Читать книгу Nach Corona – Unsere Zukunft neu gestalten - Franz Alt - Страница 9
7. Nach Corona: Die großen Probleme bleiben
ОглавлениеDoch die großen globalen Probleme der Vor-Corona-Zeit bleiben auch nach Corona bestehen. Leider gehören Deutschland sowie alle neun Atombomben-Mächte (die USA, Russland, China, England, Frankreich, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea) nicht zu den Befürwortern einer atomwaffenfreien Welt. Aber Papst Franziskus, der Groß-Iman von Kairo und der Dalai Lama haben sich als Vertreter der großen Religionen der Forderung nach einer Welt ohne Atomwaffen angeschlossen. Der Dalai Lama sagt allerdings auch: »Ohne Menschen ginge es der Erde besser.«
Hat er nicht recht? Wir Menschen sind schließlich die Ursache für das Artensterben. Wir Menschen haben die Massenvernichtungswaffen erfunden und entwickelt, wir bedrohen uns mit gegenseitiger Abschreckung und Vernichtung, und wir Menschen verursachen die Klimaerhitzung.
Die Überzeugung dieses Buches: Alle notwendigen Technologien für einen Öko-Wumms nach der Corona-Krise sind vorhanden. Jetzt kommt es darauf an, diesen im Sinne von Konfuzius auch wirklich, wirklich gestalten zu wollen. Wir haben die Chance, nach Corona die Zukunft nicht nur neu zu denken, sondern auch, sie neu zu gestalten. Der derzeitige Prozess ist menschengemacht und deshalb auch veränderbar. Dafür wird die neue Jugendbewegung »Fridays for Future« – unterstützt von 28.000 Wissenschaftlern (»Scientists for Future«) aus der ganzen Welt – schon sorgen. Wir haben hier eine ganz neue und effektive Koalition. Schon in der Corona-Krise hat die Politik gelernt, auf die Wissenschaft zu hören. Wohl noch nie haben auf der ganzen Welt Wissenschaftler*innen eine öffentliche Debatte so dominiert wie während der Corona-Krise. Bill Clinton hat noch Wahlen gewonnen mit dem Slogan: »It’s the economy, stupid.« Künftige Wahlen werden gewonnen nach dem Motto: »It’s the ecology, stupid.« Voraussetzung für die nächste Transformation ist, dass die Politik jetzt bei der Klimaerhitzung so intensiv auf die Wissenschaft hört wie in der Corona-Krise.
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen mehr Zukunft wagen, das heißt, bei unseren Handlungen mehr an die künftigen Generationen denken. Heute gilt noch zu sehr das Motto: »Nach uns die Sintflut.«
Die Pandemie und die neue globale Jugend- und Kinder-Bewegung »Fridays for Future« sind die Trägerinnen und Treiber für die notwendige Politikwende. Weltweit sollte die Friedensbewegung wieder so aktiv werden, wie sie es eindrucksvoll und erfolgreich vor 40 Jahren gewesen ist. In einem Buch, das ich zusammen mit Michail Gorbatschow geschrieben habe (»Nie wieder Krieg – Kommt endlich zur Vernunft«), hat mir dieser Ausnahmepolitiker bestätigt, dass er seine Politik der atomaren Abrüstung gegenüber seinen Hardlinern nur mithilfe der weltweiten Friedensbewegung durchsetzen konnte. Heute, im Zeitalter der atomaren »Modernisierung«, brauchen wir wieder eine neue, starke Friedensbewegung. Die alten großen Parteien in Deutschland schaffen die Kurve nicht, es braucht eine neue Friedensbewegung. Die Friedensbewegung in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts wurde von beinahe der Hälfte der Deutschen unterstützt.
Was wäre ein Atomkrieg? Das habe ich Michail Gorbatschow gefragt. Seine eindeutige Antwort: »Ein Atomkrieg wäre der letzte Krieg in der Geschichte der Menschheit, weil es danach keine Menschen mehr gäbe, die noch einen Krieg führen könnten.« Entweder wir schaffen die Atombomben ab, oder diese schaffen eines Tages uns ab. Wir können realistischerweise nicht davon ausgehen, dass wir immer wieder nur Glück haben werden. Sowohl die Technik als auch ein Politiker kann versagen. Trump in den USA war so unberechenbar, wie Kim es in Nordkorea ist. Beide haben sich ja schon mit gegenseitiger atomarer Vernichtung bedroht. Solchen Menschen ist alles zuzutrauen. Niemand kann uns vor unfähigen Politikern schützen, die zu allem fähig sind. Der frühere US-Präsident Nixon schrieb in seinen Memoiren, dass er während seiner Amtszeit dreimal an den Einsatz von Atombomben gedacht habe. Auch 1961 bei der Kuba-Krise stand die Welt am Rande einer atomaren Vernichtung. Alles, was technisch möglich ist, wird irgendwann passieren.
Michail Gorbatschow mit Franz Alt. Der Staatspräsident der Sowjetunion setzte mit Glasnost und Perestroika neue Akzente in der
russischen Politik.
© Bigi Alt, Baden-Baden
Und was wäre die weitere Klimaerhitzung? Die lapidare Antwort der Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde: »Wir werden geröstet, getoastet und gebraten.« Naturwissenschaftler sagen es so: Die Welt schmilzt, erhitzt und flutet. Es ist dieselbe Katastrophe. Und sie ist menschengemacht.
Also: Welche Zukunft wollen wir? Eine Zukunft der Trostlosigkeit oder eine Zukunft der Hoffnung und Lebensfreude? Noch haben wir die Antwort auf diese Frage selbst in der Hand. Mahatma Gandhi: »Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.«
Wie könnte die Veränderung ganz konkret und praktisch aussehen? Ein Beispiel: Noch nie wurde in Deutschland so viel herumgereist und herumgeflogen wie im Jahr 2019. Über 55 Milliarden Euro wurden allein für Dienstreisen ausgegeben, hat der Reisemanagementverband VDR errechnet. Muss man tatsächlich mehrmals am Tag in einen Flieger steigen, um an einem zweistündigen Treffen teilzunehmen? Im Corona-Jahr 2020 haben wir gelernt, dass man Geschäftsverbindungen auch intelligenter, gesünder und umweltfreundlicher per Video-Konferenz aufrechterhalten kann. Wie viele der 195 Millionen Geschäftsreisen im Jahr 2019 waren wirklich notwendig? Jetten war plötzlich out und viele Geschäfte verliefen genauso gut. Das hätten wir auch schon vorher lernen können, haben wir aber nicht.
Erst in der digitalen Begegnung haben wir gelernt, was wir schon früher wussten. Erst im Corona-Jahr 2020 haben Firmen wie die Deutsche Post, die Telekom, auch Bayer und Thyssenkrupp entschieden, mehr auf Videokonferenzen als auf Dienstreisen zu setzen. Eine Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft bei 500 großen deutschen Firmen ergab, dass 90 Prozent ihre Dienstreisen kritisch überprüfen wollen. Alte Gewohnheiten waren noch nie eine sinnvolle Begründung, um an etwas festzuhalten, das eigentlich schon lange ausgedient hat.
Erst jetzt haben wir realisiert, was wir schon früher wussten: Wir Menschen sind nicht allein auf dieser Welt. Doch auf dem Auge »Tierwohl« waren wir zu lange blind. Wir sind den Tieren zu nahe gerückt, haben ihnen zu viel Platz weggenommen. So kommen die Vogelgrippe von Vögeln, HIV von Affen und Corona und Ebola von Fledermäusen zu uns Menschen. Eine der Ursachen der Corona-Pandemie ist die sogenannte Zoonose, bei der mutierte Tierseuchen-Erreger auf Menschen übertragen werden. Der globale Welttierhandel bringt unterschiedliche Tierarten auf engstem Raum zusammen; Viren können leicht in ihren Körper eindringen. Die Tiere werden der Wildnis, ihrem Lebensraum, entrissen und gelangen auf Märkten und im Handel zwangsläufig mit Menschen in Kontakt. Sie stehen unter Stress, und ihr Immunsystem ist geschwächt. Eine perfekte Voraussetzung für eine Pandemie.
In Dänemark wurde ein »Cluster-5-Virus« von Tieren auf Menschen übertragen. Deshalb mussten dort zehn Millionen Nerze getötet werden. Die Tiere wurden in Massentierhaltung in engen Nerzfarmen gezüchtet, während sie sonst ihren Lebensraum in der freien Natur haben. Exotische Tiere werden gejagt, gefangen, auf Tierbörsen gehandelt. Auch in Deutschland gibt es einen illegalen Handel mit exotischen Tieren. Geschützte und seltene Tiere erzielen einen hohen Preis. Jetzt ist die Politik gefragt. Nur ein Verbot der Haltung in artfremdem Raum kann dazu verhelfen, langfristig Pandemien zu vermeiden.
Es müssen dafür Milliarden von Euro aufgewendet werden, um Korallenriffe wieder herzustellen, Wälder aufzuforsten und Regenwälder sowie Räume für Wildtiere zu schützen. Zurzeit aber verlieren wir pro Jahr eine Milliarde Bäume, und wir rotten jedes Jahr beinahe eine drei Viertel Million Tier- und Pflanzenarten aus. Es gab einmal 6000 Milliarden Bäume, heute haben wir noch circa 3000 Milliarden. Immerhin haben 50 Regierungen – darunter auch die deutsche – Anfang Januar 2021 in Paris erklärt, bis 2030 dreißig Prozent des Planeten unter Naturschutz stellen zu wollen. Immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung.