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Der Söiniggäl

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Nun könnte man natürlich unken, was soll denn das Gejammer? Dann hört halt auf mit dem Schwachsinn. Es geht doch auch ohne. Klar, es geht im Leben ja auch ohne Stabhochsprung, ohne Bücher, ohne Religion, ohne Aston Martin, ohne klassische Musik, ohne Philosophie, ohne Kunst und ohne Sex. Aber andererseits ist es doch irgendwie lustiger mit.

Und ist es nicht ein prima Gefühl, nach einem aufreibenden Golftag geknüttelt auf die Matratze zu fallen? Und mit oder mit ohne Sex wegzudriften?

Haben Sie übrigens schon mal bemerkt, dass Sie, ganz egal, ob nach der ersten oder der hundertsten oder der tausendsten Runde, jeden Schlag, den Sie gemacht haben, in Ihrem Golf-Gedächtnis abgelegt haben. Jeden. Die Runden sind vorübergehend eintätowiert. Leben Sie damit!

Es ist zum Glück ja nur vorübergehend. Im Verlauf der Zeit verblassen die Erinnerungen und werden von neuen Erkenntnissen überdeckt. Sie werden zwar noch immer nicht dahinterkommen, warum die Bälle nach rechts wegzischten, warum Sie sie nicht aus dem Sand brachten oder weshalb Sie todsichere Putts verschoben – aber Sie stehen mit diesem Problem nicht allein da. Die Tatsache, dass man die Erfahrungen auf der Runde nicht einfach ausblenden kann, dass sie einen bis in den Schlaf verfolgen, ist zwar einerseits unangenehm, handkehrum aber doch auch irgendwie hilfreich.

Man kann sich abends im Bett endlich die mühsame Zählerei von Schafen ersparen. (Das machen übrigens auch ganz viele Menschen falsch. Anstatt die miefigen Schafe zu zählen, kann man doch auch bloß deren Beine zählen – und dann das Ergebnis ganz einfach durch vier teilen. Tja, gewusst wie!)

Eine andere, noch einfachere Technik ist es, sich mit zwei, drei Gläsern Whisky eine schwere Leichtigkeit anzutrinken. Spontan würde ich jetzt mal einen ungetorften 1970er-Bruichladdich vom Rande des Loch Indaal auf der Insel Islay empfehlen. Dort wird seit 1881 gebrannt, was von Whiskynasen aus aller Welt mit größter Freude geschnuppert wird. Der Fairness halber sei hier aber erwähnt, dass es sich beim vorgeschlagenen Tropfen, der auch bestens in jedes Klubhaus passt, nicht unbedingt um den günstigsten aller Whiskys handelt. Sollten Sie also das dringende Bedürfnis verspüren, nicht in Gläsern, sondern in Flaschen zu rechnen, dürfen Sie die tranquilisierende Wirkung des Getränks nicht unterschätzen. Während sich die Sprachentwicklung beim Konsum einer Flasche schönen Bordeaux, zum Beispiel eines einfachen 61er-Château-Petrus, ja noch einigermaßen kontrollieren lässt, werden Sie sich nach einer Buttel Bruichladdich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Zeitalter der ersten Periode der Nordischen Bronzezeit (ca. 1800 vor Christus) zurückversetzt fühlen und auf dem schwankenden Pfad ins Bett wie einer reden, der eine mittelschwere Dysarthrie eingefangen hat. Handkehrum werden Sie spähestens nach de esten Ffasche den Hamen Bruchaddich howieho nich mea hichtig aufprechen gönnen. Cheerio, Miss Sophie!

Mit der Golfmethode dämmern Sie mit wesentlich weniger körperlichem Einsatz und viel simpler weg, da geht alles ganz automatisch. Weil Sie sich ja haargenau daran erinnern, wo der Ball im Verlauf der Runde lag, können Sie sich doppelt entspannt entspannen (ja zweimal entspannen, das ist zeitgenössische Literatur), Sie können sich also zweimal entspannt entspannen, und spätestens beim dritten Wasserhindernis werden Sie – und tschüss – in die erste REM-Phase abtauchen. Und von den vielen wunderbaren Momenten träumen, in welchen Sie auf dieser Runde Ihr Greenfee amortisierten. Von Schlangen im Unterholz, von Pfifferlingen und Morcheln, von poppenden Hasen und von zwergwüchsigen Exhibitionisten, über die Sie im Unterholz stolperten.

Vor einiger Zeit hatten wir auf unserem Golfplatz auch so eine Art Exhibitionisten. Der Wahnsinnige, ein Gast aus dem Norden, habe sich, so gaben die Damen seines Flights zu Protokoll, »wie ein Elefant im Porzellanladen benommen und zudem den Nerv gehabt, während des Turniers mehrfach sein Gemächt auszupacken und munter auf die blauen Abschläge zu pinkeln«. Doch, Sie haben richtig gelesen, »mehrfach sein Gemächt auszupacken, um munter auf die blauen Abschläge zu pinkeln«. Als die drei Frauen, allesamt honorable Ladys unseres Klubs, beim Abgeben der Skorekarten vom sonderlichen Benehmen ihres verhaltensoriginellen Flightpartners berichteten, verstand man im Sekretariat die Welt nicht mehr. Der Manager staunte Bauklötze, und der Headgreenkeeper sprang im Viereck, weil er die Pisserei als persönliche Beleidigung und respektlosen, »vermutlich politisch motivierten«, terroristischen Anschlag eines talibanen Sleepers auf seinen geheiligten Rasen empfand. Frau Muggli hingegen meinte trocken, dass es sie am meisten gestört habe, dass er stehend gebrünzelt und sich anschließend nicht einmal die Hände gewaschen habe, der Söiniggäl!

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