Читать книгу Gefangen im schrecklichen Ich - Franz Bingenheimer - Страница 3
ОглавлениеEs sei ein unwiderstehlicher Drang nach Sexualität in ihm, den er zunehmend nicht mehr in seinem Geiste, beeinflussen könnte. So wäre es auch am gestrigen Nachmittag gewesen, als er Klara Seifert Nachhilfeunterricht gab.
Er habe Klara Seifert, nicht gegen ihren Willen, was er ausdrücklich betonte, auf seinen Schoß gesetzt.
Sicherlich, die Nähe zu dem Mädchen, hätte ihn sexuell erregt! << >> Aber geschehen sei nichts, da der Hausmeister der Schule überrascht in den Schulsaal kam, um die defekte Tafel auszutauschen, was der Hausmeister auch bestätigte! <<, merkte Hauptkommissar Obermayer dem Bericht von seinem Chef an.
Dann fuhr Kranzinger wiederum fort mit seiner Einschätzung der Sachlage:
>>Klara Seifert hatte pünktlich um 15:00 Uhr die Schule verlassen mit der Aussage, dass sie sofort nach Hause ging.
Nachdem Klara gegangen war, sei Karl-Heinz Kramer in hoch sexueller stimulierter Erregung mit seinem Fahrrad, das er absichtlich in den Nachhilfeunterricht mitgenommen habe, an den nahe liegenden Waldsee gefahren, um dort entblößte, badende Kinder zu beobachten. <<
Alle Kriminalbeamten hörten jetzt seiner Darstellung zu dem Mordfall, angespannt zu!
>>Und was ist mit dem Sperma, an seinen Schuhen! <<, fragte einer der SOKO Beamten dazwischen.
>>Das kommt noch! <<, antwortete Kranzinger und redete weiter.
>>Nach seinen Angaben, hatte er sich im hohen Schilf ganz in der Nähe ein paar spielender Kinder, die in Begleitung ihrer Eltern am See waren, versteckt. Nach einer Weile der Beobachtung sah er eine Frau, die ihr kleines Kind nackt auszog. Er berichtet: Seine sexuelle Erregung wäre plötzlich so stark gewesen, dass er sich selbst befriedigen musste.
Dabei wäre das Sperma auf seine Schuhe gelangt. Danach wäre er umgehend nach Hause gefahren behauptet er. <<
>>Und wie kam es zu dem Sturz mit dem Fahrrad? <<, fragte Kriminalpsychologin Eva Maria Brandel.
>>Er wollte angeblich so schnell wie möglich vom See weg.
In den Gedanken, dass ihn jemand im Schilf bei seinen sexuellen Handlungen beobachtet hatte, trat er unentwegt in die Pedale, kam vom Weg ab und stürzte in eine große buschige, Dornenhecke.
>>Was stimmt! <<, bestätigte Kommissar Schuldheiß von der Spurensicherung.
>> Das heißt! <<, übernahm jetzt Hauptkommissar Obermayer wieder das Wort.
>>Wir müssen Kramer beweisen, dass seine Aussage teilweise erfunden ist um seine Haut zu retten.
Laut Staatsanwaltschaft bleibt Karl-Heinz Kramer bis auf weiteres in Untersuchungshaft. Einen Anwalt hat er abgelehnt.
Er hätte nichts verbrochen. Somit brauche er sich auch nicht zu verteidigen, antwortete er, als man ihn auf einen Rechtsbeistand aufmerksam machte. <<
Nach einer Weile der Überlegung, wie es mit den Recherchen weiter gehen sollte, verteilte Obermayer die ersten Ermittlungsaufgaben.
Jetzt sah er zu Maria Brandel hin.
>>Sie, Kollegin Brandel, fahren zu Anita Kramer und prüfen die Aussage von ihrem Mann. Vielleicht weiß sie etwas von seinem geheimen Ausflug zum See.
Und danach fahren sie zu Klaras Mutter, Christine Seifert.
Eva Maria Brandel, war die Kriminalpsychologin im Team der Sonderkommission.
Dass sich hinter der unscheinbaren 26jährigen Kriminalistin eine hochintelligente Kripobeamtin verbarg, dachte man nicht, wenn man sie sah. Mit ihrer dicken Hornbrille auf der Nase, ihrer burschikosen Art und der Größe von 1,58 Metern, fand sie die nächsten zehn Jahre auch keinen Mann, lästerten Kollegen im LKA hinter vorgehaltener Hand.
Dass sie aber nach Feierabend in einem Fitnessstudio als Aerobic-Trainerin vor einer Gruppe junger hübscher Männer stand und sie anpeitschte, wusste man nicht im LKA.
>>Kleider machen Leute<<, sagte sie öfters vor ihrem Spiegel, wenn sie noch spät am Abend heimlich in die Discos im Promiviertel ging um das Nachtleben zu genießen.
Nachdem Hauptkommissar Obermayer die einzelnen Aufgaben den Ermittlungsgruppen zugewiesen hatte, erklärte er die erste Lagebesprechung für beendet.
*
Pfarrer Seefeld in Neuenburg musste seine geheime Reise nach Heidelberg noch ein paar Tage verschieben.
Er konnte jetzt unmöglich die Gemeinde verlassen.
Außerdem war Anna Heimhuber mit 86 Jahren heute Morgen verstorben. Übermorgen sollte sie auf dem Waldfriedhof direkt hinter der Kirche nach der Totenmesse beigesetzt werden. Gleich nach ihrem Tod hatte, man sie bis zur Beerdigung im Kühlhaus, in der kleinen Totenkapelle aufgebahrt.
Herbert Kranz, der arbeitslose Sozialhilfeempfänger, half der Leichenfrau beim Anziehen der Leiche und begann anschließend mit dem Ausheben der Grabstätte.
Wenn er auch des Öfteren betrunken war, Pfarrer Seefeld war froh, dass er ihm half.
Wer wollte schon die Drecksarbeit auf dem Friedhof erledigen. Denn es war harte Knochenarbeit, die nach Tod roch und mit der keiner in der kleinen Seelengemeinde etwas zu tun haben wollte.
Für Herbert Kranz war es bares Schwarzgeld, dass er sich nebenbei verdiente. Im Sozialamt wusste man inoffiziell von seinem Nebenverdienst. Aber man übersah es absichtlich.
>>Er sei ein armes Schwein<<, meinte Pfarrer Seefeld beiläufig, als er den zuständigen Beamten nach dem Sonntagsgottesdienst am Ausgang der Kirche sah, die Hand gab, und ihm einen schönen geruhsamen Sonntag wünschte.
Einen Tag nach der Festnahme von Karl Heinz Kramer ging Pfarrer Seefeld noch einmal zu Anita Kramer und den Kindern. Er brauchte sie doch für das Spielen der Orgel in seiner kleinen, sehr schönen Kirche.
Außerdem nach der Beerdigung von Anna Heimhuber sollte eine Totenmesse abgehalten werden. Die Angehörigen von ihr kamen von weit her angereist und sollten wie gewünscht, eine Totenmesse mit musikalischer Bekleidung erleben.
„Ja! Und wer sollte am kommenden Sonntag zum Gottesdienst die Orgel spielen?“ dachte er, während er sich durch die Reportage süchtige Menge der noch anwesenden Journalisten und Fotografen vor dem Bungalow der Kramers hindurchzwängte.
Man sah ihn von drinnen schon und hatte gewartet, bis er an der Haustür war, um ihm zu öffnen.
>>Kommen Sie schnell, Herr Pfarrer! <<, sagte Ansbert im Blitzlichtgewitter der Fotografen und ließ ihn hinein.
Als Pfarrer Seefeld ins Wohnzimmer kam, sah er, dass eine junge Frau da war.
>>Das ist Kommissarin Eva Maria Brandel vom LKA in München<<, stellte Anita Kramer sie sofort Pfarrer Seefeld vor.
Seefeld überlegte einen Augenblick. Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein. Als sie die Vermisstenanzeige von Klara auf dem 3. Polizeirevier in Landsberg aufgaben, stand sie wenige Zeit später, etwas abseits und hatte der Vernehmung von Kramer interessiert zugehört.
>>Wir gehen zu Onkel Konradi nach Utting am Ammersee und Papa kommt nach<<, verkündete die kleine Claudia etwas freudig Pfarrer Seefeld.
>>Sie wissen, Herr Pfarrer! Peter Konradi, der Musiklehrer von der Uni München. Er hat Platz in seiner großen Villa am See und hat uns eine Bleibe bis zur Klärung der Unschuld meines Mannes angeboten<<, ergänzte Anita Kramer die für sie peinliche Aussage von ihrer Tochter.
Seefeld wusste, dass Peter Konradi der heimliche Geliebte von ihr war. Gesagt hatte sie ihm es nicht!
Aber an einem Samstagnachmittag, als Anita Kramer auf der Empore ihrer Orgelstücke für die Sonntagsmesse einübte, hatte er sie beide beobachtet.
Sie hatten sich leidenschaftlich vor seinen Augen geküsst. Außerdem hatte sie ihm in regelmäßigen Abständen während der Beichte ihre Seitensprünge angedeutet.
>>Ja, ich glaube es ist vorerst das Beste für Euch<<, antwortete Seefeld und setzte sich neben Ansbert der stillschweigend auf der Zweisitzer Couch zuhörte.
>>Haben sie etwas Ungewöhnliches in der letzten Zeit in der Gemeinde beobachtet, was mit Klaras spurlosem Verschwinden zu tun haben könnte<<, fragte Kriminalpsychologin Brandel, Pfarrer Seefeld.
>>Nichts, nein! Sie war öfter mit ihrer Mutter bei mir in der Kirche. Aber das mir da etwas Außergewöhnliches aufgefallen wäre, nein! <<, erwiderte Seefeld überlegend.
>>Gut! Dann hoffe ich, dass ihr Ehemann bald freikommt<<, antwortete die Kommissarin nebensächlich, stand auf und verabschiedete sich.
Während sie fast schon das Zimmer verlassen hatte, drehte sie sich noch einmal um und fragte: >>Ab wann sind sie in der Villa von Peter Konradi anzutreffen? <<
>>Heute Abend gegen 22:00 Uhr werden wir von Herrn Konradi abgeholt<<, antwortete Anita Kramer und schaute Pfarrer Seefeld dabei an.
>>Gut, dann weiß ich ja, wo ich sie finden kann, wenn etwas Wichtiges sein sollte<<, bemerkte Eva Maria Brandel und verließ das Haus.
Eine gute Stunde später verließ auch Pfarrer Seefeld den Bungalow der Kramers.
Draußen vor dem mit viel Grün eingepflanzten Garten, warteten ausharrend die Fotografen auf das Erscheinen der Familie Kramer. Jeder Zeitungs-Journalist wollte der erste sein mit einem geldbringenden Bericht, der Familie Kramer, in der Morgenausgabe der Lokal-Zeitung am Ammer-See.
>>Gibt es etwas Neues im Fall Klara Seifert? <<, fragte ein Journalist, versperrte ihm den Weg und hielt ihm das Mikrofon direkt vor den Mund.
>>Lassen sie mich bitte durch! <<, bat Seefeld zornig ungehalten und schubste den aufdringlichen Journalisten kraftvoll zur Seite. Jetzt trafen ihn die starken hell erleuchteten Blitze der Akku Foto-Kameras.
>>Morgen wird er in allen Zeitungen zu sehen sein<<, dachte er und hielt die linke Hand schützend vor sein Gesicht.
>>Ich habe ihn im Kasten! <<, hörte er die triumphierende Stimme eines Fotografen, während er Eilens davon ging.
Fieberhaft hatte man den ganzen Tag das Gelände, um Neuenburg am Ammersee erweitert, abgesucht.
Ein einheimischer Wanderer hatte im nahen liegenden Feldafing einen roten Kinderschuh gefunden.
Außerdem gab er an, einen fremden Mann Anfang sechzig im Walddickicht gesehen zu haben.
Als er ihn entdeckte und auf ihn zuging, wäre er fluchtartig weggerannt, berichtete er aufgeregt einer Polizeistreife.
Kurz darauf suchte man auch dort mit einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei jeden Quadratmeter Boden ab.
Da Feldafing ganz dicht am Starnberger See lag, befürchtete die Polizei, dass die Leiche der kleinen Klara im Starnberger See versteckt, oder ertränkt, zu finden sein könnte.
Eine 20-köpfige Tauchergruppe der Münchner Kripo wurde angefordert und eingesetzt.
Auch Boote der Wasserschutzpolizei suchten unentwegt entlang des Seeufers die Dämme ab.
Zwei Hubschrauber der Bundeswehr aus dem nahe liegenden Landsberg am Lech kreisten über der Fundstelle des Schuhes mit Wärmekameras, um das gesuchte menschliche Objekt zu orden. Bis in die frühen Morgenstunden hatte man hoffnungsvoll den Wald durchkämmt. Ohne Erfolg!
Klara Seifert war wie vom Erdboden verschluckt.
*
Am darauffolgenden Vormittag ging Christine Seifert in die Kirche um ihre Schmück und Reinigungsarbeiten für den festlichen Sonntagsgottesdienst fortzusetzen.
Ja, auf wen sollte sie den zu Hause warten? Ihre Tochter Klara, die ihr den letzten Lebenssinn für ihr mühseliges Dasein gab, war nicht mehr da. Das Gefühl der Hilflosigkeit trieb sie an den Platz, wo ihr gütiger Herrgott war, an den sie felsenfest glaubte.
Denn er gab ihr die große Hoffnung, dass man Klara gesund wiederfinden würde.
Nur der Gedanke daran, dass ihre Tochter das grausame Opfer eines gewaltsamen Sexualtäters wurde, versetzte sie in panische Angst und Schrecken.
Nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte, nahm sie die übrigen gebliebenen grünen Tannenzweige vom Boden auf, verbeugte sich vor dem großen schwarzen Kreuz, das sie vor sich sah und ging durch die Sakristei in den kleinen Pfarrgarten, direkt neben der Kirche St. Michael.
Nicht weit von ihr sah sie, dass man die 86jährige Anna Heimhuber zu Grabe trug.
Christine Seifert blieb einen Augenblick stehen und schaute bedenklich hinüber zu der Grabstätte.
Nur ein paar Leute waren nur gekommen, um der 86jährigen alten Frau die letzte Ehre zu erweisen.
Die Totengräber waren gerade dabei, sie in einem billigen Kieferholzsarg, den ihre weitläufige Verwandtschaft nach Aufforderung der Gemeinde bezahlen musste, in das Grab der Ewigkeit hinunterzulassen.
Jetzt sah sie auch Herbert Kranz. Er war einer der vier Leichenbestatter. Laut hustend störte er die friedliche Stille am Grab. War er es vielleicht? Der Klara versteckt hielt und sich an ihr verging, dachte sie, während sie aschfahl im Gesicht, weiter zu der großen Mülltonne ging.
Die Tonne war wie immer überfüllt. Zweige, Äste und Kränze hingen heraus, und der schwere stählerne verzinkte Deckel, ließ sich nur mühsam mit einer Hand zurückschieben.
Gewaltsam öffnete sie jetzt die überfüllte Tonne und versuchte ihre Tannenzweige, noch unterzubringen.
Wie angewurzelt am Boden, hielt sie jetzt plötzlich inne! Was sie sah, gab ihr einen festen kurzen schmerzhaften Stich in ihr gebrochenes Herz. Der kurz darauf schmerzliche laute Aufschrei von ihr ließ hören, dass sie eine fürchterliche Entdeckung gemacht hatte.
Aufgeschreckt von dem lauten unfassbaren >>Nein! <<, dass man bis hinüber zu dem Begräbnis gehört hatte, schauten die wenigen Trauernden, woher der vom Schmerz betonte Aufschrei kam.
Unter Schock stehend, von dem was sie gesehen hatte, rannte Christine Seifert zurück in die Sakristei, um Hilfe zu holen. Eilig ging sie weinend an das Telefon, um die Notrufnummer der Polizei zu wählen.
Jetzt erst bemerkte sie, dass sie die Zweige noch fest in ihren Händen hielt.
Schnell warf sie die Tannenzweige zu Boden und wählte mit zitternden Fingern die Notrufnummer 110.
Aufgeregt und zitternd am ganzen Körper wurden für Christine Seifert die Sekunden des Wartens, zur grausamen Ewigkeit.
>>Notrufzentrale! <<, meldete sich eine Frauenstimme freundlich. >>Kommen Sie schnell! Kommen Sie! <<, stotterte Christine Seifert immer wieder in das Mikrofon des Telefonhörers. >>Wohin denn, wohin? <<, fragte die Frau in der Notrufzentrale, um mehr zu erfahren.
>>Zum Friedhof hinter die Kirche in Neuenburg.
Ich glaube, ich habe meine Tochter gefunden<<, redete sie aufgeregt, völlig durcheinander in Ihren Gedanken weiter.
Jetzt kam auch Pfarrer Seefeld, mit flatterndem Priestergewand, in schnellen Schritten durch die Sakristei auf sie zu.
Bis an das Grab hatte er die Angstschreie von Christine Seifert gehört. Angespannt hörte er zu, wie sie telefonierte.
>>Die blaue Schleife und ein Büschel blonder, blutverschmierter Haare von meiner vermissten Tochter, habe ich in einer Mülltonne auf dem Friedhof in Neuenburg, gesehen<<, meldete sie wiederholend.
>>Sie kommen! <<, sagte sie leise, leichenblass im Gesicht, sah Pfarrer Seefeld hilfesuchend an und legte den Telefonhörer auf.
Seefeld wusste, wie er sich in solchen schrecklichen Minuten der Angst und der Trauer seinen Hilfesuchenden, gegenüber verhalten musste. Langsam ging er schweigend zwei Schritte auf Christine Seifert zu und nahm sie in die Arme.
Sie hatte ihren Kopf hilfesuchend an seine starke Männerbrust gelegt und suchte den Schutz der Geborgenheit in seinen kräftigen Armen.
Draußen vor der Kirche hörte man auch schon das Martinshorn der Polizeiwagen.
In wenigen Minuten waren sie da, die Schutzpolizisten des 3.
Polizeireviers von Landsberg.
>>Wo? <<, fragte einer der beiden jungen Polizeibeamten, die herbeigeeilt waren und sie gesucht hatten.
>>Hinter der Sakristei im Pfarrgarten, im Müllcontainer<<, antwortete Pfarrer Seefeld und streichelte Christine Seifert leicht über ihr blondes langes Haar.
>>Ich möchte hin und sie mir ansehen. Bitte kommen Sie mit<<, bat sie Pfarrer Seefeld mit zitternder Stimme und schaute hilfesuchend zu ihm auf.
Draußen im Pfarrgarten, hatte man schon mit einem Trassierband die Fundstelle weitgehend abgesperrt.
>>Da kommen sie ja, die Idioten<<, sagte Herbert Kranz vor sich hin und schaute hoch zu dem Polizeihubschrauber, der über dem Friedhof kreiste, um nach einem möglichen Landeplatz zu suchen.
Genussvoll, trank er noch einmal einen kräftigen Schluck aus seiner Bierflasche, bevor er sich in die Hände spukte und das offene Grab von Anna Heimhuber grinsend zu schippte.
>>Geschieht ihr doch recht! der, blöden, eingebildeten Fotze!
Dann schaufelte er die schwere Erde auf den hölzernen Sarg.
Nicht weit von der Totenkapelle hatte der Pilot des Helikopters jetzt einen sicheren Landeplatz gefunden.
Sofort nach der Landung sprangen fünf Kriminalbeamte heraus und kamen auf die Fundstelle zu.
>>Da drüben! <<, sagte eine junge aufmerksame Frau der Schutzpolizei und zeigte auf den halb geöffneten Müllcontainer. Christine Seifert und Pfarrer Seefeld waren auch aus der Kirche in den Pfarrgarten gekommen.
Gespannt sahen sie, was jetzt am Container geschah. Drei Beamte der Spurensicherung hatten ihre Gummihandschuhe übergezogen und zogen den Biomüll vorsichtig aus dem halb offenen Müll-Behälter heraus.
>>Sehen sie doch! Das ist Klaras Haarschleife<<, sagte Christine Seifert.
Mit kaum verständlicher Stimme drückte sie sich hilfesuchend an Pfarrer Seefeld, als ein Beamter der Spurensicherung, das blaue Haarband, an dem ein Püschel blonder Haare hing, auf einer kleinen Plastiktüte ablegte.
Jetzt kam Hauptkommissar Obermayer, der auffallend sportlich gekleidet war, auf sie zu. Mitte dreißig könnte er sein, dachte Seefeld, als er etwas näherkam.
Denn in seiner dunkelblauen engen amerikanischen Jeans-Hose und der kurzen schwarzen, Bomberlederjacke, dessen Kragen er hochgestellt hatte, sah er eher aus wie ein Supersportler, als ein Ermittler der Kriminalpolizei.
Seine sehr sportliche schlanke Figur, das markante schmale Gesicht und seine Körpergröße von 1,96 m unterstrichen seine besondere männliche Ausstrahlung.
>>Sie sind bestimmt Pfarrer Seefeld? <<, fragte Hauptkommissar Obermayer, was eigentlich nicht zu übersehen war, da er noch sein Priestergewand anhatte.
Seefeld hatte in der Eile des Geschehens nach der Beerdigung von Anna Heimhuber seinen Talar noch nicht abgelegt. >>Ja, der bin ich und das ist Christine Seifert, die Mutter von Klara, die seit gestern vermisst wird. <<
Hauptkommissar Obermayer nahm wie üblich seine Polizeimarke hervor und zeigte sie ihnen.
>>Ich komme vom LKA München und ermittle im Fall ihrer
Tochter<<, lies er sie wissen und sah Christine Seifert mit besorgter, teilnahmsvoller Mine an.
>>Ist sie im Container? <<, fragte Christine Seifert kaum hörbar und schaute unter sich.
Es war die schwerste Frage ihres Lebens, die sie soeben gestellt hatte. Ihr Gesicht war blass und die Tränen in ihren rot unterlaufenen Augen zeigten, was sie seit gestern Mittag durchgemacht hatte.
>>Nein, zum Glück sind es nur ein paar Kleidungsstücke, die sie sich anschauen müssten<<, antwortete Obermayer.
>>Jetzt gleich? <<, fragte sie.
In ihren Augen sah man jetzt einen Funken Hoffnung, dass Klara noch am Leben war.
>>Ja, es wäre sehr wichtig für uns! <<.
>>Darf ich Christine Seifert zur Fundstelle begleiten<<, fragte Pfarrer Seefeld.
>>Ja sicher, kommen sie! <<, forderte der Hauptkommissar sie beide auf und ging voraus.
Die Sicherheitsbeamten an den Absperrungen hoben das Absperrband etwas hoch und ließen sie passieren.
>>Sehen sie! Das haben wir gefunden<<, sagte Obermayer und zeigte auf ein paar Fundstücke, die auf einer durchsichtigen ausgebreiteten Plastik-Tüte lagen.
>>Ja, es ist alles von Klara. Auf der Unterhose müsste ein kleiner blauer Schmetterling sein<<, antwortete die Mutter, schluckte ein paar Mal, und rang nach Luft.
Denn ihr war vor Aufregung schlecht geworden.
Ein Beamter der Spurensicherung hatte die Unterredung mitbekommen und die mit Kompost stark verschmutzte kleine weise Unterhose hochgehoben.
Christine Seifert nickte zustimmend, als sie das aufgestickte Zeichen erkannte.
Was das bedeutete, wusste Hauptkommissar Obermayer. Die Möglichkeit, dass Klara Seifert noch am Leben war lag bei einem Prozent von Hundert.
>>Nehmen sie alles mit. Auch den vollen Container! <<, forderte Obermayer die Beamten der Spurensicherung auf, bevor er Seefeld und Christine Seifert hinter die Absperrung begleitete.
>>Kann ich jetzt gehen? denn ich kann nicht mehr! <<, fragte Christine Seifert kreidebleich im Gesicht.
Was sie soeben gesehen hatte, gab ihr einen festen schmerzhaften Stich in ihre schon verwundete Seele. Sie konnte es nicht fassen, dass ihre liebe Tochter Klara mit großer Wahrscheinlichkeit einem Sexualverbrecher zum Opfer gefallen ist.
>>Ja, sicher! Wenn wir sie brauchen kommen wir zu ihnen. <<, antwortete Obermayer und bedankte sich, dass Christine Seifert sich die Fundstücke angesehen hatte.
Jetzt wollten sie beide gehen.
>>Sie bleiben bitte noch einen Augenblick Herr Pfarrer! <<, sagte Obermayer bestimmend.
Seefeld gab Christine Seifert aus seinen Armen frei und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
>>Was haben sie ihr soeben gesagt! <<, fragte Obermayer bestimmend sofort, nachdem Christine Seifert weg war.
>>, Dass sie in der Sakristei auf mich warten soll. <<
>>Und sonst gar nichts? <<
>>Doch! Sie könne bei mir wohnen, bis alles vorbei ist, bot ich ihr an. <<
>>Gut, das ist ihre Sache!
Dass wir ein Teil von Klaras Kleidungsstücken ausgerechnet hier in ihrem Kirchengarten gefunden haben, wissen Sie! <<, merkte der Hauptkommissar an.
>>Sie glauben doch wohl nicht, dass ich etwas mit der schrecklichen Sache zu tun habe<<, verteidigte sich Seefeld erbost über die wage Verdächtigung.
>>Das weiß ich nicht! Doch eines steht fest!
Wir müssen jetzt gleich außer dem Friedhof auch die ganze Kirche durchsuchen. Auch ihre privaten Räume. Alles! Genehmigen sie das? Oder brauchen wir einen Durchsuchungsbeschluss, den ich Ihnen, wenn es sein muss, in einer halben Stunde vorlegen kann<<, erwiderte Obermayer sehr sachlich und sah Pfarrer Seefeld mit seinen dunkelbraunen Augen kurz anhaltend, fragend an.
>>Aber heute Mittag um 14:00 Uhr ist Totenmesse und anschließend Beichte! Wie soll das gehen? <<, entgegnete ihm Pfarrer
Seefeld ganz entrüstet
Dabei griff er sich fortlaufend an seine Nase. Obermayer bemerkte, dass er jetzt sichtlich nervös war.
>>Gut, dann nehmen wir uns das Gotteshaus gleich vor. Wenn sie uns unterstützen, sind wir<<, Obermayer schaute kurz auf seine Armbanduhr, >>gegen 13:30 Uhr fertig. <<
>>Ich helfe mit, bot sich Pfarrer Seefeld jetzt plötzlich an und schaute zu Herbert Kranz, der mit der Erdschaufel auf der Schulter, auf die beiden zukam.
>>Wer ist der Mann? <<, fragte Obermayer.
>>Herbert Kranz. Ein armes Schwein, aus unserem Ort. Keiner mag ihn so recht! Er hilft mir des Öfteren bei der Leichenbestattung. <<
>>Und habt ihr etwas gefunden? <<, rief Kranz schon von weitem als ginge es um eine unbedeutende Sache.
Als er näherkam, bemerkte Obermayer seine Alkoholfahne.
Er roch stark nach Schnaps und Bier.
>>Ist Ihnen hier in den letzten Stunden etwas Verdächtiges aufgefallen? <<, fragte Hauptkommissar ihn Obermayer und beobachtete heimlich seine Gestik.
Kranz zog seine Nase ekelerregend hoch, hustete ein paar Mal kräftig, und spuckte neben sich auf den Boden.
>>Ja, ein Landstreicher!
Gestern Nachmittag war er eine Zeitlang am Container und hat ihn durchsucht<<, antwortete er nebensächlich, schaute unter sich und klopfte den schlammigen Grund von seinen Schuhen ab.
>>Sonst nichts!?<<, fragte Obermayer ihn provozierend. <<
>>Ja, meinen Sie ich könnte in der Welt umherschauen, wenn ich die Leichengrube aushebe! <<, beschwerte er sich vorwurfsvoll und schimpfend aggressiv, denn er fühlte sich angegriffen. >>Beruhigen sie sich. Es war ja auch nur eine Frage<<, beschwichtigte ihn der Hauptkommissar und bat ihn in den Streifenwagen zu gehen und eine Aussage zu der fraglichen Person, die er gestern Nachmittag am Container gesehen hatte zu Protokoll, zu geben.
>>Aber erst hole ich mir in der Leichenkapelle noch ein Bier! <<, protestierte Herbert Kranz mürrisch, drehte sich um und lief einfach los. Obermayer schaute ihm nach.
>>Er ist ein armer harmloser Bürger, der keiner Maus etwas zuleide tun kann<<, verteidigte Seefeld sein merkwürdiges Verhalten.
>>Gut! Dann fangen wir an mit der Durchsuchung<<, bestimmte Hauptkommisar befehlend.
>>Ich müsste noch einmal kurz zu Frau Seifert. Sie wartet doch in der Sakristei auf mich. <<
>>Ja sicher, gehen sie nur! Ich muss eh noch einmal zum Streifenwagen, bevor wir mit der Durchsuchung beginnen<<, antwortete Obermayer und ging davon.
Jetzt waren auch die ersten neugierigen Gaffer des Ortes herbeigeeilt. „Man hat sie auf dem Friedhof gefunden“, ging es wie ein Lauffeuer durch den ganzen Ort.
Auch die Presse, der Rundfunk und Fernsehen waren eingetroffen, um in den nächsten Nachrichten aktuell von der Fundstelle zu berichten.