Читать книгу Mehlsack und Champagnerküsse - Francine F. Winter - Страница 5
3. Kapitel
ОглавлениеElisa musste die Augen zusammenkneifen, als sie aus ihrem kleinen Lieferwagen stieg. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, und die weißen Mauern des Parkhotels reflektierten das grelle Licht. Sie holte den Tortenkarton aus dem Laderaum und schnaufte. Es war so warm heute. Am liebsten hätte sie die Jeansjacke ausgezogen, aber sie trug noch immer die Konditormontur, schwarz-weiß-karierte Hose und ein weißes T-Shirt, das am frühen Morgen sauber gewesen war, von dem man jetzt aber ablesen konnte, welche Kuchen und Torten sie heute fabriziert hatte. Die Jacke musste also anbleiben.
Zum Umziehen war keine Zeit gewesen, sie hatte nur schnell Hände und Gesicht gewaschen, die langen blonden Locken gebürstet und ein wenig Kajal um die grünen Augen gezogen. Das war schon mehr als sie sonst tat; sie würde sowieso nur kurz durch den Lieferanteneingang in die Küche huschen, die Torte abgeben und wieder verschwinden. Das ausgiebige Bürsten und der Kajal waren nur für den Fall, dass sie den fremden Mann von gestern treffen sollte. Obwohl es natürlich völliger Quatsch war, sich für einen seltsamen Landstreicher aufzuhübschen.
„Frau Burger, schön, dass Sie kommen konnten, Sie sind mal wieder unsere Rettung!“, rief der dicke Chefkoch, als Elisa die Hotel-Küche betrat, in der weiß gekleidete Köche und Küchenhilfen durcheinander wuselten. „Wie Sie sehen, haben wir alle Hände voll zu tun.“ Er kostete einen Probierlöffel voll Bratensoße, die ihm ein Lehrling hinhielt. „Der Pfeffer fehlt!“, bellte er den Jungen an. „Hörst du denn nicht zu?“
Er wandte sich wieder an Elisa. „Entschuldigen Sie, hier ist seit gestern wirklich die Hölle los. Wir kommen kaum dagegen an. Wären Sie so freundlich, die Torte selbst abzugeben?“
„Klar, mache ich. In einem der Konferenzräume?“
„Ja, Frau Burger, das wäre nett. Ach, was rede ich denn da! Nein! Die Torte müsste direkt nach oben in die Grafen-Suite gebracht werden. Im vierten Stock, die 401. Dort findet die kleine Geburtstagsfeier statt. Ein Geschäftsmeeting, Sie wissen schon ... Ferdi! Denk an das Filet! Lass es bloß nicht anbrennen!“ Er ließ Elisa stehen und hastete ans andere Ende der Küche.
Sie taxierte unauffällig die drei Küchenhilfen. Nein, da war kein faszinierender Mann darunter, nur zwei pickelige Jungen und eine ältere Frau.
Schade. Sie ging durch den engen Gang, der zum Personallift führte und drückte auf den Knopf. Fast wäre ihr dabei der Torten-Karton aus der Hand gerutscht. Das fehlte noch, es wurde Zeit, dass sie die Torte heil abgeben konnte und möglichst, bevor sie anfing, in der Wärme zu zerlaufen.
Der Lift brachte sie in den vierten Stock, die Türen surrten auseinander, und Elisa betrat einen langen, kühlen Korridor, der mit einem dicken Teppich ausgelegt war. Hier oben war sie noch nie gewesen.
Nummer 401, hatte der Chefkoch gesagt. Da stand es schon: Grafen-Suite, auf einem kleinen dezenten Schild. Bevor sie klingeln konnte, wurde die Tür geöffnet und ein Kellner kam heraus.
„Ah, die Torte, Sie werden schon erwartet“, sagte er freundlich. „Gehen Sie nur hinein. Geradeaus und dann rechts in das Arbeitszimmer.“
Elisa schaute sich neugierig um. Sie wusste, wie die normalen Zimmer hier im Parkhotel aussahen, aber in einer der teuren Suiten war sie noch nie gewesen.
Von dem breiten Flur ging ein geräumiger Wohnraum ab, der elegant eingerichtet war.
Das Wohnzimmer ist fast so groß wie meine ganze Wohnung, dachte Elisa. Aber bei mir ist es gemütlicher, stellte sie nach einem weiteren Rundblick fest.
Hinter einer der anderen Türen hörte sie Stimmen. Sie ging weiter und fand das Arbeitszimmer. Es gab einen Schreibtisch und einen größeren Konferenztisch, auf dem vor jedem Platz ein Stapel mit exakt aufgeschichteten Geschäftspapieren lag. Es machte einen gewichtigen Eindruck.
Auf einem Beistelltischchen stand ein Tablett mit Kaffee, Tee und Geschirr bereit. Wohin jetzt mit der Torte? Der Beistelltisch war zu klein, und auf dem Konferenztisch mit der schwarz spiegelnden Glasplatte wagte Elisa sie nicht abzustellen.
Hohe Pfennigabsätze klackerten über das Parkett, und eine hochgewachsene, sehr schlanke Frau mit schwarzem Pagenkopf erschien in der Tür.
„Wer sind Sie?“, fragte sie kühl und musterte Elisa ungeniert von oben bis unten.
„Guten Tag. Ich bin die Konditorin und bringe die Torte.“ Elisa fühlte sich unter diesem kalten Blick unwohl. Die Frau trug ein perfekt sitzendes silbergraues Kostüm mit einer weißen Bluse, trotz der Wärme Seidenstrümpfe und hohe elegante Pumps, die nur eine Nuance dunkler waren als das Kostüm. Ihre schwarzglänzenden Haare fielen wie ein schimmernder Helm um das sogfältig geschminkte Gesicht.
Gegen diese Erscheinung kam Elisa sich in der alten Arbeitshose und dem fleckigen T-Shirt vor wie der letzte Bauerntrampel. Wie gut, dass sie wenigstens die Jeansjacke trug. Obwohl ihr höllisch warm darin war. Der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, und sie hätte jetzt gern endlich die Torte abgestellt. Die Frau machte keine Anstalten, sie ihr abzunehmen.
„Eine Torte?“, fragte sie nur und hob eine Augenbraue.
„Ja. Wo kann ich Sie hinstellen?“, fragte Elisa höflich.
„Hm, nun stellen Sie sie auf den Tisch, aber bringen Sie die Papiere nicht durcheinander.“ Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust und schaute zu, wie Elisa den Karton vorsichtig auf dem Konferenztisch abstellte, den Deckel abnahm und die Torte heraushob.
„Was ist das denn?“, fragte sie kritisch und beäugte Elisas Kunstwerk.
„Mokkacreme“, sagte Elisa stolz und rückte die Torte auf dem Tisch zurecht. Die war ihr wirklich gut gelungen. Sie hatte sie mit kleinen kunstvollen Ornamenten aus dunkler Kuvertüre verziert und in die Mitte „Herzlichen Glückwunsch“ geschrieben. Dezent und klassisch.
„Creme?“, fragte die Frau nach. „Doch nicht etwa Buttercreme?“
„Doch genau, Buttercreme“, erklärte Elisa freundlich. „Werden Sie sie gleich essen? Wenn es noch länger dauert, sollte man sie vielleicht ein wenig kühl stellen. Es ist so warm heute.“
„Ich werde davon ganz bestimmt nichts essen!“ Die Frau schaute angewidert, als hätte Elisa ihr einen faulen Fisch angeboten.
Elisa verzichtete auf eine Antwort und versuchte, die Kränkung nicht an sich heranzulassen. Ihre gute Buttercremetorte! Aber Kostverächter gab es überall und die Frau war vermutlich auf Diät, so mager wie sie war. Sie biss sich auf die Lippen. Sie hatte hier sowieso nichts weiter verloren. Sie hatte die Torte abgeliefert und das war´s. Die Bezahlung lief wie immer über das Hotel oder war das diesmal anders? Sollte sie womöglich direkt abkassieren? Es war ihr unangenehm, die unfreundliche Frau danach zu fragen. Dabei sollte sie sich schleunigst angewöhnen, in Gelddingen souveräner zu werden, das hatte ihr Herr Rittl von der Bank vorhin am Telefon wieder sehr deutlich gemacht. Wie Elisa befürchtet hatte, hielt er ihre Absage für eine billige Ausrede und hatte eindringlich auf sie eingeredet, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen und baldmöglichst bei ihm vorbeizukommen. Sonst wäre das Haus ... und so weiter und so weiter. Immerhin hatte er zugesagt, den Dispositions-Kredit kurzfristig so zu erweitern, dass die laufenden Lieferanten-Rechnungen beglichen werden konnten. Aber damit war das Problem natürlich nur aufgeschoben, bis zur fälligen Kredit-Rate blieb nur noch eine Woche Zeit. Bei dem Gedanken an ihre missliche Situation wurde Elisa plötzlich ganz kalt.
„Ist noch etwas?“ Die Frau blätterte in einer Mappe mit wichtig aussehenden Papieren.
„Äh ja, die Torte, ich weiß leider nicht ...“
„Du meine Güte! Wenn Sie so besorgt um das Ding sind, dann stellen Sie es doch in den Kühlschrank. Zur Küche geht es dort entlang.“ Sie zeigte auf den Flur. „Gleich links.“
Elisa nahm die Torte und ging Richtung Küche. Gleichzeitig ärgerte sie sich über den Befehlston der Frau. Aber es war wirklich besser, wenn die Torte in den Kühlschrank kam.
Die Tür, hinter der sie vorhin jemanden reden gehört hatte, wurde geöffnet und ein Mann kam heraus. Ein groß gewachsener, elegant gekleideter Mann mit dunklen Haaren und einem Handy am Ohr.
„Yes, of course, that is not a problem. We will organize that ...“ Er nickte ihr im Vorbeigehen zu, ohne sie richtig anzusehen, aber in dem Moment erkannte sie ihn:
Es war der Mann aus der Schlucht! Sie zuckte so zusammen, dass ihr fast die Torte aus der Hand gefallen wäre. „Upps!“, rief sie und verstummte gleich darauf beschämt.
Der Mann drehte sich irritiert zu ihr um. Erkannte er sie? Einen Moment schien es, als würden seine Augen erkennend aufleuchten, aber dann blickten sie wieder geschäftsmäßig kühl durch sie hindurch. „Oh ... I´m sorry, Mr Jühan, I didn`t get you ... yes ... for sure, no problem ...“ Er verschwand im Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
Elisa stand da mit der Torte im Arm und schaute entgeistert auf die geschlossene Tür. Das war doch der Mann vom Schluchtweg gewesen oder täuschte sie sich jetzt so sehr? Aber er sah völlig anders aus: Gestern quasi in Lumpen und heute im hellen Designer-Anzug mit beigefarbenen Slippers, denen man sofort ansah, dass sie teuer gewesen sein mussten. Und diese weltgewandte Art am Telefon ... Der Chefkoch hatte es ja gesagt: Internationales Management.
Sie ging in die Küche und stellte die Torte in den Kühlschrank, in dem sich nur einige Champagnerflaschen befanden.
Auf der Arbeitsplatte stand eine halbleere Dose mit russischem Kaviar. Dies war eine ganz andere Welt als die ihre. Eine sehr viel teurere, sehr viel perfektere Welt.
Als sie aus der Küche kam, war die Tür zum Arbeitszimmer noch immer geschlossen. Von drinnen waren leise Stimmen zu hören. War die unfreundliche Zicke seine Frau? Oder nur eine Kollegin? Das Letztere würde ihr besser gefallen, aber das war natürlich völliger Quatsch! Diese Frau in der eleganten Aufmachung, die passte zu ihm. Sie, Elisa, schokoladenverschmiertes Konditortrampel, sie nicht. Und was sollte das Ganze überhaupt? Sie kannte ihn doch überhaupt nicht. Obwohl ... seine dunklen Augen ... dieser Blick von ihm gestern, der hatte sich irgendwie vertraut angefühlt ...
Elisa starrte noch immer auf die Tür und war merkwürdig enttäuscht.
Jetzt reiß dich mal zusammen!, sagte sie schließlich zu sich selbst. Du wolltest ihn noch mal sehen, das hat geklappt. Nun weißt du, dass er quasi auf einem anderen Planeten lebt. Er wird bald wieder in die weite Welt hinausfliegen und ich bleibe hier in Bayern auf dem Land und backe Kuchen.
Von drinnen war ein schrilles Lachen zu hören. Jemand näherte sich der Tür.
Elisa machte, dass sie raus kam.
Als sie in dem kleinen roten Lieferwagen saß, riss sie sich als erstes die Jeansjacke vom Leib. Hier war es egal, wie sie aussah! Die Leute im Ort kannten und mochten sie, wie sie war. Da brauchte sie weder Designerkleider, noch eine perfekte Figur.
Normalerweise machte sie sich nicht so viele Gedanken um ihr Aussehen, aber das Zusammentreffen mit dieser kalten Geschäftsfrau zeigte deutlich, wo sie eigentlich stand. Eher am unteren Ende der Messlatte, musste sie leider zugeben. Gestern hatte sie sich über die Kleidung des fremden Mannes gewundert, heute war sie diejenige mit den schäbigen Klamotten. Und wenn sie nicht schnell eine Lösung für ihre finanziellen Probleme fand, dann wäre sie womöglich bald auch richtig arm ... und ihre Eltern heimatlos ...
Sie ließ die Mundwinkel hängen. Dann atmete sie tief durch, startete den Motor und fuhr die Ausfahrt hinunter.
„Bye-bye Mr Jühan. See you soon ...“ Moritz beendete das Gespräch und steckte das Handy in die Tasche seines Jacketts.
„Entschuldige, Penelope. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, dir zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Er ging zu ihr und küsste sie auf beide Wangen.
Dr. Penelope Sietz lächelte. „Danke, dass du daran gedacht hast. Wann kommen unsere Gesprächspartner?“ Sie schaute Moritz unter halbgesenkten Wimpern an.
„Die Herren Investoren und Anwälte sollten gleich hier sein. Wir können vorher noch einen Kaffee trinken ...“ Moritz trat einen Schritt von ihr zurück. „War das eben die Torte, die ich bestellt habe? Warum ist die Frau damit weggegangen?“
Penelope blätterte gelangweilt in den Papieren auf dem Schreibtisch. „Das war die Konditorin, die hat den Kuchen in den Kühlschrank gestellt.“
„Ach, die Konditorin war das ...?“ Moritz runzelte nachdenklich die Stirn.
„Die kleine Landpomeranze, ja“, sagte Penelope abfällig. „Wieso?“
„Ich glaube, ich habe sie schon einmal gesehen ... gestern, als ich spazieren war ...“ Moritz schaute unwillkürlich aus dem großen Fenster, vor dem sich die sommerliche Landschaft ausbreitete. Bis jetzt hatte er keinen Blick auf die saftig grünen Wiesen und die bewaldeten Hügel unter dem knallblauen Himmel verschwendet. Er war ja auch zum Arbeiten hier.
Penelope blickte ihn forschend an und hob eine Augenbraue.
Moritz wandte sich wieder zu ihr um. „Ich hole uns ein Stück Torte. Schenkst du den Kaffee ein?“
„Sicher“, sagte Penelope, während sie einige Notizen mit einem vergoldeten Füllfederhalter machte. „Aber für mich keine Torte.“
„Was? Das ist aber schade, Pe. Ich habe die Torte extra für dich bestellt. Willst du gar nichts davon essen?“
„Nein, danke!“, sagte Penelope sehr bestimmt. „Und du solltest dir auch überlegen, ob du deinen Arterien das zumuten willst. Es ist Buttercreme!“
„Aus deinem Mund klingt das wie eine Krankheit.“ Moritz lachte. „Hm, ich liebe Buttercreme.“ Er ging in die Küche und schaute in den Kühlschrank. „Die Torte sieht toll aus und sehr geschmackvoll dekoriert“, rief er, damit Penelope ihn im Arbeitszimmer hören könnte. Er legte ein großes Stück auf einen Teller und probierte noch im Gehen.
„Köstlich! Mokka-Buttercreme! Bist du sicher, dass du nicht probieren möchtest? Nur ein winziges Stückchen? Das wird deine superschlanke Linie nicht gefährden!“
Penelope lächelte säuerlich. „Ganz sicher nicht.“ Sie schüttelte den Kopf.
Fünf Stunden später war das Meeting endlich beendet und die Geschäftspartner gegangen. Moritz und Penelope saßen noch immer an dem großen Konferenztisch. Draußen war es inzwischen stockfinster und die große Fensterscheibe warf ihr Spiegelbild zurück in den Raum.
„Das ist doch gut gelaufen.“ Moritz rieb sich müde über die Augen. „Dein Vater wird stolz auf dich sein.“
„Sicher“, sagte Penelope gelangweilt. Sie stand auf und streckte sich. „Ohne deine Mitarbeit hätten wir das nicht geschafft.“
„Ist das deinem Vater auch bekannt?“, fragte Moritz scherzhaft. „Ich möchte schließlich vor dem Besitzer der Sietz-Werke gut dastehen.“
Penelope trank ihr Wasserglas leer. Dann kam sie um den Tisch herum zu Moritz, stellte sich hinter ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Wenn ich es Vater sage, dann weiß er, welchen großen Beitrag du zu diesem Geschäftsabschluss geleistet hast. Ohne dich könnte die neue Fabrik in Shanghai nicht gebaut werden. Darauf müssen wir anstoßen! Holst du uns eine Flasche Champagner?“ Sie ließ ihn los und setzte sich auf die Tischplatte, schlug ihre langen Beine übereinander und schaute ihn herausfordernd an.
„Natürlich.“ Moritz stand auf und ging in die Küche. Er holte eine Flasche Veuve Clicquot aus dem Kühlschrank, nahm zwei Gläser aus dem Hängeschrank und ging zurück in den Arbeitsraum.
„Ich bin froh, dass es geklappt hat“, sagte er, während er die Flasche öffnete und den Champagner einschenkte. „Ein Geschäft in dieser Größenordnung ist auch für mich nicht alltäglich. Und mir liegt ganz besonders daran, die Textil-Produktion mit hohen ökologischen Standards aufzubauen und mit humanen Arbeitsbedingungen. Ich bin froh, dass die Sietz-Gruppe da auf Qualität und Nachhaltigkeit setzt.“
„Dann lass uns anstoßen, Partner“, sagte Penelope mit einem Lachen. „Du steckst ja auch mit einem hübschen kleinen Sümmchen da drin.“
„Klein ist gut.“ Moritz lachte. „Das kann auch nur eine Industriellen-Tochter wie du sagen. Für mich ist diese Investition alles andere als bescheiden. Ich habe mein ganzes Geld in dieses Projekt gesteckt. Es muss also klappen, sonst bin ich pleite“, fügte er hinzu. „Aber so wie es aussieht, ist das Ganze eine bombensichere Sache.“
Penelope erhob ihr Glas und sie stießen an.
„Natürlich ist es eine sichere Sache“, sagte sie. „Mit der Familie Sietz als Partner kann dir nichts passieren. Aber das solltest du ja wissen, nicht wahr ...“ Sie schaute ihn vielsagend an und trank ihr Glas aus.
Moritz wich ihrem Blick aus und leerte ebenfalls sein Glas. „Natürlich, es ist ja nicht unser erstes gemeinsames Geschäft.“
„Ich meinte weniger unsere gemeinsamen Geschäfte.“ Penelope hielt ihm ihr leeres Glas hin. „Was wollen wir denn heute Abend noch machen?“
Moritz schenkte ihr nach. „Du ... entschuldige mich, aber ich muss noch ein paar Telefonate in die USA führen und ich bin sehr müde. Der Jetlag ...“
„Ich dachte, du würdest den Abend meines Geburtstages noch mit mir feiern“, sagte Penelope mit einem gereizten Unterton.
„Pe, es tut mir leid. Diese Telefonate sind wichtig und wegen der Zeitverschiebung ist es jetzt am günstigsten dort anzurufen. Komm, lass uns noch ein Glas trinken und dann verabschiede ich mich.“
„Willst du denn gar nichts mehr essen?“, fragte Penelope unwirsch.
„Ich nehme einfach noch ein, zwei Stücke von der Torte mit. Das reicht mir.“ Moritz schenkte sein Glas nur halbvoll.
„Dieses fette Zeug! Wie kannst du das essen! Das ist schlecht fürs Herz!“ Penelope stellte ihr Glas ab und schwang sich vom Tisch. „Na gut, dann bestelle ich eben einen Salat aufs Zimmer, wenn du mich versetzt!“ Sie ging zum Schreibtisch und studierte die Speisekarte des Zimmerservices.
Moritz betrachtete sie, als sie energisch zum Telefonhörer griff und ihre Bestellung aufgab. Dr. Penelope Sietz war eine überaus attraktive Frau. Er schaute sie gerne an und er machte auch gerne Geschäfte mit ihr. Weiter gingen seine Wünsche nicht. Es hatte mal einen Abend gegeben, mit einem Geschäftsempfang, bei dem sie beide zu viel getrunken hatten. Aus dem Abend war eine gemeinsame Nacht geworden, an die er sich allerdings nur undeutlich erinnern konnte. Das war nun schon über ein Jahr her, aber Pe schien es nicht vergessen zu haben.
Moritz trank sein Glas aus und erhob sich. „Verzeih meine Ungeselligkeit, Pe. Aber ich muss jetzt gehen.“
Als Moritz sein letztes Telefonat beendete, schlug die Turmuhr der kleinen Kirche im Ort schon Mitternacht. Er seufzte müde und klappte den Laptop zu. Es war ein langer anstrengender Tag gewesen. Auf dem Tisch stand noch ein Stück Torte. Das erste Stück hatte er gegessen, als er sich vor zwei Stunden an den Schreibtisch gesetzt hatte. Er zog den Teller zu sich heran und aß den Kuchen mit Genuss. Der war wirklich gut. Seine Gedanken wanderten kurz zu der Konditorin. Das war sie doch gewesen, die junge Frau aus der Schlucht, oder? Das würde sich herausfinden lassen. Er aß das letzte Stück und schob den Teller von sich.
So, Feierabend. Moritz erhob sich und stellte überrascht fest, dass das Zimmer sich um ihn zu drehen begann. Er schnappte nach Luft und setzte sich schnell wieder hin. Was war denn jetzt los? Wurde er etwa krank oder war er einfach nur übermüdet?