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2. Individualarbeitsrecht
ОглавлениеDas kirchliche Individualarbeitsrecht weist insbesondere in Bezug auf die Personalauswahl, bei der Festlegung spezifischer Loyalitätsobliegenheiten und – damit verknüpft – innerhalb des Kündigungsrechts Besonderheiten auf. Die damit verbundenen Rechtsfragen werden in den nachfolgenden Darstellungen erörtert. Dabei ist vorauszuschicken, dass sich das Meinungsbild in diesem Bereich nach einer wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1985 zunächst gefestigt hatte. Nach der Jahrtausendwende flammte die rechtswissenschaftliche Debatte – maßgeblich bedingt durch europarechtliche Vorgaben in Gestalt der Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG und durch Rechtsprechung des EGMR zum deutschen kirchlichen Arbeitsrecht – wieder auf. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 bestätigte das Bundesverfassungsgericht zwar seine knapp dreißig Jahre zuvor ergangene Entscheidung, doch war die damit herbeigeführte Rechtssicherheit äußerst kurzlebig. Initiiert durch zwei vom BAG eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren hat der EuGH in jüngerer Vergangenheit zwei Urteile erlassen, die mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen brechen. Wie das Bundesverfassungsgericht darauf reagieren wird, ist noch ungewiss.
Dieser kurze chronologische Abriss macht bereits deutlich, dass das gegenwärtige deutsche kirchliche Individualarbeitsrecht maßgeblich durch einen Konflikt zwischen nationalem Verfassungsrecht und Europarecht geprägt ist. Nachfolgend soll daher zunächst der vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vermittelte Schutz dargestellt werden, wie er insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und bei einer arbeitgeberseitigen Sanktionierung als Reaktion auf deren Verletzung konkretisiert wurde (a). Dem sind in einem zweiten Schritt die Einwirkungen des europäischen Rechts gegenüberzustellen (b).