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Impressionen aus Israel und Palästina

Dieses Land kann heilig – und noch viel mehr!

Mit Strand und Wüste, Kirchen und Nachtclubs, politischem Zündstoff und bewegter Geschichte präsentiert sich Israel unglaublich vielfältig


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Jeden Tag kommen zahlreiche Juden in Jerusalems Altstadt zur Klagemauer, um zu beten

»Israel ist das dramatischste Land der Welt. Jeder ist involviert. Jeder streitet. Wann auch immer ich Israel verlasse, langweile ich mich ein bisschen«

Shimon Peres (1923–2016, ehemaliger Staatspräsident)

Israel hat viele Namen. Das Heilige Land, das Gelobte Land, das Land, wo Milch und Honig fließen. Zion, Kanaan, Palästina. Die meisten Israelis nennen es jedoch einfach Ha’aretz – das Land. Und kaum ein Land weckt so viele Kontroversen und Leidenschaften wie Israel. Drei Weltreligionen, vier Klimazonen, zwei Dutzend Ethnien und unzählige Sprachen prallen hier auf nur gut 22.000 km² aufeinander. Eigentlich ein winziges Fleckchen Erde – etwa halb so groß wie die Schweiz –, regiert Israel doch immer wieder die Schlagzeilen rund um die Welt. Hier lebt man die Extreme aus, und wer länger bleibt, spürt, wie der Puls unmerklich schneller wird. Es wird gesungen und protestiert, gefeiert und patrouilliert. Hedonismus findet neben tiefer Religiosität statt, und gelber Wüstenwind scheint eine tropische Luftfeuchtigkeit nicht auszuschließen. Am Strand von Jaffa werfen sich langhaarige Surfer neben christlichen Pilgern und verschleierten Frauen in die Wellen, an der Grenze zum Libanon bestehen Hippiekommunen neben Militärstützpunkten. Es wird ständig gestikuliert und diskutiert; offenherzig und warm, manchmal ungehalten und impulsiv, es wird gehupt und geflucht, und Schlange stehen ist ein Fremdwort. Auch sparen und planen und warten ist den meisten Israelis ein Graus. Es zählt nur das Heute, dem nächsten Tag traut man nicht über den Weg.


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Die Maria-Magdalena-Kirche auf Jerusalems Ölberg (links) – Auf dem Machane-Yehuda-Markt in Jerusalem (rechts)

Die Hälfte des Landes eine Wüste

Der kleine Nahoststaat teilt sich im Norden eine Grenze mit dem Libanon und Syrien, im Osten mit Jordanien und dem Westjordanland und im Südwesten mit Ägypten und dem Gazastreifen. Die dünn besiedelte Wüste macht dabei fast die Hälfte der Landesfläche aus und wird gen Süden zunehmend trockener, zerbricht in Wadis und Canyons, bis sie schließlich auf die Korallenriffe des Roten Meeres trifft. Der Norden hingegen ist fruchtbar. Dort durchziehen unzählige Bäche das Grün. Störche befinden sich auf der Durchreise in wärmere Gefilde, Kreuzfahrerburgen thronen auf bewaldeten Bergkämmen, und in der Ferne sieht man die oft schneebedeckten Gipfel des Berges Hermon.


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Salz, wohin man blickt: Mineralbildung am Toten Meer (oben) – Hummus, die Nationalspeise der Israelis (unten links) – Tel Aviv ist ein Hotspot der Surfer (unten rechts)

Juden, Römer, Christen, Osmanen

Aber in Israel kann man innerhalb eines Tages nicht nur durch mehrere Klimazonen, sondern auch durch viele Jahrhunderte reisen. Stets der Knotenpunkt zahlreicher Handelsstraßen und die Heimat wichtiger Süßwasserquellen wie dem See Genezareth und dem Jordanfluss, stand das heutige Israel im Fokus unzähliger Herrscher und Völker. Die Römer bauten Aquädukte, Christen unternahmen Kreuzzüge und errichteten Festungen, die Osmanen schufen erste Handelsstraßen und hinterließen Moscheen und Paläste.

Hier predigte, lebte und starb Jesus Christus, Mohammed fuhr zum Himmel auf, und Stammesvater Abraham begründete hier alle drei monotheistischen Weltreligionen. Von ihm leitet sich auch der Name des Landes ab: So wurde Abrahams Enkel Jakob nach einem erfolgreichen Kampf mit einem göttlichen Engel in »Israel« umgetauft. Laut der jüdischen Erzählung wurden Jakobs zwölf Söhne zu den Vorfahren der Israeliten, auch bekannt als die zwölf Stämme Israels oder Kinder Israels. Ihre Nachkommen hatte man nach einer Hungersnot nach Ägypten verschleppt, wo sie vier Generationen lang in Sklaverei lebten, bis Moses, ein Ururenkel Jakobs, sie schließlich ins gelobte Kanaan zurückführte.

Hier lebten die Israeliten laut der Bibel unter König David und König Salomon und bauten zweimal ihren heiligen Tempel, bis sie sich schließlich um 605 v.Chr. in alle Winde und Kontinente verstreuten – ein Prozess, der als jüdische Diaspora bezeichnet wird.


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Bizarre Formen der Natur im Nationalpark En Avdat mitten in der Negev-Wüste

Ewiger Zankapfel

Bis heute ist dieser kleine Fleck Erde im Nahen Osten höchstbegehrt und -umkämpft. Ethnische und religiöse Spannungen gehören zum Alltag, und der Krieg sowie kollektive Traumata sind zwei der Grundsteine, auf denen das junge Land fußt. Seit seiner modernen Gründung im Jahr 1948 befindet sich Israel in stetigem Konflikt sowohl mit seinen arabischen Nachbarstaaten als auch mit dem Volk der Palästinenser, das ebenfalls Anspruch auf das Land erhebt. Sie lebten in der Region bis 1917 unter der Herrschaft der Osmanen. Der Erste Weltkrieg veränderte jedoch die geopolitische Landschaft im Nahen Osten grundlegend. Großbritannien übernahm die Kontrolle über das heutige Israel und unterstützte die zionistische Bewegung um den aus Wien stammenden Theodor Herzl, der danach strebte, eine jüdische Heimat in Palästina wiederherzustellen. Diese Bewegung erhielt den größten Zulauf während und nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Juden aus ganz Europa vor Holocaust und NS-Herrschaft in Palästina Zuflucht fanden. 1947 stimmten die Vereinten Nationen einem neuen jüdischen Staat in Palästina zu, und 1948 rief David Ben-Gurion als erster Premierminister die Unabhängigkeit Israels aus.

Seitdem ist der Frieden noch nicht in die Region zurückgekehrt. Immer wieder erschüttern Kriege die politische und wirtschaftliche Stabilität aller Beteiligten. Die Vertreibung der Palästinenser aus ihren Heimatdörfern hat zu Flüchtlingscamps geführt, in denen mittlerweile die dritte bis vierte Generation lebt. Die beiden Intifadas brachten seit 1987 immer höhere Trennmauern und eine rigide Sicherheitspolitik mit sich, und für das Schicksal des Gazastreifens ist bislang keine Lösung in Sicht. Je länger man in der Region verweilt, desto komplexer und dichter scheint der unlösbare Knoten zu werden, den man gemeinhin Nahostkonflikt nennt, und desto schwerer wird die Antwort auf die Frage, wem denn nun das Land gehören soll. Man ergeht sich plötzlich nicht mehr in Schwarz-Weiß, sondern in den Grautönen der Realität – und davon gibt es in Israel sehr viele.


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Sonnenaufgang über der Altstadt von Jaffa, dahinter die Skyline des modernen Tel Aviv

Vom Kibbutz zu Hightech

Aufgrund der stetigen Anspannung, die den Alltag unterschwellig durchzieht, passieren viele Dinge in dieser Region oft in rasender Geschwindigkeit. Gerade so, als gäbe es kein Morgen. Die jiddischen Worte wie »macher« oder »kombina« spiegeln bis heute diesen Tatendrang wider. Mit dem arabischen »yallah« spornt man sich gegenseitig rund um die Uhr an. In den 70 Jahren seines Bestehens hat Israel eine rasante Transformation durchlaufen und sich von einer unfruchtbaren Sumpf- und Wüstenlandschaft in eine Hightechnation mit Wolkenkratzersiedlungen, Expresszügen und einer lebhaften Start-up-Kultur verwandelt. Die kollektivistischen Siedlungen der Kibbutzim, die einst die sogenannte »Pionierarbeit« leisteten, sind auf dem Rückzug und wurden ersetzt von einem amerikanisch geprägten Unternehmergeist und einer großen Risikobereitschaft, Neues zu erschaffen und niemals hinterherzuhinken.

ADAC Reiseführer Israel und Palästina

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