Читать книгу 9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld - Страница 71
26
ОглавлениеDas Hämmern der Schüsse hatte geklungen, als ob das Walkie-Talkie explodierte. Benito starrte es an. Einen Atemzug lang schien er darauf zu warten, dass ihm das Gerät eine Erklärung gab. Dann, als nichts mehr geschah, schmetterte er es zu Boden, vor seine Füße.
Seine Stimme überschlug sich.
„Anhalten!“, schrie er. „Halt sofort an, du verfluchter Hund!“ Er riss die MPI hoch. Ein Knacken zeigte an, dass er den Sicherungsflügel umlegte. „Halt an, sag ich! Verdammt noch mal, ich mach dich fertig, wenn du nicht anhältst!“ Er kreischte, geiferte, wurde halb wahnsinnig vor Wut. Und vor Ungewissheit.
„Ich halte an“, sagte Jim so ruhig wie möglich. Dabei war es die schlimmste Zerreißprobe für seine Nerven, die er jemals erlebt hatte. „Ich nehme ja schon Gas weg. Da vorn, auf dem Seitenstreifen, halte ich an.“ Der Parkstreifen war nur 50 Meter entfernt. In Wahrheit wäre Jim am liebsten voll in die Bremse gestiegen. Denn die Sorge um seine Freunde brachte ihn fast um. Doch zugleich ahnte er, dass die Lage für Bob und die anderen nicht schlecht aussah. Bei einer Vollbremsung würde es da hinten ein totales Durcheinander geben. Und das konnte nur dazu führen, dass sich das Blatt wendete.
„Ist mir egal, wo du anhältst!“, schrillte der Mobster. „Aber mach es jetzt sofort!“
Jim schaltete herunter. „So ein Truck hat eine Druckluftbremse. Wenn ich drauftrete, steht die Kiste sofort. Und du gehst mit dem Kopf durch die Scheibe, Benito. Weil dann aber deine verdammte MPI losgehen könnte, bin ich lieber vorsichtig. Reiner Selbsterhaltungstrieb also.“
Noch 30 Meter waren zu überwinden. 30 Meter, auf denen der Kenworth langsam und ruhig zum Stehen kommen würde.
Benito lachte meckernd. Seine ganze Nervosität klang heraus. „Du hältst dich für clever, was? Aber ich kriege den Schlorren auch anders zum Stehen! Dadurch, dass ich dich umlege, Mann! Jetzt gleich!“
Jim musste seine volle Nervenstärke aufbieten, um ruhig zu bleiben. „Einen Kenworth...mit einem Toten am Steuer...hast du nicht unter Kontrolle, Benito. Niemals. Schlag dir das aus dem Kopf. Da vorn geht’s ziemlich steil runter...“ Während er sprach, schaltete er herunter, und die Bremswirkung des gedrosselten Motors tat ein Übriges, um dem ‚Thunder‘ weiter die Fahrt zu nehmen. „... und dann die Haarnadelkurven! Hast du jemals einen Kenworth gefahren, Benito?“
„Jahrelang Trucker gewesen!“, schrie der Mobster. „Mann, meine Familie ist riesengroß in der Müllabfuhr!“
Da gehört sie auch hin, hätte Jim am liebsten gesagt. Doch er verkniff es sich. Denn mittlerweile waren es nur noch zehn Meter, und die Tachonadel zitterte schon zwischen der Fünf Meilen Marke und dem Anschlag.
„Also, bitte“, sagte der große Texaner. „Da sind wir schon! Was soll ich machen? Handbremse anziehen? Motor aus?“
„Nein!“, keifte Benito. „Nein, verdammt! Handbremse anziehen, ja! Aber du lässt die Kiste laufen, verstanden! Und du steigst aus, wenn ich es dir sage!“ Er wurde noch unruhiger, rutschte auf seinem Sitz hin und her und fuchtelte mit der MPI, dass sie jeden Moment aus Versehen losgehen konnte.
„In Ordnung, in Ordnung, ich mache alles so, wie du es sagst.“ Jim zog den ‚Thunder‘ sacht auf den mit Schotter befestigten Seitenstreifen. Und dann brachte er den Truck ruckfrei zum Stehen. Er zog die Handbremse an. Der Diesel brummte im Leerlauf.
„Okay“, sagte Benito gepresst. „Du steigst wieder auf meiner Seite aus, und dann stellst du den Auflieger auf die Stützräder und kuppelst ihn ab! Los, los, Bewegung!“
Jim hatte keine Zeit, es zu verdauen. Es passte zu dem Mobster, dass er sich allein absetzen wollte. Er war der Typ, der jeden im Stich ließ, wenn es zu seinem eigenen Vorteil geschah.
Jim gehorchte.
Kein Laut war aus dem Auflieger zu hören.
Benito führte ihn von der Beifahrerseite zurück auf die linke Seite des Kenworth und hielt ihn mit der MPI in Schach, während Jim den Befehl ausführte. Dann, als er die Stützräder hochkurbelte, so dass der Zugwagen problemlos anfahren konnte, hastete Benito plötzlich rückwärts los. Geschickt wie ein Affe, zog er sich hoch und riss die Fahrertür auf, ohne den Texaner aus den Augen zu lassen.
Im nächsten Moment saß Benito hinter dem Lenkrad.
Der Diesel brüllte. Die Antriebsräder packten mit wilder Kraft. Schottersteine sausten wie Geschosse unter den Zwillingsreifen hervor. Ein Stein traf Jim am Bein. Er ignorierte den Schmerz. Aus einem Gedankenimpuls heraus rannte er los, auf das Unterholz zu.
Und er hatte richtig vermutet.
Benito bremste nach fünf Metern, riss das Lenkrad herum und stieß zurück, dass der Schotter in die entgegengesetzte Richtung spritzte.
Jim sah ihn, als die Fahrertür aufflog.
Der Waffenstahl verursachte ein mattes Blinken.
Jim sprang, holte alles aus seinen Beinmuskeln heraus, um die letzten zwei Meter zu überwinden.
Die MPI hämmerte. Geschosse sengten und prasselten in die Baumstämme.
Im flachen Sprung erreichte Jim das Unterholz. Zweige schlugen über ihm zusammen. Sofort rollte er sich ab, robbte weiter, flach auf den Boden gepresst.
Eine letzte Kugelgarbe raste über ihn hinweg.
Dann röhrte der Diesel erneut los. Benito zog es vor, zu verschwinden. Der Dieselklang war wie Donner zwischen den grünen Wänden des Waldes.
Jim rappelte sich auf. Er bahnte sich seinen Weg aus dem Unterholz, lief auf den Auflieger zu. Der Diesel war noch immer zu hören. Doch ein anderes Geräusch mischte sich hinein.
Benzinmotoren. Mehrstimmig und hochtourig.
Jim öffnete das Aufliegerheck und warf sich hin.
Nichts geschah. Es gab keinen heißen Empfang.
Stattdessen erscholl Bob’s Stimme.
„Okay, Freunde, das war’s dann! Jetzt steigen wir gleich aus... und zwar einer nach dem anderen!“
Jim richtete sich auf und erfasste die Lage mit einem einzigen Blick.
Bob, Barry und Sheila hatten die Waffen der Ausbrecher eingesammelt. Der komplette Stahlhaufen lag vorn im Auflieger, von Lawrence Webster bewacht, der am Boden hockte - blass, aber glücklich.
„Ein glatter Durchschuss!“, rief er, um Jim zu beruhigen, und es hörte sich an, als ob es eine Auszeichnung war, auf die man stolz sein konnte.
Für Caligula gab es keine Hilfe mehr.
Alle anderen saßen auf den Matratzen, die Hände auf dem Kopf, von Bob und Barry in Schach gehalten.
„Schätze, ihr braucht mich hier nicht“, stellte Jim fest.
Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprintete er los.