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67. Ohne Worte und ohne Titel !!! Kenia - Mombasa

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Ich bin gerade 5 Tage in Kenia und am Donnerstag, den 8. Dezember 1994 ist mir dieser „Unfall“ passiert.

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Biki, ein Freund aus der Schweiz, erzählte mir in Mombasa von seiner Überlandfahrt von der Schweiz nach Kenia und seinen ca. 40 größeren und kleineren Unfällen auf der Strecke. Als kleinerer Unfall zählt auch das Umfallen de Mopeds in Spurrillen und den damit verbundenen kleinen Blessuren am Krad.

Die Reise hat auch fast 18 Monate gedauert, da er zwischendurch ein halbes Jahr back in der Schweiz war, um wieder Geld zu verdienen und um Ersatzteile zu holen.

Also greifen wir uns den skurrilsten Unfall heraus. Ort des Geschehens war eine Piste im Grenzgebiet Somalia/Nordostkenia. Biki schon wieder ewig auf seinem Moped unterwegs, wollte aber, trotz seiner Malaria und dem damit verbundenen Fieber, einfach nur in Mombasa ankommen und fuhr und fuhr.

Da überfuhr er einen, auf der Piste liegenden Körper, den er, ob seines Fiebers oder den örtlichen Umständen überhaupt nicht wahrnahm. Er stürzte sofort und blieb fiebrig wie er war, ohnmächtig liegen.

Als er wieder zu sich kam, befand er sich in einer Hütte des nahen, kleinen Dorfes und wurde liebevoll gepflegt.

Er wusste zum damaligen Zeitpunkt nicht, wie lange er schon hier gelegen hatte, später erfuhr er, dass er fast 7 Tage im Fieberwahn niederlag.

Außerhalb der Hütte sah er sein Moped, das irgendjemand in dieser Zeit auf Hochglanz poliert hatte.

Nun wollte er schon anfangen sich zu bedanken, Geschenke zu überreichen, um eventuell schnell weiterzufahren, aber man teilte ihm mit, dass es ein Problem gäbe.

Ein Problem, das gelöst werden könne, man müsse sich nur noch intensiv mit den Ältesten beraten.

Er hatte keinerlei Vorstellung um was es ging, war völlig Ahnungslos, wurde aber schnellstens aufgeklärt.

Bei seinem Unfall hatte er einen auf der Piste liegenden Mann überfahren, einen Mann aus dem Dorf, einen Ehemann.

Dieser sei tot und nun musste verhandelt werden, wie viel der Witwe, als finanzieller Ausgleich zustand.

Er konnte es nicht glauben, zumal er keinerlei Erinnerung hatte. Der Unfall war wie ausgeblendet.

Er ahnte nun das Schlimmste, da er, wie wir alle tausend andere Geschichten dieser Art kennen und wusste was kommen wird, bzw. kommen muss….

Aber weit gefehlt, der Tote war wohl ein bekannter Säufer, der seine Frau ständig verprügelte und im Dorf nur Ärger machte. Auch kam er nicht aus dieser Gegend und war wohl gänzlich unbeliebt.

Ob er beim Überfahren schon tot war wurde nie geklärt, es war auch keine Polizei anwesend. Der Unfallhergang, für den es wohl keine Zeugen gab war den Leuten im Dorf nicht wichtig.

Wichtig war nur, wieder eine Ordnung herzustellen, einen Abschluss des Geschehens sozusagen.

Die Angelegenheit wurde im Dorf verhandelt und entschieden. Das Ergebnis verblüfft auf der ganzen Linie. Er war nach Zahlung von umgerechnet 38 US Dollar frei. Das war der Preis, der errechnet wurde!!

Ja, gibt es denn so was… zahlten wir doch schon für eine überfahrene Kuh in der Türkei 100 US Dollar.

Nun kommen wir zu meiner „Überfahrung“. Ich war auf dem Weg, von Norden kommend, nach Mombasa und kurz vor der Brücke (Mombasa ist eine Insel).

Ich mit Integralhelm auf dem Moped von Freund Holger unterwegs; vor mir ein Lkw mit Plane.

Mein Abstand zum Lkw betrug etwa 10-15 Meter, da sah ich am unteren Rand der Plane Hände, die einen jungen Körper hielten, der sich, so schien es mir, heftig wehrte.

Plötzlich flog der Junge (ca. 8-10 Jahre alt) vom Lkw direkt vor mein Moped.

Ich hatte gar keine Zeit schockiert zu sein, ich versuchte nur instinktiv auszuweichen, er stand auch schon wieder halb auf den Beinen und machte Bewegungen, die mein Ausweichen noch erschwerten.

Das traurige, nicht zu vermeidende Ende war, ich überfuhr ihn.

Ich wusste aber dass ich „nur“ über die Beine oder Arme gefahren bin.

Beim Umdrehen sehe ich, dass sich der Junge zum Straßenrand schleppte, also lebte er. Der Lkw hielt mittlerweile am Straßenrand und zwei/drei Männer sprangen raus.

Nun muss man wissen, dass es eine mehrspurige Straße war, die in der Mitte durch eine hohe Betonbrüstung geteilt war. Ich also zum ca. 80 Meter entfernten Kreisverkehr und fuhr auf der anderen Seite zurück.

Als ich auf der anderen Seite des Unfallortes ankam stand da schon eine Menschenmenge, die auf eine Hütte zeigten und mich anschrien ich sollte da hinfahren.

Ich also zum nächsten Kreisverkehr und wieder zurückgefahren.

Als ich kurz vor der Hütte war, sehe ich am ersten Kreisverkehr, ich bin ja einmal komplett im Kreis um das Unfallgeschehen herum gefahren, einen Polizisten in traditionell englischer Uniform: kurze Hose, lange Strümpfe etc., der den Verkehr regelte.

Den hab ich vorher total übersehen, aber in seiner Uniform muss er mir wohl Vertrauen eingeflößt haben, denn in der Hütte, das ahnte ich, hatte ich nur Ärger zu erwarten und so gab ich Gas und fuhr zu diesen kenianischen, schwarzen Polizisten.

Hey Mister, have you seen the accident? “

Und er zischelte nur: „Go, go quick, don´t drive back“ und winkte mich hastig über die Brücke.

Am Strand später hab ich noch verschieden starke Stöcker überfahren, um herauszufinden, bin ich nun über den Arm, oder übers Bein gefahren. Es war wohl das Bein.

Dies ist oder wäre sicherlich eine der fiesesten Arten, Geld zu machen. Dies war selbst für meine Freunde, die schon Jahre hier lebten, etwas seltenes hier in Town, aber gehört hatten sie schon an anderen Orten davon.

Ich habe aber immer noch die Hoffnung, dass es sich „nur“ um einen tragischen Unfall gehandelt hat. Vielleicht wollte der Junge nur abspringen und man versuchte ihn festzuhalten, irgendwas in dieser Art, so dass der Glaube ans Gute im Menschen nicht ganz den Bach runter gehen muss.


Winterflucht

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