Читать книгу Mehlsack und Champagnerküsse - Francine F. Winter - Страница 4

2. Kapitel

Оглавление

Moritz Gardener ging mit großen Schritten die Auffahrt des Parkhotels hinauf. Er hatte genug Zeit mit Spazierengehen vertrödelt. Die Landschaft und die Begegnung mit der blonden Eingeborenen waren ganz hübsch gewesen, aber es gab heute noch viel zu tun!

Als er die Hotelhalle betrat, schauten sich einige Gäste erstaunt nach ihm um. So schäbig gekleidete Menschen gingen hier normalerweise nicht ein und aus.

Der Rezeptionist kam eilig hinter seinem Tresen hervor. „Herr Gardener, Ihr Gepäck wurde gefunden und vom Flughafen hergebracht. Es ist schon oben.“

„Das ist eine gute Nachricht!“ Moritz Gardener schmunzelte amüsiert, als ein älteres Ehepaar an ihm vorbei ging und ihn pikiert von oben bis unten musterte. „Dann muss ich nicht länger als Gästeschreck herumlaufen.“

„Es tut mir so leid ...“, beeilte sich der Rezeptionist zu sagen, „dass wir auf die Schnelle nichts anderes für sie gefunden haben und Sie solche Unannehmlichkeiten hatten.“

„Ach was, kein Problem“, wischte Moritz die Entschuldigung weg. „Ich hatte Ihnen ja gewissermaßen die Pistole auf die Brust gesetzt mit meinem spontanen Entschluss. Es ist eine lustige Verkleidung, aber jetzt möchte ich mich doch lieber umziehen.“

„Selbstverständlich, Herr Gardener. Der Fahrstuhl kommt sofort.“ Der Rezeptionist machte dem Pagen, der neben dem Fahrstuhl stand, ein Zeichen, damit er auf den Knopf drückte.

Oben in der Herzogen-Suite fand Moritz das Gepäck vor und ein Zimmermädchen, das gerade seine Anzüge in den Schrank hängte. Als sie ihn hereinkommen sah, weiteten sich ihre Augen vor Schreck.

„Danke, ich mache jetzt selbst weiter.“ Moritz drückte der jungen Frau einen Zehn-Euro-Schein in die Hand.

Nachdem sie gegangen war, suchte Moritz seinen Waschbeutel heraus. Er war seit dreißig Stunden auf den Beinen und brauchte dringend eine Dusche. Allein der Flug von Shanghai hatte zwölf Stunden gedauert. Er gähnte und wischte sich müde über die Augen.

Als er im Flur an dem großen Spiegel vorbeikam, erschrak er vor sich selbst und musste dann lachen. So bekam die Welt den international erfolgreichen Unternehmensberater Moritz Gardener selten zu sehen. In den alten Sachen, die ihm die Hotelangestellten hektisch zusammengesucht hatten, weil er nicht in Maßanzug und handgenähten Schuhen über die schlammigen Wege wandern wollte, sah er tatsächlich aus wie ein Landstreicher.

Kein Wunder, dass die junge, hübsche Frau an der Schlucht so misstrauisch gewesen war. Normalerweise hatte er eine andere Wirkung auf Frauen. Das war mal eine ganz neue Erfahrung gewesen. Nicht, dass ihm Frauen so wichtig waren; die Arbeit ging eindeutig vor.

Das Telefon klingelte.

„Ja, bitte?“

„Herr Gardener, hier ist die Hotelrezeption. Wir haben leider vergessen, Ihnen eine Nachricht weiterzuleiten: Dr. Sietz wird nicht wie vereinbart heute Abend eintreffen, sondern erst morgen Vormittag.“

„Ah ja? Und weiß man auch warum?“

„Diese Information habe ich leider nicht bekommen.“

„Na ja, macht nichts. Ich habe auch so noch genug zu tun.“

„Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend, Herr Gardener.“

Moritz legte endlich die schäbigen Kleider ab und stellte sich unter die Dusche. Eine Minute lang ließ er das warme Wasser über sein Gesicht rieseln, dann griff er energisch zur Shampooflasche. Es war keine Zeit zum Trödeln. Er war nicht zum Vergnügen hier.

Zehn Minuten später kam er pfeifend aus dem Badezimmer, ein weißes Handtuch um die Hüften geschwungen. Er checkte kurz sein Aussehen vor dem Spiegel. Seine Figur war okay, da war kein überschüssiges Gramm Fett zu sehen, aber ein bisschen mehr Training könnte nicht schaden. Man hatte bei Geschäften einfach eine andere Ausstrahlung, wenn man gut durchtrainiert war.

Seine Augen waren rot gerändert. Er sollte wohl ein wenig schlafen, aber erst gab es noch Mails zu lesen und ein paar Kleinigkeiten zu regeln. Dieses Geschäftstreffen in „inspirierender Natur“, wie es auf der Einladung geheißen hatte, war sowieso eine Schnapsidee. Sie hätten sich in München oder Wien treffen können, wo man in der Nähe des Flughafens war, aber nein, Dr. Sietz hatte darauf bestanden, das Meeting in diesem Hotel im tiefsten Bayern abzuhalten, weil die schöne Aussicht und die gute Luft angeblich den Kopf klarer machten.

Es war reine Zeitverschwendung, aber wenn die Konzernleitung es so wollte, dann traf man sich eben in diesem Kaff. Immerhin ging es um einen der wichtigsten Aufträge in seiner Karriere und die war schon eindrucksvoll genug, - sagten jedenfalls die anderen Leute. Moritz selbst fand es nicht so aufregend. Er hatte das Studium an der Harvard Business School mit Bestnote abgeschlossen und sich dann zielstrebig einen guten Namen in der Beratung großer Konzerne gemacht. Inzwischen leitete er seine eigene Firma mit zwanzig Angestellten. Aber das war doch nichts Besonderes, wenn man wusste, wie es ging und hart dafür arbeitete.

Dafür, dass er wusste, wie es ging, hatte sein Vater gesorgt. Schon als kleiner Junge hatte Moritz tagein tagaus gehört, dass man etwas leisten musste, wenn man konkurrenzfähig bleiben wollte. Das war ein wichtiges Thema in der Familie und Moritz hatte das immer befolgt. Sein Bruder nicht. Der war vor einiger Zeit einer verheirateten Frau verfallen, die nichts von ihm wollte. Sein Bruder hatte sich da völlig verrannt und alles andere vergessen. Schließlich war seine Firma pleite gegangen und er für einige Jahre in einer Depression versunken.

Für seinen Vater war das Scheitern des jüngeren Sohnes ein großer Schlag gewesen. So etwas würde Moritz bestimmt nicht passieren. Er wollte seinen Vater nie wieder so enttäuscht sehen. Und er, Moritz, würde sich bestimmt nicht wegen einer Frau ins Unglück stürzen.

Frauen waren interessant und reizvoll, sicher. Aber man musste für eine Affäre ja nicht gleich Haus und Hof verwetten. Man konnte das Zusammensein genießen und sich dann wieder um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern. Da Moritz erfolgreich war und blendend aussah, kamen die Frauen meistens von allein zu ihm. Er musste sich nur eine aussuchen und schon bekam er Sex. Nicht, dass es ihm viel bedeutete, aber so lief das eben.

Manchmal in stillen Stunden, sehnte er sich nach etwas, dass er nicht genau benennen konnte. Es musste doch noch etwas anderes geben, als Geschäfts-Meetings, Essen in teuren Restaurants und heiße Nächte in Hotelbetten, etwas Tiefergehendes, Ruhigeres, - aber Moritz hatte selten stille Stunden, dafür hatte er einfach zu viel zu tun.

Er setzte sich an den Schreibtisch, klappte den Laptop auf und checkte die Mails. Siebenunddreißig ungelesene Nachrichten im Posteingang. Dann mal los.

Sein Handy klingelte. Das Display zeigte die Nummer seiner Assistentin.

„Gibt es Probleme?“

„Ja, die Stoff-Fabrik in Shanghai wollte uns heute die genauen Preise durchgeben, aber sie melden sich nicht und wir können dort niemanden erreichen!“

Moritz seufzte. „Wir brauchen diese Information aber dringend. Hast du es auf dem Handy von Mr. Jühan probiert?“

„Ich habe die Nummer nicht, deshalb rufe ich dich an.“

„Okay, warte, das haben wir gleich.“ Moritz checkte kurz sein eigenes Handy und gab dann die Nummer durch. „Bestell ihm schöne Grüße von mir. Läuft sonst alles?“

„Ja, alles bestens und ich mache gleich Feierabend. Falls du mich heute nicht mehr brauchst ...“

„Ja, mach Schluss, ich wünsch dir einen schönen Abend.“ Moritz legte auf.

Zwei Stunden später klappte er den Laptop zu, lehnte sich im Stuhl zurück und gähnte. Sein Magen knurrte laut. Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr und er hatte seit Ewigkeiten nichts gegessen.

Die Speisekarte vom Zimmerservice lag auf dem Schreibtisch. Moritz blätterte lustlos darin herum. Immer dieses Hotel-Essen. Er hob den Telefonhörer ab.

„Gardener, guten Abend. Ich hätte gern ein keines Steak mit viel Gemüse und eine große Flasche Mineralwasser ... nein, das ist alles, danke ... ach, Moment! Ich brauche für morgen Nachmittag eine große Geburtstagstorte, aber keine 0815-Sahneschnitte. Lassen Sie sich etwas Besonderes einfallen!“


Elisa drehte die Gasflamme kleiner und wartete, bis die Gelatine sich aufgelöst hatte. Dann nahm sie den Topf vom Feuer und ging hinüber zum Arbeitstisch, wo eine Schüssel mit Joghurt-Sahne-Creme bereitstand. Während sie die Masse kräftig durchrührte, schaute sie aus dem Fenster. Die Sonne schien. Als sie früh um halb sieben zur Backstube herüber geradelt war, hatten dicke graue Wolken den Himmel verhangen und es hatte genieselt. Seitdem war sie ganz auf ihre Arbeit konzentriert gewesen. Sie musste sich ranhalten, wenn die Kunden nicht vor leeren Kuchenplatten stehen sollten.

Jemand klopfte an die hintere Tür. Das musste Reni, ihre Verkäuferin, sein.

„Guten Morgen.“

„Grüß Gott, Elisa. Sag mal, hast du schon gehört, was die Tochter vom Metzgermeister wieder angestellt hat? Die hat doch tatsächlich gestern ..." Reni plapperte weiter, während sie ihre Jacke auszog und eine weiße Schürze umband.

Elisa strich die Sahnecreme auf einen Biskuitboden und hörte nur mit halbem Ohr zu. Reni erzählte immer ziemlich viel, besonders was die Leute aus dem Ort so gemacht oder nicht gemacht hatten. Elisa fand das meistens nicht so interessant, aber die Kunden mochten es, wenn sie bei Reni den neuesten Klatsch und Tratsch erfuhren, also war es ganz gut fürs Geschäft.

Schließlich unterbrach sie den unaufhörlichen Redefluss: „Es ist acht Uhr, Reni, du kannst jetzt aufschließen.“

Während Reni vorne im Laden die Kunden bediente, war Elisa hinten in der Backstube damit beschäftigt, für Nachschub zu sorgen. Immerhin kamen Leute und kauften ihre Kuchen und Torten, aber die Einnahmen reichten trotzdem nie aus. Elisa wusste, dass sie endlich die Preise erhöhen musste. Die Waren, die sie einkaufte, wurden schließlich auch stetig teurer, aber sie scheute davor zurück und befürchtete, dass die Kunden dann womöglich wegblieben.

Eine kluge Geschäftsfrau wäre vielleicht in die Nachbarorte gefahren und hätte geschaut, wie andere Konditoreien es mit den Preisen hielten, aber dafür fehlte ihr die Zeit. Das sagte sie sich jedenfalls. In Wirklichkeit hatte Elisa einfach keine Lust, sich mit den vielen Zahlen und Berechnungen zu befassen. Sie wollte backen, etwas Schönes kreieren. Das war ihr Beruf, schließlich war sie eine Künstlerin. Jedenfalls hatte sie mal eine werden wollen. Nach der Konditor-Lehre hatte sie angefangen zu studieren, aber kurz vor dem Abschluss war es immer deutlicher geworden, dass ihre Eltern mit dem Betrieb überfordert waren und so hatte Elisa schließlich schweren Herzens ihr Kunststudium an den Nagel gehängt, um das Lebenswerk ihrer Eltern weiterzuführen.

Es war ja immerhin ein kreativer Beruf. Das sagte sie sich jedes Mal, wenn sie zu frustriert war. Sie liebte es, mit den süßen Cremes zu hantieren und schöne Dekorationen zu entwerfen, aber der geschäftliche Teil war einfach nicht ihr Ding. Und die langen schweren Arbeitsstunden und das Angebundensein an den immer gleichen Ort eigentlich auch nicht.

Das Telefon klingelte. Elisa seufzte und stellte die Rührschüssel ab.

„Konditorei Burger, guten Tag.“

„Das Parkhotel, guten Morgen, Frau Burger!“

„Guten Morgen!“, sagte Elisa erleichtert. Wenigstens war es nicht die Bank! Aber da musste sie nachher sowieso persönlich hingehen.

„Wir brauchen mal wieder ihre Hilfe, Frau Burger. Unser Konditor ist krank, wir sind bis auf das letzte Zimmer ausgebucht und kommen mit der Arbeit kaum hinterher. Können Sie uns bis heute Nachmittag eine schöne Geburtstagstorte liefern? Für einen besonders anspruchsvollen Gast, internationales Management und so, Sie wissen schon.“

Nein, eigentlich wusste Elisa darüber gar nichts. Es klang nach großer, weiter Welt, das war ganz interessant, aber Industrie-Konzerne, Wirtschaft und Finanzen, das interessierte sie alles herzlich wenig. „Ja, natürlich“, sagte sie trotzdem in die Leitung. „Hat Ihr Gast irgendwelche besonderen Wünsche geäußert?“

„Er möchte keine 0815-Sahneschnitte, hat er gesagt, sonst nichts weiter. Sie können also machen, was Sie wollen“, sagte der Küchenchef.

Machen, was ich will, ist gut, dachte Elisa, nachdem sie das Gespräch beendet hatte und weiter die Joghurt-Sahne-Creme verrührte. Sie brauchte erst einmal eine gute Idee, wie sie die Torte gestalten wollte. Internationales Management – die Leute waren sicher nur das Beste vom Besten gewohnt, und die Zeit war knapp.

Ach und zur Bank musste sie auch noch gehen. Das konnte sie unmöglich schaffen, wenn die Auftragstorte rechtzeitig fertig werden sollte! Sie strich die fertige Creme auf kleine runde Biskuitböden. Sie würde Herrn Rittl anrufen müssen und absagen. Elisa schüttelte sich innerlich bei dem Gedanken, den Banker um einen neuen Termin zu bitten. Er würde denken, dass sie sich vor dem Gespräch mit ihm drücken wollte.

Sie stellte die Platte mit den fertigen Joghurt-Sahne-Törtchen in die Kühlung und säuberte den Arbeitstisch. Ach was, die Bestellung ging eindeutig vor, das musste Herr Rittl doch verstehen, schließlich bekam sie gutes Geld dafür. Das Parkhotel zahlte immer gut.

Ob sie nachher im Hotel den fremden Mann vom Schluchtweg wieder sehen würde? Es konnte gut sein, dass er dort arbeitete, vielleicht als Küchenhelfer oder so. Elisa holte einen dicken Rezeptordner vom Regal und blätterte darin herum. Aber statt der Torten sah sie wieder die blauen Augen des Wanderers vor sich. Die Augen waren toll gewesen, aber der Rest? Er hatte so schäbig ausgesehen.

Jemand zerrte an der Schiebtür, die den Laden von der Backstube trennte. „Hallo, meine Schöne!“

„Ach, hallo Franz, mal wieder Appetit auf etwas Süßes?“, fragte Elisa lächelnd. Ihr alter Sandkastenfreund Franz Mock kam manchmal vorbei, um sich ein paar Extra-Kalorien abzuholen und das sah man ihm durchaus an. Über der braunen Cordhose wölbte sich der Bauch unverkennbar über den Gürtel.

„Genau“, sagte Franz und lächelte sie an, als wäre sie ein Kuchenstück. „Ich sehne mich nach einem Sahnetörtchen!“ Er nahm sie in die Arme.

Einen winzigen Moment lang genoss Elisa die vertraute Berührung. Der untersetzte Franz war ein Mann, bei dem frau sich anlehnen konnte. Den warf so schnell nichts um. – Aber dann machte sie sich schnell wieder los. Sie spürte, dass Franz manchmal mehr wollte als nur Freundschaft. Aber für sie war er nur ein Kumpel aus Kindertagen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Worauf hast du denn heute Appetit?“

Franz strich seine fahlblonden, etwas strähnigen Haare zurück und musterte sie mit einem leicht anzüglichen Grinsen.

„Ich spreche von Kuchen, Franz!“, betonte Elisa mit gespielter Strenge. „Entscheide dich, ich habe viel zu tun.“

„Wenn das so ist, dann nehme ich ein Stück von deiner Himbeerbuttercremetorte. Deine Buttercreme ist die beste überhaupt! Mhm“, Franz leckte sich die Lippen.

„Jetzt gleich am Morgen so ein fettes Stück Torte?“

„Nein, Elisa, nach dem Mittagessen. Wenn ich es aushalte, so lange zu warten.“

Während Elisa ein großzügiges Stück aus der Torte herausschnitt, musterte Franz die Einrichtung der Backstube. Sein Blick blieb an den Wänden und der Decke hingen, die dringend eine Renovierung nötig hatten. „Wie laufen denn die Geschäfte?“

Elisa seufzte und war kurz davor, Franz ihre missliche Lage zu gestehen. Aber sie hielt sich zurück. Wenn sich im Ort herumsprechen sollte, wie schlecht es um ihre Finanzen bestellt war, dann würde über kurz oder lang ihre Mutter davon hören. Nein. So sehr sie sich danach sehnte, jemandem ihr Herz auszuschütten, sie musste mit ihren Problemen allein fertig werden.

„So schlimm?“, fragte Franz mitfühlend.

„N ... nein, alles okay. Ich habe nur gerade so viel zu tun. Eben ist eine Extra-Bestellung vom Parkhotel gekommen. Ich weiß nicht, wie ich das heute alles schaffen soll. Magst du jetzt vielleicht ein Stück Bienenstich? Ganz frisch aus dem Ofen.“

„Mhm, lecker, den nehme ich ...“

Sie reichte ihm das Kuchenstück.

„Ich dachte, du hättest vielleicht finanzielle Probleme“, sagte Franz leichthin.

Elisa schaute ihn überrascht an. „Wie kommst du darauf?“

„Ach, nur so. Hier sieht es aus, als müsste man mal wieder gründlich renovieren und deine Kühlschränke haben auch schon bessere Tage gesehen.“ Er wies auf die silbernen Schränke unter der breiten Arbeitsplatte.

Elisa runzelte die Stirn. Was sollte sie darauf sagen. Er hatte ja Recht. „Es ist alles in Ordnung. Ich erneuere hier alles so nach und nach. Im Moment habe ich dafür keine Zeit. Du weiß ja, was mit meinem Vater ist.“

„Ja, ich weiß. Ich mein ja auch nur ... Wenn du mal Probleme hast. Ich bin immer für dich da.“ Franz stopfte sich den letzten Rest vom Bienenstich in den Mund und schaute sie treuherzig an.

„Das ist lieb von dir. Aber es ist alles in Ordnung. Ich habe nur gerade überhaupt keine Zeit. Ich packe dir noch etwas von dem Bienenstich ein und das Stück Torte.“ Sie war froh, dass sie etwas tun konnte, um ihre Verzweiflung zu überspielen. Wenn Franz wüsste, wie schlimm es wirklich um sie stand!

„Danke“, sagte er, als sie ihm das Kuchenpaket übergab. Er drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange. „Hast du schon mal daran gedacht, alles zu verkaufen?“

„Verkaufen? Nein! Natürlich nicht! Mein Vater hat das hier alles aufgebaut. Das verkauft man doch nicht!“

„Ich mein ja nur“, sagte Franz. „Wenn du Probleme hast, ich würde dir die Konditorei abkaufen.“

„Du? Wieso? Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte Elisa misstrauisch. Hatte Herr Rittl von der Bank etwas ausgeplaudert? „Und was willst du denn mit einer Konditorei? Du mit deiner Baufirma?“

„Abreißen“, sagte Franz trocken.

„Bist du verrückt?“ Sie sah ihn entsetzt an. „Du spinnst ja! Du ich hab jetzt wirklich zu tun.“

„Das war doch nur ein Scherz!“, sagte Franz beschwichtigend.

Elisa schob ihn aus der Tür und widmete sich wieder dem Rezeptordner. Franz hatte Recht. Ihre Buttercreme-Torten waren wirklich die besten weit und breit. Mokka-Buttercreme, das war´s. Klassisch und gut. Das würde den Herren Managern sicher schmecken.

Sie holte einen dicken Biskuitboden aus dem Vorratsraum und während sie ihn in Scheiben schnitt, dachte sie über Franz´ Bemerkung nach. Abreißen! Die Konditorei und ihr Elternhaus? War er plötzlich verrückt geworden? Und wie kam er darauf, dass sie finanzielle Schwierigkeiten hatte? Gab es Gerüchte im Ort? Oder machte er sich einfach nur Sorgen um sie? Er war recht fürsorglich und hatte ihr schon oft geholfen, wenn sie mal einen Handwerker brauchte.

Es tat gut, einen Freund zu haben, dem man vertrauen konnte. Aber in diesem Punkt wollte Elisa ihn nicht einweihen. Nicht auszudenken, wenn er sich verplappern würde. Es würde sofort im Ort die Runde machen.

Reni steckte den Kopf durch die Tür. „Die Post ist da.“ Sie legte ein paar Briefe auf die Arbeitsplatte und verschwand wieder nach vorne in den Laden.

Elisa sah die Umschläge durch. Alles Rechnungen und ... eine Mahnung! Der Mehl-Lieferant, oh je! Die Bank hatte doch die Abbuchung zurückgewiesen! Sie musste unbedingt Herrn Rittl anrufen ... Später ... Jetzt war erst mal die Torte dran.



Mehlsack und Champagnerküsse

Подняться наверх