Читать книгу Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 20

Das Gehöft

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Wie Eibon angekündigt hatte, schickte er gleich am nächsten Morgen mehrere Späher los, um die vor ihnen liegenden Landstriche zu erkunden. Jeder der Scouts trug ein Signalhorn bei sich, und sie erhielten den ausdrücklichen Auftrag, sich nicht weiter voneinander zu entfernen, als dass sie sich jederzeit mit Hornsignalen verständigen und auf eine Gefahr hinweisen konnten. Die restlichen Teilnehmer der Expedition folgten den Spähern wesentlich gemächlicher; so langsam teilweise, dass es Maziroc nach dem Gewaltritt der vergangenen Tage so vorkam, als bewegten sie sich kaum von der Stelle. Immerhin wurde ihr wesentlich verlangsamtes Vordringen mit allgemeiner Erleichterung aufgenommen. Zwei der vier Magier, die beiden Vingala und einige der Soldaten verzichteten sogar darauf, sich überhaupt auf ihre Pferde zu schwingen. Stattdessen führten sie die Tiere am Zügel und gingen zu Fuß, um auf diese Art einen Ausgleich zu der einseitigen Muskelbelastung beim Reiten zu schaffen. Obwohl sie nur selten rasteten, bewegten sie sich nur so langsam vorwärts, dass es für alle Beteiligten dennoch eine Erholung war.

Am frühen Nachmittag kehrten die ausgesandten Späher zurück, vollzählig und unverletzt, wie Maziroc erleichtert feststellte. Dennoch wollte er dabei sein, wenn sie Eibon Bericht erstatteten. Genau wie auch Charalon lenkte er sein Pferd mit sanftem Schenkeldruck an die Seite des Elbenkönigs. Die Späher erzählten von beachtlichen Flüchtlingsströmen, die sich in Richtung Norden bewegten, weil sich die Kunde von den Plünderungen und Morden inzwischen weit verbreitet hatte. Mehrere Gehöfte und kleine Dörfer, auf die sie gestoßen wären, seien verlassen gewesen, von ihren Bewohnern offenbar in überhasteter Flucht aufgegeben, doch von Hornmännern oder irgendwelchen anderen Feinden, die für die Überfälle verantwortlich sein könnten, hatten sie nichts entdecken können.

Diese Flüchtlingsströme, mit denen sie im Laufe des nächsten Tages immer stärker konfrontiert wurden, entwickelten sich zu einem beachtlichen Problem. Schließlich gab Eibon sogar den Befehl, dass sie sich von den Straßen fernhalten sollten, da diese nicht nur durch die ihnen entgegenkommenden Menschenmassen kaum noch passierbar waren, sondern so mancher der Flüchtlinge sich von den Elben Schutz versprach und sich ihnen sofort anschließen wollte. Einige erwiesen sich dabei als so hartnäckig, dass es fast unmöglich war, sie wieder loszuwerden. Lieber wollten sie den Elben zurück in die besonders gefährlichen Gebiete folgen, als weiter in eine ungewisse Zukunft zu flüchten.

Aus dem gleichen Grund beschloss Eibon auch, Brelonia zu meiden, die nächstgelegene größere und einigermaßen stark befestigte Stadt, die nach Aussagen der Späher vor lauter Flüchtlingen bereits aus allen Nähten zu platzen drohte. Der Elbenkönig besaß genügend Ansehen, dass man auf einen Wink von ihm hin trotzdem in jedem Gasthaus sofort Quartiere für sie freigemacht hätte, doch er verzichtete auf dieses Privileg, um den wenigen Flüchtlingen, die in Brelonia eine Unterkunft bekommen hatten, nicht auch noch diese wegzunehmen.

Aufgrund des gemächlichen Tempos, in dem sie nur noch vordrangen, bot sich für alle auch in den folgenden Tagen genug Gelegenheit, sich von den vorangegangenen Strapazen zu erholen und frische Kräfte zu tanken, sodass sie zumindest wieder kampftüchtig sein würden, wenn sie auf einen Feind trafen. Vorläufig war von einem solchen jedoch nichts zu entdecken. Die Späher stießen lediglich vereinzelt auf seltsame Spuren, die sie sich nicht erklären konnten, doch schienen sie eher von Tieren als von Reitern oder einem marschierenden Heer zu stammen und lösten deshalb keine größere Unruhe aus. Ansonsten hatten sie stets nur das Gleiche zu berichten, sah man davon ab, dass die Zahl der Flüchtlinge stark abnahm, je weiter sie nach Süden vordrangen.

Schließlich stießen sie erstmals auf ein niedergebranntes Gehöft, dem bald weitere Gehöfte und schließlich auch ganze Dörfer folgten. In einigen lagen die Toten noch so herum, wie sie erschlagen worden waren.

Am späten Nachmittag des vierten Tages hatten die Späher erstmals etwas Aufsehenerregenderes zu melden. "Etwa zehn Meilen südwestlich von hier sind wir auf einen noch bewohnten Hof gestoßen", berichtete einer von ihnen. "Der einzige, offenbar in weitem Umfeld, der noch nicht überfallen oder freiwillig aufgegeben wurde. Die Leute dort haben zwar von den Überfällen gehört, aber sie wollen dennoch ausharren."

"Sie denken, bei den Angreifern würde es sich um Clanskrieger handeln", ergänzte ein anderer Späher. "Und sie fürchten keinen Raubzug, den die Hornmänner so weit von ihren Clansburgen entfernt durchführen."

"Diese Narren", stieß Eibon hervor. "Wahrscheinlich haben die anderen alle ebenso gedacht."

"Immerhin haben sie wenigstens Vorkehrungen getroffen", berichtete der Späher weiter. "Der Hof ist fast wie eine kleine Festung erbaut, und die Verteidigungsanlagen sind in den vergangenen Wochen noch zusätzlich verstärkt worden. Man bräuchte schon fast eine Armee, um sie zu erstürmen, und jeder Angreifer würde einen unglaublich hohen Blutzoll zahlen müssen."

"Wenn wir von menschlichen oder zumindest menschenähnlichen Angreifern ausgehen", warf Charalon ein. "Aber auch nur dann, und bislang wissen wir noch nicht, mit wem wir es hier zu tun haben."

"Ich bin ebenfalls der Meinung, dass wir versuchen sollten, die gefährdeten Bewohner in diesem Landesteil dazu zu überreden, vorläufig wegzuziehen", ergänzte Maziroc. "Wenigstens so lange, bis wir herausgefunden haben, wer hinter den Überfällen steckt, und wir die Gefahr vielleicht sogar beseitigt haben."

Eibon nickte zustimmend. "Das betrachte ich als eine der wichtigsten Aufgaben dieser Expedition."

"Aber sie werden nicht gehen", behauptete der Späher. "Wir haben auch schon versucht, sie zu überreden, aber erfolglos. Die Menschen dort vertrauen auf die Stärke ihrer Mauern, auf ihre Pfeile und die Schärfe ihrer Schwerter. Sie werden den Hof nicht aufgeben. Im Gegenteil, die Bewohner mehrerer anderer Gehöfte haben sogar dort Zuflucht gesucht."

"Hm", machte Eibon und massierte sich ein paar Sekunden lang nachdenklich das Kinn, ehe er nacheinander Maziroc und Charalon anblickte. "Nun, vielleicht verfügt Ihr ja noch über einige andere Möglichkeiten, sie davon zu überzeugen, dass es hier in der Gegend nicht sicher ist."

"Auf gar keinen Fall!", protestierte Maziroc als Erster scharf, sobald er begriff, worauf Eibon hinaus wollte. "Selbst wenn es uns möglich wäre, würden wir andere niemals geistig versklaven, um ihnen unseren Willen aufzuzwingen. Es würde drastisch gegen unseren Ehrenkodex verstoßen, gegen die Regeln unseres Ordens."

"Selbst wenn es nur zum Schutz der Betroffenen geschähe?", entgegnete Eibon. "Wenn Ihr Ihnen dadurch das Leben retten könntet?"

"Noch ist nicht gesagt, dass sie sich wirklich in Gefahr befinden", ergriff Charalon das Wort. "Wie Ihr selbst uns berichtet habt, sind bislang nur kleine Dörfer und solche Höfe überfallen worden, die keinen sonderlichen Widerstand bieten konnten. Es ist also durchaus möglich, dass die Unbekannten sich an ein so stark befestigtes Gehöft erst gar nicht herantrauen."

"Möglich", stimmte Eibon zu. "Aber nur eine sehr vage Hoffnung. Auf jeden Fall sollten wir uns selbst ein Bild von der Lage machen und mit den Leuten sprechen. Wir werden ohnehin bald ein Lager für die Nacht aufschlagen müssen, also können wir auch direkt diesem Hof einen Besuch abstatten und uns vor Ort ein Bild von der Lage machen." Er ließ sein Pferd wieder antraben und deutete mit der Hand nach vorne. "Na los, worauf wartet Ihr noch?"

*


Irgendetwas stimmte nicht.

Mit seinen hohen, wuchtigen Mauern, die äußerst massiv aussahen und von zinnenartigen Erhöhungen gekrönt wurden, erinnerte das Gehöft wirklich an ein kleines Kastell oder zumindest ein Fort. Es war direkt an eine steil aufragende Felswand gebaut, und obwohl Maziroc kein Fachmann für Festungsbau war, war er davon überzeugt, dass jeder Versuch, es zu erstürmen, nicht nur kompliziert und langwierig sein würde, sondern auch tatsächlich ungezählte Tote kosten würde.

Und dennoch wirkte das Gehöft verlassen.

Der Schein der nur noch dicht über dem Horizont stehenden Abendsonne tauchte alles in ein warmes Licht und schien die Dächer der Gebäude mit Gold zu übergießen. Es hätte ein Bild des Friedens sein können, doch die scheinbare Idylle kam Maziroc unecht vor. Sie wirkte künstlich, fast wie ein Stillleben arrangiert, und das weckte sein Misstrauen. Für seinen Geschmack war alles zu ruhig.

Nach Auskunft der Späher befanden sich mehr als einhundert Menschen auf dem Gehöft, doch war von diesen nichts zu entdecken. Selbst als Maziroc den Ring von seinem Finger zog und durch das Skiil blickte, das die Häuser so nah heranzuholen schien, dass er das Gefühl hatte, er müsste nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren, änderte sich daran nichts. Niemand zeigte sich auf den Mauern, niemand hielt sich auf dem Innenhof auf, soweit sich dieser durch die weit offen stehenden Flügel des Tores überblicken ließ. Es war, als hätten sich die Bewohner innerhalb der wenigen Stunden, die seit dem Besuch der Späher erst vergangen waren, doch noch dazu entschieden, das Gehöft aufzugeben und ihr Heil in einer überhasteten Flucht zu suchen. Oder als wären sie geradewegs vom Erdboden verschluckt worden.

Unsinn, versuchte Maziroc sich selbst zu beruhigen. Er war einfach übernervös und begann bereits überall Gespenster zu wittern und Gefahren zu vermuten. Wahrscheinlich gab es eine ganz einfache und harmlose Erklärung. Vielleicht aßen die Bewohner gerade zu Abend, oder sie hatten sich zu einem Gebet oder irgendeiner anderen gemeinsamen Beschäftigung zusammengefunden.

Ohne dass sie angesichts ihrer gefährdeten Lage wenigstens ein paar Wächter zurücklassen?, wisperte eine Stimme in ihm. Und außerdem lassen sie auch noch das Tor unbewacht weit offen stehen, damit jeder eventuelle Angreifer sich nicht erst die Mühe machen muss, es einzureißen oder die Mauern zu erstürmen? Lachhaft!

Mazirocs Unbehagen stieg mit jedem Meter, den sie sich dem Gehöft näherten, mehr an. Er war sich mittlerweile so gut wie sicher, dass ihn sein erster Eindruck nicht getrogen hatte, dass irgendetwas hier nicht stimmte. Das Gefühl, geradewegs in eine Falle zu reiten, wurde immer stärker, und er war nicht der Einzige, dem es so erging. Die Haltung sowohl der Elbenkrieger wie auch der menschlichen Gardesoldaten war angespannt, und immer wieder blickten sie sich unbehaglich um. Mehr als einer hatte die Hand wie zufällig direkt auf dem Knauf seines Schwertes liegen.

Auch Maziroc selbst ließ seinen Blick immer wieder umherwandern. Nicht nur der Hof, die gesamte Umgebung gefiel ihm nicht. Sie war für eine Falle wie geschaffen. Das Land war hügelig und unübersichtlich, nicht weit entfernt erhoben sich mehrere ausgedehnte Waldstücke. In den Tälern und Wäldern konnte sich eine ganze Armee unbemerkt verstecken. Wieder und wieder blickte er durch seinen Ring, ohne jedoch etwas entdecken zu können, das seinem Verdacht konkrete Nahrung lieferte. Aber die Schatten der Abenddämmerung senkten sich nun immer rascher wie ein Vorhang aus schwarzer Watte über das Land. Nicht mehr lange, dann würde es dunkel werden, und anders als in den vergangenen Nächten würde die Dunkelheit diesmal nicht ihr Verbündeter sondern ihr Feind sein.

Ein paar Meter entfernt redete Bayron eindringlich auf Eibon ein und unterstrich seine Worte immer wieder durch weit ausholende Gesten. Obwohl er nur vereinzelte Wortfetzen aufschnappte, konnte Maziroc sich denken, was der General sagte, doch seinem zornigen Gesichtsausdruck zufolge stießen seine Worte auf taube Ohren.

Auf einer niedrigen Hügelkuppe, nur noch knapp eine Meile von dem Hof entfernt, hob der Elbenkönig schließlich die Hand, um den Trupp zum Stehen zu bringen. Mehr als eine Minute lang starrte er angestrengt zu dem Gehöft hinüber, und jeder der Männer schien während dieser Zeit den Atem anzuhalten. Abgesehen vom gelegentlichen Scharren der Pferdehufe oder einem vereinzelten Schnauben eines der Tiere war es totenstill.

"Glaubt Ihr mir jetzt endlich, dass etwas dort nicht stimmt?", zerriss Bayrons Stimme schließlich die Stille. "Ich sage Euch, es ist eine Falle."

Der Elbenkönig wandte sich ihm zu. "Daran habe ich schon die ganze Zeit keinen Zweifel", behauptete er. "Aber eine Falle, die man erkannt hat, kann man mit etwas Geschick gegen den richten, der sie aufgestellt hat. Dafür sollte man sich aber so lange wie möglich nicht anmerken lassen, dass man sie entdeckt hat. Hat man Euch das bei Eurer Ausbildung nicht beigebracht?"

Es war Maziroc schleierhaft, warum Eibon schon seit ihrem Aufbruch von Cavillon auf jeden gut gemeinten Vorschlag und jede Kritik immer wieder so aggressiv reagierte, vor allem, wenn sie von Bayron kamen. Möglicherweise witterte er in jedem Widerspruch einen Vorwurf, den er auf diese Art direkt im Keim zu ersticken versuchte, weil er seine eigene Position und seine Führungsrolle für weniger gefestigt hielt, als sie in Wirklichkeit waren. Aber er war unbestreitbar alt, und es mochte durchaus sein, dass er sich selbst schwächer fühlte, als er anderen erschien.

Bayron kniff für einen Moment den Mund zu einem schmalen Strich zusammen, doch er ging nicht weiter auf die Provokation ein, sondern schluckte die bissige Antwort, die ihm sichtlich auf der Zunge lag, hinunter.

"Und was ist Eurer Meinung nach nun mit dem Hof los, wenn Ihr selbst ebenfalls der Meinung seid, dass etwas dort nicht stimmt?", fragte er stattdessen nur.

"Das bleibt die Frage", erwiderte Eibon. "Alles sieht völlig verlassen aus. Wenn es sich wirklich um eine Falle handelt, dann haben unsere Gegner sich leider noch keinerlei Blöße gegeben. Zur Sicherheit werde ich einen kleinen Erkundungstrupp vorausschicken."

"Wartet noch einen Moment", mischte sich Charalon in diesem Moment ein und dirigierte sein Pferd neben das des Elbenkönigs. "Ich habe eine Idee." Er blickte angestrengt auf den Reif an seinem Handgelenk, und für einen Moment zeigte sein Gesicht einen konzentrierten Ausdruck. Gleichzeitig tauchten wie aus dem Nichts ein halbes Dutzend weiterer berittener Elbenkrieger zwischen den anderen auf. Überraschte und erschrockene Rufe ertönten, doch mit einer energischen Handbewegung verschaffte Charalon sich Ruhe. "Schicken wir die doch vor. Es sind nur Illusionen", erklärte er. "Wenn es eine Falle ist und sie angegriffen werden, tut es ihnen nicht weh."

Er ließ die durch die magische Kraft seines Skiils geschaffenen Krieger antraben. Sie lösten sich aus der Formation ihrer realen Vorbilder, ritten auf das Tor des Gehöfts zu und hindurch, ohne dass etwas geschah. Auf dem Innenhof schwärmten sie aus, drehten eine Art Ehrenrunde, und als sie auch jetzt nicht angegriffen wurden, ließ Charalon sie wieder umkehren. Erst als sie sich wieder in den Pulk der übrigen Krieger eingereiht hatten, löste er sie nacheinander auf. So würde ihr Verschwinden einem eventuellen Beobachter nicht sofort auffallen und diesem ihre Fähigkeiten verraten.

"Das gefällt mir nicht", murmelte Maziroc. "Sie sind zwar nicht angegriffen worden, aber wenn alles in Ordnung wäre, hätten zumindest einige der Bewohner zu ihrer Begrüßung hervorkommen müssen."

Aber das hatten sie nicht getan. Sie hatten auch weiterhin nichts von sich sehen lassen. Wo um alles in der Welt steckten sie? Noch vor wenigen Stunden hatten sich nach Aussagen der Späher mehr als einhundert Menschen auf dem Hof befunden. Sollten sie sich wirklich ausgerechnet in dieser Zeit, in der sie zudem auch noch wussten, dass Hilfe zu ihnen unterwegs war, entschlossen haben, ihn doch aufzugeben und so überhastet fortzugehen? Es klang nicht gerade glaubhaft. Aber wenn sie sich anderseits mit dem unbekannten Feind verbündet und eine Falle vorbereitet hatten, dann war eigentlich zu erwarten, dass sie sich so normal wie möglich verhalten würden, um keinen Hinweis auf den Hinterhalt zu liefern.

Keine der beiden Möglichkeiten klang irgendwie überzeugend. Maziroc fühlte sich völlig ratlos. Am liebsten wäre ihm, wenn sie sich gar nicht weiter um den Hof kümmern, sondern so schnell wie möglich so weit wie möglich fortritten, aber obwohl die meisten, wenn nicht sogar alle anderen, vermutlich ebenso empfanden, wusste er auch, dass sie es nicht tun würden, nicht tun durften. Sie mussten herausfinden, was hier geschehen war, und wenn ihnen irgendeine Gefahr drohte, dann würde ihnen das Gehöft vermutlich immer noch mehr Schutz bieten als das offene Land.

"Also werden wir doch selbst nachsehen müssen", erklärte Eibon und erteilte einige knappe Befehle. Fünf der Elbenkrieger lösten sich von den anderen und näherten sich vorsichtig und mit gezogenen Schwertern den Gebäuden.

Nach kurzem Zögern gab Maziroc seinem Pferd die Sporen und schloss sich ihnen an, ohne sich um die aufgeregten Rufe Charalons hinter sich zu kümmern. Die Elben warfen ihm verwunderte Blicke zu, doch er zuckte nur mit den Schultern. Genau wusste er selbst nicht, warum er mit ihnen ritt. Er rechtfertigte sein Handeln vor sich selbst mit der Erklärung, dass er eine eventuelle Falle mit seinen magischen Sinnen möglicherweise eher als die anderen erkennen würde, doch er wusste selbst am besten, dass dies nicht der wahre Grund war. Wahrscheinlich lag es einfach nur daran, dass er die Ungewissheit und das untätige Abwarten nicht länger aushielt und selbst das Heft des Handelns wieder mit in die Hand nehmen wollte.

Erst als sie die Gebäude fast erreicht hatten, sah Maziroc etwas, was selbst mit dem Skiil vorher nicht zu entdecken gewesen war. Die beiden riesigen schweren Torflügel standen nicht einfach nur einladend offen. Lediglich einer von ihnen war normal geöffnet.

Der andere war halb zerstört.

Er hing nur noch in einer der Angeln, und gewaltige Risse, wie sie nur von Äxten und Rammen verursacht wurden, klafften in dem Holz.

Einen Moment lang starrte Maziroc den Torflügel erschrocken an, während sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen. Mit einem Mal gab es kaum noch einen Zweifel daran, was hier geschehen war, und doch weigerte er sich, daran zu glauben. Er sah selbst, wie gut befestigt der Hof war, und es hatte immerhin eine beachtliche Zahl von Verteidigern gegeben. Selbst ein noch so großes Heer hätte nicht in den wenigen Stunden anrücken, Position beziehen und das Gehöft erstürmen können, fast ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, um anschließend ebenso rasch und spurlos wieder zu verschwinden.

Und doch deutete alles darauf hin, dass genau das geschehen war.

Was aber, dachte er, wenn es sich gar nicht um ein Heer gehandelt hatte? Sie wussten nicht, mit welchen Gegnern sie es zu tun hatten, legten aber automatisch menschliche Maßstäbe an, dabei hätte gerade er es besser wissen müssen. Eine kleine Gruppe bösartiger, zu allem entschlossener Magier, die über die richtigen Skiils verfügten, wären beispielsweise durchaus in der Lage, einen Hof wie diesen fast im Handstreich einzunehmen. Gerade deshalb war es so wichtig, dass nach Möglichkeit alle Magier den Regeln des Ordens entsprechend erzogen und ausgebildet wurden. Da meist nur die Nachkommen von mindestens einem magisch begabten Elternteil selbst magische Kräfte besaßen, stellte dies kein Problem dar, wenn der entsprechende Elternteil selbst bereits dem Orden angehörte.

Aber vereinzelt entwickelten auch Kinder völlig normaler Eltern Magie, und es gab auch Magier und Hexen, die sich aus irgendwelchen Gründen gegen den Orden entschieden und lieber ihrer eigenen Wege zogen. Ob sie ihre Kräfte einmal für verbrecherische Zwecke einsetzten oder um sich zum Herrscher einer Stadt oder eines Landes aufzuschwingen, bildete ein unkalkulierbares Risiko. Allerdings konnte sich Maziroc kaum vorstellen, dass für all die Gräueltaten, die in den letzten Wochen in dieser Gegend verübt worden waren, abtrünnige Magier verantwortlich sein sollten. Allerdings gab es keine konkrete Ursache für seine Weigerung, die Möglichkeit auch nur näher in Betracht zu ziehen, dass die Angreifer von einem oder mehreren Magiern zumindest unterstützt wurden, außer der, dass er erst gar nicht weiter darüber nachdenken wollte.

Auch er zog nun sein Schwert, als er den Kriegern durch das Tor folgte. Hier, im Inneren des Hofes, waren nun auch vereinzelte Spuren eines Kampfes zu entdecken: einige kaum getrocknete Blutflecken, ein zerborstenes Schwert in einer Ecke, ein zerbrochenes Geländer an einer der Treppen, die zu den Wehrgängen hinaufführten und ähnliches mehr. Es konnte kein sehr langer oder erbitterter Kampf gewesen sein, sonst hätte es mehr derartige Spuren gegeben. Allem Anschein nach waren die Verteidiger völlig überrascht worden und kaum in der Lage gewesen, eine Gegenwehr zu organisieren.

Was Maziroc nirgendwo sah, war auch nur eine einzige Leiche.

Mit seinen magischen Sinnen tastete er um sich. Jedes intelligente Wesen strahlte eine Art mentales Hintergrundrauschen aus, das ein Magier wahrnehmen konnte. Auf diese Art war er in der Lage, die Gegenwart eines anderen Menschen auf eine Entfernung von mehreren Metern zu spüren, wenn er sich besonders anstrengte sogar noch etwas weiter. Mit Ausnahme der Elbenkrieger nahm er hier jedoch absolut nichts wahr, auch nicht, als er bis unmittelbar an die einzelnen Gebäude heranritt.

Es war beruhigend und beängstigend zugleich. Beruhigend, weil sich offenbar keine Feinde in unmittelbarer Nähe versteckt hielten, und beängstigend, weil sich offenbar auch keiner der Bewohner mehr hier befand. Sie mussten entweder tot oder verschleppt worden sein. Der Grausamkeit der anderen Überfälle zufolge hatte man vermutlich wohl auch sie alle ermordet, es sei denn, einige von ihnen hatten sich so tief in einem der Gebäude versteckt, dass Maziroc von hier aus nicht in der Lage war, ihre Anwesenheit zu spüren.

Bis auf einen, der bei ihm zurückblieb, stiegen die Elbenkrieger von ihren Pferden ab und verschwanden im Hauptgebäude, um es zu durchsuchen.

Mazirocs Beklemmung hatte sich mittlerweile zu einem fast körperlichen Unwohlsein gesteigert, als läge ein eiserner Ring um seine Brust, der ihm allmählich die Luft abschnürte. Dazu trug auch die beinahe vollkommene Stille bei. Er hielt sich vor Augen, dass es sich trotz aller Verteidigungsanlagen letztlich nur um einen Bauernhof handelte. Aber nicht ein einziges Huhn lief oder flatterte umher, und obwohl es gleich zwei große Ställe gab, in denen zweifellos Vieh gehalten und gezüchtet wurde, war von den Tieren nichts zu hören; nicht das Quieken von Schweinen, das Muhen einer Kuh oder das Schnauben und Wiehern eines Pferdes. Es gab nur eine realistische Erklärung dafür, dennoch stieg auch Maziroc nach kurzem Zögern ab, ging auf den größeren der Ställe zu und öffnete die Tür.

Obwohl er gewusst hatte, welches Bild ihn mit allergrößter Wahrscheinlichkeit erwarten würde, drehte ihm der Anblick fast den Magen um. Abgesehen von einem Schweinepferch waren in dem Stall vor allem Kühe untergebracht. Nicht ein einziges der Tiere lebte mehr, doch waren sie nicht einfach nur umgebracht worden. Die meisten von ihnen waren regelrecht zerfetzt, als ob Raubtiere über sie hergefallen wären und sich um ihre Beute gestritten hätten. Überall war Blut, und der Boden war mit Haut- und Fleischfetzen und Innereien der Tiere übersät. Der süßliche Kupfergeruch von Blut schlug Maziroc in einer ekelerregend intensiven Wolke entgegen, sodass er die Tür des Stalls hastig wieder zuschlug. Während er zurück in den Sattel seines Pferdes stieg, atmete er ein paarmal tief durch, doch immer noch meinte er, den Gestank zu riechen.

Die übrigen Krieger waren noch nicht zurück, doch würden sie einige Minuten brauchen, um die Gebäude zu durchkämmen. Allerdings glaubte Maziroc nicht mehr, dass sie noch Überlebende finden würden, höchstens die Leichen, die die Unbekannten vermutlich irgendwo versteckt hatten. Das war etwas, was diesen Überfall von allen anderen unterschied, von denen Eibon berichtet hatte. Sonst hatten die Angreifer sich nie um die Leichen gekümmert, was auch nicht nötig gewesen war, da sie jedes überfallene Dorf oder Gehöft hinter sich niedergebrannt hatten. Hier waren sie offenbar nicht mehr dazu gekommen, sondern hatten vor den sich nähernden Kriegern die Flucht ergriffen.

Im gleichen Moment fiel Maziroc der Fehler in seinem Gedankengang auf. Es musste sehr viel mehr Zeit gekostet haben, sämtliche Leichen fortzuschaffen und zu verstecken, als erforderlich gewesen wäre, an einigen wenigen Stellen Feuer zu legen. Das wiederum bedeutete ...

Er überlegte gar nicht erst länger, sondern riss sein Pferd mit einem lautstarken Fluch am Zügel herum, preschte durch das Tor und auf die wartenden Krieger zu, um sie zu warnen, doch es war bereits zu spät. Er hatte sich von Anfang an nicht getäuscht: Der Hof war eine Falle, doch war diese bereits zugeschnappt, als sie sich ihm auch nur genähert hatten.

Im letzten Licht des vergangenen Tages krochen Schatten aus dem Schutz der umliegenden Wälder und der Deckung der Talkessel hervor und näherten sich ihnen in einem weit geschwungenen Halbkreis. Sie waren zu weit entfernt und die Sicht zu schlecht, um sie wirklich zu erkennen, aber das wenige, was er sah, war für Maziroc mehr als genug. Die Feinde schienen fast körperlos; beinahe nur eine Woge sich bewegender Schwärze, die sich ihnen näherte. Etwas an ihren Bewegungen wirkte sonderbar falsch für die Bewegungen eines Heeres, und die Dunkelheit, die sich wie ein beschützender Mantel über sie zu legen begann, schien nicht nur ihr Aussehen zu verhüllen, sondern noch etwas anderes in sich zu bergen, etwas Finsteres, unsagbar Fremdes, das aus den Abgründen des Wahnsinns in die Welt der Lebenden aufgestiegen war.

Der Späher, von dem Eibon erzählt hatte, hatte vor seinem Tod von grauenhaften Ungeheuern berichtet, von Dämonen, die aus den Schründen der Hölle selbst aufgestiegen waren. Mit einem Mal war sich Maziroc nicht mehr so sicher, ob es sich wirklich nur um eine bildliche Umschreibung handelte, oder ob der Späher nicht sogar im wörtlichen Sinne recht gehabt hatte.

Obwohl - oder vielleicht sogar gerade weil - er sie nicht einmal richtig erkennen konnte, flößte irgendetwas an den Fremden und ihren falschen Bewegungen Maziroc Angst ein, eine so abgrundtiefe Furcht, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte. So schnell, wie er ritt, konnte er das Skiil nicht benutzen, doch vielleicht fürchtete er sich auch einfach vor dem Bild, das es ihm zeigen würde, und zögerte es deshalb hinaus.

Auch die übrigen Elben und die Gardesoldaten hatten die Gefahr mittlerweile bemerkt, noch bevor Maziroc sie erreichte. Unruhe entstand unter ihnen. Eibon blickte sich einen Moment gehetzt um.

"Auf den Hof!", befahl er dann mit lauter Stimme. Es war die einzige noch freie Richtung, sodass ihnen nicht viel Auswahl blieb, obwohl auch ihm klar sein musste, dass genau dies der Absicht ihrer Feinde entsprach. Sie hatten von Anfang an vorgehabt, sie dorthin zu treiben, sofern sie nicht ohnehin freiwillig alle dorthin geritten wären. Nur aus diesem Grund hatten sie den Hof nicht niedergebrannt und sogar die Leichen versteckt; möglicherweise hatten sie ihn aus genau diesem Grund sogar überhaupt erst überfallen.

Maziroc verzichtete darauf, Eibon darauf aufmerksam zu machen. Der Elbenkönig wusste es mit Sicherheit selbst, und er besaß die ungleich größere taktische und strategische Erfahrung. Auch wenn es ihm manchmal schwerfiel, nicht zu allem seinen Kommentar zu geben, würde Maziroc es nie wagen, seine militärischen Entscheidungen infrage zu stellen. Schon um die gegnerischen Pläne zu durchkreuzen, hätte er selbst vermutlich irgendwo einen Durchbruch gewagt, doch wenn Eibon entschied, sich auf den Hof zurückzuziehen, würde er seine Gründe dafür haben, und sei es nur, dass er sich von dort aus erst einmal einen genaueren Überblick über die allgemeine Lage und die Zahl und Identität der Angreifer verschaffen wollte. Die Mauern des Gehöfts würden ihnen einen gewissen Schutz bieten, doch wie unzureichend dieser war, zeigte sich daran, wie mühelos die Fremden es schon einmal eingenommen hatten, und nach Mazirocs strategischem Empfinden wurde dieser geringe und zudem äußerst fragwürdige Vorteil dadurch mehr als wettgemacht, dass sie anschließend auf dem Hof gefangen wären. Dennoch folgte er Eibon schweigend.

Als die Letzten von ihnen das Tor passierten, waren die Ersten längst abgestiegen. Einige von ihnen schlossen den noch unversehrten Torflügel und zerrten den anderen so weit zu, wie es möglich war. Andere trugen Balken, Fässer, Kisten und anderes herbei, um die verbliebene Öffnung zu blockieren, und wieder andere - vor allem die für ihre Treffsicherheit mit Pfeil und Bogen berühmten Elben - bezogen auf den Wehrmauern Posten.

Genau wie Eibon und Charalon sprang Maziroc von seinem Pferd, kaum dass er den Hof erreicht hatte, und hetzte mit ihnen zusammen die Treppe zu dem Wehrgang direkt über dem Portal hoch. Nur mit Mühe gelang es ihm, einen erschrockenen Ausruf zu unterdrücken, als er einen Blick über die Außenmauer warf. Längst war die Sonne untergegangen, und selbst die letzten rötlichen und grauen Streifen am Horizont wichen der Schwärze des Nachthimmels, doch jetzt war er fast froh über die Dunkelheit, die seine Sicht stark einschränkte.

Die einzelnen Züge des feindlichen Heeres waren ihnen aus verschiedenen Richtungen fast unmittelbar auf den Fersen gefolgt und hatten sich auf der Ebene vor dem Gehöft vereinigt, was bedeutete, dass sie so unglaublich schnell vorgerückt sein mussten, wie es für eine Armee dieser Größe im Grunde gar nicht möglich war. Selbst ein Heer, das sich sehr schnell bewegte, war immer noch langsam. Bedeutend langsamer zumindest als ein kleiner Trupp, da es auf jeden Fall schwerfälliger war durch die Notwendigkeit, die Bewegungen all seiner hunderten und tausenden einzelnen Glieder durch Befehle aufeinander abzustimmen. Das galt selbst bei reinen Kavallerieeinheiten, was hier jedoch nicht einmal der Fall war.

Kein einziger der Fremden war beritten.

Es handelte sich auch nicht um Menschen.

Maziroc wusste nicht, womit er es tatsächlich zu tun hatte, zu fremdartig war das, was er sah. Der Anblick schockierte ihn mehr als alles andere, was er jemals zuvor gesehen hatte. Fasziniert, entsetzt und angeekelt gleichermaßen starrte er auf das unglaubliche Bild, das sich ihm bot. Dämonen aus den tiefsten Schründen der Hölle, hallte es erneut in ihm wider. Er wusste nicht, ob es eine Hölle wirklich gab, wie die Priester und Prediger fast aller Religionen sie in verschiedener Form verkündeten, aber wenn, dann mussten die Kreaturen, mit denen er es hier zu tun hatte, zweifelsohne von dort stammen. Die Ungeheuer besaßen nicht einmal eine einheitliche Gestalt, sondern schienen jedes einander an grauenerregender Hässlichkeit noch übertreffen zu wollen.

Viele von ihnen besaßen Merkmale von ins Gigantische vergrößerten Tieren, hauptsächlich Insekten, ohne dabei jedoch einer bekannten Tierart tatsächlich zu gleichen. Es gab namenlose Scheußlichkeiten mit tellergroßen Facettenaugen, einige mit furchteinflößenden vorstehenden Vogelschnäbeln und solche mit viel zu vielen Beinen und Armen. Einige besaßen lange krebsartige Scheren, die stark genug schienen, einen Menschen mühelos in zwei Teile zerschneiden zu können, wieder andere hatten Köpfe die nur aus einem riesigen Maul voller dolchartiger Reißzähne zu bestehen schienen. Ein Teil der Kreaturen kroch auf dürren, aber ungeheuer kraftvollen Gliedmaßen über den Boden, andere gingen aufrecht. Einige waren mit dichtem, zottigem Fell bedeckt, andere mit insektenhaften Außenskeletten aus Chitin und Horn gepanzert. Ihre Vielfalt schien unerschöpflich, und es handelte sich um tausende der Ungeheuer. Gerade diese blasphemische Vielfalt machte ihren Anblick besonders grauenerregend.

Mental waren sie nicht zu spüren, wie es bei solchen Monstern auch kaum anders zu erwarten war. Es konnte sich einfach nicht um intelligente Wesen handeln. Anderseits aber verhielten sie sich auch nicht wie Tiere. Der Überfall auf den Hof, das Fortschaffen der Leichen, ihre Art, sich selbst verborgen zu halten, bis die Falle zuschnappte - all das waren sichere Anzeichen für ein geplantes Vorgehen, das wiederum Intelligenz erforderte. Und obwohl keines der Wesen individuell geistig zu spüren war, fühlte Maziroc dennoch eine mentale Kraft, die jedoch nur äußerst vage war und nicht von den einzelnen Wesen, sondern von ihrer Gesamtheit auszugehen schien, auch wenn dies eigentlich völlig unmöglich war.

Inzwischen war er wirklich froh, dass er in der herrschenden Dunkelheit kaum etwas genau erkennen konnte und manche Abscheulichkeit wohl nur eine Ausgeburt seiner eigenen Fantasie war. Es war auch so schlimm genug, und schließlich musste er den Blick abwenden, weil er fürchtete, den Verstand zu verlieren, wenn er noch länger auf die vor dem Hof durcheinander wuselnden Kreaturen starrte. Die Schwärze der Nacht schien zu einer Mauer zu werden, die sich um ihn herum zusammenzog und ihm den Atem zu nehmen drohte, und aus der Dunkelheit krochen die Gespenster der Furcht und begannen ihn mit unhörbaren Stimmen zu verhöhnen. Nur handelte es sich hier um reale Gespenster, die einen realen Körper besaßen, auch wenn sie jeder Form von bekanntem Leben Hohn zu sprechen schienen.

Eines allerdings stand fest: Dies waren keine Wesen, die in irgendeinem der bekannten Länder Arcanas beheimatet waren. Wenn sie nicht wirklich geradewegs aus der Hölle stammten, dann höchstens von einem der unbekannten, mythischen Kontinente, die jenseits des endlosen Ozeans liegen sollten.

Es gab noch eine weitere Möglichkeit, obwohl sie so abstoßend war, dass er sich am liebsten geweigert hätte, sie auch nur genauer ins Auge zu fassen. Immer wieder hatten vereinzelte Magier versucht, auch die tiefsten Geheimnisse des Lebens zu enträtseln und selbst welches zu schaffen. Solche Experimente waren vom Orden stets entschieden verurteilt worden, doch immerhin gab es genügend Magier, die diesem nicht angehörten und zum Teil sogar seinen Zielen bewusst entgegen arbeiteten. Möglich, dass einer von ihnen durch Versuche mit Trögen oder andere Schöpfungsexperimente Erfolg gehabt hatte. Allerdings konnte sich Maziroc nicht vorstellen, dass irgendjemand vorgehabt haben könnte, tatsächlich solche Monster zu erschaffen, und ihm dies auch noch in so ungeheurer Zahl gelungen war.

Selbst als er den Blick abgewandt hatte, gelang es Maziroc nicht, das schreckliche Bild zu verdrängen. Gelegentlich stießen einige der Ungeheuer schrille Schreie aus, die so hoch waren, dass sie gerade noch an der Grenze zum Hörbaren lagen. Darüber hinaus war die Luft von einer beständigen Art von Rascheln und Flüstern erfüllt: dem Geräusch aneinanderschabender Hornschuppen, dem Klacken zuschnappender Scheren und andere leiser Laute mehr, über deren Ursprung Maziroc lieber gar nicht erst weiter nachdachte.

Mit einem Mal erschien es ihm gar nicht mehr so unvorstellbar, dass ein Heer aus solchen Monstern der Hof innerhalb so kurzer Zeit erobert und den Großteil aller Spuren beseitigt haben könnte. Wahrscheinlich würden auch sie den Ungeheuern kaum länger als ein paar Minuten Widerstand leisten können, sobald diese sich erst einmal zu einem Angriff entschlossen. Noch aber hielten sie sich aus ihm unbekannten Gründen zurück.

Auch Eibon und Charalon überwanden nun ihre Erstarrung.

"Was ... was ist das?", krächzte der Elbenkönig. In seiner Stimme klangen Fassungslosigkeit und eine beginnende Hysterie mit. Hilflos starrte er Charalon an.

"Ich weiß es nicht", murmelte der Magier. Auch seine Stimme klang brüchig und verriet, dass er nicht minder erschüttert war.

"Das, werte Herren, sind Damonen", ertönte in diesem Moment eine unbekannte Stimme hinter ihnen. "Und wenn Ihr bislang noch keine Bekanntschaft mit Ihnen gemacht habt, so wird sich das nun sehr bald ändern. Sie haben bereits damit begonnen, auch diese Welt zu erobern, wie sie es schon mit so vielen anderen zuvor getan haben."

Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten

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