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Martin Haberkorn, 4. März 1943, Biskaya

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Dass die Biskaya ein schwieriges Seegebiet war wussten alle, aber diesmal war das Wetter so schlecht, dass der Kommandant nur zum Aufladen der Batterien auftauchen ließ.

„Die Wassertiefe in der Biskaya nimmt schlagartig von 200 Metern auf 3.000 bis 4.000 Meter zu wenn man sich von Land entfernt“ dozierte der I WO in der O-Messe, das Boot war in 50 Meter Tiefe, „lange Atlantikwellen werden also von diesem Sockel abgebremst und steilen sich auf. Außerdem können Wellen aufgrund der Biskayaküsten reflektiert werden und so entstehen gefährliche Überlagerungen. Dazu kommt noch, dass die Biskaya ein Durchzugsgebiet atlantischer Tiefdruckgebiete ist.“

„Gut gelernt“ brummte der Kommandant „eine ordentliche Ausbildung ist doch Gold wert. Leider merken wir ja jetzt selbst was hier los ist. Schon bei der letzten Reise dieser Kuhsturm, und jetzt sieht es auch nicht viel besser aus. Na wenigstens sollen wir mit anderen Booten einen Suchstreifen im Nordatlantik bei Grönland bilden und müssen nicht wieder so weit runter wie beim letzten Mal. Wie viele Boote sind denn überhaupt da draußen, I WO?“

„Knapp 10.“

„Nicht schlecht. Könnte was werden. Nun müssen wir bloß noch ein Geleit finden, aber 10 Boote sind schon n ganze Menge. Der BdU wird die Boote nicht ohne Grund da operieren lassen. Da wird wohl einer dann schon was sichten und Meldung geben. Was meinen Sie, LI?“

„Diesmal wird’s schon klappen, Herr Kaleun. Das letzte Mal haben wir eben bloß Pech gehabt. Außerdem würde man ja nicht so viele Boote in diesem Gebiet konzentrieren, wenn es keine Anhaltspunkte auf ein Geleit geben würde.“

„Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich glaube auch, dass wir Agenten in den Häfen der Amis haben. Wenn sich dort ein großes Geleit sammelt kann das doch nicht verborgen bleiben. Unser Boot ist ja fast wie neu, da dürfte nichts passieren wenn wir schnell die Position ändern müssten. Wie ist Ihr Eindruck LI?“

„Genauso. Der neue Diesel läuft gut, es gibt keine Probleme. Auch alles andere ist in Ordnung.“

„Na fein. Jetzt müssen wir bloß noch möglichst schnell auf unsere Position kommen, und dann sehen wir weiter. Aber bei diesem Wetter hat es wenig Sinn aufgetaucht zu fahren, da kommen wir ja kaum voran. Und wir haben noch gut 1.000 Seemeilen vor uns. Das dürfte aber in 3 bis 4 Tagen zu schaffen sein, wenn wir so um die 12 bis 13 Knoten laufen und das Wetter besser mitspielt. Wenn das Wetter aber so mies bleibt müssen wir mit einer deutlich längeren Reise rechnen, ich schätze mal so einen Woche. Na gut, wir gehen in 3 Stunden zum Rundhorchen hoch und peilen dann die Lage. Bis dahin haben wir noch mal Ruhe.“

Martin Haberkorn war kurz in der Zentrale gewesen, es war alles in Ordnung und er verzog sich auf seine Koje. Marie hatte er an Land nur kurz getroffen, sie war nach Lorient gekommen und sei hatten zwei schöne Tage und Nächte miteinander verbracht. Er merkte immer mehr wie sehr sie ihm fehlte wenn er auf See war. Er hatte sich aber angewöhnt eine Art Tagebuch zu führen, das sie dann nach seiner Rückkehr immer lesen konnte. Um weiter in Französisch voranzukommen schrieb er in dieser Sprache. Noch gab es nichts zu berichten, sie waren gerade einmal 7 Stunden in See. Die Bordroutine hatte sich schnell wieder eingespielt und Haberkorn ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sich im Boot eigentlich zu Hause fühlte. Immer wenn er wieder einstieg sog er den Duft von Öl ein, für andere wäre er störend gewesen, für ihn war es etwas Vertrautes. Irgendwie fehlte ihm an Land auch der Umgang mit den Maschinen, und da er jetzt schon etliche Zeit auf dem Boot fuhr hatte er alle Funktionen und die Zusammenhänge der verschiedenen Aggregate vollkommen verinnerlicht. Tatsächlich war es so, dass er das Boot vor allem mit seinem Verstand führte, aber es war immer mehr so geworden, dass er die Reaktionen dieses 1.000 Tonnen Kolosses vorausspüren konnte. Zusammen mit seinen eingefahrenen Leuten unterbot er sämtliche Normzeiten für das Tauchen oder andere Maßnahmen, denn er wusste, dass sie nicht mit Minuten, sondern mit Sekunden rechnen mussten. Die Bedrohung durch den Gegner wurde immer greifbarer, und da die gesamte Besatzung Hand in Hand arbeiten musste hatte er den Kommandanten gedrängt, das Einsteigen der Brückenwache mehr zu trainieren.

„Sie geraten unter Verschiss, LI“ hatte der Kommandant in der O-Messe zu ihm gesagt „wobei die Befehle ja natürlich von mir kommen müssen. Aber die Leute sind ja nicht blöd und werden bald ahnen, aus welcher Ecke der Wind weht.“

„Herr Kaleun, ob ich unter Verschiss gerate ist mir herzlich egal, es geht um das Leben von 50 Männern. Sie führen das Boot, ich bin Ihr LI. Ich möchte, dass Sie sich in allen Belangen auf mich verlassen können und dazu gehört eben auch, blitzschnell in der Tiefe verschwinden zu können. Da kann ich meine Männer noch so trietzen, aber wenn das Einsteigen zu lange dauert ist das nutzlos. Wir müssen noch schneller werden.“

„Stimmt ja alles. Ich überlege aber wie wir das so verpacken, dass es nicht noch zu mehr Reibereien zwischen der Maschine und den Seemännern kommt. Dieses verdammte Kastenwesen an Bord ist doch vollkommen überholt. Natürlich kann ein Seemann die Komplexität der Bootssteuerung kaum durchschauen, aber würden Sie sich bewähren, wenn Sie 4 Stunden auf dem Turm stehen und mit dem schweren Glas vor den Augen Ihren Sektor beobachten?“

„Sicher nicht. Jeder hat seine Aufgaben an Bord, und es geht auch gar nicht anders als sich zu spezialisieren.“

Der Kommandant sah den jungen Leutnant an. Seitdem er an Bord gegangen war hatte er ihn aufmerksam beobachtet. Dieser kräftige Mann war anfangs durchaus etwas nervös gewesen, kein Wunder, es war ein für ihn ungewohnter Bootstyp den er zu beherrschen hatte und er kannte seine Männer noch nicht. Dennoch hatte er seine Leute schnell davon überzeugt, dass er sein Handwerk hervorragend ausüben konnte und das Boot gut in der Hand hatte. Dazu kam, dass er niemals herablassend oder arrogant auftrat, obwohl seine Bildung und seine Fähigkeiten und Fertigkeiten es gestattet hätten. Der Kommandant verstand, dass sein LI zutiefst verinnerlicht hatte, dass selbst die ausgefeilteste Kriegsmaschine ihren Zweck nicht erfüllen könnte, wenn die Männer, die sie bedienten, nicht perfekt zusammenwirken würden. In den Diskussionen in der O-Messe war der LI eher zurückhaltend, aber an Selbstbewusstsein fehlte es ihm trotzdem nicht. Das kam zum Ausdruck, wenn er mit seinen Leuten sprach und ihnen Anweisungen gab. Das geschah in ruhigem Ton, nur einmal hatte der Kommandant Haberkorn brüllen gehört als er einen Putzlappen in einer Abgasklappe gefunden hatte.

„Na dann wolln wir wieder mal“ sagte er „LI, auf 30 Meter zum Rundhorchen gehen.“

Der Horcher saß konzentriert vor seinen Geräten, dann winkte er ab.

„Auftauchen“ befahl der Kommandant „2. Seewache sich klarmachen.“

Der II WO und die vier Seeleute standen schon in der Zentrale, als das Boot die Wasseroberfläche durchbrach. Bereits in 15 Metern Tiefe waren die bewegten Grundseen zu bemerken gewesen, das Wetter hatte sich offensichtlich nicht gebessert. Die fünf Männer enterten auf und durch das offene Turmluk kam ständig Wasser über. Haberkorn schaute auf den Fahrtmesser, 11 Meilen bei großer Fahrt.

„Nicht viel besser als unter Wasser“ sagte der Kommandant verärgert „na gut, wir müssen sowieso auf Ladung fahren. Was meinen Sie, Obersteuermann, sollten wir oben bleiben? Was sagt die Wetterprognose?“

„Wir haben bis jetzt 70 Meilen geschafft, und das Wetter soll besser werden. In ungefähr 30 Meilen müssten wir Brest landwärts haben und dann können wir auch mit weniger Sturm rechnen. Ich denke, wir sollten jetzt oben bleiben, immerhin kommen wir etwas schneller voran als unter Wasser.“

„Gut, dann machen wir das so. Schließlich werden wir ja erwartet. Kucken Sie nicht so LI, ich weiß, der kostbare Brennstoff. Die Reichweite unseres Bootes ist enorm, diesmal ist es bis zum Operationsgebiet aber nur ein Katzensprung. Dann an den britischen Inseln und Island vorbei und wir sind da. Nun muss bloß noch das Geleit dort auftauchen, falls es das überhaupt gibt. So richtig bin ich von den Prognosen unserer Aufklärung schon lange nicht mehr überzeugt. Das sind doch öfter reine Vermutungen. Wo ist denn unsere Langstreckenluftaufklärung? Das würde ich den Dicken gern mal fragen. Die paar „Condor“ können doch niemals diesen riesigen Seeraum überwachen. Wissen Sie was mir Sorgen macht? Noch gibt es auch für die Alliierten große Gebiete die sie aus der Luft nicht überwachen können, weil die Reichweite der Flugzeuge zu gering ist. In diesen Lücken können wir noch relativ ungestört operieren. Wenn der Gegner aber immer mehr Flugzeugträger in Dienst stellt dürfte es schnell damit vorbei sein. Wie viele Flugzeugträger haben wir denn? Na, Herr Obersteuermann?“

„Keinen einsatzbereiten, Herr Kaleun. Die „Graf Zeppelin“ ist zwar mit großem Bimborium im Dezember 1938 vom Stapel gelaufen, aber wenn ich es richtig weiß, ist der Bau erst einmal gestoppt worden.“

„Richtig. Wir sind als Boote also ganz auf uns allein gestellt. Keine Luftunterstützung, keine schlagkräftigen Seestreitkräfte. Die „Bismark“ ist schon im Mai 1941 abgetakelt worden, und die anderen Großkampfschiffe trauen sich aus ihren Häfen nicht mehr hinaus. Was die Marine noch aufzubieten hat sind ein paar Schnellboote, die die Tommies ein bisschen piesacken, aber das war’s auch schon. Keine guten Aussichten.“

Die Männer schwiegen, aber sie wussten, dass sie mit ihren Booten immer wieder hinausgehen mussten, um die Versorgung Großbritanniens zu stören. Allen war klar, dass sie es nicht schaffen würden die Insel ganz vom Nachschub abzuschneiden, dazu war die Zahl der Boote zu gering und die Amerikaner ließen ein „Liberty“ Schiff nach dem anderen im Tagesrhythmus vom Stapel laufen. Natürlich war ihnen auch klar, dass ihre Boote schon veraltet waren. Die Dauer für Unterwasseroperationen war viel zu gering und die elektronischen Ortungsmittel unzureichend. Dass der Gegner auf diesem Gebiet viel weiter war konnten sie bei ihren Einsätzen immer mehr feststellen. Dennoch gingen sie mit einer Mischung aus Trotz und Fatalismus immer wieder auf Feindfahrt, sie hatten im Moment nur diese Boote.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 10

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