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Schäferstündchen mit tödlichem Ausgang
Judit und Holofernes

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Die folgende Geschichte ist nichts für zarte Gemüter. An ihrem Ende steht die Enthauptung eines mächtigen Mannes durch eine schöne Frau. Um ihr Ziel zu erreichen, setzt diese vor allem ihren scharfen Verstand und ihre makellose Schönheit ein. Doch auch die einschläfernde Wirkung maßlosen Weinkonsums kommt ihr zugute.

Zu jener Zeit befanden sich die Israeliten in einer schwierigen Lage. Sie hatten den Zorn des mächtigen Assyrerkönigs auf sich gezogen. Dieser hatte seinen Feldherrn Holofernes nach Juda geschickt, um die Israeliten zu bestrafen. Doch Judit, eine fromme Frau aus der kleinen Stadt Betulia, wird ihm zum Verhängnis. Gehüllt in verführerische Gewänder, gelingt es ihr, sich Zutritt zum Lager von Holofernes zu verschaffen. Scheinbar bereit, ihm zu Willen zu sein, kommt sie abends in sein Zelt, wo er mit einigen Vertrauten ein Trinkgelage veranstaltet. Zu vorgerückter Stunde ziehen sich die Kumpanen von Holofernes diskret zurück, um dem vermeintlichen Glück des Feldherrn nicht im Weg zu stehen. Doch es kommt ganz anders. In seiner Vorfreude trinkt Holofernes einen Becher nach dem anderen, bis er schließlich völlig berauscht die Kontrolle über sich verliert und von Müdigkeit übermannt wird – von einer Müdigkeit, die für ihn tödlich sein wird. (Judit 12,10–13,11)

Holofernes veranstaltete ein Trinkgelage im engsten Kreis seiner Vertrauten. Von den Männern, die sonst bei seinen Gelagen dabei waren, durfte keiner teilnehmen. Dem Eunuchen Bagoas, der mit den persönlichen Angelegenheiten des Feldherrn betraut war, sagte er: »Geh zu der hebräischen Frau, für deren Wohlergehen ich dich verantwortlich gemacht habe. Überrede sie, zu uns zu kommen und mit uns zu essen und zu trinken. Es wäre ja eine Schande für uns, wenn wir ein solches Prachtweib laufen ließen, ohne mit ihr zusammen gewesen zu sein. Wenn wir sie uns nicht nehmen, lacht sie uns noch aus!«

Also ging Bagoas zu Judit und sagte zu ihr: »Schönes Mädchen, komm mit hinüber zu meinem Herrn, zögere nicht! Es ist eine große Ehre für dich! Du sollst heute mit uns trinken und fröhlich sein und den Assyrerinnen gleich werden, die im Palast Nebukadnezzars leben und ihm zu Dienst stehen!«

Judit antwortete: »Wie könnte ich meinem Herrn etwas ausschlagen? Ich bin bereit und tue alles, was er sich wünscht. Die Erinnerung an diese Nacht wird mich mit Jubel erfüllen bis zum Tag meines Todes.«

Judit stand auf und legte ihr Festkleid und ihren ganzen Schmuck an. Ihre Dienerin ging voraus ins Zelt des Feldherrn und breitete Holofernes gegenüber die Teppiche auf den Boden, die Judit von Bagoas erhalten hatte und auf denen sie ihre Mahlzeiten zu sich nahm. Dann ging Judit hinein und nahm auf ihnen Platz.

Holofernes’ Herz schlug schneller bei ihrem Anblick; sein ganzes Inneres geriet in Aufruhr und er war gierig danach, sie zu besitzen. Seit dem Tag, an dem er sie zum ersten Mal sah, hatte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, sie verführen zu können.

»Komm, trink mit uns, damit du fröhlich wirst!«, sagte er zu ihr und Judit antwortete: »Ja, Herr, trinken will ich; denn noch nie in meinem Leben bin ich so geehrt worden wie heute!« Sie griff zu und aß und trank unter Holofernes’ Augen, was ihre Dienerin ihr zubereitet hatte. Holofernes aber kam durch Judits Anblick immer mehr in Stimmung und trank so viel Wein, wie er noch nie in seinem Leben an einem Tag getrunken hatte.

Zu vorgerückter Stunde beeilte sich die Dienerschaft des Feldherrn, das Zelt zu verlassen. Bagoas schloss es von außen, damit die Diener ihren Herrn nicht stören konnten. Alle gingen schlafen, müde von dem ausgedehnten Gelage. Judit allein blieb im Zelt bei Holofernes zurück. Er selbst lag völlig betrunken auf seinem Bett. Judit hatte ihrer Dienerin die Anweisung gegeben, vor dem Zelt zu warten, bis sie herauskäme; denn sie wolle wie an jedem Morgen vor das Lager hinausgehen, um zu beten. Dasselbe hatte sie auch Bagoas gesagt.

Alle hatten sich also entfernt. Im Zelt waren nur Judit und Holofernes zurückgeblieben. Judit stand an Holofernes’ Bett und betete still: »Herr, du Gott, dem alle Macht gehört! Blicke jetzt gnädig auf mich und gib deinen Segen zu dem, was meine Hände zur Rettung und Verherrlichung Jerusalems tun werden! Die Stunde ist da, dass du deinem Volk hilfst und ich meinen Plan ausführe. Die Feinde sollen vernichtet werden, die sich gegen uns erhoben haben!«

Dann ging sie zum Kopfende des Bettes, auf dem Holofernes lag, und nahm sein Schwert, das dort am Bettpfosten hing. Sie trat an ihn heran, fasste seinen Kopf bei den Haaren und sagte: »Herr, du Gott Israels, mach mich stark an diesem Tag!« Dann hieb sie zweimal zu, so fest sie konnte, und schlug Holofernes den Kopf ab. Sie wälzte seinen Körper vom Bett auf die Erde und riss das Mückennetz von den Stangen. Schnell verließ sie das Zelt und gab draußen den abgeschlagenen Kopf ihrer Dienerin. Die steckte ihn in ihren Proviantsack.

Darauf machten sich die beiden Frauen auf den Weg, als ob sie wieder zum Gebet gehen wollten. Sie durchquerten das assyrische Lager, mieden dann aber den Talgrund, den Judit sonst immer aufgesucht hatte, stiegen den Berg von Betulia hinauf und erreichten das Stadttor. Schon von weitem rief Judit den Wachen auf den Türmen zu: »Schnell! Macht das Tor auf! Gott ist bei uns, unser Gott steht uns bei! Er zeigt immer noch seine Macht, mit der er sein Volk Israel rettet und die Feinde vernichtet. Das hat er heute bewiesen!«

Gute Tropfen und rauschende Feste

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