Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 8 - Frank Hille - Страница 6
Martin Haberkorn, 17. September 1942, Atlantik
ОглавлениеNach bangen Stunden, ob die Maschine durchhalten würde, kam die Landlinie in Sicht. An Bord hatte es die üblichen Aufräum- und Vorbereitungsarbeiten gegeben. Obwohl die Nummer Eins sein übliches Theater mit viel Rumgebrüll aufgeführt hatte nahm das keiner richtig ernst. In knapp 3 Stunden sollten sie es geschafft haben, dann würde das lädierte Boot am Kai anlegen und später in eine Trockenbox transportiert werden. Da die Ausfälle an Bord erheblich waren rechnete Haberkorn damit, dass die Werft wohl einige Zeit benötigen würde, um das Boot wieder instand zu setzen. Insgeheim stellte er sich schon vor, dass er eventuell einige Tage mit Marie verbringen könnte. Natürlich würde das davon abhängen, wie er mit in die Arbeiten eingebunden sein würde.
Das Boot kam mit 7 Knoten Fahrt immer näher an das Land heran, und die Männer auf dem Turm und an den Flakgeschützen im Wintergarten waren sehr aufmerksam. Sobald sie im Schutz der Küstenbatterien waren sollte das Schlimmste vorbei sein aber sie trennten noch gut 5 Seemeilen von der Hafeneinfahrt und Haberkorn hatte sich angewöhnt, erst dann entspannter zu sein, wenn sie angelegt hatten. Tauchen war im flachen Küstenvorfeld ohnehin nicht mehr möglich, wenn sie jetzt angegriffen werden sollten mussten sie die Sache an der Oberfläche durchstehen. Die 3,7 Zentimeter Flak war eine wirkungsvolle Waffe, aber auf der instabilen Plattform eines sich bewegenden U-Bootes gehörte schon eine große Portion Glück dazu, ein Flugzeug abzuschießen. Die 2 Zentimeter Flak hatte zu wenig Durchschlagskraft und diente mehr der Abschreckung anfliegender Maschinen. Als man von Boot aus schon erste Gebäude erkennen konnte näherte sich eine weiße Motorbarkasse.
„Ach du liebes Bisschen“ knurrte der Kommandant verärgert „extra Vorab Empfangskomitee für uns. Ich wette, das ist wieder der schleimige Heinrich, Kriegsberichter. Schnappt sich immer schon vor dem Einlaufen symbolisch die Kommandanten und quetsch die dann bei Bier und Schnaps über den Verlauf der Reise aus. Und daraus formuliert dieser widerliche Kerl dann seine Heldenepen. „Mit einem schneidigen Angriff schoss das Boot zwei Frachter aus dem Konvoi hinaus und entkam den feindlichen Zerstörern dann durch ein geschicktes Wechseln der Kurse und Tiefen.“ So oder ähnlich klingt das dann. Dabei ist dieser Barde noch kein einziges Mal draußen gewesen. Jetzt wird das Salbadern gleich losgehen. Aber wir lassen ihn nicht an Bord, können eben wegen Motorproblemen nicht stoppen.“
Die Barkasse lief neben dem Boot her und versuchte anzulegen.
„Herr Kaleun, stoppen Sie bitte“ rief ein untersetzter und dicklicher Mann zum Turm hoch und schwenkte eine Flasche in seiner rechten Hand „ich möchte Ihnen ein Glas Schampus auf Ihre Erfolge anbieten.“
„Haben Maschinenprobleme“ erwiderte der Kommandant laut „müssen bis zum Kai durchlaufen. Später können wir anstoßen.“
„Noch 10 Minuten“ sagte er leise zum Obersteuermann „dann kommt wieder das ganze Brimborium. Mal sehen wer uns begrüßen wird. Ich hoffe, der Flottillenchef ist woanders unabkömmlich.“
Das Verhältnis zwischen dem Kommandanten und dem Flottillenchef war angespannt. Der Kapitänleutnant hatte für den Fregattenkapitän eine deutlich spürbare Verachtung übrig. Der Mann war zweimal auf Feindfahrt gewesen und hatte danach um die Ablösung vom Bordkommando gebeten, weil er eine scheinbare Rheumaerkrankung davongetragen hätte. An Land hatte er sich dann zielstrebig in der Verwaltung nach oben gearbeitet und es bis zum Flottillenchef gebracht. Ein offenes Geheimnis war seine Vorliebe für die Jagd und er war des Öfteren nicht am Standort anwesend. Dann führte sein Stabschef die Geschäfte und mit dem kam der Kommandant besser zurecht, die beiden Männer kannten sich schon viele Jahre. Wie der Korvettenkapitän allerdings mit dem recht unbedarften Flottillenchef zusammenarbeiten konnte war den meisten Offizieren nicht klar, aber das war nicht ihre Sache. Tatsächlich kam der Stabschef nach dem Anlegen auf das Boot und hielt eine kurze Ansprache, er verwendete aber nicht die dröhnenden Schlagworte von Dönitz. Der Kommandant würde mit ihm in der Limousine zum Rapport mitfahren.
„LI, Sie, der I WO, der Obersteuermann, der Rudergänger, die Zentralemaate und die E-Maschinisten bleiben an Bord und bringen das Boot zur Aufschleppanlage. Ihre Seesäcke geben Sie den anderen mit. Die Männer werden mit Bussen in ein Barackenlager drei Kilometer von der Stadt weg hingefahren, Sie werden dann später auch abgeholt. Ich bin jetzt mit unserem alten LI und dem Stabschef in dessen Büro zur Auswertung der Reise und zur Absprache wegen der Reparaturen. Komme dann später nach. II WO, Sie sind der Transportführer für die beiden Busse. Die Männer sollen sich einrichten und heute Abend gibt es den üblichen Umtrunk. Also, bis später.“
Der I WO fuhr das Boot und gab vorsichtige Rudermanöver um die überbunkerte Aufschleppanlage anzusteuern. Marineinfanteristen, die den Betrieb in Hafen mit organisierten, standen im Bunker bereit und gaben Winkzeichen für die richtige Position. Von den E-Maschinen angetrieben glitt das Boot langsam auf den im Wasser befindlichen keilförmigen Aufschleppwagen, mit rückwärts laufenden Schrauben wurde es gestoppt. Die Männer im Boot spürten deutlich, dass das Boot auf dem Wagen angedockt hatte, es gab einen leichten Ruck. Haberkorn und die anderen gingen über eine Stelling von Bord und beobachteten die weitere Prozedur. Das Boot wurde noch mit dicken Tauen gesichert, dann setzte sich der Aufschleppwagen langsam in Bewegung. Dieser erreichte nach kurzer Zeit die mehrere Meter über dem Wasserspiegel liegende Bunkeranlage Keroman I und Keroman II. Vor den Boxen wurde das Boot auf eine Schiebebühne transportiert. Diese Bühne verlief vor beiden Bunkern, so dass alle Boxen dort erreicht werden konnten. Vor der dritten Trockenbox hielt der Wagen, dann wurde das Boot dort hineingeschoben und auf Packholzklötzen mit dem Kiel aufgesetzt. Balken dienten zum Abstützen an den Wänden des Docks.
Martin Haberkorn ging mit den anderen zum Kai zurück, dort wartete bereits ein Bus auf die Männer. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung und fuhr durch die unansehnliche Stadt. So wie Brest war Lorient eine typische vom Fischfang geprägte Hafenstadt. Lediglich einige Jugendstilhäuser gaben dem Stadtbild etwas Charakter, aber große Anziehungskraft hatte sie nicht. Außerdem gab es bereits etliche Bombenschäden weil die Alliierten den Hafen und die Bunker öfter angriffen. Selbst schwere Bomben hatten die Stahlbetonkonstruktionen aber bisher nicht beschädigen können, die Decken der Bauwerke waren 3,5 Meter dick. Der Bus schwenkte auf eine Landstraße außerhalb der Stadt ein und fuhr noch gut 2 Kilometer auf dieser Straße, dann bog er auf einen Waldweg ab und hielt vor einem Schlagbaum. Der Posten kontrollierte die Papiere, dann konnte der Bus in das eingezäunte Gelände fahren. Die Gegend war mit Nadelbäumen bewachsen und von einem zentralen Platz aus, wo der Bus jetzt parkte, führten schmale Wege zu unter den Bäumen stehenden Baracken. Haberkorn wusste was ihn erwartete, es waren die typischen Standardbauten mit 4-Bettzimmern mit Spinden, Tischen und Stühlen, einer Toilettenanlage und den Waschräumen. Er als Offizier würde über ein Zimmer für sich allein verfügen. Am Appellplatz wäre sicher eine Baracke als Speisesaal eingerichtet worden und womöglich gab es auch eine Offiziersmesse, wo er sich abends die Langeweile ein wenig vertreiben könnte. Heute war für die Besatzung aber ein Umtrunk in der Stadt in einem Hotelrestaurant geplant, 2 Busse würden die Männer aus dem Lager abholen und dann auch wieder zurückbringen. Haberkorn war kein Freund solcher Veranstaltungen, aber drücken konnte er sich davor auch nicht. Das ihm zugewiesene Zimmer war spartanisch eingerichtet aber sauber. Im Vergleich zu seinem Schlafplatz im U-Boot kam ihm die Stube riesig vor und er würde sich erst wieder daran gewöhnen müssen, Licht durch das Fenster zu haben. Er zog seine nach Diesel und Schmutz riechende Bordkombi aus und warf sich auf das Bett, in ein paar Minuten wollte er in den Waschraum gehen, sich rasieren und waschen. Wenn er Glück hätte, würde es dort vielleicht auch Duschen geben, und die würde er ausgiebig nutzen.