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Bei dem Laut dieser Stimme drehte sich Dr. Zimmertürs auf dem Deckel des Kastens ruhender Kopf langsam, bis sein und seines Nachbars Kopf sich fixierten wie zwei antike Statuentorsos auf der Spitze von zwei Konsolen. Dr. Zimmertür lächelte leutselig und erwiderte: »In welcher Galerie das Bild hängt? Nicht im Dogenpalast? Dann vielleicht in der Akademie oder im Palazzo Mocenigo. Ich entsinne mich wirklich nicht. Vielleicht war es übrigens gar keine Diana, sondern eine Madonna. Aber wenn ich es mir recht überlege, kann es auch sein, daß sie nicht von Tintoretto war.«

Das markante Gesicht musterte ihn von oben herab und nicht ohne Ironie.

»Kennen Sie überhaupt Venedig?«

Der Doktor lächelte strahlend.

»Gewiß! Einerseits bin ich selbst dort gewesen wie alle anderen Menschen, andererseits stamme ich von dort.«

»So?« sagte sein Nachbar mit unverkennbarer Ironie. »Ich hätte eigentlich geglaubt, daß Ihr – Ihr Heimatland erheblich weiter östlich gelegen sei.«

»Ganz richtig!« antwortete der Doktor. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Urheimat meiner Stammväter, die sie das Paradies nannten und auf das die ganze Welt jetzt Anspruch zu haben glaubt, liegt freilich an der Persischen Bucht, aber sie verließen sie, und nach ein paar tausend Jahren des Herumstreifens und einer mißglückten Tournee nach Ägypten ließen sie sich in Palästina nieder. Sie haben ja so recht! Aber wie alle alten Familien bin ich etwas schamhaft. Im täglichen Verkehr protze ich nicht mit meinen Ahnen. Wenn mich jemand fragt, wo ich herstamme, überspringe ich die ersten fünftausend Jahre und sage: aus Venedig.«

Sein Nachbar sah ihn mit einem schweren, ernsten Blick an.

»Das ist auch eine Abstammung, die sich sehen lassen kann, sollte ich meinen!«

»Und ob!« sagte der Doktor mit fast ebenso großem Ernst in der Stimme. »Venedig, die Königin des Mittelmeers, die direkte Erbin Roms, der einzige Teil des Römischen Reiches, in den nie ein Barbar den Fuß gesetzt hat ...«

»Wann verließ Ihre Familie Venedig?« unterbrach ihn sein Nachbar. »Wie lange ist sie schon in Holland ansässig?«

»Etwas mehr als hundert Jahre. Wir sind aus Venedig gleichzeitig mit den einzigen Pferden der Stadt fortgezogen«, lächelte der Doktor. »Wissen Sie, wann das war, mein Herr?«

Der andere nickte.

»Ich weiß es. Ich bin selbst Venezianer; im Jahre 1796 läuteten die Glocken von San Marco Venedig das Totengeläut. Der verdammte Korse nahm alles – unsere Macht, unsere Freiheit, unsere Schätze, ja sogar die vier Bronzepferde an der Fassade von San Marco. Si, si! So stand es in den Sternen geschrieben.«

Dr. Zimmertür sah seinen Nachbar lange an, ohne daß dieser es zu bemerken schien. Wie sein Kopf jetzt ruhte, hätte man ihn für eine Skulptur von Verrocchio oder Donatello halten können; ein magerer Kondottierekopf, ganz Wille, mit schmalen zielbewußten Lippen und scharfen Falkenaugen. Aber dabei hatte er Züge von Müdigkeit und Mißmut; es war kein siegreicher Kondottiere, den der Doktor zum Nachbarn hatte, es war ein um seinen Lebensunterhalt kämpfender Söldner. Das glatt zurückgestrichene Haar war an den Schläfen schon ein wenig angegraut, und die Falten um die Nasenwurzel tiefer, als sie sein sollten. Denn der Mann war bestimmt höchstens dreißig Jahre.

Der Doktor räusperte sich.

»Sie sagten, daß Venedigs Untergang durch Napoleon in den Sternen geschrieben stand. Sind Sie Fatalist? Ihr Gesichtstypus könnte es mich glauben lassen.«

Und da er Befremden in den Augen seines Nachbarn las, fügte er hastig hinzu: »Sie finden mich vielleicht indiskret – aber wir sind ja Landsleute!«

Der andere lächelte ironisch.

»Sie fragen mich, ob ich Fatalist bin. Ich will Ihnen sagen, was ich bin. Ich bin Astrologe.«

Die Gesten, die man in einem elektrischen Lichtbad machen kann, sind ihrer Anzahl nach sehr beschränkt, aber der Nachbar des Doktors deutete sein Mienenspiel ohne Schwierigkeit und brach in ein schneidendes Hohngelächter aus.

»Ich lese Ihre Gedanken – das ist nicht schwer –, aber wenn wir auch nie ein Wort gewechselt hätten, wüßte ich schon im vorhinein wie Ihre Antwort auf eine solche Eröffnung wie die meine lauten würde! Ihr Charakter, mein Herr, malt sich in Ihrem Äußeren. Sie sind im Zeichen Merkurs geboren. Ihre ganze Rasse ist in der Regel merkurisch. Sie kann spötteln, zweifeln, die Achseln zucken, niederreißen – alles mit blendender Virtuosität, ja zuweilen mit Genie, aber eines kann sie nicht: etwas Neues schaffen, und eines ist ihr versagt: zu glauben. Ja, ich bin Astrologe und überzeugter Astrologe. Mein Name ist Donati. Wer und was sind Sie selbst?«

Dr. Zimmertür-Krimis

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