Читать книгу Kassiber aus der Gummizelle - Frank Willmann - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Was gehört in ein Vorwort? Das habe ich meine Facebook-Freunde gefragt und dabei wirklich was gelernt. Denn sonst hätte ich hier womöglich zu einem weiteren Fußball-Leitartikel angesetzt. Stattdessen überzeugte mich die plausible, serviceorientierte Forderung: »Wenn ein Appetithäppchen drin stünde, würde ich es lesen …« Und wer das Vorwort liest, dachte ich mir, der kauft dann das Buch, so wie Sie zum Beispiel, die oder der Sie gerade in der Buchhandlung stehen und hier im neuen Buch von Frank Willmann blättern. Oder bei iBooks den kostenlosen Auszug durchforsten.
Und der FC Bayern müsse rein, meinte ein Bayernfan. Ich erwiderte noch, dass ich damit womöglich Bayernfans abschrecken könnte, weil der böse Willmann die Bayern gern als den Teufel an die Torwand malt, der mit seiner Dauerdominanz und mit seiner Politik, der Teilzeitkonkurrenz aus Dortmund oder sonstwo die besten Spieler wegzukaufen, die Bundesliga kaputt macht. Aber dann wurde mir klar, dass Bayernfans sowas als Kompliment auffassen und doch zugreifen.
Das Appetithäppchen kommt also aus dem Kapitel über den FC Bayern. Das geht auch deshalb, weil die Pointe der Kolumne dann doch im Ostfußball zu finden ist, Franks erklärtem und erlebtem Spezialgebiet, das einen Großteil seiner auf Tagesspiegel.de erschienenen Kolumnen ausmacht, aber eben längst nicht alles. Die Pointe verrate ich hier natürlich nicht. Vielleicht nur so viel: Sie hat mit RB Leipzig zu tun, dem Beelzebub. Und der unterklassige Fußball, für den Jena-Fan Willmann Passion im doppelten Wortsinn, kommt natürlich in dem Kapitel »Der FC Bayern zerstört die Bundesliga« auch vor. Als Gegenentwurf, der aber als Utopie nur noch taugt, wenn »wir in nächster Zeit ein paar Revolutiönchen hinlegen«. Dass der Beitrag im Onlineforum des Tagesspiegels und in den sozialen Medien Furore machte und Furor auslöste, dürfte niemanden überraschen. Ein Leser zitierte – zustimmend – Mario Adorf in »Kir Royal«: »Isch mach disch fertisch. Isch kleb dich zu von oben bis unten. … Mit meinem Geld. Isch kauf disch einfach. … Isch schieb et dir hinten und vorne rein. Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast.« Einer, der das anders sah, schrieb nur »Neid, Neid, Neid, Neid, Neid, Neid, Neid.«
»Fußballdeutschland ist neben der Nationalmannschaft einzig der FC Bayern«, schreibt also Willmann. »Alle anderen Teams sind hoffnungslose Stehgeiger. Keine Fabergéeier in der Hose. Keinen Saft auf der Batterie. Erfolg macht sexy. Nur Leistung zählt. Nicht umsonst hopsen viele Millionen frohgemuter Bayernfans im Freudentaumel vor der Glotze. Selbstverständlich haben sie nie das Münchner Stadion von innen gesehen. Immer diese altmodischen Spitzfindigkeiten.«
Das ist auch ein Klangsample. In seinen Texten schafft es Frank Willmann, ins etablierte, dauerironische Fußball-Feuilleton mit einem eigenen, berserkernd literarischen Sound reinzugrätschen. Ein bolzender Thomas Bernhard, mehr davon, bitte!
Markus Hesselmann, Chefredakteur Online, Der Tagesspiegel