Читать книгу Die Überlebenden von Atlantis - Frank Joseph - Страница 8
EINLEITUNG Eine Million Tonnen Kupfer
ОглавлениеEs gab und es wird noch viele verschiedene Katastrophen geben, um die Menschheit zu vernichten, die größten in Form von Feuer und Wasser.
PLATON: TIMAIOS
Atlantis! Kaum ein anderer Name bewegt so viele Millionen von Menschen auf der ganzen Welt selbst noch nach tausenden von Jahren. Er taucht in Kinofilmen und Fernsehsendungen auf, und selbst ein Space Shuttle wurde danach benannt. Mehr Bücher als jemals zuvor werden heute über das versunkene Reich veröffentlicht; insgesamt sind etwa zweitausendfünfhundert Bände und Zeitschriftenartikel zum Thema Atlantis erschienen. Unter konventionellen Gelehrten genügt die bloße Andeutung, dass es für die Existenz der verschollenen Stadt eine faktische Grundlage geben könnte, um als »Mythomane« verurteilt zu werden. Doch trotz der offiziellen Ablehnung hat sich die populäre Faszination für Atlantis dauerhaft erhalten. Und auch ein kleiner internationaler Kreis meist unabhängiger Wissenschaftler glaubt, dass es einmal Realität gewesen sein könnte. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist dieser Kreis nun unversehens gewachsen, da neue Forschungsergebnisse aus Theorien Fakten machen könnten.
Trotz seines legendären Rufs wissen die meisten Menschen sehr wenig über Atlantis. Sie vermuten, dass es ein ozeanisches Reich war, das lange Zeit einen großen Teil des Globus beherrschte, bevor es durch eine Naturkatastrophe im Meer versank, worauf einige wenige Überlebende in verschiedene Regionen des Planeten flohen. Viele Atlantisforscher glauben, dass die erste menschliche Zivilisation vor mindestens zwölf Jahrtausenden auf dem »Kontinent« von Atlantis entstand und um 9500 vor Christus durch eine große Flut zerstört wurde. Sowohl Skeptiker als auch wahre Gläubige könnten jedoch durch dieses Buch eines Besseren belehrt werden. Es ist kein Neuaufguss meines zuvor erschienenen Werkes Der Untergang von Atlantis, sondern präsentiert völlig neues Material. Der Atlantische Krieg, vier globale Katastrophen und das Schicksal der Überlebenden in verschiedenen Teilen der Welt werden hier zum ersten Mal beschrieben.
Die Überlebenden von Atlantis beruht auf einer Konferenz führender Wissenschaftler, die sich im englischen Cambridge trafen. Experten verschiedener akademischer Disziplinen, von der Geologie und Astrophysik bis hin zur Archäoastronomie und Ozeanographie, stellten ihre Erkenntnisse vor. Dabei skizzierten sie eine neue Sicht der Vergangenheit, die sich grundlegend von dem bisher vertretenen Bild unterscheidet. Die Beweise, die sie vorlegten, waren ebenso überraschend wie überzeugend. Sie zeigten, dass während der ersten Epoche der Menschheitsgeschichte eine Reihe von Kometen, die dicht an der Erde vorbeiflogen, zu vier verschiedenen katastrophalen Szenarien auf unserem Planeten führten. Diese Himmelsereignisse und die nachfolgenden Geschehnisse sind nicht bloße Vermutungen von Theoretikern. Vielmehr existiert eine Fülle materieller Beweise, die bestätigen, dass diese weltweiten Katastrophen tatsächlich stattgefunden haben und dass die letzte davon die Zivilisation an den Rand des Aussterbens brachte.
Beim Studium der Präsentationen dieser Konferenz in Cambridge wurde mir eindringlich ins Bewusstsein gerufen, dass zahlreiche Kulturen auf der ganzen Welt sich an große Fluten erinnern, denen jeweils Massenwanderungen folgten. Diese Überlieferung existiert bei so unterschiedlichen Völkern wie den Inka in Peru, den keltischen Iren, den klassischen Griechen, den Azteken Mexikos und vielen anderen. Diese Erinnerungen passen gut zu dem, was die Wissenschaft heute als ein Quartett von Naturkatastrophen identifiziert hat, die vor mehr als fünftausend Jahren die Erde verwüsteten. Doch wenn zum Mythos, der Astronomie und der Geologie auch noch der Beweis durch geophysikalische Methoden der Archäologie hinzukommt, dann wirft das ein ganz neues Licht auf die uralte Vergangenheit. Dadurch enthüllen sich die bisher unsichtbaren Ursachen, die den Lauf der Geschichte bestimmten. Offensichtlich gibt es ein gemeinsames Thema, dessen Fäden immer wieder zusammenlaufen und das all den verschiedenen Drehungen und Wendungen des großen menschlichen Dramas einen Sinn gibt: Atlantis. Der Name ist ebenso unausweichlich wie kraftvoll.
Durch die Verbindung dieses versunkenen Reichs mit vier verschiedenen globalen Katastrophen lassen sich der Beginn sowie die Entwicklung der menschlichen Zivilisation erklären. Und gleichzeitig liegt Atlantis damit plötzlich innerhalb der glaubwürdigen Parameter realer Geschichte statt spekulativer Fantasie. Es erlebte nicht eine, sondern mehrere Katastrophen, zwischen denen jeweils viele Jahrhunderte lagen, bis schließlich ein viertes Ereignis das Reich auslöschte. Das vorliegende Buch beschreibt diese Einzelereignisse erstmals anhand von Überlieferungen aus Ägypten, Mesopotamien, Marokko, den Kanarischen Inseln, Irland, Wales, Skandinavien, dem präkolumbischen Nordamerika sowie Mittel- und Südamerika. Viele der Flutmythen über ein versunkenes Reich wurden noch nie einem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht. Nun sollen sie endlich präsentiert werden, um den wissenschaftlichen Beweisen ein menschliches Gesicht zu geben. Schließlich waren die Männer und Frauen der vorklassischen Zeit Augenzeugen von Kataklysmen, die ihre Welt wiederholt zerstörten. Sie haben diese Katastrophen in einem unvergänglichen Medium dokumentiert. Papyri können verbrennen, in Stein gemeißelte Worte verwittern, Tontafeln zerbröseln. Doch eine Botschaft, die in einen Mythos gehüllt ist, überdauert den Lauf der Jahrhunderte wie der Körper eines Insekts, das in Bernstein eingeschlossen ist.
Die Überlebenden von Atlantis erzählt eine weitere Geschichte, von der bisher noch nie berichtet wurde, nämlich die des Krieges, den die Atlanter laut Platon begannen, um die Welt zu erobern. Dieses militärische Abenteuer, das von Historikern bisher vernachlässigt wurde, war eng mit den Naturkatastrophen verknüpft, von denen sie schließlich überwältigt wurden. Das Chaos, das die Menschheit auf der Erde angerichtet hatte, spiegelte sich in den erzürnten Himmeln wider. In dieser Hinsicht ist Die Überlebenden von Atlantis eine Weiterführung meiner ersten Untersuchung des Themas, welche den Krieg zwar erwähnte, aber nicht näher erläuterte.
Der Untergang von Atlantis konzentrierte sich auf die letzten Augenblicke dieser verlorenen Zivilisation, weil diese Momente uns zeitlich am nächsten liegen und daher leichter dokumentiert werden können. Leser, die der Annahme waren, dass Atlantis zum Zeitpunkt seines Untergangs um 10.000 vor Christus bereits viele Jahrtausende alt gewesen sei, erfuhren überrascht, dass die Stadt vor lediglich 3.200 Jahren ihr endgültiges Schicksal ereilte. Der Sinn des Buches war jedoch nicht, über die Ursprünge oder das Alter von Atlantis zu diskutieren, sondern ein endgültiges vernichtendes Ereignis in der Bronzezeit zu erklären. Mit deren plötzlichem Ende um 1200 vor Christus brach die vorklassische Zivilisation überall zusammen, vom pharaonischen Ägypten und dem homerischen Griechenland bis zum Hethiterreich und der chinesischen Shang-Dynastie. Atlantis war ein weiteres Opfer der weltweiten Katastrophe. Nach Platons Beschreibung war es – wie die anderen auch – eine nachweisbare Stadt während der Bronzezeit gewesen.
Die Dialoge Timaios und Kritias, die Platon um 340 vor Christus schrieb, enthalten die frühesten überlieferten Erzählungen ihrer Art. Sie stellen die Atlanter als hervorragende Seefahrer und Metallschmiede dar, die große Entfernungen zurücklegten und »Orichalcum« herstellten, eine außergewöhnlich hochwertige Bronzelegierung, die zu Platons Zeit nicht mehr verfügbar war. Durch ihren Export von Orichalcum, so erklärte er, wurden die Atlanter sagenhaft reich und mächtig. Er beschreibt sie als wohlhabende seefahrende Bergleute; dies ist das Beweisstück, das zwei große historische Rätsel miteinander verbindet.
Seit mehr als zehntausend Jahren war der nordamerikanische Kontinent nur spärlich von paläoindianischen Stämmen nomadisierender Jäger und Sammler bewohnt, die wandernden Tierherden folgten und nur wenig an materieller Kultur besaßen. In der Region der Großen Seen sammelten sie gelegentlich Stücke von Kupfer auf, die zurückweichende Gletscher hinterlassen hatten, und schmiedeten oder hämmerten diese zu Schmuckstücken. Doch dann, um 3000 vor Christus, entstanden plötzlich ehrgeizige Bergbauunternehmungen entlang der Ufer des Oberen Sees auf der Oberen Halbinsel sowie auf der Isle Royale. In den folgenden 2.200 Jahren wurden in fünftausend Gruben, von denen einige zweihundert Meter tief durch massives Gestein ausgeschachtet waren, mindestens 22.500 Tonnen hochwertiges Kupfer abgebaut. Wie in meinem bisher nur in den USA erschienenen Buch Atlantis in Wisconsin berichtet, wurden durchschnittlich 1.000 bis 1.200 Tonnen Erz pro Grube entnommen, die jeweils etwa 45 Tonnen Kupfer ergaben.
Für diese erstaunliche Ausbeute verwendeten die alten Bergleute einfache Techniken, die es ihnen ermöglichten, schnell und effizient zu arbeiten. Sie erzeugten intensive Feuer oberhalb einer Kupferader, erhitzten das Gestein damit auf sehr hohe Temperaturen und übergossen es anschließend mit kaltem Wasser. Das Gestein zerbrach, woraufhin sie das Kupfer mit Steinwerkzeugen extrahierten. Tief in den Gruben wurde eine Essigmischung verwendet, was den Aufschluss des Gesteins in einzelne Schichten beschleunigte und Rauchentwicklung vermied. Wie sie entsprechend hohe Temperaturen erzeugen konnten, ist Teil des Rätsels. Die Unterseite eines Feuers auf einer felsigen Oberfläche ist sein relativ kühlster Bereich. Selbst bei einem extrem heißen Holzfeuer würde es sehr lange dauern, um eine Ader ausreichend zu erhitzen, und es ist fraglich, ob es überhaupt möglich wäre. Wie die vorzeitlichen Bergleute solch hohe Temperaturen im Boden erzeugen konnten, ist eine Frage, die die moderne Technologie bisher nicht beantworten kann.
Ein beträchtlicher Teil ihrer Techniken lebt jedoch bis heute fort. Große Stücke Kupfergestein mit einem Gewicht von teilweise über 2,5 Tonnen wurden ausgegraben und mithilfe von ausreichend belastbaren Holzbehältern, Stein- und Holzplattformen an die Oberfläche befördert. Die Behälter wurden meist aus behauenen Stämmen in Art einer Blockhütte gebaut und konnten durch eine Reihe von Hebeln und Keilen angehoben werden. Ein Beispiel für die massiven Proportionen des im alten Michigan abgebauten Gesteins ist der Ontonagon Boulder. Dieser Kupferbrocken, der um die Wende des neunzehnten Jahrhunderts zum Smithsonian gebracht wurde, wiegt fünf Tonnen. Eine sechs Tonnen schwere Kupfermasse wurde vor Ort auf einer erhöhten Holzkonstruktion entdeckt und dort anscheinend zurückgelassen. Sie ist drei Meter lang, neunzig Zentimeter breit, sechzig Zentimeter dick und teilweise behauen.
Abb. E1. Ein durch sein langes Gewand als Angehöriger der Seevölker identifizierbarer Mann trägt einen »Ochsenhautbarren« aus Kupfer. Darstellung auf einem Ständer für ein zypriotisches Räuchergefäß, um 1200 vor Christus. Nach Platon waren die Atlanter die führenden Kupferbarone der Bronzezeit. (Archäologisches Museum Bodrum, Türkei)
Angesichts dieser Dimensionen stellt sich die Frage, ob die Minenarbeiter, die Tonnen von rohem Kupfer auf Michigans Oberer Halbinsel bewegten, eventuell die gleichen Leute waren wie die, die auf ganz ähnliche Art und Weise die Steinblöcke der Großen Pyramide transportierten.
Unglaublicherweise wurden Tausende von Werkzeugen gefunden, die die alten Minenarbeiter benutzt hatten. Bereits im Jahr 1840 hat man zehn Wagenladungen mit Steinhämmern an einem einzigen Ort in der Nähe von Rockland, Michigan, entdeckt. Die Funde in McCargo Cove an der Nordküste der Isle Royale beliefen sich auf sage und schreibe 1.000 Tonnen. Auch waren diese Hämmer nicht etwa grob gefertigt. Roy W. Drier, ein Experte für alte Kupferminen, schreibt dazu:
»Bei der Untersuchung der gefundenen Werkzeuge ist man unwillkürlich erstaunt über die Perfektion der Verarbeitung und über ihre Ähnlichkeit mit den Werkzeugen, die für vergleichbare Zwecke in heutiger Zeit hergestellt und verwendet werden; es sind die Prototypen der Werkzeuge unserer gegenwärtigen Zivilisation. Die Fassungen der Speere, Meißel, Pfeilspitzen, Messer und Fleischermesser sind in fast allen Fällen so symmetrisch und perfekt geformt, als seien sie vom besten Schmied der heutigen Zeit mit allen hochentwickelten Hilfsmitteln seiner Kunst gefertigt worden.« (DuTemple 1962, 27)
Die Minen selbst waren nicht nur einfache Gruben, sondern mit modernen Bewässerungssystemen ausgestattet, die es ermöglichen sollten, Schutt über bis zu hundertfünfzig Meter lange Gräben auszuschwemmen. Für William P. F. Ferguson, einen frühen und immer noch angesehenen Experten für den historischen Bergbau in Nordamerika, ist die Arbeit »kolossal«, denn sie bedeutete »die Umwandlung der gesamten Formation in ihrer Tiefe sowie die Bewegung von vielen Kubikmetern Stein – es wäre nicht übertrieben, von Kubikmeilen zu sprechen«.
Die Grabungen erstreckten sich über zweihundertvierzig Kilometer an der Küste des Oberen Sees und über fünfundsechzig Kilometer auf der Isle Royale. Würde man alle diese vorzeitlichen Grubenminen kombinieren, würden sie einen Graben von mehr als acht Kilometer Länge, sechzig Meter Breite und neunzig Meter Tiefe bilden.
So plötzlich, wie die Minen entstanden waren, wurden sie um 1200 vor Christus aber auch wieder geschlossen. Octave DuTemple, die führende Expertin für diese einst im großen Stil betriebenen Gruben, fragt sich:
»Warum haben diese Minenarbeiter ihre Gerätschaften so hinterlassen, als ob sie ihre Arbeit am nächsten Tag wiederaufnehmen wollten, und sind dann mysteriöserweise nie wieder zurückgekehrt? In den Legenden der Indianer werden diese Bergbauarbeiten nicht erwähnt. Dabei sind sie doch von einer Größenordnung, die es wert gewesen wäre, in die Geschichte jedes Volkes aufgenommen zu werden. Was die Legenden berichten, ist, dass es in der Geschichte der Indianer vor langer Zeit eine weiße Rasse gegeben habe, die vertrieben worden sei.« (DuTemple 1962, 59)
Die Indianer, auf die sich DuTemple bezieht, sind die Menominee, deren ursprüngliche Wurzeln auf Michigans Oberer Halbinsel liegen. Ihre volkstümlichen Überlieferungen sprechen von den »Meeresmenschen« – von hellhäutigen Seefahrern, die in großer Zahl über das Meer kamen, um »die Erdmutter zu verwunden, indem sie ihre glänzenden Knochen ausgruben« – eine poetische Anspielung auf das Kupfer. Das Rätsel um den vorzeitlichen Bergbau in Nordamerika wird noch größer, wenn wir uns bewusst machen, dass 25.000 Tonnen oder mehr Kupfer verschwunden sind. »Wo dieses Kupfer landete, ist noch immer ein Rätsel«, sagt DuTemple. Mit den Worten von Dr. James P. Scherz, einem emeritierten Professor an der Universität von Wisconsin in Madison:
»Eine der grundlegenden Fragen, die noch nicht beantwortet wurde, lautet: Was geschah mit dem Kupfer vom Oberen See? Das Kupfer, das in Grabhügeln gefunden wurde – auch wenn es eine große Menge war – stellt nur einen kleinen Prozentsatz davon dar. Die Europäer haben ein vergleichbares Problem. Woher kam all ihr Kupfer? Die Europäer befanden sich von 3000 bis 1000 vor Christus in einem Kupferrausch, vergleichbar mit dem heutigen Handel mit Öl, weil Kupfer ihre Wirtschaft antrieb.« (Joseph 1995, 54)
Scherz stellt damit die andere Seite des Rätsels vor. Die Bronzezeit begann in Europa und im Nahen Osten, da Waffen und Werkzeuge aus Bronze jenen aus Kupfer oder Stein überlegen waren. Bronze ist härter, widerstandsfähiger und lässt sich besser zu einer scharfen Klinge schmieden als Kupfer, und es ist leichter als Stein. Um Bronze herzustellen, muss Kupfer mit Zinn und Zink amalgamiert werden. Je höher der Kupfergehalt, desto besser die Waffe oder das Werkzeug. Die Alte Welt verfügte jedoch nicht über genügend Quellen hochwertigen Kupfers, um die Massenproduktion hochwertiger Bronzewerkzeuge zu ermöglichen, wie sie damals in jedem Reich der zivilisierten Welt üblich war. Woher hatten die Metallschmiede all das hochwertige Kupfer für die Millionen Speere, Schwerter, Rammen, Meißel, Bohrer, Statuen, Kessel, Altäre, Tempeltüren und all die anderen unzähligen Gegenstände, die sie fertigten? Beweise, die mehr als nur Indizien sind, weisen auf die Obere Halbinsel von Michigan hin. Dort haben die »Meeresmenschen« nicht nur die weltgrößten Vorräte an hochwertigem Kupfer ausgegraben, sondern auch Zinn gewonnen, eine weitere wichtige Komponente in der Bronzeherstellung.
Auf halbem Weg zwischen Nordamerikas gewaltigem Kupferbergbaugebiet und der Alten Welt mit ihrem Hunger nach Kupfer lag Atlantis, das für seine Seefahrer und Bergarbeiter berühmt war. Der Zusammenhang zwischen dem Kupferabbau in Michigan und dem Kupferverbrauch in der Alten Welt wird noch deutlicher, wenn man die Zeitparameter vergleicht: Der Kupfer- und Zinnbergbau auf der Oberen Halbinsel von Michigan startete um 3000 vor Christus, zur selben Zeit, als die Bronzezeit in Europa und im Nahen Osten begann. Sowohl der nordamerikanische Bergbau als auch die Bronzezeit der Alten Welt endeten gleichzeitig um 1200 vor Christus, dem Zeitpunkt – wie weiter unten beschrieben – der endgültigen Zerstörung von Atlantis.
Abb. E2. Drei wohlgeformte Speerspitzen aus Kupfer von der Oberen Halbinsel in Michigan. Ihre Produktion zwischen 3100 und 1200 vor Christus fällt mit der Bronzezeit der Alten Welt zusammen, die von den reichen mineralogischen Quellen abhängig war, über die die Kuperbarone von Atlantis herrschten.
Nach Platons Aussage müsste der Untergang von Atlantis 8.300 Jahre früher stattgefunden haben. Doch warum sollte seine Zeitvorstellung damals – im vierten Jahrhundert vor Christus – dieselbe gewesen ist wie unsere heutige? In der Tat war sie nämlich ganz anders! Niemand weiß genau, was er damit meinte, als er berichtete, Atlantis sei vor 11.500 Jahren zerstört worden. Was bedeuteten diese »Jahre« für ihn? Sonnen- oder Mondjahre, siderische oder astrologische Jahre – all diese Maße und noch weitere waren in der Antike in Gebrauch, und Wissenschaftler haben lange darüber debattiert, welches System Platon verwendete. Ich plädiere für die Annahme, dass er sich auf den Mondkalender bezog, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Damit lässt sich Atlantis in der späten Bronzezeit ansiedeln, als seine Zitadelle, wie von Platon beschrieben, typisch war für das monumentale Bauwesen jener Zeit im Mittelmeerraum. Diese Zitadelle hätte früher als 3000 vor Christus nicht erbaut werden können und wäre am Ende der letzten Eiszeit so fehl am Platze gewesen wie ein Wolkenkratzer mitten in der Bronzezeit.
2. Die endgültige Zerstörung von Atlantis fällt dadurch mit dem gleichzeitigen Ende der Bronzezeit in der Alten Welt und des Kupferbergbaus in Nordamerika zusammen.
3. Die ägyptischen Priester, die die Geschichte von Atlantis ursprünglich tradierten, benutzten einen Mondkalender.
4. Die Wissenschaft weiß heute, dass unser Planet um 1200 vor Christus eine sehr enge Begegnung mit einem Kometen hatte. Die Erde war damals einer globalen Katastrophe ausgesetzt, die alle zeitgenössischen Zivilisationen vernichtete, einschließlich der von Atlantis.
Neue Beweise zwingen uns dazu, alte Ansichten von der verlorenen Zivilisation von Atlantis aufzugeben. Sie war ein Phänomen der Bronzezeit und hatte ihre Blütezeit nicht während der letzten Eiszeit, wie früher angenommen wurde. Diese Datierung würde auch nicht zu dem von Platon beschriebenen milden Klima passen. Heute sind wir in der Lage, sowohl die finale Zerstörung von Atlantis zu datieren als auch einen Teil seiner Geschichte zu rekonstruieren, nämlich fast zweitausend Jahre vor diesem Ereignis. Das vorliegende Buch, Die Überlebenden von Atlantis, verbindet Wissenschaft und Überlieferung, um zu eruieren, was aus jenen wurde, die der Katastrophe entrannen.
Wann genau Atlantis gegründet wurde und wie lange seine Blütezeit währte, ist jedoch nach wie vor unklar. Die Ereignisse vor der ersten Katastrophe von 3100 vor Christus lassen sich nicht nachvollziehen. Bis dahin war Atlantis allen Anzeichen nach bereits zu einer hochentwickelten Gesellschaft mit einer ausgeklügelten materiellen Kultur herangewachsen. Die Entwicklung von den ersten Ursprüngen in der Steinzeit muss Jahrhunderte gedauert haben. Wir können jedoch Parallelen finden, wenn wir die zeitgenössische Vorgeschichte in Westeuropa betrachten. Verschiedene neolithische Kulturen entwickelten sich während des vierten Jahrtausends vor Christus. Damals waren die Menschen bereits geübte Seefahrer – und teilweise schon lange davor, wie die moderne Wissenschaft entdeckt hat. Diese frühen Seefahrer und ihre Nachkommen brachten wahrscheinlich ihre Fähigkeiten auf die Insel mit, die später nach ihrem Hauptvulkan Atlas benannt wurde. Der fruchtbare Boden und das gemäßigte Klima der Insel erleichterten die Landwirtschaft und sorgten für ein rasches Bevölkerungswachstum, Grundlage jeder Zivilisation. Um 3500 vor Christus entwickelte sich eine Siedlung zwischen der Südküste und dem Vulkan zu einer Stadt – der »Tochter des Atlas«, Atlantis.
Im Sanskrit bedeutet Atlas »der Tragende«. Vor sechstausend oder mehr Jahren könnte dieses Wort einfach gleichbedeutend mit »Berg« gewesen sein. Einige Forscher fragen sich, ob das A in unserem modernen Alphabet eventuell ein Ideogramm aus atlantischer Zeit ist, das einen im Meer stehenden Berg darstellt. In jedem Fall hätte Atlantis ein hohes kulturelles Niveau erreicht haben können, vergleichbar mit dem zeitgenössischen Mesopotamien um die Mitte des vierten Jahrtausends vor Christus, wenn nicht gar fortgeschrittener.
Doch all das ist Spekulation. Die Überlebenden von Atlantis konzentriert sich stattdessen auf die vier globalen Katastrophen, die von der Wissenschaft identifiziert wurden und die in den Erzählungen aller Völker, deren Küsten vom Atlantischen Ozean überschwemmt wurden, anschaulich geschildert werden. Dabei rückt das verlorene Reich klarer in den Fokus als jemals zuvor.
Sein anhaltender Einfluss auf unsere gegenwärtige Zivilisation hebt sich zum ersten Mal deutlich ab – und wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die Geschichte von Atlantis die Geschichte unserer Welt ist.