Читать книгу Vollmilchschokolade und Todesrosen - Franziska Dalinger - Страница 16

5.

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Daniel ist gar nicht da.

Mist. Jetzt habe ich mich extra aufgerafft und bin ins Gemeindehaus gestiefelt und es sind sowieso nur dieselben da wie immer. Die Verteilung der Gruppenmitglieder ist ziemlich genauso wie in meiner Klasse. Es gibt ein paar Außenseiter, merkwürdige Gestalten, die kaum ein Wort herausbringen, und auch eine kleine Gänseschar – perfekt gestylt, für den Fall, hier den Partner fürs Leben zu treffen. Die Gänse sind diejenigen, die sich immer hervortun wollen. Sie wissen alles und sie kennen sämtliche Lieder auswendig und sie können stundenlang darüber diskutieren, ob es einen Unterschied macht, wenn man beim Singen die Hände in die Luft streckt oder nicht. Hier in der Kirche bedeutet »Gans sein« nicht bloß, wunderschön sein zu wollen. Es bedeutet, perfekt zu tun. Ganz zu sein. Und nie, nie, niemals irgendwie zerrissen zu wirken. Tine ist in unserer Kirche die Obergans. Die Superfromme. Sie ist über alles und jedes schockiert und man kann sie herrlich nachahmen. Sie erinnert mich an meine Schwester Tabita, die ja auch immer alles besser weiß.

Dann sind da noch die »Normalen«. Natürlich sind die Normalen, die in die Kirche gehen und am Donnerstag Abend eine Jugendgruppe besuchen, die auf den inspirierenden Namen Life and Hope hört, nicht so normal wie die Normalen an der Schule. Das wunderbar Normale an ihnen ist, dass sie nicht so recht wissen, was sie hier wollen und warum sie eigentlich hergekommen sind. Außer um Spaß zu haben, natürlich.

Das Gänseleben ist mir vertraut. Ganz ehrlich. Ich kenne alle Bibelstellen auswendig und mit diesen Liedern bin ich groß geworden. Ich weiß alles und kann alles und ich lasse mir nicht anmerken, dass mich das alles nicht die Bohne interessiert.

So sind Gänse nun mal. Außen alles voller schöner weißer Federn.

Ich könnte mich auch zu den Normalos zählen, denn so wie die weiß ich nicht, warum ich hier bin. Was würde passieren, wenn ich anfange, meine Fragen zu stellen? Zu sagen, was ich wirklich denke? Würde der gutmütige, immer freundliche Riese Goliath mich dann vor die Tür setzen?

Doch ich bilde hier meine eigene Gruppe: »Tochter vom Pastor.«

»Schön, dass du auch mal wieder da bist, Miriam«, sagt Michael zu mir, und ich grinse schief und denke: Wenn du wüsstest ...

Aber vielleicht tut er das ja? Ich meine, nicht, dass er Gedanken lesen könnte, aber vielleicht hat er ja tatsächlich eine Antwort.

WOHER WISST IHR DAS?

Und er würde antworten: ... keine Ahnung, was.

Weil man das halt so glaubt, in der Kirche. Oder weil man so tut, als würde man das glauben. Oder weil ...

»Heute sprechen wir über das Gebet«, sagt er.

Die Gänse-Fraktion kichert, wie über alles, was er sagt. Ich versuche zu erkennen, ob Michael irgendwie gut aussieht, aber es ist wie bei diesen verschlüsselten 3D-Bildern. Manchmal überkommt einen dieser Moment von Klarheit, wenn man bis in die Tiefe sehen kann. Und manchmal ist alles nur voller Hieroglyphen und man erkennt gar nichts.

Ehrlich – ich weiß es nicht.

»Darüber, dass wir Gott alles anvertrauen können. Unsere Sorgen und Nöte ...«

Nöte. Das ist Bibelsprech. Wer sagt denn heutzutage: Ich habe Nöte?

Ich kenne jedenfalls keinen.

»Ja, Miriam? Du siehst aus, als fändest du das lustig.«

»Äh, nein«, versichere ich schnell. »Ganz und gar nicht. Das ist sehr, ähm, ernst.«

Er schüttelt lächelnd den Kopf. Ich sehe rasch zu Tine hinüber, wie sie darauf reagiert. Mag sie ihn oder nicht? Aber ich kann nichts in ihrer steinernen Miene erkennen.

»Wer möchte was zum Thema erzählen?«

Die Perfekten sind wie immer ganz versessen darauf, ihre Wunder mitzuteilen.

Ihr ganzer Alltag ist von Wundern gepflastert.

Eine Zwei in Latein, obwohl Nele nicht geübt hat – wow!

Katis Vater hat endlich einen Job. Super! (Das ist eine recht häufige Gebetserhörung von Kati. Nur, dass ihr Vater immer bloß Zeitverträge bekommt und nach ein paar Monaten wieder auf der Straße sitzt.)

»Ist es eine feste Stelle?«, frage ich.

»Erst mal auf Probe«, sagt sie und druckst ein bisschen herum.

Die wundersame Heilung einer Grippe nach zwei Wochen Krankheit.

Eine Eins im Biologietest. (Maren schreibt nur ausnahmsweise mal eine Note, die schlechter ist als eine Zwei plus.) Oh Wunder, oh Wunder!

Victoria schießt den Vogel ab: Sie hat ihre Uhr wiedergefunden, die sie vor einigen Tagen verloren hatte, nachdem sie eine Eingebung gehabt hat, wo sie sein könnte. Nämlich in ihrer Jacke, die im Schrank hing.

So was aber auch!

»Miriam?«, fragt Michael. »Hast du auch etwas mit Gott erlebt? Willst du uns daran teilhaben lassen?«

Sei ein braves Mädchen, beschwöre ich mich. Hör auf. Sei still. Du wirst deine Meinung NICHT sagen.

Wann habe ich aufgehört, ein braves Mädchen zu sein?

»Das ist doch lächerlich«, platze ich heraus. »Meint ihr, den anderen, die nicht beten, passiert das nicht? Wo bitte ist da der Unterschied?«

»Ich gebe die Frage weiter«, sagt Michael, was ich nicht ungeschickt von ihm finde. »Wo ist der Unterschied? Was meint ihr?«

»Ähm.« Maren, die Einser-Schülerin, runzelt die Stirn. »Ich bin immer total aufgeregt vor einer Arbeit. Wenn ich bete, bin ich nicht ganz so nervös. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich nicht lernen würde.«

»Ich hab nichts getan«, gibt Nele zu. »Ich hatte es vergessen, dass wir den Test hatten, ehrlich. Und dann hab ich gebetet, dass trotzdem alles gut geht. Nächstes Mal werde ich dafür ackern, versprochen!«

»Wirst du nicht«, behaupte ich, und sie grinst verräterisch.

»Mein Vater ist total fertig«, erzählt Kati leise. »Und Mama sagt, wenn wir uns nicht auf Gott verlassen könnten, wüsste sie gar nicht, was wir tun sollten.«

Gleich muss ich heulen – nein, nicht wirklich.

»Aber ihr betet und betet und es geschieht kein Wunder«, sage ich. »Ihr denkt bloß immer, dass es kommt, aber es passiert überhaupt nichts.«

Michael mustert mich mit einem feinen Lächeln. Ich möchte denken, dass ihm dieses Lächeln schwerfällt, dass es ihn ärgert, was ich sage, aber sein Lächeln wirkt echt und wird immer breiter. Aus welchem Grund auch immer, er ist sehr zufrieden mit dem, was ich von mir gebe.

»Glaubst du nicht, dass Gott uns hilft?«, fragt er. Es klingt nicht wie eine Frage, auf die es nur eine einzige, richtige Antwort geben darf.

»Doch«, versichere ich schnell, »aber nicht so.«

Wann habe ich aufgehört, an Wunder zu glauben? War es hier, in der Jugendgruppe, als ich mir den tausendsten Bericht darüber anhören musste, wie Gott einen Schnupfen geheilt hat oder für eine Zwei plus gesorgt hat?

»Vielleicht gibt es Wunder. Aber das sind keine.«

»Vielleicht?« Tine schnappt nach Luft.

Was würde sie erst sagen, wenn ich damit herausrücke, was ich wirklich denke? Darüber zu diskutieren, wie Gott ist, bringt sie schon auf die Palme. Darüber zu sprechen, ob es ihn überhaupt gibt, wäre zu viel für die Life and Hope-Leute. Das weiß ich natürlich. Vor allem, wenn die Frage von mir kommt. Wenn wir jetzt hier einen von »draußen« sitzen hätten, jemanden, der noch nie den Fuß in eine Kirche gesetzt hat, und der würde fragen: Woher soll ich denn wissen, ob Gott wirklich existiert?, dann würden sie sich riesig freuen über die Gelegenheit, alle Gottesbeweise aufzuzählen, die ihnen nur einfallen. Aber ich bin die Tochter vom alten Weynard. Ich kenne alle Argumente. Was soll man mit jemandem tun, der das alles kennt und trotzdem nicht überzeugt ist?

Mich vor die Tür setzen – arme, verstockte Sünderin?

Ich verlege mich lieber auf die andere Diskussion. Darüber, wie Gott ist.

»Für euch«, sage ich, »ist Gott doch nur der Weihnachtsmann. Der euch auf dem Schlitten durch die Gegend zieht. Und wenn ihr quengelt, dreht er sich um und gibt euch ein paar Kekse, damit ihr still seid.«

»Aber ...« Tine öffnet den Mund und bringt kein Wort heraus.

»Interessanter Vergleich«, findet Michael und nickt anerkennend.

»Wir müssen selber gehen«, sage ich. »Wir werden nicht gezogen. Wir müssen selbst durch den Schnee.« Meine Stimme versagt. Wir werden nasse Füße bekommen, will ich hinzufügen. Und frieren. Und stolpern. Und fallen. Aber wir müssen selbst gehen. Wir müssen selbst gehen!

»Als ich meine Uhr gesucht habe«, fängt Victoria an, »habe ich überall nachgeschaut. Ich habe mich nicht hingesetzt und darauf gewartet, dass sie mir aus einer Wolke in den Schoß fällt.«

»Ist es ein Wunder, wenn man etwas findet, dass man lange gesucht hat?«, fragt Michael in die Runde.

»Für mich war es eins«, meint Victoria etwas lauter. Sie ist beleidigt, weil ich nicht begeistert bin, was ihr tolles Wunder angeht.

Langsam macht mir diese Stunde Spaß. Nicht, weil Victoria beleidigt ist und Tine nach Worten sucht. Oder ... na ja, ein bisschen doch.

»He, da kommt ja noch jemand«, sagt Michael plötzlich. Durch die milchige Glastür sieht man eine hochgewachsene Gestalt, die im Vorraum ihre Jacke aufhängt. Unwillkürlich schlägt mein Herz schneller, denn ich weiß, wer das ist.

Michael kann sein Glück kaum fassen, dass noch jemand zu seinem kleinen, erlesenen Life and Hope-Stamm gestoßen ist. Zu seinem Gitarrengeklimpere, den öden Liedern und der traubstockenen – äh, staubtrockenen Bibelarbeit. Und unserer spannenden Diskussion über die kleinen Wunder des Alltags.

»Ein neues Gesicht«, strahlt er entzückt.

»Hi«, sagt Daniel lässig.

Ich hätte nicht so ruhig bleiben können, wenn zwanzig Leute einen neugierig anstarren. Ich wäre mindestens rot geworden. Oder ich wäre vor allen gestolpert. Dann hätte ich mich auf einen der Stühle gesetzt, niemanden angeschaut und gehofft, dass sie mich vergessen.

Falsch, Messie, rüge ich mich. Früher bist du so gewesen. Fräulein Pink. Fräulein Unsichtbar. Aber das ist schon lange her. Und außerdem bin ich hier in der Kirche nie so unsichtbar gewesen wie in der Schule. Das ist ein Heimspiel für mich. Ich weiß, wie man hier punkten kann.

Inzwischen bin ich viel selbstsicherer, wenn ich es nicht gerade vergesse. Was gerade jetzt, als Daniel mir gegenüber im Stuhlkreis Platz nimmt, der Fall ist. Himmel, ich fühle mich wie damals im Kindergottesdienst, als ich mit Schrecken darauf gewartet habe, welche Streiche er sich einfallen ließ, um Tante Dings ... ich komme nicht auf den Namen! ... zu ärgern.

Daniel betrachtet neugierig die kleine Versammlung. Es sind natürlich fast alles Mädchen. Tine blinzelt und sagt halblaut: »Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken.«

Wetten, dass sie ihn noch nicht erkannt hat?

Ich versuche, mir darüber klar zu werden, ob Tine hübsch ist oder nicht, aber bei ihr ist das besonders schwer. Leute, die lächeln, sind eigentlich fast immer schön, aber Tine lächelt so gut wie nie. Dann gibt es aber auch die besonders Attraktiven, die haben es nicht nötig zu lächeln. Der Typ »eiskalte Schönheit«. Das sind die, die von den Jungs von ferne angeschmachtet werden. Das wäre ich gerne. Ich meine, wär doch cool, wenn alle in einen verliebt sind, ohne dass man irgendetwas dafür tun muss.

Die dreißig Mädchen im Raum starren den Neuankömmling an. Ich zähle sie alle doppelt, denn auf einmal und ganz unerwartet kommen sie mir alle ziemlich attraktiv vor, jede auf ihre Art.

Reichlich Auswahl, wenn man ein nettes Mädchen sucht, das Bibelsprech beherrscht.

Ich frage mich unwillkürlich, ob er deswegen wohl hergekommen ist, was ich den anderen Jungs der Life and Hope-Gruppe ohne weiteres zutraue. Unter so vielen Mädels müssen rein statistisch betrachtet doch wenigstens ein paar gut Aussehende dabei sein. So richtig beurteilen kann ich das nicht – wie gesagt, bekannte Menschen kommen mir alle irgendwie gleich vor. Bekannt eben.

Ich versuche, Daniel so zu sehen, als würde ich ihn heute das erste Mal im Leben treffen, aber es gelingt mir nicht. Er ist immer noch blond – mittelblond, würde ich sagen. Draußen in der Sonne wirken seine Haare viel heller. Aber auch hier drinnen hat er immer noch dieses Grinsen, das einen vor lauter Erwartung ganz kribbelig macht.

»Das, äh, oh«, stottert Michael. Bestimmt hat mein Vater ihm erzählt, dass die Hartmanns wieder da sind. Wahrscheinlich versucht er sich krampfhaft zu erinnern, wie deren Sohn heißt. Nicht, dass er Daniel schon damals gekannt hätte – Michael ist eigentlich viel neuer als Daniel. Aber wenn Papa ihm gesagt hat, dass heute vielleicht so ein mit Bibelversen um sich schmeißender junger Typ aufkreuzen würde, erwartet der gute Riese wohl von sich selber, dass er ihn besonders herzlich begrüßt.

»Äh, oh ...«

»Daniel.«

Ich bin froh, dass er es selbst sagt. Aus Michaels Mund würde es lange nicht so gut klingen.

»Ja, natürlich. Also, Daniel. Ich bin Michael und leite diese, äh ... Wir haben gerade eine interessante Unterhaltung. Aber vielleicht stellen wir uns alle erst mal der Reihe nach vor, ja? Name und ein paar Worte darüber, wer wir sind, Hobbys oder so.«

Ich hasse es, wenn man reihum was sagen muss. Wenn ich irgendein Trauma habe, ist es vermutlich ein Stuhlkreistrauma. Man kann genau abzählen, wann man dran ist und sich überlegen, was man sagen will. Und wenn man dann an der Reihe ist, sagt man spontan etwas ganz anderes.

Miriam, will ich sagen. Und dann rufen die anderen bestimmt: Das ist die Tochter vom Pastor.

So läuft es eigentlich immer.

Dummerweise sage ich stattdessen: »Vollmilchschokolade. Todesrosen. Ich meine, äh, das ist es, was ich mag. Also, das bin nicht ich. Ich bin Miriam.«

Die anderen starren mich an, als wäre ich völlig verrückt geworden. So haben Steffi und Kim mich gemustert, als sie mich in der Mensa im Gespräch mit Daniel ertappt haben.

»Und, äh, mehr sage ich nicht«, füge ich schnell hinzu, bevor mich irgendjemand fragen kann, was das zu bedeuten hatte.

»Das ist Miriam. Die Tochter von Manfred«, erklärt Angelika, die zwei Plätze weiter sitzt. Es klingt ganz beiläufig, als würde das ausreichend erklären, warum ich vielleicht ein bisschen irre bin.

Stimmt ja auch irgendwie.

Dann geht es weiter, als wäre nichts passiert.

Aber das ist es. Warum habe ich das bloß gesagt? Ich hätte sagen sollen: Mein Hobby ist Musik hören und mit meinen Freundinnen zusammen sein. Stattdessen habe ich preisgegeben, was ich am allerliebsten auf dieser Welt mag.

Vollmilchschokolade. Schokolade ist beides: Genuss, zartschmelzend, der einem auf der Zunge zergeht, und Sünde. Jeder, der auch nur ein Gramm zu viel auf der Hüfte sitzen hat, weiß das. In frommen Kreisen ist Sünde natürlich etwas anderes. Aber für mich ist Schokolade das Wunderbare und das Schreckliche zugleich. Freude und Reue. Genuss und Schuldgefühle. Man kann es nicht lassen und man will es auch nicht. Was wäre das Leben ohne Schokolade?

Schokolade zeigt mir immer, wie kompliziert das Leben ist.

Und Rosen. Todesrosen? Das fragt sich doch jeder, der das hört. Aber ich bin die Tochter vom Pastor. Ich war schon auf unzähligen Beerdigungen. Ich hab zugeguckt, wie die Leute dunkelrote Rosen ins Grab werfen, auf den Sarg. Oder eine Handvoll Blütenblätter. Meistens sind sie dunkel.

Rosen und Tod. Rosen und Liebe. Auch das gehört zusammen und auch das ist der Beweis dafür, wie kompliziert das Leben ist und wie schön und wie fürchterlich.

Miriam und Messie. Auch das geht eigentlich gar nicht zusammen. Wer Miriam kennt, würde niemals denken, dass ich auch Messie bin. Und wer Messie kennt, würde nicht erwarten, wie brav und nett ich sein kann.

Jetzt zum Beispiel. In die Diskussion kommen wir nicht mehr richtig rein. Michael schlägt vor, dass wir noch was singen, und ich schmettere ein Lied über Jesus, obwohl ich gerade darüber nachdenke, wie ich dem kleinen fiesen Jungen, der aussieht wie Harry Potter, morgen seine Hausaufgaben abnehmen soll. Bisher habe ich es irgendwie vergessen und Mandy ist mittlerweile ziemlich sauer. Immerhin habe ich es versprochen und sie hat sich auf mich verlassen.

Mir ist ziemlich unwohl bei dem Gedanken, aber da muss ich durch. Sogar hier bei den Hopis predigt Michael gerne, dass man seine Versprechen halten sollte.

Nach dem Singen greift er noch mal das Thema auf. »Was erwarten wir von Gott?«

Ich höre mir die Antworten an, aber ich kann mich nicht konzentrieren und bekomme nur die Hälfte mit.

Irgendwie überstehe ich diesen Abend. Ich wünsche mir, dass Daniel mich auch mal anschaut. Immerhin habe ich etwas Ungewöhnliches von mir gegeben und dachte, er würde mich darauf ansprechen. Nachfragen, was das zu bedeuten hat. Aber das tut er nicht. Nur Angelika, die stößt mich nachher an und grinst bis über beide Ohren. »Schokolade? Rosen? War das ein Wunschzettel für jemand Spezielles?«

Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ob er sich das wohl auch fragt? Sofort ist mir das Ganze oberpeinlich. Wenn Daniel jetzt glaubt, ich hoffe, dass er mir Süßigkeiten und Rosen schenkt? Oh Mann, oh Mann. Jetzt bete ich doch lieber, dass er mich nicht auf meine kryptischen Worte anspricht.

Den ganzen Abend warte ich auf ... irgendetwas. Dass etwas passiert. Ein heimlicher Blick zum Beispiel. Es ist echt wie früher, als ich noch davor gebibbert habe, welchen Streich sich Daniel als Nächstes ausdenkt. Es zerrt an meinen Nerven. Und trotzdem wäre ich um nichts in der Welt nach Hause gegangen. Ich bleibe bis ganz zum Schluss, als Michael absperrt.

»Miriam?«, fragt er. »Ist noch was?«

Ich erzähle ihm hastig von meinen kaputten Reifen, und er verspricht, sich darum zu kümmern, ganz ohne lästige Fragen zu stellen. Dann stolpere ich unter dem weichen Nachthimmel nach Hause. Es sind nur ein paar Schritte vom Gemeindehaus zu unserer Haustür, aber ich wünsche mir, jemand würde mich rufen und diese wenigen Schritte mit mir zusammen gehen.

Vollmilchschokolade und Todesrosen

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