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69. Ein Preis-Leistung Verhältnis der besonderen Art! Spanien – westlich San Sebastian

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Samstag, 28. März 2009. Es ist der 72. Reisetag einer 123 Tage langen Reisesaison.

Ich komme mit meinem alten, roten VW-Passat aus Marokko und bin vollkommen abgebrannt.

Die Gründe sind schnell erklärt, meine Kreditkarte ist auf der Hinfahrt an einer Tankstelle, noch in Frankreich „verschwunden“.

Bitte nicht fragen wie, beim Bezahlen war sie noch da, am nächsten Morgen in Spanien, beim Bezahlen wollen im Supermarkt war sie w wie weg.

Die Ersatzkarte, die zu Bekannten nach Marrakesch sollte, ist dort nie angekommen. Telefonische Rückfrage bei Visa: „Kennen wir, deshalb ist sie auch gar nicht freigeschaltet, also Schaden kann ihnen nicht entstehen.“

Etwa zwei Drittel der Karten, die nach Nordafrika verschickt werden, kommen angeblich nicht an.

Meine Freundin musste am 22. März von Casablanca zurückfliegen und hat noch mit ihrer Karte ihr volles Tageslimit (400€) für mich abgehoben. Mit meinen 180€ habe ich für die Rückfahrt nach Deutschland 580€.

Das soll reichen für gute 3000 Kilometer und die Fähre?

Jedenfalls ist da für große Einkäufe und vor allen Mautgebühren in Spanien und Frankreich kein Geld mehr drin.

Die letzten Tage in Marokko tausche ich Schuhe, Jeans, meine Bücher und Zeitschriften gegen Essen und Butangas. Zum Beispiel hab ich auf dem Weg nach Ceuta, bei einem Fischer am Wegesrand, drei Tintenfische (zusammen gute zwei Kilo) gegen meine schwarzen, ledernen Ausgehschuhe getauscht. Oder ein deutsches Pärchen um die siebzig, die schon seit Monaten mit ihren weißen Supercamper im Lande sind, bekommen meine Bücher und die letzten Sternmagazine und geben mir Öl zum Kochen und Butangas.

Kurz vor Ceuta wird das Auto (69cent/Liter Diesel) noch vollgetankt. Die Fähre kostet mich von Ceuta nach Algeciras 120€. So bleiben mir für die Rückfahrt nach Heidelberg (hier bekomme ich von Freunden wieder Bares) knappe 400€.

Wie soll das gehen? Ich kann nur hoffen, dass keine Sonderkosten mich in den nächsten vier Tagen, vor dem Ziel in Heidelberg, aufhalten.

Die Aufgabe heißt, alle Mautstrecken meiden und trotzdem keine großen Umwege fahren. Benzinsparend fahren und die Nächte irgendwo im Gelände verbringen (in Frankreich gar nicht so einfach, da wildes Campen verboten).

Essen nur das, was im Auto noch so rumliegt. Da wären noch zwei Flaschen Rotwein (gegen Jeans und ein weißes kurzes Hemd getauscht), eine Büchse Königsberger Klopse, ein paar Kartoffeln und Möhren, etwas Käse und noch eine Portion von den in Olivenöl gebratenen Tintenfischen.

Also los geht’s. Ankunft in Algeciras am 27. März um 10:30. Erst gibt es im Hafengelände noch eine Drogenkontrolle. Der Schnüffler ist ein Cocker Spaniel. Bin sauber. Schaffe 400 km mautfrei, bis in einen alten Olivenhain hinter Cordoba. Hatte noch Zeit, mir etwa 90 Kilometer hinter Algeciras, Ronda, anzuschauen. Das ist ein wunderschöner andalusischer Bergort, der schon Hemingway und Rilke begeisterte.

Muss noch nicht tanken und kann mir so fürs Abendessen, schön romantisch im Olivenhain und untergehender Sonne, noch zwei Liter kaltes Bier (San Miguel) und frisches Brot leisten.

Zusammen mit dem Tintenfisch und Käse wird das für mich ein „First Class“ Dinner.

Sonne weckt mich und weiter geht’s nach Norden. Stationen sind Madrid, Santander (großartige Stadt) und Bilbao. Mittlerweile wird es dunkel, die Temperatur sinkt auf den Gefrierpunkt und es fängt an zu schneien. Der Winter hat die baskische Bergwelt wieder zurückerobert. Na mal sehen wie es im französischen Zentralmassiv wird. Aber zurück zur bergigen, schneebedeckten Küstenstraße. Ein kostenloses Quartier muss her.

Nirgendwo kann ich halten, links geht es steil zum Meer runter und rechts steile Hänge, alles sehr kurvenreich.

Aber kurz vor San Sebastian werde ich fündig. Eine große Ausbuchtung zur Linken, darauf ein Berggasthof mit kleinem Parkplatz. Es ist 20 Uhr und stockdunkel.

Im Gastraum nur Einheimische, etwa 15 Frauen und Männer schauen sich lautstark ein Fußballspiel im Fernsehen an. Mein erster Eindruck ist sofort, hier bin ich fremd. Alle schauen den Eindringling entgeistert an. Also mich.

Mein zweiter Eindruck: Alle, ob Frau oder Mann, sehen sich sehr ähnlich. Alle kleineren Wuchses, sehr kompakt, mit kurzem struppigen Haar. Als ob eine Großfamilie aus den Bergen sich hier im Gastraum gemeinsam ein Fußballspiel anschaut. Bilbao gegen eine „spanische Mannschaft“ (glaub ich zumindest).

Ich erkläre kurz meine Misere, Deutscher, auf dem Weg nach Hause, kaum noch Geld etc.

Nein, das Fußballspiel wolle ich nicht mit ihnen schauen, nur einen Schlafplatz auf dem Parkplatz bräuchte ich und im warmen Gastraum wolle ich essen und mein Reistagebuch in einer Ecke, weit weg vom Fernseher, schreiben.

Es wurde kurz palavert, natürlich auf Baskisch (keine Chance irgendwas zu verstehen). Ich durfte bleiben und bestellte das heutige Sondermenü. Auf einer Tafel über dem Tresen, stand fett mit Kreide geschrieben das „Menü des Tages“: Suppe, zum Hauptgang Fisch, einen Nachtisch, Kaffee und Wein, das alles für sagenhafte zehn Euro.

Und die nächsten zwei Stunden wurden großartig.

Zuerst kam eine Fischsuppe. Vorher wurde mir ein tiefer Teller mit Besteck hingestellt. Die Köchin erschien mit einem Topf und füllte mir den Teller randvoll mit einer köstlich duftenden Fischsuppe. Ein wirklich voller Teller, ein Klecks mehr und die Suppe wäre übergelaufen. Sie ließ noch zwei Scheiben Weißbrot da und verschwand wieder in der Küche. Köstlich, köstlich!

Dann eine kleine Pause, in der der ich anfing die letzten Tage (hing vier Tage hinterher) meines Reisetagebuches zu schreiben.

Es war warm, der erste Hunger war gestillt und ich war am Schreiben. Ich fühlte mich also pudelwohl. Vor dem Fernseher wurde ab und zu geschrien, ich kann aber heute nicht mehr sagen wer gewonnen hat, bin halt kein Fußballfan.

Dann kam der Hauptgang, gebratenes Fischfilet (schmeckte sehr frisch) mit Pommes. Gleichzeitig brachte sie den Nachtisch, eine baskische Variante der Creme brulee.

Später kam noch ein stark gesüßter Kaffee. Und wie ich so dasaß und mein Tagebuch schrieb, vor dem Fernseher war immer noch die Hölle los, fiel mein Blick nochmal auf die Tafel über dem Tresen.

Und da stand weiß auf schwarz:…Kaffee und Wein. Kurz bevor ich ins Auto kriechen wollte käme doch ein Glas Wein noch gut.

Also habe ich kurz nachgefragt. Oh je, den Wein hätten sie ganz vergessen. Und was bringen sie, nicht etwa ein Glas Wein, nein, sie bringen eine ganze Flasche.

Eine halbe Flasche schaffe ich noch und etwas Trinkgeld ist auch noch drin, muss bei so einem Festmahl sein.

Also nochmal, alles Essen hausgemacht, es schmeckt superlecker und das für sagenhafte zehn Euro. Unglaublich dieser Abend.

Verabschiede mich höflich und rein ins eiskalte Auto.

Die nächste Nacht verbringe ich im Wald hinter Clermont-Ferrand in Frankreich. Da wir uns auf dem Zentralmassiv befinden ist es auch hier eiskalt. Zu Essen gibt es die letzte Büchse Königsberger Klopse. Lauwarm - auch das Gas für den Kocher geht zu Ende. Diese Klopse und eine Flasche Rotwein sind meine letzte, eiserne Reserve.

Draußen frostet es und die Fenster sind am Morgen von innen eisverkrustet. Keine schöne, letzte Nacht.

Aber am frühen Abend des nächsten Tages, der 30. März, fahre ich mit fast leeren Tank und mit 10,40 € Restgeld in Heidelberg ein.

Hier auch endlich freundliches, frühlingshaftes Wetter.

Hurra, dieser Reiseabschnitt ist geschafft!

Winterflucht

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