist kein Buch.
Und ich habe den Schwarzhansi gebeten, seine Geschichte auch aufzuschreiben. Dann ist es schon zweimal wahr. Weil sich unsere Geschichten überschneiden. Er hat es mir dann auch geschickt. Aber er kann das richtig schlecht mit dem Geschichtenerzählen und dem Aufschreiben. Unverständlich sozusagen. Er ist ja schließlich auch erst ein Bub. Deshalb habe ich seine Texte nicht alle übernommen. Sondern nur die Teile unserer Geschichte, die ich noch nicht gekannt habe und deshalb nicht selber aufschreiben konnte. Oder nicht so gut. Und ich habe alles so geändert, dass man es auch lesen mag. Ich zumindest. Und so dass es zu meinem Teil der Geschichte passt.
Den Hinterwald habe ich gefragt, den Teufel und den Alto Mayer, den Mann von der Zeitung, die alte Walmgruberin und noch ein paar andere. Alle, von denen ich wusste, wo sie waren und wie ich mit ihnen in Verbindung treten konnte. Manche haben selber was geschrieben, manche haben mir ihre Erlebnisse erzählt und ich habe mitgeschrieben. Manche haben gar nicht erst auf meine Anfrage reagiert.
Der Engel hat sogar ein paar Dokumente von den Behörden aufgehoben und mir Abschriften davon angefertigt. Der Zeitungsmann hat sowieso alles aufgehoben, was er hatte. Das liegt denen im Blut. Sammeln und aufheben. Zeitungsartikel, Dokumente, Briefe. Ein paar Sachen waren mir neu und ich habe sie natürlich hier mit aufgenommen.
Den Dobler habe ich auch gefragt. Aber der hat nicht richtig mitmachen wollen. Der war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Beleidigt irgendwie.
Weil mit der Geschichte vom Johann Schwarz und vom Benno Sailler auch meine anfängt, habe ich seine Erzählung auch ganz an den Anfang gestellt.