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I Florenz, 25. April 1464

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C osimo wurde geschoben und gezerrt, gestoßen und gedrückt. Manchmal schienen seine Füße sogar den Halt zu verlieren, und dann war ihm, als würde er von der Menschenmenge davongetragen. Es war Markttag. Alles, was in Florenz und der Umgebung der Stadt Beine hatte, war herbeigelaufen und drängelte sich nun um die Stände der Händler und Handwerker.

»Wo bleibst du denn?«, rief Cosimos Freund Giacomo. Sein dunkler Lockenkopf tauchte vor ihm aus dem Gewühl auf, um gleich darauf wieder zu verschwinden. »Nun komm schon. Beeil dich!«

»Ich komme ja!«, schrie Cosimo zurück und verwünschte aus tiefster Seele den Einfall, ausgerechnet an diesem Tag den Markt zu besuchen. Wütend riss er einer zahnlosen Alten einen Zipfel seines Hemdes aus den dürren Fingern, verlor dabei das Gleichgewicht und taumelte gegen einen Koloss von Mann. Der revanchierte sich sogleich mit einem Stoß seines Ellbogens. Cosimo schnappte mühsam nach Luft, hielt sich die schmerzenden Rippen und ließ sich weiter über den Marktplatz schieben. Es war ein Inferno. Man konnte meinen, das Jüngste Gericht sei über Florenz hereingebrochen. Verwunderlich war das allerdings kaum, denn für gewöhnlich strömten die Menschen zu jedem Markttag aus allen Himmelsrichtungen in die Stadt. Und dieser Markt heute war etwas ganz Besonderes. Heute war die ganze Welt in Florenz zu Gast. Heute gab es Dinge zu sehen, zu bestaunen und zu kaufen, die sonst selbst in dieser reichen Stadt eine Seltenheit und nur den wahrhaft Wohlhabenden vorbehalten waren. Da gab es köstliche exotisch duftende Gewürze aus dem Orient, die von dunkelhäutigen, in fremdartige bunte Gewänder gehüllten Männern angeboten wurden, deren Augen so schwarz waren wie der Himmel einer Novembernacht. Wenn diese Männer sich bewegten, um auf den feinen Messingwaagen eine Hand voll Pfeffer, ein paar Nelken oder ein Stück von den herrlich duftenden Zimtstangen abzuwiegen, klingelten die schweren silbernen Armreifen an ihren Handgelenken, und hin und wieder sah man sogar an ihren Gürteln den Griff eines Dolches aufblitzen.

Nur ein paar Schritte weiter gab es buntes venezianisches Glas zu bestaunen, das im Sonnenlicht funkelte und strahlte wie kostbare Juwelen. Und dann, wenn man dachte, dass es nichts Besseres auf dieser Welt zu kaufen gäbe als eben diesen oder jenen Kelch aus venezianischem Glas, stieg einem bereits der verführerische Duft saftiger Orangen aus Sizilien in die Nase, die der Händler nebenan zu einer kunstvollen Pyramide aufgetürmt hatte. Ihr Anblick allein ließ bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen.

An einem anderen Stand verkaufte ein mit einem langen Gewand und Turban bekleideter Mann große lebende Vögel, deren herrliches Gefieder blaugrün schimmerte. Cosimo wusste, dass es sich bei diesen seltenen Vögeln um Pfauen handelte. Er hatte schon mal einen gesehen – damals, als sein Vater und sein Onkel ihn auf eine ihrer ausgedehnten Handelsreisen mitgenommen hatten und sie für einige Nächte am Hofe eines Fürsten zu Gast gewesen waren. Doch viele Leute in Florenz sahen diese herrlichen wundersamen Geschöpfe zum ersten Mal. Und so war es nur natürlich, dass um den Vogelhändler besonders viel Gedränge herrschte. Während Cosimo sich von der Menschenmenge weitertreiben ließ wie von der Strömung eines Flusses, entdeckte er sogar einen Stand mit Leinen aus einer Gegend, die so weit im Norden lag, dass noch nicht einmal die Handelsbeziehungen der Familie Medici bis dorthin reichten. Die beiden Händler – ein Mann und eine Frau – waren hochgewachsen und hatten auffallend helle Haut, strahlend blaue Augen und Haare von einer Farbe, dass man meinen konnte, auf ihren Köpfen wüchse Flachs.

Doch Cosimo hatte keine Muße, um alle ausgestellten Waren genau zu betrachten, die gewagten Kunststücke der Seiltänzer und Feuerschlucker zu bewundern oder von den knusprigen Brötchen oder heißen Würsten zu kosten, die umherlaufende Bäcker- und Metzgerburschen an die Leute verkauften. Er und Giacomo waren nicht hier, um das bunte Treiben zu beobachten. Sie hatten ein ganz bestimmtes Ziel.

»Nun komm doch endlich!« Erneut tauchte der Freund aus dem Gewühl vor Cosimo auf, packte ihn am Ärmel und zog ihn mit sich fort. »Wir sind gleich da. Es ist dort drüben.« Im hintersten Winkel des Marktes, fast hinter den Planen der anderen Stände versteckt, stand ein kleines schmuckloses Zelt. Die Plane war aus unscheinbarem gewöhnlichem Tuch gefertigt, dessen Farbe mit den Steinen des Marktplatzes und den Häusern im Hintergrund verschmolz, als wollte es sich verbergen. Man hätte es ohne weiteres übersehen und achtlos an ihm vorübergehen können, wenn nicht die zahlreichen jungen Mädchen und Burschen gewesen wären. Sie schlichen verstohlen aus allen Richtungen hierher und warteten mehr oder weniger geduldig vor dem mit losen Stoffbahnen verhängten Eingang.

Auch Cosimo und Giacomo stellten sich in die Reihe der Wartenden. Sie hatten sich als arme Schustergesellen verkleidet und fielen folglich unter den anderen jungen Männern kaum auf. Trotzdem versuchte Cosimo sich den Anschein zu geben, als hätte ihn lediglich der Zufall in diese Gegend verschlagen und er hätte sich nur aus Langeweile zu seinem Freund gesellt. Die wissenden Blicke der Vorübergehenden ließen ihn bis unter die Haarwurzeln erröten. Sie erweckten den Eindruck, dass jeder Mann und jede Frau in Florenz ganz genau wusste, weshalb er hier stand. Es war eine uralte Tradition. Seit hunderten von Jahren gingen junge Mädchen und Burschen am Markttag zu der Hexe, um sich das Gesicht der oder des Zukünftigen zeigen oder einen Liebeszauber geben zu lassen. Und in so manchem wehmütigen oder amüsierten Lächeln, das Cosimo auffing, schwang die Erinnerung an eigene Erfahrungen mit. Die Anwesenheit der Hexe auf dem Markt wurde von dem Klerus der Stadt natürlich nicht gerade gern gesehen. Doch für gewöhnlich blickte der Bischof voller Gnade und Verständnis darüber hinweg. Die Hexe gehörte seit alters her ebenso zum Markt wie die Gaukler mit ihren Kunststücken. Und doch hatte Cosimo den Verdacht, dass sich mindestens hinter einem der Händler hier in der näheren Umgebung in Wahrheit ein Diener des Bischofs verbarg, der das kleine Zelt und seine Besucher nicht aus den Augen ließ.

Die beiden jungen Mädchen, die vor ihm in der Reihe warteten, kicherten und tuschelten miteinander. Ihrer einfachen, mehrfach geflickten Kleidung und den Hauben auf ihren Köpfen nach zu urteilen waren es Küchenmägde. Die eine hatte unreine, pickelige Haut und schielte ein wenig. Die andere hingegen war recht hübsch. Sie lächelte Cosimo schüchtern zu, und verwirrt wandte er den Blick ab. Hätte das Mädchen geahnt, wer in der geflickten, armseligen Kleidung des Schustergesellen steckte, sie hätte sich ihm ohne Zweifel nur mit gesenktem Blick genähert.

»Der alte Stallknecht im Haus meines Onkels hat mir erzählt, dass schon sein Vater die alte Arianna um Rat gefragt hat. Ihr Zauber soll wirklich sehr stark sein«, flüsterte Giacomo ihm zu. »Wollen wir die Kräuter gleich ausprobieren, wenn wir hier fertig sind? Welche von den beiden willst du haben?«

Er stieß Cosimo in die Seite und grinste. Natürlich, dafür waren sie schließlich hergekommen. Sie wollten mit Hilfe der Zauberkräfte die Herzen der Mädchen betören. Allerdings hatte Cosimo dabei nicht gerade an eine schielende, pickelige Küchenmagd gedacht. Nein, er hatte eher Chiara de Pitti mit ihren langen dunkelbraunen Locken oder Giulia aus dem vornehmen Bankiershaus der Bizzi, die so sanfte, wunderschöne Augen hatte, im Sinn. Oder Giovanna de Pazzi, Giacomos Halbschwester – auch wenn er das aus nahe liegenden Gründen vor seinem Freund niemals zugegeben hätte.

Die beiden Mädchen verschwanden im Zelt der Hexe. Cosimo wurde allmählich nervös. Seine Hände begannen zu zittern, und immer wieder musste er sie an den Beinkleidern abwischen, weil sie plötzlich so feucht waren wie bei seinem Vetter Bernardo mit dem käsigen Gesicht und den hervorstehenden Augen, über den sie sich oft lustig machten. Wenn er nur wüsste, was ihn im Inneren des Zeltes erwartete. Obwohl es eigentlich nicht seine Art war, lauschte er, um wenigstens ein Wort oder ein Geräusch aufzufangen. Doch er hörte nichts. Rein gar nichts. Weder die Stimmen der Mädchen noch eine andere Stimme, noch irgendwelche geheimnisvollen Laute oder Gesänge. Das kleine unscheinbare Zelt mit seinem dichten Vorhang schien die beiden Mägde – und jedes Lebenszeichen von ihnen – förmlich verschluckt zu haben.

Cosimo war so vertieft in düstere Fantasien, in denen er sich das Schicksal der beiden Mädchen ausmalte, dass er vor Schreck zusammenfuhr, als sich der Vorhang plötzlich öffnete und die beiden wieder heraustraten. Sie lachten und unterhielten sich und sahen kaum anders aus als zuvor. Vielleicht waren ihre Wangen ein wenig gerötet, aber das war auch schon alles. Die Schielende warf ihm noch einmal einen koketten, spöttischen Blick zu, dann verschwanden sie zwischen den Marktständen. Gewiss hatte sein Vater Recht, der jede Art von Wahrsagerei und Hexenkünsten einfach als groben Unfug und Geldschneiderei abtat. Dennoch war er aufgeregt. Und zu der Nervosität gesellte sich das herrliche erregende Kribbeln, dass hinter diesen schlichten Stoffbahnen vielleicht doch ein Geheimnis auf ihn warten könnte. Denn tief in seinem Inneren hatte er Zweifel an der Meinung seines Vaters.

»Wollt ihr beide nicht endlich hereinkommen? Bald wird die Sonne untergehen.«

Die Stimme aus dem Inneren des Zeltes klang weder unfreundlich noch gespenstisch, wie man es von einer Hexe erwarten würde. Im Gegenteil. Sie hörte sich so freundlich und einladend an, als wären sie bei einer Tante zu Besuch, die ihnen nun frisches Gebäck anbieten wollte. Oder war die Freundlichkeit etwa nur Tarnung wie in den Geschichten, die man ihnen erzählt hatte, als sie noch kleine Knaben waren? Cosimo und Giacomo sahen sich an und nickten sich gegenseitig aufmunternd zu, bevor sie dann endlich durch den Vorhang schritten und das laute Treiben auf dem Markt hinter sich ließen.

Das Innere war ganz anders, als Cosimo sich das Zelt einer Hexe vorgestellt hatte. Wohl hingen einige Büschel getrockneter Kräuter von den hölzernen Querstangen herab, die das Dach trugen. Auch gab es ein paar mit blauer Farbe gemalte Symbole an den Zeltwänden, die vermutlich den einfachen, des Lesens und Schreibens unkundigen Knechten und Mägden geheimnisvoll und mysteriös erscheinen mochten. In Wahrheit handelte es sich jedoch lediglich um astronomische Symbole und römische Ziffern. Etwa ein halbes Dutzend Kerzen, ganz gewöhnliche Kerzen, wie man sie in jedem Haushalt finden konnte, standen auf zwei niedrigen, als Tische dienenden Holzkisten, und der angenehm frische Duft von Minze und Salbei erfüllte das Zelt. Die »Hexe« hockte auf einem Schemel. Sie trug gewöhnliche Kleidung, keinen Schmuck und hatte weder eine schwarze Katze noch einen Raben bei sich. Ihre langen hellen Haare baumelten in einem dicken geflochtenen Zopf über ihrer Schulter. Wäre sie Cosimo auf der Straße begegnet, er hätte sie ohne Zweifel für eine einfache Bäuerin oder ein Waschweib gehalten. Sie sah überhaupt nicht wie eine Hexe aus. Außerdem war sie viel zu jung. Nach Cosimos Schätzung war sie höchstens ein paar Jahre älter als Giacomo und er selbst.

»Was wollt ihr beide von mir?«, fragte sie.

»Ich ... Ich meine, wir ...«, stammelte Giacomo, der nicht weniger fassungslos über den Anblick zu sein schien als Cosimo.

»Wir wollten mit jemandem ein Geschäft abschließen«, sagte Cosimo, der sich allmählich zu ärgern begann und darüber seinen Mut wiederfand. Er ärgerte sich über die verlorene Zeit, die er vor dem Zelt verbracht hatte, seine eigene Dummheit, seine lächerliche Nervosität. Im Stillen pflichtete er seinem Vater bei. Es gab keine Magie auf Gottes Erdboden. »Doch wie mir scheint, sind wir im falschen Zelt. Wir bitten unser Eindringen zu verzeihen und empfehlen uns.«

»Falsches Zelt?« Das Lachen der Frau erklang glockenhell. »O nein, meine jungen Freunde, hier seid ihr genau richtig. Die Hexe, mit der ihr zweifelsohne euer Geschäft abschließen wolltet, das bin ich. Ich bin Arianna. Und das, was euch in diesem Augenblick irritieren mag wie das Fehlen von getrockneten Fledermausflügeln, fetten Spinnen, giftigen Kröten oder des Gestanks geheimnisvoller Zaubertränke, sind nur Äußerlichkeiten. Äußerlichkeiten jedoch sind veränderlich, sie sind Täuschung, vielleicht sogar nichts als Illusionen, euren eigenen Fantasien entsprungen. Äußerlichkeiten verraten nie etwas über das Innere, das wahre Wesen – oder über Macht. Deshalb sollte man Äußerlichkeiten auch keine allzu große Beachtung schenken. Schaut nur euch beide an. Wer euch begegnet, sieht zwei arme Schustergesellen vor sich. Doch ebenso könntet ihr euch verkleidet haben, um alle jene Gemüter zu täuschen, die zu schlicht und zu oberflächlich sind, um hinter die Fassade zu blicken.«

Sie lachte wieder, und Cosimo wurde feuerrot im Gesicht. Er hatte den Eindruck, die Frau hatte sie durchschaut und wusste– woher auch immer -, wer sie wirklich waren.

»Nun also nochmals – warum seid ihr zwei hier? Oder wollt ihr, dass ich es errate?« Ihre braunen Augen funkelten belustigt, als sie zuerst Giacomo und dann Cosimo ansah. »Ihr seid gekommen, um mich um einen Liebeszauber zu bitten?«

Beide nickten wie zwei Schuljungen vor ihrem strengen Lehrer. Doch die Frau schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte sie, und Cosimo glaubte, er hätte sich verhört. Aber ein Blick in das verblüffte, beinahe bestürzte Gesicht seines Freundes belehrte ihn eines Besseren.

»Nein?«, fragte Giacomo, und in seiner Stimme schwang deutlich ein zorniger Unterton mit. »Aber warum ...«

»Weil ihr beide keinen Liebeszauber braucht. Das wäre euer wahrlich unwürdig.« Sie lachte wie über einen Scherz und schüttelte wieder den Kopf. »Kommt näher heran, ich will es euch erklären. Ihr beide seid Männer aus den vornehmsten Familien der Stadt. Ihr seid gesegnet mit Jugend, Schönheit und Reichtum. Euer Liebeszauber ist euer Name. Einen wirksameren könnte auch ich euch nicht geben.«

»So sind wir also vergeblich zu dir gekommen?«, fragte Cosimo. Er war enttäuscht, mehr noch, er fühlte sich verraten und betrogen. Dabei wusste er nicht einmal, was er eigentlich erwartet hatte.

»Nein«, antwortete sie. Und diesmal lächelte sie nicht. »Ich könnte euch stattdessen etwas anderes anbieten. Es handelt sich um ein Geheimnis. Ein Geheimnis, großartiger, kostbarer und fantastischer als alles, wovon ihr jemals gehört habt. Doch ich weiß nicht ...«

Sie zögerte.

»Was ist?«, drängte Giacomo. »So sprich doch endlich weiter.«

»Ich weiß nicht, ob ihr genügend Mut und Stärke aufbringt, um ...« Sie brach erneut ab und schüttelte den Kopf. »Nein, ich darf es euch nicht sagen. Ihr seid noch zu jung. Ich fürchte, ihr würdet die Prüfungen nicht bestehen, die auf euch warten. Es wäre viel zu gefährlich – für euch und für alle.« Cosimo und Giacomo sahen sich an. Und in diesem Augenblick stand fest, dass dies genau das war, was sie gesucht hatten. Ein Geheimnis. Drohende Gefahr. Den Beweis von Mut und Stärke. Cosimos Hände vibrierten vor innerer Erregung, und Giacomo fuhr sich aufgeregt durch seine dichten dunklen Locken.

»Wir sind mutig«, erklärte er mit bebender Stimme. »Und wir sind stark. Wir sind bereit, jede Prüfung zu bestehen, die uns auferlegt wird.«

»Genau«, stimmte Cosimo seinem Freund zu und wäre ohne mit der Wimper zu zucken auf der Stelle und nur mit einem Schwert bewaffnet bis ans Ende der Welt geritten, um dort jedes Ungeheuer zu töten, dass sich ihm in den Weg stellen würde, und sei es noch so furchterregend.

Die Frau sah von einem zum anderen. Sie runzelte die Stirn, dachte nach, während die beiden Freunde, eingespannt zwischen den beiden Schraubzwingen Neugierde und Hoffnung, zitternd vor Ungeduld auf ihre nächsten Worte warteten.

»Heute seid ihr mutig. Heute seid ihr von Tatendrang erfüllt. Allerdings scheint jetzt die Sonne, und die Freundlichkeit und Milde des Tageslichts vertreiben selbst den dunkelsten Nachtmahr. Doch was wird sein, wenn die Schatten der Dunkelheit aus ihren Winkeln hervorgekrochen kommen und Zweifel und Angst – die beiden schrecklichen Schwestern der Nacht – euch mit ihren eisigen Klauen packen? Werdet ihr dann immer noch genügend Mut aufbringen?« Sie atmete tief ein, legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander und schloss die Augen, als ob sie beten würde. Oder vielleicht hielt sie auch mit irgendeinem unsichtbaren Wesen aus der Unterwelt Zwiesprache. Cosimo wagte kaum sich zu rühren.

Endlich, nachdem eine Ewigkeit verstrichen war, öffnete sie die Augen wieder.

»Also gut. Ich werde euch eine Bedenkzeit geben. Prüft eure Herzen, ob ihr wirklich bereit seid, das Geheimnis in Empfang zu nehmen. Solltet ihr euch dazu entschließen, so kommt morgen zur Mittagszeit, wenn die Kirchenglocken zu Ehren der Verkündigung des Herrn läuten, nach San Miniato al Monte. Ich werde euch bei dem Wäldchen, das unterhalb des Klosters liegt, erwarten, um euch in der Stille und Abgeschiedenheit des Ortes fern von neugierigen Ohren das Geheimnis mitzuteilen. Doch bedenkt: Das, was ich euch anvertrauen will, ist gefährlich. Niemand wird euch zürnen, falls ihr euch anders entscheiden solltet.«

»Wir werden uns nicht anders entscheiden«, versicherte Giacomo eifrig. »Wir werden morgen zur verabredeten Stunde in San Miniato al Monte sein. Darauf kannst du dich verlassen.«

»Wir werden sehen«, erwiderte die Frau mit mildem Lächeln. »Geht jetzt. Vor dem Zelt warten noch mehr junge Burschen und Mädchen auf meinen Rat.«

Sie wandten sich zum Gehen. Cosimo schob den Vorhang zur Seite und ließ Giacomo an sich vorbei ins Freie treten, als ihm ein Gedanke kam. Er wandte sich noch einmal zu der Frau um.

»Was verlangst du eigentlich dafür, dass du uns das Geheimnis nennst?«

»Auch das werdet ihr morgen erfahren, vorausgesetzt, dass ich euch an der verabredeten Stelle treffe.«

»Du glaubst nicht, dass wir den Mut aufbringen. Doch ich sage dir, du irrst dich.«

»Wir werden sehen.«

Cosimo wandte sich um und verließ das Zelt. Er konnte dieses milde Lächeln der Frau nicht mehr ertragen. /

Verschwörung in Florenz

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