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Erkenntnisse aus der buddhistischen Lehre

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Der Buddhismus lehrt uns, dass Körper, Gegenstände und all die Dinge, die wir in unserer Umgebung wahrnehmen, an sich leer bzw. vom Selbst gelöst sind. Erst der Geist eines Wesens haucht ihnen Leben ein und macht sie damit zu Lebewesen und Menschen. Insofern lässt sich durchaus darüber philosophieren, ob der Geistesinhalt einer stofflichen Hülle ein guter, neutraler oder böser Geist sein kann. „Die postulierte Illusion der sich von anderen Subjekten und der Welt abgrenzenden personalen Identität des Subjekts soll aus buddhistischer Sicht unbedingt in der eigenen meditativen Erfahrung überprüft werden, um dann durch die gewonnene Einsicht in die Selbstlosigkeit der Befreiung zuzuarbeiten [...] Ein erleuchtetes Wesen ist hiernach dadurch charakterisiert, dass es ausschließlich unverfälschte sinnliche, aber vor allem solche geistigen, nicht-konzeptuellen Wahrnehmungen hat, in der die Selbstlosigkeit bzw. Leerheit von Subjekt und Objekt [...] evident ist (Paetow 2004).“ Nach dieser buddhistischen Erkenntnislehre stellt sich weniger die Frage nach dem Bösen im personalen, dinglichen oder imaginärem Gegenüber, sondern mehr nach dem Umgang mit den eigenen Geisteszuständen und deren Wandlungsfähigkeit. Doch wenden wir uns zunächst wieder dem vermeintlich ‚Bösen’ zu. Menschen werden physisch, psychisch und seelisch durch andere Menschen gedemütigt, gekränkt, missbraucht, gefoltert, gequält oder getötet. Ihnen entstehen durch andere Lebewesen körperliche, psychische und seelische Schäden oder sie verlieren durch Naturgewalten und Unfälle ihr Leben. Bei diesen Szenarien liegt wohlmöglich für Beteiligte und Beobachter der Schluss nahe, dass hier das Böse oder ein böser Geist mit im Spiel oder aktiv am Werke sein muss.

Im Buddhismus existiert das Böse nicht und stattdessen unterscheidet diese Erfahrungswissenschaft drei Wesensmerkmale der Negativität, die einen menschlichen Geist vergiften können. Ich-Bezogenheit, Gier und Hass wirken in bestimmten Kontexten und Situationen auf Menschen ein und können sich bis zur Gewohnheit in ihnen verfestigen. Durch Achtsamkeit, Geistestraining und Meditation können Menschen diese negativen Geisteszustände jedoch wandeln und heilen. Auf Geistesgifte zu achten und ihnen die Kraft zu nehmen bedeutet im Umkehrschluss durch eine andere Haltung und befriedende Glaubensgrundsätze negative Einflüsse schrittweise zu neutralisieren und zu überwinden. Anders gesagt, können sich Menschen in eine Lage versetzen, aus der sie sich für das Gute entscheiden können. Diese Erkenntnis hat, konsequent zu Ende gedacht, die Nichtexistenz des Bösen zur Folge – sie löst das Böse faktisch auf. Das Böse ist nicht mehr existent, wenn sich Menschen von ihren Anhaftungen oder anders gesagt aus ihren negativen Gedankenbildern lösen, sie bewältigen. „In der buddhistischen Lehre hingegen geht es gerade darum, sich von allen Bedürfnissen zu befreien, jegliche Anhaftung oder Ablehnung loszulassen. Buddha begründet diesen Teil seiner Lehre damit, dass Anhaftung und Verlangen die Ursache allen Leidens auf der Welt sind: Weil alles vergänglich ist, trägt jedes Erlangen der begehrten Gegenstände oder Zustände den Keim einer Enttäuschung schon in sich (Pfaff 2010).“


Zur Existenz und Nichtexistenz des Bösen

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